MaxThrax’s review published on Letterboxd:
Achtung, kann Spuren von Spoilern enthalten.
Es kracht und dröhnt und wummert in Christopher Nolans OPPENHEIMER. Der neueste Film des umstrittenen Regisseurs hat eine Geräuschkulisse, die eines Actionfilms würdig ist. Doch abgesehen von einigen wenigen (Atom-)Explosionen wird vor allem geredet - im Labor, in der Uni, in Senatsanhörungen.
Dabei verfolgen wir das Leben Oppenheimers vom Studenten über das Manhattan-Projekt bis in die Nachkriegszeit und den dazugehörigen politischen Verstrickungen. Doch Nolan wäre nicht Nolan, wenn er dies einfach chronologisch erzählen würde. Stattdessen werden hier mal wieder munter die Zeitebenen durcheinandergewürfelt. In welcher Abfolge die Zeitebenen stehen, wir teils erst nach und nach klar, denn Nolan springt recht wirr hin und her, ohne dass sich der Sinn einzelner Sprünge jedes Mal erschließt. Dabei verhandelt der Film vier Themen: Die Entwicklung der Bombe, Oppenheimers Privatleben, der Vorwurf des Kommunismus gegen ihn und sein moralisches Dilemma.
Das Problem an OPPENHEIMER ist, dass sich durch Nolans zerhackstückelte Erzählweise nur selten kohärente Erzählstränge ergeben und vieles nur kurz angeschnitten wird. Insbesondere Oppenheimers Privatleben wird nur angerissen; seine Frau zum Beispiel ist plötzlich da.
Zu Beginn stört die Erzählweise noch nicht so sehr, doch nach und nach stellte sich bei mir das Gefühl ein, dass Nolan seinen Plot durch eine komplizierte Erzählweise aufpumpen will - ohne dass er dadurch besser wird. Wirklich gut ist OPPENHEIMER nämlich dann, wenn er das Zeitgespringe sein lässt und über längere Passagen zusammenhängende Abschnitte erzählt. Die Vorbereitungen zum ersten Atombombentest sind zum Beispiel großartig inszeniert und es kommt Spannung auf, obwohl man ja weiß, was passiert. Und auch die Wissenschaftserklärpassagen im ersten Teil des Films sind wunderbar.
Nach dem großen Bumm folgt ein erzählerischer Bruch - für den Rest des Films steht Oppenheimers Nachkriegszeit mitsamt der Beschuldigungen der kommunistischen Umtriebe im Zentrum, was aber auch schon vorher immer wieder angeschnitten wurde. Meiner Meinung nach hat Nolan hier den falschen Fokus gesetzt. Viel interessanter wäre es gewesen, die Gedankenwelt des Physikers weiter zu erkunden, was er von seiner den hundertausendfachen Tod bringenden Erfindung hielt. Dies wird zwar thematisiert, doch schafft es der Film nicht, uns das Innenleben der Figur Oppenheimer näher zu bringen. Allzuviel erfahren wir nicht über den Menschen Oppenheimer. Die Politikstory dagegen ist zwar nicht uninteressant, bietet im Endeffekt aber nicht sehr viel. Gar nichts erfahren wir über die Opfer der Schöpfung Oppenheimers; die Atombombenabwürfe werden nur erwähnt, nicht gezeigt.
Schuld sind daran aber keineswegs die Darsteller. Cillian Murphy macht seine Rolle großartig. Robert Downey Jr. zeigt, dass er auch noch was anderes als Iron Man kann. Matt Damon gibt eine gute Generalsperformance und auch kleinere Nebenrollen sind sehr gut besetzt (bis auf Matthias Schweighöfer vielleicht - für mich ist er inzwischen der Möbelhauswerbungsmann und nicht Heisenberg).
Auch visuell gibt es wenig auszusetzen, die Bilder und Ausstattung sind wunderschön.
Anders hingegen der Ton: Wie schon gesagt, kracht und dröhnt und wummert es gewaltig. Manchmal (beim Erzählstrang zur Entwicklung der Bombe) passt es und verdeutlicht zusammen mit den Bildern die Macht der Bombe. Doch ballert der Ton in allen Erzählsträngen und Zeitebenen; Dinge, die eigentlich nicht sehr spektakulär sind, werden mit einer gewaltigen Soundkulisse untermalt. Auch hier hat man das Gefühl, Nolan würde seinen eigentlich simplen Plot mit audiovisuellem Firlefanz aufpumpen wollen.
Insgesamt fällt ein Fazit schwer: Nolans Effektgewitter kann in einigen Szenen wirklich mitreißen und der Zeitebenenenmix sorgt für eine gewisse Spannung. Der Film schafft es, dieses Kapitel der US-Geschichte näher zu bringen, dass wirklich spannend ist. Aber gerade im Schlussteil, wo es nur noch zwei Ebenen gibt, wirkt das Hinundhergehüpfe unnötig und aufgesetzt. Es ist ein altbekanntes Nolan-Problem: Einen Plot durch Zeitwirtwarr künstlich verkomplizieren und damit intelligenter wirken zu lassen als er eigentlich ist. Insbesondere im letzten Teil des Films merkt man ihm die Länge an. Der Film hätte deutlich kürzer und damit deutlich besser sein können, wenn er sich thematisch stärker fokussiert hätte. Nolan will alles über Oppenheimer erzählen, doch erfährt man am Ende wenig über ihn.