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Zum Mai 1891

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
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Titel: Zum Mai 1891.
Untertitel: Mai-Festzeitung der Sozialdemokratie
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Herausgeber: Buchhandlung Vorwärts
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Paul Singer
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Scan
Kurzbeschreibung:
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Zum Mai 1891.

     Ihr zwingt uns, ungezählte Tage,
Mit Euch als heilig zu begeh’n,
Obwohl wir Eurer frommen Sage
Entfremdet gegenübersteh’n,

5
Obwohl man in den düstern Mienen

Des Herzens Meinung lesen mag ―
So laßt nun auch den Arbeitsbienen
Den einen eignen Feiertag!

     Wir müssen ruh’n zum Ruhm von Tagen,

10
An denen das Geschütz gebrüllt,

Indeß das Angesicht mit Klagen
Der Menschheit Genius verhüllt;
Uns lassen kalt die hohen Masten,
Geschmückt mit Grün aus stillem Hag ―

15
So laßt das Volk der Arbeit rasten

An seinem eignen Feiertag!

     Dem Lenz soll unsre Feier gelten,
Der überall sein Banner schwingt,
Dem Lenz, dem unter grünen Zelten

20
Ihr bestes Lied die Drossel singt;

Sie gilt dem heil’gen, sichern Frieden,
In welchem Volk an Volk sich schmiegt,
Und der erst dann der Welt beschieden,
Wenn uns’re Sache obgesiegt.

25
     Es sollen sich als Brüder fühlen

Die Massen, die mit fleiß’ger Hand
Geschäftig durcheinander wühlen
Vom Fels zum Meer in jedem Land,
Und ob der Bruder-Sprache Klingen

30
Verwandtes noch so fremd benennt,

Sie sollen lächelnd überspringen
Den bunten Schlagbaum, der sie trennt.

     Es geht durch Millionen Herzen
Der Trost an diesem Maientag,

35
Daß ihre schwersten, herbsten Schmerzen

Man heben kann mit einem Schlag,
Daß, wenn der Arbeitstag gebunden,
Wie es den Schaffenden gebührt,
Damit der sich’re Weg gefunden,

40
Der aus der Nacht zum Lichte führt.


     Wir wollen gern und freudig schaffen
Und fordern keine Schlemmerkost,
Doch in der Mühsal frißt die Waffen
Des Geistes unvermerkt der Rost.

45
Das ist der Schmerz der Arbeitsbienen

Und ihre Seele ruft in Pein:
Wir waren lang genug Maschinen,
Wir wollen endlich Menschen sein!

     Und wenn sie zehnmal ab es schlügen

50
In Trotz und Ungeduld und Hohn ―

Den Tag, an dem sie stumm sich fügen,
Erlebt das Volk der Arbeit schon.
Da wir vor allen Menschenrechten
Das heiligste in Kampf und Noth

55
Mit ungebeugten Sinn verfechten,

So sind wir stärker als der Tod!
                                        R.L.