Lateinisches Patriarchat von Jerusalem
Lateinisches Patriarchat von Jerusalem | |
Basisdaten | |
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Staat | Palästinensische Autonomiegebiete Israel Jordanien Zypern |
Kirchenprovinz | Immediat |
Diözesanbischof | Patriarch Pierbattista Kardinal Pizzaballa OFM |
Weihbischof | William Shomali Rafic Nahra Bruno Varriano OFM |
Emeritierter Diözesanbischof | Patriarch Michel Sabbah Patriarch Fouad Twal |
Emeritierter Weihbischof | Kamal-Hanna Bathish Maroun Lahham Giacinto-Boulos Marcuzzo Salim Sayegh |
Generalvikar | William Shomali |
Gründung | 1099 |
Pfarreien | 68 (2020 / AP 2021) |
Einwohner | 5.935.350 (1970) |
Katholiken | 327.653 (2020 / AP 2021) |
Anteil | 5,5 % |
Diözesanpriester | 96 (2020 / AP 2021) |
Ordenspriester | 396 (2020 / AP 2021) |
Katholiken je Priester | 666 |
Ständige Diakone | 9 (2020 / AP 2021) |
Ordensbrüder | 614 (2020 / AP 2021) |
Ordensschwestern | 979 (2020 / AP 2021) |
Ritus | Römischer Ritus |
Liturgiesprache | Arabisch Neuhebräisch |
Kathedrale | Grabeskirche |
Konkathedrale | Konkathedrale vom Allerheiligsten Namen Jesu |
Website | www.lpj.org |
Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem (lateinisch Archidioecesis Hierosolymitanus Latinorum) ist eine Partikularkirche der römisch-katholischen Kirche. Ihr Oberhaupt ist der Lateinische Patriarch von Jerusalem. Der Jerusalemer Patriarch ist heute der einzige von früher mehreren Lateinischen Patriarchen des Ostens.
Außer dem Lateinischen Patriarchen von Jerusalem führt innerhalb der römisch-katholischen Kirche der Patriarch von Antiochien der Melkitischen Griechisch-Katholischen Kirche (Byzantinischer Ritus) seit dem Jahr 1838 den Zusatz-Titel eines Patriarchen von Jerusalem (und von Alexandrien). Er wird in Jerusalem durch einen Patriarchalvikar vertreten.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1054 trennte das Große West-Östliche Schisma die christlichen Kirchen. Der Orthodoxe Patriarch von Jerusalem und die drei anderen orthodoxen Patriarchen des Ostens bildeten die Orthodoxe Kirche, die Westkirche unter dem Patriarchen des Abendlandes die Römisch-Katholische Kirche.
1099 wurde Jerusalem von den Kreuzrittern erobert und das Königreich Jerusalem errichtet. Hierbei trat der lateinische Patriarch die Nachfolge des orthodoxen Patriarchen an, der kurz vor der Eroberung Jerusalems verstorben war. Hierbei erlangte er nicht nur den Besitz seines Vorgängers, so dass er die volle Hoheit über das christliche Viertel von Jerusalem hatte, sondern vermochte auch, besonders in der Frühzeit des Königreichs Jerusalem, weitere Besitzungen zu erwerben. Während er auf kirchlicher Ebene nun zum Metropoliten wurde und sich versuchte möglichst viele Suffragane zu verschaffen, stand auf politischer Ebene der Kampf um die Vorherrschaft im Königreich an. Sein Versuch, das Königreich Jerusalem zum Lehen des Patriarchates zu machen, scheiterte. Mit der Zerstörung des Königreichs 1291 wurde das Lateinische Patriarchat nicht länger benötigt, dennoch wurde ein entsprechender Ehrentitel vergeben, zu dem seit 1374 die Basilika San Lorenzo fuori le mura in Rom als Titularkirche gehört.
1847 erlaubte das Osmanische Reich der Katholischen Kirche, ihre Hierarchie in Palästina neu zu errichten. Der Lateinische Patriarch von Jerusalem ist nun das Oberhaupt der römischen Katholiken in Israel und den Palästinensergebieten. Die meisten römischen Katholiken in dieser Region sind Palästinensische Christen. Die Residenz des Patriarchen und seine Kathedrale liegen in der Jerusalemer Altstadt, während das Priesterseminar 1936 nach Beit Jala, 10 Kilometer südlich von Jerusalem, verlegt wurde.
