Majuskelschrift
Eine Majuskelschrift oder Versalschrift ist in der Paläografie und der Typografie eine Schriftart, die nur Majuskeln (Großbuchstaben) und keine Minuskeln (Kleinbuchstaben) verwendet. Einige historische Majuskelschriften werden als Kapitalschrift bezeichnet.
Mit „Versalschrift“ kann zum anderen der Fall gemeint sein, dass z. B. in Überschriften ausschließlich Großbuchstaben verwendet werden. Bei dieser Art der Schriftauszeichnung werden die Großbuchstaben in der Fachsprache „Versalien“ genannt. „Großschrift“ ist ein allgemeinsprachlicher Ausdruck für einen Text, der nur mit Großbuchstaben geschrieben wurde.
Majuskelschriften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Den Begriff der Majuskelschrift gibt es nur bei Schriften mit Großbuchstaben und Kleinbuchstaben, also beispielsweise beim lateinischen, kyrillischen, griechischen und armenischen Alphabet, nicht dagegen etwa bei der chinesischen Schrift.
Historische Majuskelschriften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Historische Majuskelschriften werden in vier Zeitepochen eingeteilt:
- Griechische Majuskel (9. bis 3. Jahrhundert v. Chr.) – im Unterschied zur griechischen Unziale (3. Jahrhundert v. Chr. bis 12. Jahrhundert n. Chr.) und zur späteren griechischen Minuskel.
- Capitalis, römische Majuskel (7. Jahrhundert v. Chr. bis 5. Jahrhundert n. Chr.). Dazu gehört die Capitalis monumentalis, die sich im Römischen Reich bis etwa 100 v. Chr. ausbildete. Sie diente als Grundlage für die Entwicklung der heutigen Großbuchstaben.
- Unziale (4. bis 8. Jahrhundert). Halbunziale als Übergangsform.
- Gotische Majuskel (13. und 14. Jahrhundert), eine rein epigraphische Schrift, der auf Inschriften frühgotische (Ende des 11. bis 13. Jahrhundert), gotische (14. Jahrhundert) und spätgotische (16. Jahrhundert) Minuskeln gegenüberstehen. Die „ältere Form der gotischen Inschriftenmajuskel“ stellt mehr eine Majuskel-Buchschrift bzw. eine Gotische Unziale dar.[1]
Moderne Majuskelschriften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auch in der modernen Typografie gibt es einige Majuskelschriften, z. B. die Schriftart Trajan. Sie ahmt die römische Capitalis monumentalis nach, die auf der Trajanssäule zu sehen ist. Während heutige Großbuchstaben in der Regel alle auf derselben Grundlinie stehen, reichen bei der Trajan die Buchstaben J und Q weiter nach unten.
Ein anderes Beispiel ist die Schriftart Balloon, die sich am Stil englischsprachiger Comics orientiert (englisch balloon steht hier für „Sprechblase“).
Versalien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Versalien ist die fachsprachliche Bezeichnung für Großbuchstaben, wenn ganze Wörter oder mehrere Wörter hintereinander oder noch längere Textstücke ausschließlich mit Großbuchstaben geschrieben werden. Man nennt dies „in Versalien schreiben“ oder „mit Versalien schreiben“ oder auch „versal schreiben“.
Verwendung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Versalschrift kann zum Beispiel in Überschriften sowie auf Plakaten, Schildern und Inschriften verwendet werden. Unternehmen schreiben häufig den eigenen Firmennamen in Versalien. Einzelne in Versalien geschriebene Wörter oder Phrasen in einem ansonsten normal gesetzten Text sollen diese betonen.
Auf Ausweisen wie etwa Personalausweisen sind die Angaben üblicherweise in Versalschrift.
Für die bequemere Eingabe von Text in Versalschrift gibt es auf Schreibmaschinen- und Computertastaturen die Feststelltaste.
Die Verwendung von Versalschrift etwa in Chats und Internetforen gilt allgemein als „Anschreien“ oder „Herumschreien“, wenn es zuvor nicht anderweitig gekennzeichnet wurde, und widerspricht demzufolge den Regeln eines gepflegten Umgangstons (Netiquette).
Viele Abkürzungen bestehen nur aus Großbuchstaben. Dies gilt auch bei Namen, z. B. SPD, UNESCO oder BMW. Bei derartigen Abkürzungen entsteht optisch derselbe Eindruck wie bei einem in Versalien geschriebenen Wort.
Typografisches
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Damit sich Versalien harmonisch in einen Fließtext einfügen, sollten sie um etwa zehn Prozent kleiner und leicht gesperrt gesetzt sein; dadurch wird ein gleichmäßiger Grauwert des Textes erreicht und die aufeinanderfolgenden Majuskeln wirken optisch nicht größer als bei den übrigen, normal gesetzten Wörtern. Selbiges gilt für längere Abkürzungen, die aus Großbuchstaben bestehen.
Besonderheiten im Deutschen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für das Deutsche ist zu beachten, dass es das ẞ in Versalschrift – das große ß oder „große scharfe S“ – erst seit dem 21. Juni 2017 offiziell als Großbuchstaben gibt. Bis dahin musste jedes ß durch SS ersetzt werden (beispielsweise wurde „Weiß“ zu „WEISS“). Abweichend davon konnte, um Verwechslungen zu vermeiden, auch SZ verwendet werden sowie in Dokumenten (etwa in Deutschland in Personaldokumenten und der Einkommensteuererklärung) auch bei Großbuchstaben das kleine ß (zum Beispiel „Heinz Große“ als „HEINZ GROßE“).
Teilweise wird in Versalschrift, etwa bei Inschriften, auch auf die deutschen Umlaute verzichtet, die im originalen lateinischen Alphabet nicht vorkommen. Statt Ä, Ö, Ü wird dann AE, OE, UE geschrieben oder eine Ligatur wie Æ.
Blockschrift
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Handschriftlich werden Texte oder längere Textpassagen nur selten durchweg mit Großbuchstaben geschrieben. Beim Ausfüllen von Formularen ist jedoch oft „Druckschrift“ in Großbuchstaben vorgeschrieben. Diese Schreibweise wird meist Blockschrift genannt. Sie findet auch in den handgeschriebenen Sprechblasen von Comics Anwendung, insbesondere in englischsprachigen Comics.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Brigitte Labs-Ehlert: Versalschreibung in althochdeutschen Sprachdenkmälern. Ein Beitrag über die Anfänge der Grossschreibung im Deutschen unter Berücksichtigung der Schriftgeschichte. Kümmerle, Göppingen 1993, ISBN 3-87452-794-8.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Versalien im Typolexikon von Wolfgang Beinert
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Frantisek Muzika: Die schöne Schrift in der Entwicklung des lateinischen Alphabets. I Gotische Unziale ab Seite 331, mit Abbildungen