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Phokas

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Solidus des Phokas

Phokas (mittelgriechisch Φωκάς Fokas, lateinisch Focas oder Phocas; * nach 547 in Thrakien; † 5. Oktober 610 in Konstantinopel) war von 602 bis 610 Kaiser des Oströmischen bzw. Byzantinischen Reiches. Der erste erfolgreiche Usurpator der oströmischen Geschichte gilt traditionell als ein despotischer Herrscher, dessen Regierung das Oströmische Reich erschüttert haben soll.

Das überaus negative Bild des Phokas, das von den Quellen gezeichnet wird (siehe etwa Johannes von Antiochia, Theophylaktos Simokates oder Theophanes) und das bis heute die Forschungsmeinung vielfach dominiert, sollte mit gewisser Vorsicht betrachtet werden: Alle diese Berichte stammen aus der Zeit nach dem Tod des Kaisers und entstanden teils (wie Theophylaktos) unter der Herrschaft des Herakleios, der Phokas 610 gestürzt hatte und ein Interesse daran hatte, diesen in schlechtes Licht zu rücken. Einige ältere Ansichten zu Phokas gelten heute daher als widerlegt, etwa die Annahme, die römische Balkanherrschaft sei bereits während seiner Regierungszeit schlagartig zusammengebrochen.

Kaiser Phokas und Kaiserin Leontia auf einer 40-Nummi-Münze, geprägt 603-604 in Theoupolis[1]

Phokas war Centurio im kaiserlichen Heer und Teilnehmer an den Balkanfeldzügen des Kaisers Maurikios, als der im Winter 602 befahl, in der heutigen Walachei am Donauufer zu überwintern und trotz beziehungsweise gerade wegen der ungünstigen Witterung eine neue Offensive vorzunehmen. Die Soldaten der Armee des magister militum per Thracias meuterten schließlich und ernannten Phokas, der sie angeblich durch aufpeitschende Reden unermüdlich gegen den Kaiser zur Rebellion gereizt hatte, zu ihrem Anführer. Das Heer wandte sich gegen Konstantinopel. In der Hauptstadt erhob sich die Zirkuspartei der Grünen gegen den offenbar wenig populären (wenngleich militärisch durchaus erfolgreichen) Maurikios. Der Kaiser floh auf eine Insel vor Chalkedon, während Phokas laut dem Chronicon Paschale am 23. November 602 von seinen Truppen vor den Toren der Hauptstadt gekrönt wurde und anschließend mit Unterstützung von Teilen des Senats und den Grünen, die ihm die Tore öffneten, am 25. November 602 in Konstantinopel einrückte. Laut Theophanes ließ Phokas am 27. November 602 auch seine Frau Leontia, mit der er bereits vor der Revolte verheiratet war, zur Augusta krönen. Laut Theophylaktos Simokates kam es bald zu erneuten Konflikten zwischen den beiden Zirkusparteien. Als die Blauen schließlich an der Legitimität des neuen Kaisers zweifelten und darauf verwiesen, dass der gestürzte Kaiser Maurikios noch lebte, ließ Phokas Maurikios und dessen Söhne ergreifen und auf brutale Weise umbringen.

Die Quellen zeichnen ein düsteres Bild, das von Tyrannentopik geprägt ist: Phokas, ein ungebildeter Mann, der sich im sacrum palatium angeblich Trinkgelagen und Schändlichkeiten jeder Art hingab, war demnach einer jener römischen Kaiser, die jeglicher Eignung für den Thron ermangelten. Binnen kurzem hatte er, der offenbar wenig Ahnung von den Pflichten eines Kaisers oder von staats- und kirchenrechtlichen Zusammenhängen hatte und auch nicht versuchte, ihnen gerecht zu werden, jeglichen Realitätssinn verloren und glaubte sich von Gott auserwählt. Da er sich durch Verschwörungen bedroht sah, ließ er große Teile der senatorischen Elite hinrichten und fügte so dem oströmischen Reich kaum wiedergutzumachenden Schaden zu.

