Verbundnetz

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Als Verbundnetz werden räumlich große elektrisch verbundene Stromnetze bezeichnet, welche sich der Hochspannungs-Drehstrom-Übertragung (HDÜ) zur Übertragung der elektrischen Energie bedienen und die viele Kraftwerke und Verbraucher umfassen. Sie stellen den Gegenpol zu den räumlich und im Umfang kleineren Inselnetzen dar.

Durch ein Verbundnetz ergeben sich Vorteile wie:

  • der lokale Unterschied zwischen Angebot und Nachfrage von Momentanleistung kann innerhalb des Verbundnetzes besser ausgeglichen werden, es muss bezogen auf die gesamte installierte Leistung weniger Regelleistung vorgehalten werden
  • das Energiesystem wird stabiler, da eine bestimmte Regelstrategie verfolgt wird und so Über- und Unterkapazitäten abgefangen werden bzw. sich ausgleichen können
  • durch Leistungsaustausch können Lastschwankungen kurzfristig besser ausgeregelt werden als nur durch Regelung der Kraftwerke und
  • die Zuverlässigkeit des Netzes wird gesteigert.

Der Nachteil ist der im Umfang gesteigerte Aufwand für die Koordination und Regelung des gesamten Verbundes.

Farblich markierte Bereiche größerer synchroner Verbundnetze. Das zentraleuropäische Verbundnetz ist in Dunkelgrün und umfasst auch Regionen aus Asien und Afrika

Historisch sind Verbundnetze im Rahmen der Elektrifizierung Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts durch den laufenden Zusammenschluss von einzelnen kleineren Inselnetzen hervorgegangen. Wurden diese ersten Inselnetze meist noch mit Gleichspannung betrieben, erfolgte im Rahmen des Aufbaues von Verbundnetzen auch die Umstellung auf Dreiphasenwechselspannung, da damit bei gleicher Übertragungsleistung ein geringerer Materialeinsatz nötig ist und Vorteile wie die gezielte Steuerung von Leistungsflüssen in Maschennetze möglich sind. Technisch stellen Verbundnetze große Maschennetze mit einer Vielzahl von Knoten und Maschen dar.

Elektrische Verbundnetze, die mit Dreiphasenwechselspannung betrieben werden, sind dadurch gekennzeichnet, dass alle Erzeuger in den angeschlossenen Stromnetzen synchron, d. h. mit definierter Phasenlage und folglich identischer Netzfrequenz arbeiten. Dadurch können sie direkt elektrisch zusammengeschaltet werden. Würde ein Erzeuger von der Phasenlage abweichen, so käme es zwischen ihm und dem Netz zu größeren Ausgleichsströmen, die in der Auswirkung mit elektrischen Kurzschlüssen vergleichbar sind.

Sind Stromnetze nicht miteinander synchronisierbar, beispielsweise weil die dazu nötige Regelungstechnik in den Kraftwerken und in der Leitebene in Form von Datennetzen fehlt, kann der elektrische Energieaustausch zwischen diesen Stromnetzen nur in kleinerem Umfang und mit hohem Aufwand beispielsweise durch Leistungselektronik wie Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) bzw. durch HGÜ-Kurzkupplungen erfolgen. Weitere Möglichkeiten im kleineren Rahmen sind der Einsatz von Umformern bzw. Frequenzumformern, bestehend aus einem mechanischen Zusammenschluss von zwei rotierenden elektrischen Maschinen.

In Deutschland war die in den 1920er Jahren gebaute Nord-Süd-Leitung einer der ersten Schritte hin zu einem Verbundnetz. Während des Zweiten Weltkriegs begann RWE damit, Hochspannungsleitungen nach Belgien, in die Niederlande und nach Frankreich zu errichten und schuf damit die ersten Teile für das spätere europäische Verbundnetz.[1]

  • South-Western Mediterranean Block (SWMB): Zum Verbundnetz des SWMB gehören die Stromnetze von Algerien, Marokko und Tunesien.[2] Das SWMB ist seit 1997 mit dem europäischen Verbundsystem synchronisiert, als ein erstes Drehstrom-Seekabel (400 kV, 700 MW) von Spanien aus verlegt wurde. 2006 folgte ein weiteres Seekabel mit derselben Leistung, so dass die Übertragungskapazität zwischen Spanien und Marokko jetzt bei 1.400 MW liegt.[3] (siehe auch COMELEC)
  • West African Power Pool (WAPP): Das Ziel des WAPP ist es, die Stromnetze der 15 Länder des westlichen Afrikas, die sich im ECOWAS zusammengeschlossen haben, in einem Verbundnetz zu vereinen. Mit Stand Juni 2015 sind aber erst die Stromnetze weniger Länder miteinander verknüpft. Neben dem Ausbau der Stromerzeugung hat daher der Bau von Übertragungsleitungen hohe Priorität.[4][5]
  • Southern African Power Pool (SAPP): Zum Verbundnetz des SAPP gehören die Stromnetze von 9 der 12 Länder des südlichen Afrikas, die sich im SAPP zusammengeschlossen haben.
Verbundnetze in Nordamerika

In den USA und Kanada gibt es vier Verbundnetze, die alle mit derselben Netzfrequenz von 60 Hz arbeiten. Sie sind nicht miteinander synchronisiert, aber durch HGÜ miteinander verbunden.

