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Treysa (Meteorit)

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Koordinaten: 50° 56′ 40″ N, 9° 9′ 35″ O
Treysa
Meteorit von Treysa (Hauptstück)
Allgemeines
Offizieller Name
nach MBD
Treysa
Synonym „Rommershausen“
Authentizität bestätigt[1]
Lokalität
Land Deutschland
Bundesland Hessen
Regierungsbezirk Kassel
Landkreis Schwalm-Eder-Kreis
Stadt Schwalmstadt
Stadtteil Rommershausen (neben Treysa)
Streufeld nein
Fall und Bergung
Datum (Fall) 3. April 1916, 15:25
beobachtet ja
Datum (Fund) März 1917
Sammlung Mineralogisches Museum Marburg (Hauptmasse)
Beschreibung
Typ Eisenmeteorit
Gruppe IIIAB
Untergruppe IIIAB-an (anomal)[1][2]
Masse (total) 63 kg[1][2]
Größe 36 cm
Herkunft Asteroidengürtel
Referenzen
Karte von Alfred Wegener zu den Be­ob­achtungen des Meteoriten
Treysa-Meteorit (Hauptstück) im Mi­ne­ra­lo­gi­schen Museum in Marburg, Schnittfläche mit Widmanstätten-Strukturen[A. 1]
Abguss des vollständigen Meteoriten, bevor er aufgeschnitten wurde[A. 2]

Der Meteorit von Treysa, auch Meteorit von Rommershausen, ist ein Eisenmeteorit, der am 3. April 1916 in einem Waldstück in der Nähe des heutigen Schwalmstädter Stadtteils Rommershausen in Nordhessen niedergegangen und im März 1917 gefunden wurde. Benannt ist er nach dem größeren Schwalmstädter Stadtteil Treysa (bis 1970 eine selbständige Stadt). Der Meteorit ging in die deutsche astronomische Geschichte ein als einer der bedeutendsten nachweisbar beobachteten Meteoriteneinschläge in der Neuzeit. Er wird als mittlerer Oktaedrit der chemischen Gruppe IIIB klassifiziert und zeigt die Widmanstätten-Strukturen.

Neben Eisen und Nickel enthält er Phosphor, Kobalt, Gallium, Germanium und Iridium und eiförmige Troilit-Einschlüsse. Er entstand in der Frühphase des Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren und zerbrach vor 650 Millionen Jahren wahrscheinlich durch Kollision im Asteroidengürtel.

Fundgeschichte, Untersuchungen, Bedeutung, Ausstellung

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Niedergang, Fund und Bergung

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Am 3. April 1916 um 15:25 Uhr berichteten Augenzeugen von einem Donnerschlag und Rauchwolken. Die Leucht- und Geräuscherscheinung stammte von einem aus dem Weltall auf die Erde stürzenden Meteoriten, der in einem Waldstück nahe Rommershausen einschlug.[3] Wie sich später ergab, war der Feuerball (Bolide) in einem Umkreis von 150 km gesehen, die Detonationen waren in einem Umkreis von ca. 50 km zu hören.[2]

Der Ort des Meteoritenniedergangs war aber zunächst unbekannt. Aufgrund der Berichte kam ein kreisförmiges Gebiet mit einem Radius von etwa 135 km in Frage. Nach Zeitungsaufrufen ergab sich als Fallort ungefähr die Gegend von Treysa und Ziegenhain.[3]

Der Meteorologe, Polar- und Geowissenschaftler Alfred Wegener, der damals als Privatdozent für Meteorologie, praktische Astronomie und kosmische Physik an der Universität Marburg lehrte und forschte, berechnete nach den gesammelten Augenzeugenberichten die Bahn des Meteoriten und seine wahrscheinliche Aufschlagstelle.[2] Wegener rühmte den Meteoriten (und damit seine Berechnungen) als den ersten, „welcher nur auf Grund der Beobachtungen über die Licht- und Schallerscheinungen des Falles gefunden wurde, ohne daß sein Niederfallen selber bemerkt worden war.“[3] Wegeners Veröffentlichung von 1918 ist die Überlieferung der genauen Fundumstände zu verdanken.

Zunächst unternahm Wegener selbst „mehrere Ausflüge in die Fallgegend und zog von Dorf zu Dorf wandernd, weitere Erkundigungen ein, in der Hoffnung, auf eine Nachricht zu stoßen, daß der Einschlag des Meteoriten beobachtet worden sei. (…) Vom Meteoriten zeigte sich aber keine Spur.“[3] Wegen der wissenschaftlichen Bedeutung wurde im Januar 1917 die Summe von 300 Reichsmark für den Finder ausgelobt. Die Suche hatten der Physiker Franz Richarz und der Geologe Emanuel Kayser initiiert. Daraufhin meldete sich im März 1917 der Förster Huppmann, der bereits im Sommer 1916 in einem Waldstück nahe Rommershausen eine auffällige Grube bemerkt hatte.[4] Dieses bereits wieder teilweise aufgefüllte Loch hatte etwa einen Meter Breite und noch ¼ Meter Tiefe.[2] Dort fand man dann bei Nachgrabungen den 63,28 kg schweren (Wegener: 50 kg) und 36 cm breiten Eisenmeteoriten. Wegeners Vorhersage des Einschlagortes wich um 8 km vom späteren Fundort ab,[4] bei Gewicht, Typ und Eindringtiefe traf Wegeners Vorhersage dagegen ziemlich genau zu.[3] Der Meteorit war in einem schräg einfallenden röhrenförmigen Loch 1,60 Meter tief (Wegener: 1,50 m) in den Boden eingedrungen[5] und dabei nur unwesentlich zersplittert und fast vollständig erhalten.

Untersuchungen und Ergebnisse

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Nach dem Transport an die Universität Marburg untersuchte und publizierte zunächst der damalige Direktor des Physikalischen Instituts Franz Richarz den Meteoriten.[6] Insgesamt wurden 23 Platten und Anschliffe angefertigt und von geologisch-mineralogischen Forschungsinstituten untersucht. An den Probestücken wird auch heute noch geforscht.[7]

Zwar gab es durch die Zeit im Boden bereits oberflächliche Rostflecken, doch hatte die dünne Schmelzkruste verhindert, dass trotz Regen und Schnee korrosiven Auswirkungen ins Innere vordringen konnten.[2] Als Eisenmeteorit mit ca. 9 Gewichtsprozent Nickel ist Treysa gekennzeichnet durch auffälligen Kamazit, Taenit und Plessit. Begleitend (akzessorisch) sind Schreibersit und Troilit vorhanden. Der Kamazit weist in geätzten Abschnitten gerade Lamellen auf; Taenit und Plessit machen etwa 35 Volumenprozent des Meteoriten aus. Schreibersit kommt in der Form einkristalliner, etwas brekziöser Kristalle vor. In der Schmelzkruste finden sich Magnetit und Wüstit. Sein Inventar an Spurenelementen ist etwas ungewöhnlich, insbesondere ist der Iridium-Anteil höher als man es für solche Meteoriten erwartet. Die vollständige Klassifizierung lautet daher „IIIAB-an[omal]“.[2]

Bedeutung des Fundes

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Das kosmische Strahlungsalter (englisch cosmic ray exposure [age], CRE) wurde auf mehrere hundert Millionen Jahre) bestimmt. Treysa hat einige Aufmerksamkeit erregt, da dieses Alter einen ersten Hinweise darauf gab, dass Eisenmeteoriten (d. h. ihre unmittelbaren prä-terrestrischen Vorläufer, Meteoroiden genannt) weniger von der Erosion im Weltraum betroffen sind als bei Steinmeteoriten. Die wichtigsten Prozesse, die zu dieser Alterung beitragen sind kosmische Strahlung (vgl. auch Sonnenwind), aber auch Mikrometeoritenbeschuss.[2]

Aufbewahrung und Denkmal

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Fundort im Wald bei Rommershausen, Ge­denk­stein[A. 3]

Ausgestellt wird der größte Teil des Meteoriten im Mineralogischen Museum (MinMus) der Philipps-Universität in Marburg, wo er das bedeutsamste Exponat der Meteoritensammlung ist.[8][2] Eine Kopie befindet sich im Museum der Schwalm in Ziegenhain.

Am Einschlagort, im Wald nordwestlich von Rommershausen, erinnert seit 1986 ein vom Knüllgebirgsverein aufgestellter Gedenkstein an das kosmische Ereignis. Eine früher gepflanzte Meteoritenbuche fiel 2007 einem Sturm zum Opfer. Wegweiser zum Fundort des Meteoriten sind am Rundwanderweg T1 des Knüllgebirgsvereins im Rommershäuser Wald aufgestellt.[9]

Feuerschein, laute Detonation und die Folgegeräusche hatten 1916 viele Menschen zutiefst erschreckt. Wegen der Kriegszeit glaubten manche an einen feindlichen Luftangriff. Andere gaben an, es sei eine feurige Wolke mit dem Bild des Kaisers erschienen.[10]

  • A. Wegener: Über das planmäßige Auffinden des Metoriten von Treysa. In: Astronomische Nachrichten, Band 207, Nr. 4961, 1918, Ausgabe 17, Sp. 185–190; bibcode:1918AN....207..185W.
  • Alfred Wegener: Das detonierende Meteor vom 3. April 1916, 3 1/2 Uhr nachmittags in Kurhessen. In: Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Naturwissenschaften zu Marburg, Band 14, Heft 1, N. G. Elwert Verlag, Marburg 1917; Nachdruck Elwert Verlag, Marburg 2001, ISBN 3-7708-1160-7.
  • F. Richarz: Auffindung, Beschreibung und vorläufige physikalische Untersuchung des Meteoriten von Treysa. In: Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Wissenschaften zu Marburg, Band 1, Heft 2, N. G. Elwert Verlag, Marburg 1918.
  • Dankward Sieburg: Das detonierende Meteor von Treysa vom 3. April 1916, in: Schwälmer Jahrbuch, Jahrg. 1980, S. 122–130.
  • Peter Masberg: Donnergrollen und gleißendes Licht. Brocken aus dem All - der Meteorit von Treysa stürzte vor 100 Jahren auf die Erde. In: Hessisch/Niedersächsische Allgemeine (HNA), 2. April 2016 (Online-Ausgabe, abgerufen am 17. Mai 2021)
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Commons: Meteorit von Treysa – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c Treysa. Auf: Meteoritical Bulletin. Meteoritical Society (MetSoc), Lunar and Planetary Institute (LPI). Stand: 7. Mai 2025 (englisch).
  2. a b c d e f g h i Treysa meteorite, Schwalmstadt, Schwalm-Eder, Kassel Region, Hesse, Germany. MinDat, Hudson Institute of Mineralogy (englisch).
  3. a b c d e Alfred Wegener: Über das planmäßige Auffinden des Metoriten von Treysa. In: Astronomische Nachrichten, Band 207, Nr. 4961, Ausgabe 17, 1918, Sp. 185–190, hier Sp. 185. bibcode:1918AN....207..185W.
  4. a b Vanessa Rehermann, Brocken aus dem All - der Meteorit von Treysa stürzte vor 100 Jahren auf die Erde, HNA, 2. April 2016.
  5. Christine Reinke-Kunze: Alfred Wegener. Polarforscher und Entdecker der Kontinentaldrift. Birkhäuser Verlag, Basel 1994, ISBN 978-3-0348-6343-8, S. 93.
  6. F. Richarz: Auffindung, Beschreibung und vorläufige physikalische Untersuchung des Meteoriten von Treysa. In: Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Wissenschaften zu Marburg, Band 1, Heft 2N, G. Elwert Verlag, Marburg 1918.
  7. Rekord-Meteorit von Treysa schlug vor 100 Jahren in Deutschland ein. In: focus.de. Focus (Online-Ausgabe), abgerufen am 17. Mai 2021.
  8. Meteorit von Treysa. In: www.uni-marburg.de. Mineralogisches Museum der Philipps-Universität Marburg, abgerufen am 17. Mai 2021.
  9. Daniel Göbel: 250 Menschen folgten dem Wanderangebot. Meteoriteneinschlag: Rundwanderweg des Knüllgebirgsvereins führt zur Fundstelle. (Mit Karte zur Fundstelle) In: www.hna.de. Hessisch/Niedersächsische Allgemeine (HNA, Online-Ausgabe), 8. April 2016, abgerufen am 21. Mai 2025.
  10. Detonation des sogenannten Meteoriten von Treysa, 3. April 1916. In: Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe. Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS, www.lagis-hessen.de), 23. Juli 2020, abgerufen am 17. Mai 2021.