Auch dem Volk gegenüber soll er sich als Tyrann gegeben haben: Als im Zuge einer Darbietung im Hippodrom der Kaiser nach erfolgter Darbietungspause den Zuschauern nicht schnell genug in seiner Loge erschien, begannen diese angeblich in respektloser Manier zu schreien: „Hast du wieder mal so viel gesoffen, dass du doppelt siehst? Du bist schon längst verrückt geworden!“ Der Augustus schickte daraufhin seine Leibwache gegen das Volk, und Köpfe, Nasen und Ohren wurden abgeschnitten.[2]

Büste des Phokas auf einem Bronzegewicht aus Haifa, heute im British Museum[3]

Die phokasfeindliche Überlieferung schildert den Kaiser als einen „Bilderbuchtyrannen“ und ist daher nur eingeschränkt glaubwürdig. Allerdings räumen selbst Forscher, die vielen Quellenaussagen, die den Kaiser negativ darstellen, kritisch gegenüberstehen, ein, dass das Regime des Phokas zumindest gegen Ende nicht frei von Schrecken war, und der Kaiser wohl tatsächlich ein ausschweifendes Leben führte, selbst wenn spätere Überlieferung vieles verzerrte und übertrieb. Die Ermordung des Maurikios und seiner Familie zeigt, dass Phokas nicht vor Gewaltexzessen zurückschreckte. So brach er ein altes Tabu und ließ zahlreiche Senatoren hinrichten, was seine Herrschaft in den Augen vieler Aristokraten delegitimierte.[4] Selbst die Grünen, jene Zirkuspartei, die Phokas zum Thron verholfen hatte, wurden angeblich Opfer des Terrors, als Phokas sie der Konspiration verdächtigte, nachdem sie als Helfer des Kaisers die andere Zirkuspartei, die Blauen, zu dezimieren geholfen hatten. Phokas versuchte offenbar, seinen Handlungsspielraum zu vergrößern, indem er die Zirkusparteien gegeneinander ausspielte; er wandte sich von den allzu mächtig gewordenen Grünen ab, ließ ihren Anführer Johannes 603 grausam hinrichten und verbündete sich mit den Blauen. Praefectus urbi von Konstantinopel wurde nun der Anführer (demarchos) der Blauen, womit die Grünen erbitterte Feinde des Kaisers wurden und das Reich in einen in zahlreichen Städten ausgetragenen Bürgerkrieg stürzten, über den Phokas bald die Kontrolle verlor. Die Ernennung des Demarchen zum praefectus urbi stieß zudem die Aristokratie noch weiter vor den Kopf, denn eigentlich war dieses Amt den höchsten Kreisen des Senats vorbehalten.

Wenn Ostrom unter diesem Chaos nicht bereits in diesen Jahren zusammenbrach, so wohl nur, weil das Reich noch immer durch eine im Prinzip funktionsfähige spätrömische Verwaltung getragen wurde. Vom Bürgerkrieg verschont blieben nur die Exarchate Ravenna und Karthago. Vermutlich hatte das unterschiedliche Gründe: In Ravenna wurde der Exarch Kallinikos nach der Usurpation des Phokas durch die zweite Amtsperiode des Smaragdus abgelöst. Vermutlich hatte sich Smaragdus auf die Seite des Phokas geschlagen, während Kallinikos in Opposition zu diesem stand. In Karthago hingegen konnte sich der ebenfalls noch von Maurikios eingesetzte Herakleios der Ältere halten, da Phokas wohl nicht ausreichend Macht besaß, um auch dort die Dinge in seinem Sinne zu regeln, da er durch den Perserkrieg (s. u.) ausgelastet war. Die Besetzung Ägyptens durch Herakleios’ Neffen Niketas 608 zeigt jedenfalls, dass Karthago bereits früh in Opposition zu Phokas stand, ja, dass es dies vermutlich sogar die ganze Zeit seiner Herrschaft über war. Von dort aus wurde schließlich auch deren Ende eingeläutet.

Aufruhr im Reich, Einfall der Perser

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Bald nach Maurikios’ Tod brach im Osten eine Rebellion los. Ein Unruheherd war auch Armenien, wo sich der Feldherr Narses an die Spitze des Aufruhrs gesetzt hatte und Edessa einnahm. Phokas entsandte den Feldherrn Bonosos nach Syrien, das sich ebenfalls empört hatte; Bonosos konnte jedoch die Rebellion in Antiochia am Orontes und Jerusalem niederschlagen.

Als Chosrau II., der sassanidische Großkönig, vom Thronwechsel hörte, erklärte er Phokas den Krieg, um – wie er sagte – die Römer von dem Usurpator zu befreien. Unter diesem Vorwand entsetzte er Edessa, das vom kaiserlichen Heer schon belagert wurde, und verbündete sich mit Narses. Chosrau II. präsentierte Theodosios, einen angeblichen Sohn des Maurikios, als Thronkandidaten. Doch bald schlug der angeblich freundschaftliche Beistand Chosraus, der 591 mit tatkräftiger Hilfe seines Adoptivvaters Maurikios auf den Thron gelangt war, in einen Eroberungskrieg um. Nordmesopotamien, Armenien und Teile Ostkleinasiens fielen in Chosraus Hände, auch wenn die römischen Truppen unter Domentiolos und Komentiolos teilweise erfolgreich Widerstand leisteten (siehe auch Römisch-Persische Kriege).

Unter Phokas’ Herrschaft konnten die Feldzüge gegen Awaren und Slawen, welche die römischen Balkanprovinzen geschützt hatten, nicht lange fortgesetzt werden. Dennoch brach die römische Herrschaft auf dem Balkan während seiner Regierungszeit nicht zusammen. Vielmehr könnte die Ruhe vor dem Sturm die friedlichste Zeit seit langem gewesen sein. Seine Untätigkeit war jedoch die Ursache für die Landnahme der Slawen auf dem Balkan ab 612, zwei Jahre nach seinem Sturz.

Papst und Kaiser

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Phokas sah, so die Quellen, schon bald nach seiner Machtergreifung ein, dass er in seiner prekären Lage inmitten des Chaos wenig Auswahl an Bundesgenossen hatte und sich nicht auch noch den Bischof von Rom zum Feind machen durfte. So schlug er – im Gegensatz zur Politik seines Vorgängers, der in Italien gegen die Langobarden Krieg geführt und dabei wie auch in anderer Beziehung auf den Papst wenig Rücksicht genommen hatte – einen papstfreundlichen Kurs ein. Dies bedeutete Waffenstillstand mit den Langobarden und damit endgültig den weitgehenden Verlust weiter Teile Italiens für das Imperium mit Ausnahme des Exarchats von Ravenna, das sich noch bis 751 halten konnte.

Phokas-Säule

Allerdings lässt sich dieser Schritt auch anders bewerten: der Kaiser hatte wohl ohnehin keine Alternative, denn verglichen mit den durch das Sassanidenreich bedrohten Orientprovinzen war das ausgeblutete Italien fast wertlos und weit entfernt. Hatten unter Maurikios die Einwohner Italiens unter den ewigen Kämpfen gelitten, gratulierte jetzt Papst Gregor der Große dem Friedensstifter mit einem Gloria in excelsis Deo zu seinem „Sieg“ über Maurikios, obwohl er gewusst haben muss, wie Phokas den Thron errungen hatte. Dem Papst, dessen Lage durch die ihn allseits bedrängenden Langobarden immer schwieriger geworden war, wog dies jedoch leicht gegenüber dem nötigen Frieden in Italien. Allerdings stellte sich heraus, dass der 603 geschlossene zweijährige Waffenstillstand nicht länger als eben für die geschlossene Zeit hielt. Der Langobarde Agilulf bemächtigte sich von 605 an weiterer Teile der Apenninhalbinsel. Phokas war froh, Ravenna zu halten, und setzte Agilulfs Vormarsch keinen Widerstand entgegen. 610, als der Kaiser stürzte, war es endgültig zu spät, der langobardischen Macht noch Grenzen zu setzen – aber ob unter Phokas dazu noch eine realistische Chance bestanden hätte, ist zweifelhaft.

Phokas schenkte Papst Bonifatius IV. 608 das Pantheon in Rom, der es 609 zur Kirche weihte. Phokas wird von der Nachwelt das Verdienst angerechnet, dass der Bau dank dieser Schenkung erhalten blieb.

Nachdem Phokas 607 ein Gesetz erlassen hatte, durch das er die Würde des Ökumenischen Patriarchen dem Patriarchen von Konstantinopel nahm, dem Papst übertrug und damit die Rechte Roms auf den Primat der gesamten Kirche anerkannte, wurde mit der Phokas-Säule 608 das letzte antike Bauwerk auf dem Forum Romanum errichtet, „zur Erinnerung an die unzähligen Wohltaten des Kaisers, weil er Italien wieder den Frieden gegeben und die Freiheit verteidigt hat“. Sie trug ursprünglich eine goldene Statue des Kaisers und steht noch heute. Durch das kaiserliche Gesetz traten die Gegensätze zwischen dem Patriarchen von Konstantinopel und Rom auf kirchenrechtlicher Ebene zunehmend auf, und das Verhältnis beider Kirchenfürsten bewegte sich durch die Jahrhunderte auf das Schisma von 1054 zu. In jedem Fall aber trug die romfreundliche Kirchenpolitik des Kaisers dazu bei, dass sein Bild in der Tradition der Ostkirche sehr negativ gezeichnet wurde.

Umsturz und Tod des Phokas

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Der Opposition in Konstantinopel gelang es trotz des „Polizeistaats“, den Phokas den Quellen zufolge zu seinem Schutz aufgebaut habe, sich mit Herakleios dem Älteren, dem Exarchen von Karthago und Vater des gleichnamigen späteren Kaisers, auf eine Verschwörung zu verständigen. Offenbar spielten dabei auch einige mächtige Provinzstatthalter eine Rolle, ebenso wie Phokas’ eigener Schwiegersohn Priskos, der die Garde der excubitores kommandierte. 608 begann in Karthago die Revolte, die sich zu einem Bürgerkrieg auswuchs.

Der Neffe des älteren Herakleios, Niketas, eroberte 609 in harten Kämpfen Alexandria. Als sich die Rebellen die reichen oströmischen Provinzen Afrika und Ägypten militärisch gesichert hatten, zog der Sohn des Exarchen, der jüngere Herakleios, 610 von Karthago mit der Flotte gegen Konstantinopel. Er beanspruchte dabei noch nicht den Titel Augustus, sondern bezeichnete sich gemeinsam mit seinem Vater als Konsul. Bereits als die Masten der Flotte auf dem Marmarameer sichtbar wurden, soll in Konstantinopel eine Revolte ausgebrochen sein; es deutet allerdings einiges darauf hin, dass sich Herakleios in Wahrheit längere Zeit im Marmarameer aufhielt, während seine Anhänger in der Stadt den Umsturz organisierten. Anfang Oktober 610 begannen die Kämpfe. Phokas hatte einen Teil der Verteidigung den Zirkusparteien übertragen; doch die grüne Partei, die den Sophia-Hafen bewachen sollte, lief zu Herakleios über und ließ dessen Leute landen. Der gegenüber Phokas loyale comes Orientis Bonosus wurde bei den Kämpfen verwundet und anschließend von den excubitores, die ihr Kommandant Priskos zum Abfall von Phokas überredet hatte, erschlagen. Zwei Tage später wechselten auch der patricius Probus und der Curopalatus Photius die Seiten und verhafteten Phokas im Palast.

Nach Berichten zog man Phokas an seinem Bart auf die Straße und brachte ihn auf das Admiralsschiff vor Herakleios. Als dieser den um sein Leben zitternden Phokas vor sich sah, fragte er ihn angeblich: „Du hast das Reich regiert?“ Phokas soll ihm die Gegenfrage gestellt haben: „Wirst Du es besser machen?“[5] Berichten nach soll Phokas geköpft, verstümmelt und zur Schau gestellt worden sein. Anderen Quellen zufolge war Phokas allerdings bereits ermordet worden, als Herakleios in Konstantinopel eintraf, der Wortwechsel zwischen den beiden ist also wahrscheinlich erfunden. Einig sind sich die Quellen darin, dass Phokas’ Kopf auf einer Lanze durch die Stadt paradiert wurde, wie es für gestürzte Kaiser Sitte war. Auch die Leichen seines Bruders Domentiolus und seiner Unterstützer Bonosus und Leontius präsentierte man dem Volk zur Schändung.