Organisation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Lateinische Patriarch von Jerusalem ist Oberhaupt der lateinischen Kirche in Jerusalem und Präsident der Versammlung der katholischen Ordinarien des Heiligen Landes. Sitz des Patriarchats ist in Jerusalem.
Papst Franziskus ernannte nach dem altersbedingten Rücktritt von Erzbischof Fouad Twal am 24. Juni 2016 den Franziskanerkustos Pierbattista Pizzaballa OFM zum Titularerzbischof pro hac vice von Verbe und zum Apostolischen Administrator des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem.[1] Am 24. Oktober 2020 ernannte Papst Franziskus Pizzaballa zum Lateinischen Patriarchen von Jerusalem[2] und am 28. Oktober 2020 empfing er vom Papst selbst das Pallium.[3] Am 4. Dezember 2020 wurde er in sein Amt eingeführt. Pizzaballa gab sich das Motto “Sufficit tibi gratia mea” (2 Kor 12,9 EU, deutsch: „Meine Gnade genügt dir“).
Der Patriarch wird von Bischöfen und nichtbischöflichen Patriarchalvikaren unterstützt:[4]
- William Shomali, Weihbischof und Generalvikar im Lateinischen Patriarchat sowie Patriarchalvikar für Jerusalem und Palästina
- Jihad Shweihat, Patriarchalvikar für Jordanien mit Sitz in Amman
- Rafic Nahra, Weihbischof und Patriarchalvikar für Israel mit Sitz in Nazareth
- Bruno Varriano OFM, Patriarchalvikar für Zypern mit Sitz in Nikosia[5]
- Piotr Zelazko, Patriarchalvikar für die hebräischsprachigen Katholiken mit Sitz in Jerusalem
- Matthew Marcel Coutinho SDB, Patriarchalvikar für die Migranten und Asylsuchende des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem mit Sitz in Tel Aviv[6]
Das nach der Zahl der Katholiken größte dieser Patriarchalvikariate ist das Patriarchalvikariat für die Migranten, da in Israel schätzungsweise 80.000 bis 100.000 katholische Migranten und Asylsuchende leben (Stand 2022).[7]
Kanzler des Lateinischen Patriarchats von 2017 bis 2021 war Ibrahim Shomali; Rektor des Priesterseminars ist Yakoub Rafidi.[8]
Die Versammlung der Katholischen Ordinarien des Heiligen Landes (ACOHL) (L’Assemblée des Ordinaires Catholiques de Terre Sainte (AOCTS)) ist eine Gruppe von Bischöfen aus verschiedenen katholischen Gemeinschaften im Heiligen Land. Die Satzung wurde von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1992 genehmigt. Der Zweck der Einrichtung ist es, das christliche Zeugnis zu koordinieren und den Austausch von Informationen und Erfahrungen, insbesondere für die Seelsorge, sicherzustellen.
Die Pfarreien in der Zuständigkeit des Patriarchats sind in der Liste der Pfarreien des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem dokumentiert.
Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem ist Träger der Universität Bethlehem, American University of Madaba und des Priesterseminars in Bait Dschala sowie 44 Schulen mit 22.000 Schülern. Im Gebiet des Patriarchats befinden sich weitere Bildungseinrichtungen verschiedener Träger, wie:
- École biblique et archéologique française de Jérusalem des Dominikanerordens
- Studium Biblicum Franciscanum, Fakultät für biblische Wissenschaften und Archäologie der Päpstlichen Universität Antonianum, der Ordenshochschule der Franziskaner
- Päpstliches Bibelinstitut, ein An-Institut der Gregoriana und des Päpstlichen Orientalischen Instituts
- Institut Saint-Pierre de Sion – Ratisbonne (Centre chrétien d'études Juives CCEJ)
- Instituto Español Bíblico Arqueológico, Institut der Päpstlichen Universität Salamanca (UPSA)
- Studium Theologicum Jerosolimitanum, ein Hochschulseminar der Franziskaner (OFM)
- Studium Theologicum Salesianum, Forschungsinstitut der Salesianer Don Boscos in Jerusalem
- Theologisches Studienjahr Jerusalem in der Dormitio-Abtei und Bait Dschala
Kirchliche Hierarchie zur Zeit der Kreuzfahrer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als die Kreuzfahrer 1099 Jerusalem eroberten, standen sie neben der politischen Gliederung des neuen Reiches auch vor der Aufgabe, eine neue „lateinische“ Kirchenorganisation aufzubauen. Sie fanden in Jerusalem eine Liste mit orthodoxen Diözesen vor, die allerdings noch aus der Zeit vor der arabischen Eroberung stammte. Wie viele orthodoxe Bischofssitze davon 1099 noch existierten, ist unklar. Wahrscheinlich standen die meisten Bischofssitze nur noch auf dem Papier. Dem Patriarchen von Jerusalem unterstanden danach:[9]
- Erzbistum Caesarea Maritima (heute Ruinenstadt Caesarea Maritima) mit 19 Suffraganen
- Erzbistum Scythopolis (heute Bet Sche’an) mit acht Suffraganen
- Erzbistum Rabba Moabitis (heute Rabbat-Moab) mit zwölf Suffraganen
- Erzbistum Bosra (Bosra) mit 34 Suffraganen.