In Mexiko betreibt die staatliche CFE ein nationales Verbundnetz. Baja California Sur ist zurzeit (Juni 2015) nicht mit dem Rest Mexikos verbunden.[6] Es bestehen Verbindungen zur Western Interconnection (synchronisiert) als auch zur Texas Interconnection (asynchron).[7] Darüber hinaus ist Mexiko mit dem zentralamerikanischen SIEPAC verbunden.

Mittel- und Südamerika

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Mittelamerika gibt es SIEPAC, ein Verbundnetz zwischen sechs Staaten.

Die Länder Südamerikas betreiben entweder nationale Verbundnetze wie z. B. Brasilien, oder aber es existieren in einem Land mehrere, nicht miteinander verbundene Stromnetze wie z. B. in Chile:

  • Brasilien: Das Sistema Interligado Nacional (SIN) wird vom Operador Nacional do Sistema Elétrico (ONS) betrieben. Mit Ausnahme einiger Inselnetze im Amazonasgebiet umfasst das SIN ganz Brasilien.[8][9]
  • Chile: siehe Verbundnetz (Chile)
Verbundnetze in Japan

In China gibt es verschiedene Verbundnetze.[10] Betreiber sind z. B. die State Grid Corporation und die China Southern Power Grid.

In Indien gibt es ein landesweites Verbundnetz, das von der Power Grid Corporation of India unter dem Motto One Nation, One Grid, One frequency betrieben wird. Ursprünglich gab es fünf regionale Netze, die zunächst durch HGÜ miteinander verbunden waren. Beginnend in den 1990er Jahren wurden die Netze dann sukzessive synchronisiert. Im Dezember 2013 wurde das letzte Regionalnetz mit dem landesweiten Verbundnetz zusammengeschlossen.[11][12]

In Japan gibt es ein westliches und ein östliches Verbundnetz. Das Besondere an Japan ist, dass das östliche Verbundnetz mit 50 Hz und das westliche mit 60 Hz arbeitet.[13] Die beiden Verbundnetze sind durch HGÜ miteinander verbunden. Es gibt zehn Stromversorger, die Gebietsmonopolisten sind – siehe Denki Jigyō Rengōkai.

  • GCC Interconnection Authority (GCCIA): Die sechs Staaten des GCC haben 2001 die GCCIA gegründet, um ihre nationalen Stromnetze zu verbinden.[14] Eine Synchronisation ist aber nicht möglich, da das Stromnetz in Saudi-Arabien mit 60 Hz und die Netze der übrigen Staaten mit 50 Hz arbeiten. Deshalb wurden 2011 in einem ersten Schritt die Netze von Bahrain, Katar und Kuwait über HGÜ mit dem Netz in Saudi-Arabien verbunden.[15] Bei einer Spitzenlast von 93.781 MW konnte die installierte Leistung von 105.781 MW auf 100.726 MW verringert werden, d. h. die vorzuhaltende Reservekapazität konnte von 12.085 auf 6.945 MW nahezu halbiert werden.[16]
  • South-Eastern Mediterranean Block (SEMB): Zum Verbundnetz des SEMB gehören die Stromnetze von Ägypten, Jordanien, Libanon, Libyen und Syrien.[17]

In Australien gibt es das Verbundnetz National Electricity Market (NEM) sowie, aufgrund der Entfernungen und geringen Bevölkerungsdichte, zahlreiche Inselnetze. Das NEM deckt Teile der Bundesstaaten New South Wales, Queensland, South Australia, Tasmanien und Victoria ab.[18][19] Im Bundesstaat Western Australia wird das Stromnetz South West Interconnected Network (SWIN) von Western Power betrieben.[20]

Verbundnetze in Europa

In Europa gibt es die folgenden Verbundnetze, die alle mit 50 Hz arbeiten:

Zwischen diesen Netzen bestehen folgende Verbindungen:

Innerhalb der europäischen Verbundnetze wird zwischen den Ländern Strom ausgetauscht. Im Jahr 2018 importierten bzw. exportierten die europäischen Länder folgende Strommengen (alle Angaben in Mrd. kWh):[21]

Land Import Export Saldo
Osterreich Österreich 29,393 19,057 10,336
Belgien Belgien 21,650 4,313 17,338
Bulgarien Bulgarien 2,220 10,029 −7,809
Schweiz Schweiz 30,420 31,693 −1,274
Tschechien Tschechien 11,562 24,453 −13,891
Deutschland Deutschland 31,542 82,673 −51,131
Danemark Dänemark 15,606 10,413 5,193
Spanien Spanien 24,014 12,910 11,104
Finnland Finnland 23,397 3,459 19,938
Frankreich Frankreich 13,466 76,020 −62,554
Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich 22,662 2,189 20,473
Griechenland Griechenland 8,552 2,265 6,288
Italien Italien 47,169 3,268 43,902
Niederlande Niederlande 26,818 18,569 8,223
Norwegen Norwegen 8,085 17,954 −9,869
Polen Polen 13,839 8,121 5,718
Portugal Portugal 5,669 8,324 −2,655
Schweden Schweden 14,234 31,561 −17,328

Die beiden größten Stromexporteure waren Frankreich und Deutschland; der größte Importeur war Italien.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick zu den wichtigsten Kennziffern einiger Verbundnetze:

Verbundnetz Installierte Leistung (GW) Spitzenlast (GW) Jahresverbrauch (TWh) Bevölkerung Übertragungsnetzbetreiber Länder
ATSOI/UKTSOA 85 66 400 65
IPS/UPS 337 215 1.285 280
NORDEL[22] 92,8 66 402,6 24
SAPP[23] 58,4 9
SEMB[17] 35,3 29,2 142,6 5
SWMB[2] 15,9 11,6 55,6 3
EV[24] 587 405 2.611 450 33 23

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Chronik 1931-1945. RWE, abgerufen am 15. Juni 2015.
  2. a b EURELECTRIC, 2007, S. 27–28
  3. MedRing: Building an interconnected system across three continents. Global Transmission Report, 2. März 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. September 2015; abgerufen am 15. Juni 2015 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.globaltransmission.info
  4. South Asia Regional Workshop on Competitive Electricity Markets Colombo, SriLanka: March 18, 2014. (PDF 5,8 MB, S. 8, 17, 28–29, 36) www.usea.org, abgerufen am 22. Juni 2015 (englisch).
  5. West Africa Power Pool. Global Energy Network Institute (GENI), abgerufen am 22. Juni 2015 (englisch).
  6. Estiman integración de BCS al sistema eléctrico…en 2018. www.elfinanciero.com.mx, 18. September 2014, abgerufen am 15. Juni 2015 (spanisch).
  7. TransAmerica Interconnections. tdworld.com, 1. Dezember 2011, abgerufen am 15. Juni 2015 (englisch).
  8. O que é o SIN - Sistema Interligado Nacional. Operador Nacional do Sistema Elétrico (ONS), archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. April 2015; abgerufen am 15. Juni 2015 (portugiesisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ons.org.br
  9. O ONS. ONS, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Juni 2015; abgerufen am 15. Juni 2015 (portugiesisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ons.org.br
  10. Sketch map of national power networks. GENI, abgerufen am 15. Juni 2015 (englisch).
  11. One Nation-One Grid. Power Grid Corporation of India, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 26. Februar 2017; abgerufen am 22. Juni 2015 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.powergridindia.com
  12. Power Grid Regions of India. www.mapsofindia.com, abgerufen am 22. Juni 2015 (englisch).
  13. Ten Electric Power Companies as Responsible Suppliers of Electricity. Denki Jigyō Rengōkai (FEPC), abgerufen am 15. Juni 2015 (englisch).
  14. Company Profile. GCCIA, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. Mai 2015; abgerufen am 15. Juni 2015 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gccia.com.sa
  15. GCCIA Phase 1 Making interconnection in the Gulf a reality. (PDF 4,5 MB, S. 2) Alstom, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 28. Januar 2015; abgerufen am 15. Juni 2015 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.alstom.com
  16. GCC interconnection Grid. GCCIA, S. 14, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 15. Juni 2015 (englisch).@1@2Vorlage:Toter Link/www.eugcc-cleanergy.net (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  17. a b Eurelectric, 2007, S. 26–27
  18. About Us. www.gridaustralia.com.au, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. Dezember 2014; abgerufen am 15. Juni 2015 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gridaustralia.com.au
  19. NEM: The National Electricity Market. www.originenergy.com.au, abgerufen am 15. Juni 2015 (englisch).
  20. About us. Western Power, abgerufen am 15. Juni 2015 (englisch).
  21. Entsoe Powerfacts Europe. (PDF) ENTSO-E, 1. November 2019, S. 50, abgerufen am 10. Mai 2021 (englisch).
  22. Eurelectric S. 14–17
  23. ANNUAL REPORT 2014. (PDF 33,6 MB, S. 4 (3), 40 (39), 73 (72)) SAPP, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. Juni 2015; abgerufen am 18. Juni 2015 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sapp.co.zw
  24. Eurelectric, 2007, S. 11–13