Auch die herakleiosfreundliche Überlieferung kann nicht verbergen, dass die militärische Krise des Reiches erst unter Herakleios, dem die Sassaniden Syrien und Ägypten entrissen, voll ausbrach, bevor er langsam und mühsam die Lage verbessern konnte: Befand sich Ostrom spätestens seit dem Tod des Maurikios in einer Krise, so brach diese 611 mit voller Härte aus. Und ob Herakleios wirklich ein selbstloser Befreier des Volkes war, ist ungeachtet seiner späteren Leistungen zweifelhaft, zumal er zwei Jahre brauchte, um Phokas in einem Bürgerkrieg zu stürzen; dieser hatte offensichtlich zahlreiche Unterstützer, die lange Widerstand leisteten. Ohne den Verrat der grünen Zirkuspartei und der excubitores wäre es den Truppen des Herakleios zudem wohl nicht gelungen, in Konstantinopel einzudringen.

Inwieweit eine solch neue Rekonstruktion zutrifft (wie sie etwa Ralph-Johannes Lilie geliefert hat), bedarf allerdings noch weiterer Diskussion, zumal unter Phokas bereits Armenien verloren gegangen war und Herakleios anfangs noch mit Kämpfen gegen phokastreue Truppen gebunden war, danach (ab 613) aber durchaus in die Offensive ging. Sicher ist aber, dass die spätantiken und mittelbyzantinischen Berichte über Phokas von Tyrannentopik geprägt sind, was es erschwert, die Herrschaft des Kaisers zu würdigen. Allerdings würde eine positive Einschätzung des Phokas wohl zu weit führen – zu deutlich geriet das Reich in seiner Herrschaftszeit in die Krise, wobei der Perserkrieg die schlimmsten Folgen haben sollte. Politisch, finanziell und militärisch war die Herrschaft des Phokas eine Krisenzeit Ostroms.

Historische Wirkung des Phokas

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Phokas’ Herrschaft ist in jedem Fall eine deutliche Zäsur in der Geschichte des oströmischen Reichs. Während seiner Herrschaft, die in eine Umbruchszeit fiel, fiel Konstantinopel als Ordnungsmacht offenbar vorübergehend aus. Damals scheint auch die Bereitschaft der Germanenreiche, Ostrom als Vormacht und Oberherren anzuerkennen, geschwunden zu sein. So hat Phokas weniger durch Taten als vielmehr einerseits durch Unterlassen andererseits durch Zerstörung gewirkt, wobei die Objektivität in vielen Punkten einräumen muss, dass die schwierige ökonomische und militärische Lage des Reiches wohl auch andere Herrscher überfordert hätte. So lässt sich sagen, dass Phokas der letzte spätantike oströmische Kaiser war, während sein Nachfolger Herakleios durch seine Reformen das byzantinischen Frühmittelalter einleitete und damit den Fortbestand des Reiches sicherte.

Traditionell (und nicht zu Unrecht) gilt die Bilanz der Regierung als katastrophal: Phokas überließ Italien den Langobarden, gab auf dem Balkan den Slawen und Awaren die entscheidende Atempause und schwächte unmittelbar vor Beginn der islamischen Expansion das Reich durch den persischen Angriff, dem er kaum Einhalt gebot, und der die schwerste Hypothek für seinen Nachfolger wurde. Er säte Zwietracht zwischen dem Patriarchen von Konstantinopel und dem Papst von Rom. Allerdings fragt sich auch hier, ob all diese Vorwürfe gerechtfertigt sind. Ein Grund für die Probleme war sicher auch die Ablehnung des Kaisers durch die herrschenden Eliten, die ihn nie als ihresgleichen akzeptierten und sich durch Obstruktion und Sabotage rächten.

In Konstantinopel selbst hatte Phokas daher angeblich fast die gesamte senatorische Oberschicht auf dem Gewissen – trotz der offensichtlichen Übertreibungen und Verzerrungen in den Quellen deutet vieles darauf hin, dass die alte Funktionselite in dieser Zeit tatsächlich in eine Krise geriet. Die spätantike Gesellschaft von Ostrom war geschwächt, Phokas’ Nachfolger setzten den Staat mit der Themenverfassung auf eine neue Grundlage (wenn auch diese Maßnahmen nicht von Herakleios durchgeführt wurden, wie noch in der älteren Forschung oft vertreten). Auch war Phokas der letzte Kaiser, der während seiner gesamten Regierungszeit den lateinischen Titel Imperator Augustus trug. Sein Nachfolger änderte den Titel im Zuge der Reorganisierung des Reichs in Basileus, um dem griechischen Charakter des byzantinische Reichs gerecht zu werden, wenngleich damit keine Aufgabe der Rechtsnachfolgerschaft der antiken römischen Kaiser verbunden war. Allerdings ist auf den Goldmünzen der lateinische Titel noch bis zur Kaiserin Irene vorhanden. Es erscheint daher folgerichtig, dass gerade Phokas das letzte Bauwerk auf dem antiken Forum Romanum gewidmet wurde: Er war der letzte Kaiser, der – wenn auch nur wenig erfolgreich – aktiv in die Geschicke des Westens eingreifen konnte.

Auch für die heutigen Archäologen stellt er einen Wendepunkt dar. Da er den Bart wieder in Mode brachte, werden seit seiner Zeit die Abbildungen, nicht zuletzt die von Christus, bärtig ausgeführt, was die Datierung erleichtert. Während seit Konstantin I. fast alle Kaiser nach römischer Art glattrasiert waren – mit wenigen Ausnahmen wie Julian, der einen Philosophenbart trug, oder Theodosius II. und Tiberios II., die auf einigen Münzen bärtig abgebildet werden – trugen nach Phokas (der ihn angeblich wachsen ließ, um eine Narbe zu verbergen) fast alle römischen Kaiser einen Bart.

  • Süha Konuk: A Tyrant on the Throne: Phocas the Usurper, and the Collapse of the Eastern Frontier. In: Trames 24, 2020, S. 201–213.
  • Wolfgang Kuhoff: Phokas. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 32, 2012, S. 1011–1035.
  • Ralph-Johannes Lilie: Byzanz. Das zweite Rom. Siedler, Berlin 2003, ISBN 3-88680-693-6, S. 75–81 (Lilie bemüht sich um eine neue Bewertung des Kaisers, wobei seine Thesen allerdings weiterer Diskussion bedürfen).
  • Mischa Meier: Kaiser Phokas (602–610) als Erinnerungsproblem. In: Byzantinische Zeitschrift 107, 2014, S. 139–174.
  • John Robert Martindale: Phokas. In: The Prosopography of the Later Roman Empire (PLRE). Band 3B, Cambridge University Press, Cambridge 1992, ISBN 0-521-20160-8, S. 1030–1032 (knapper Überblick mit Quellenhinweisen).
  • Arnout de Vleeschouwer: The Foreign Policy of Phocas (602-610): A Neorealist Reassessment. In: Byzantion 89, 2019, S. 415–462.
Commons: Phokas – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. David R. Sear, Byzantine Coins and Their Values, 1987, ISBN 978-0-900652-71-4, Nummer 671.
  2. Theophanes AM 6101.
  3. Martin Kovacs: Die Bildhauerkunst im 5. und 6. Jh. n. Chr. Die Skulpturen. In: Peter Bol et al. (Hrsg.): Die Geschichte der antiken Bildhauerkunst. Band 5: Plastik der römischen Kaiserzeit vom Regierungsantritt des Antoninus Pius bis zum Ende der Antike. Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2019, ISBN 978-3-88462-371-8, S. 399–453, 582–597, dort S. 412, Abb. 191.
  4. Henning Börm: Herrscher und Eliten in der Spätantike. In: Josef Wiesehöfer u. a. (Hrsg.): Commutatio et contentio. Studies in the Late Roman, Sasanian, and early Islamic Near East. Düsseldorf 2010, S. 159–198.
  5. Johannes von Antiochia, frg. 218f. [ed. Müller].
VorgängerAmtNachfolger
MaurikiosOströmischer Kaiser
602–610
Herakleios