Bis zum Tod von Balduin I. hatte das Königreich Jerusalem die Grenzen erreicht, die mit nur wenigen Veränderungen im Wesentlichen bis 1187 bestanden. Es umfasste danach nur einen Teil des Gebiets des früheren Patriarchats, da die Kirchenprovinz Bosra nicht und die Kirchenprovinz Rabba Moabitis nur teilweise erobert war. Die Eroberer standen damit vor der Aufgabe, diese Bischofssitze wieder zu begründen und mit lateinischen Bischöfen zu besetzen. Bereits 1099 wurde das Lateinische Patriarchat von Jerusalem eingerichtet. Man setzte einen Mann namens Arnulf als ersten Patriarchen ein, der allerdings noch im Laufe des Jahres 1099 wieder abgesetzt und durch den aus Pisa stammenden Daimbert ersetzt wurde. Die Besetzung der Bischofsstühle ging aber nur langsam vonstatten. Bei der ersten Reichsversammlung 1120 in Nablus hatte der Patriarch vier Suffragane. Dies waren der Erzbischof von Caesarea Maritima (1101), der Bischof von Lydda-Ramlah (1099), der Bischof von Bethlehem (1108?, wahrscheinlich 1109/1110) und der Bischof von Nazareth (1109). König Balduin I. hatte zwar im Jahr 1108 eigenmächtig einen Anschetinus zum Bischof von Askalon ernannt. Da jedoch die Stadt noch in muslimischer Hand war, erfolgte keine Bestätigung durch den päpstlichen Gesandten Gibelin; Anschetinus wurde stattdessen erster Bischof von Bethlehem. Die Gründe für den langsamen Aufbau der lateinischen Kirchenorganisation sind auch darin zu sehen, dass die Anfänge des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem chaotisch waren. In den ersten 21 Jahren wurden sechs Patriarchen gewählt und z. T. wieder abgesetzt. Streng genommen müsste man noch drei Amtszeiten hinzurechnen, denn Daimberg wurde zweimal abgesetzt und vom Papst wieder eingesetzt. Er starb jedoch auf der Rückreise von Rom, sodass er die Patriarchenstelle nicht wieder einnehmen konnte. Auch der Patriarch Arnulf wurde einmal abgesetzt und vom Papst wieder eingesetzt.
Mit der Gründung der letzten Bistümer 1168 (Erzbistum Petra und Bistum Hebron) war das Patriarchat von Jerusalem in vier Kirchenprovinzen gegliedert (mit den Jahreszahlen der mutmaßlichen Gründung zur Übersicht):[9]
- Erzbistum Tyrus (1122 bzw. 1127)
- Bistum Akkon (1135)
- Bistum Beirut (1110 Bischof ernannt, Bischof, aber erst 1123 geweiht)
- Bistum Sidon (1131)
- Bistum Caesarea Philippi (auch Baniyas oder Panadea)
- Erzbistum Caesarea Maritima (1099)
- Bistum Sebaste (1128)
- Erzbistum Nazareth (Bistum 1109, Erhebung zum Erzbistum 1129)
- Bistum Tiberias (1144)
- Erzbistum Petra (1168)
Der Patriarch selbst beherrschte ein Viertel der Stadt Jerusalem (das Heilige Grab und dessen Umgebung) und hatte folgende unmittelbare Suffragane:[10]
- Bistum Lydda (1099)
- Bistum Betlehem (1108 oder 1109/10)
- Bistum Hebron (1168)
- Chorherrenstift zum Heiligen Grab
- Chorherrenstift Templum Domini
- Chorherrenstift auf dem Berg Sion
- Chorherrenstift auf dem Ölberg
- Kloster S. Maria im Tal Josaphat
- Kloster S. Maria Latina
- Kloster S. Salvator auf dem Berg Tabor
- Kloster St. Lazarus in Bethanien
- Kloster St. Anna in Jerusalem
- Abtei St. Samuel
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Liste der Lateinischen Patriarchen von Jerusalem
- Liste der Pfarreien des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem mit ihren Kirchengebäuden
- Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem
- Deir Rafat
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]in der Reihenfolge des Erscheinens
- Hans Eberhard Mayer: Bistümer, Klöster und Stifte im Königreich Jerusalem (= Schriften der Monumenta Germaniae Historica, Bd. 26). Hiersemann, Stuttgart 1977, ISBN 3-7772-7719-3.
