Unitarische Kirche Siebenbürgen

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Unitarierkirche in Şimoneşti
Ein um eine weiße Taube geschlungener Ouroboros (Selbstverzehrer), unter Bezug auf Matt. 10,16 und die langanhaltende Verfolgungszeit, ist ein oft verwendetes Symbol der ungarisch-siebenbürgischen Unitarier

Die Unitarische Kirche Siebenbürgen (ungarisch: Erdélyi Unitárius Egyház, rumänisch: Biserica Unitariană din Transilvania) ist eine unitarische Kirche im heute rumänischen Siebenbürgen. Die Kirche wurde bereits 1568 gegründet und ist mehrheitlich ungarisch geprägt. Die siebenbürgischen Unitarier sind Gründungsmitglied des Internationalen Rates der Unitarier und Universalisten.

Die Reformation in Siebenbürgen war in den ersten Jahren vor allem lutherisch geprägt. Als bedeutender Reformator kann Johannes Honterus genannt werden, der 1542 in Kronstadt die lutherische Reformation einführte. Später gewannen reformierte Positionen an Einfluss. Erst mit Giorgio Biandrata und Franz Davidis verbreiteten sich antitrinitarische Ideen. Im Januar 1566 hielt Davidis eine erste antitrinitarische Predigt in der Klausenburger Michaelskirche, die bis 1716 eine der Hauptkirchen der siebenbürgischen Unitarier bleiben sollte. Mit dem Edikt von Torda im Jahr 1568 wurden die Unitarier zusammen mit den übrigen reformatorischen Konfessionen und den Katholiken formell vom Siebenbürgischen Landtag als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft anerkannt. Unitarische Gemeinden bildeten sich damals vor allem im ungarisch geprägten Szeklerland. Die siebenbürgischen Unitarier hatten zeitweise großen Einfluss. Als Beispiel kann die Konversion des ungarischen Königs Johann Sigismund Zápolya genannt werden. In den wesentlichen Punkten glichen die Positionen der Unitarier in Ungarn und Siebenbürgen denen der Polnischen Brüder in Polen und Litauen. Jedoch waren die polnischen Unitarier noch stärker von der radikal-reformatorischen Täuferbewegung beeinflusst, was sich unter anderem in deren Ablehnung des Militärdienstes zeigte. Nach der Vertreibung der polnisch-litauischen Brüder durch die katholische Gegenreformation Mitte des 17. Jahrhunderts schloss sich ein Teil von ihnen als Exilanten den siebenbürgischen Unitariern an.

Aus dem innerkirchlichen Disput um den Nonadorantismus (≈ Nichtanbetung Jesu) kam es am Ende des 16. Jahrhunderts zur Abspaltung der Sabbatarier, die den Sabbat anstelle des Sonntags feierten und sich später dem Judentum annäherten. Im Jahr 1782 wurde die unitarische Bekenntnisschrift Summa Universae Theologiae Christianae secundum Unitarios herausgegeben, die die Hauptpunkte des unitarischen Glaubens zusammenfassen sollte. Nach dem Anschluss Siebenbürgens an Rumänien entstand 1933 auch eine erste unitarische Gemeinde in Bukarest.

Die Unitarier in Siebenbürgen sind heute eine von achtzehn anerkannten Religionsgemeinschaften in Rumänien. Die Mitgliederzahl liegt bei etwa 80.000. Es bestehen fünf Dekanate (Seniorate) mit zusammen etwa 125 Gemeinden, welche sich vor allem in und um Klausenburg und im Szeklerland befinden. Sitz der Superintendentur ist Klausenburg.[1] Hier betreiben die Unitarier auch ein bereits 1557 gegründetes und nach dem ersten Fürsten Siebenbürgens Johann Sigismund Zápolya benanntes Gymnasium (János Zsigmond Unitárius Kollégium).[2] Ebenfalls in Klausenburg befindet sich die gemeinsam mit Reformierten und Lutheranern genutzte Protestantisch-Theologische Hochschule.[3] Zu den unitarischen Kirchengebäuden in Siebenbürgen zählt auch die Kirchenburg Dersch, die 1999 von der UNESCO zusammen mit sechs weiteren siebenbürgischen Kirchenburgen zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Die Unitarische Kirche Siebenbürgen umfasste bis 1948/1971 auch die unitarischen Gemeinden in Ungarn. Seit 2010 sind diese wieder mit der Kirche in Siebenbürgen verbunden.

Vom Theologen József Ferencz wurde 1864 ein Unitarischer Katechismus verfasst, der die Theologie der siebenbürgischen und ungarischen Unitarier zusammenfassen sollte und inzwischen in einer überarbeiteten Ausgabe aus dem Jahr 1991 vorliegt.[4] Von der Struktur ist der Katechismus dialogisch aufgebaut und folgt mit 136 Fragen einem klassischen Typus eines Frage-Antwort-Katechismus.

Der Katechismus betont schon zu Beginn den Stellenwert von Liebe und Vernunft. Auch der Freie Wille wird hervorgehoben (Frage 51). Gott selbst wird als Geist und Liebe verstanden (Frage 32), das Bilderverbot aus dem Alten Testament wird bekräftigt (Frage 33). Jesus Christus wird als Mensch verstanden (Frage 72), die Vorstellung einer Trinität somit verworfen. Auch der Heilige Geist wird nicht als Person, sondern ausschließlich als Kraft verstanden (Frage 88). Die Vorstellung einer Erbsünde wird ebenso abgelehnt (Frage 107). Als Zeremonien (Sakramente) werden wie in den anderen evangelischen Kirchen die Taufe und das Abendmahl genannt (Frage 115). In Hinblick auf die Taufe wird im Sinne eines christlichen Spiritualismus betont, dass sie einen als äußere Handlung selbst nicht zum Christen macht. Entscheidend ist vielmehr der Glaube selbst. Dennoch wird (anders als zum Beispiel bei einem Großteil der früheren polnisch-litauischen Unitarier) an der Kindertaufe festgehalten, da Jesus selbst keine bevorzugte Zeit für die Taufe hinterlassen habe (Frage 119). Der Taufe folgt später eine Konfirmation (Frage 123). Das Abendmahl wird als reine Erinnerungsfeier begangen (Frage 125), die viermal im Jahr stattfinden soll (Frage 134). Die Vorstellung einer Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi (Transsubstantiation), wie sie die Katholische Kirche lehrt, wird abgelehnt. Brot und Wein werden stattdessen als Versinnbildlichungen bzw. Symbole verstanden (Frage 129).

Theologisch stehen die siebenbürgischen Unitarier in Teilen den Remonstranten (Freier Wille, Vernunftsglaube), den Reformierten (Bilderverbot, symbolhaftes Abendmahlsverständnis) und den Täufern (Freier Wille, symbolhaftes Abendmahlsverständnis, Betonung des Bekenntnisses) nahe. Die siebenbürgischen Unitarier müssen als christliche Kirche von den im 19. und 20. Jahrhundert entstandenen humanistischen Unitariern abgegrenzt werden.

Einzelnachweise

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  1. Siebenbürgen. In: Horst Robert Balz, Gerhard Krause und Gerhard Müller (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie. Band 31. Berlin 2000, S. 250 ff.
  2. János Zsigmond Unitárius Kollégium
  3. Institutul Teologic Protestant Cluj
  4. József Ferencz: Unitarischer Katechismus. (PDF; 640 KB)