- Denys Pringle: The churches of the Crusader Kingdom of Jerusalem. A corpus. Cambridge University Press, Cambridge.
- Bd. 1: A – K. 1993, ISBN 0-521-39036-2
- Bd. 2: L – Z. 1998, ISBN 0-521-39037-0.
- Klaus-Peter Kirstein: Die lateinischen Patriarchen von Jerusalem. Von der Eroberung der Heiligen Stadt durch die Kreuzfahrer 1099 bis zum Ende der Kreuzfahrerstaaten 1291. Duncker und Humblot, Berlin 2002, ISBN 3-428-09964-8.
- Paolo Pieraccini: Il ristabilimento del Patriarcato Latino di Gerusalemme e la Custodia di Terra Santa. La dialettica istituzionale al tempo del primo Patriarca, Giuseppe Valerga (1847-1972). Franciscan Printing Press, Cairo / Jerusalem 2006.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Website des Patriarchats (mehrsprachig)
- Eintrag zu Lateinisches Patriarchat von Jerusalem auf catholic-hierarchy.org
- Eintrag zu Lateinisches Patriarchat von Jerusalem auf gcatholic.org (englisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Rinuncia del Patriarca di Gerusalemme dei Latini e nomina dell’Amministratore Apostolico sede vacante. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 24. Juni 2016, abgerufen am 24. Juni 2016 (italienisch).
- ↑ Nomina del Patriarca di Gerusalemme dei Latini. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 24. Oktober 2020, abgerufen am 24. Oktober 2020 (italienisch).
- ↑ Pizzaballa im Interview: Was ich in Jerusalem erreichen will. Vatican News, 2. November 2020, abgerufen am 2. November 2020.
- ↑ New priests' assignments in the Latin Patriarchate of Jerusalem 2021. Webseite des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, 2. Juli 2021, abgerufen am 9. Juli 2021 (englisch).
- ↑ Neue Patriarchalvikar für Zypern ( vom 21. September 2013 im Internet Archive), Lateinisches Patriarchat von Jerusalem, abgerufen am 19. September 2013
- ↑ Vicariate For Migrants and Asylum Seekers (VMAS), Lateinisches Patriarchat von Jerusalem, abgerufen am 13. Juli 2021 (englisch)
- ↑ Den Horizont erweitern. Das 49. Theologische Studienjahr in Jerusalem hat begonnen. domradio.de, 21. August 2022, abgerufen am 2. September 2022.
- ↑ https://www.lpj.org/fr-yacoub-rafidi/
- ↑ a b Bernard Hamilton: The Latin Church in the Crusader States. The Secular Church. Variorum Publications Ltd., London 1980, ISBN 0-86078-072-4.
- ↑ Tractatus de locis et statu sancte terre ierosolimitane (Übersetzung des Titels dieses um 1200 verfassten Manuskriptes: Tractat über die Orte und den Zustand des Heiligen Landes von Jerusalem), abgedruckt in: Georg Martin Thomas: Miszellen aus Handschriften der Münchener Staatsbibliothek, Teil 2: Ein Tractat über das heilige Land und den dritten Kreuzzug. In: Sitzungsberichte der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Jg. 1865, Band 2. Straub, München 1865, S. 141–171, darin der „Tractatus“ S. 144–170, hier S. 150 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek).