Kabinett Brandt I

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Kabinett Brandt I
Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland
Willy Brandt
Bundeskanzler Willy Brandt
Wahl 1969
Legislaturperiode 6.
Ernannt durch Bundespräsident Gustav Heinemann
Bildung 22. Oktober 1969
Ende 13. Dezember 1972
Dauer 3 Jahre und 52 Tage
Vorgänger Kabinett Kiesinger
Nachfolger Kabinett Brandt II
Zusammensetzung
Partei(en) SPD und FDP
Minister 15
Repräsentation
Deutscher Bundestag 254/496 (51 %)




Berliner Abgeordnete 14/22 (64 %)




Das Kabinett Brandt I war die 8. Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland.

Die Wahl zum 6. Deutschen Bundestag fand am 28. September 1969 statt. Ihr folgte ein tiefer Einschnitt: Erstmals in der 20-jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland stellten die Unionsparteien nicht mehr den Bundeskanzler (obwohl sie erneut die größte Bundestagsfraktion stellten, wie bereits seit der ersten Bundestagswahl 1949).

Abstimmung im Bundestag

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Bonn, 21. Oktober 1969 – Gesamtstimmenzahl 496 – absolute Mehrheit 249
Wahlgang Kandidat Stimmen Stimmenzahl Anteil Koalitionspartei(en)
1. Wahlgang Willy Brandt
(SPD)
Ja-Stimmen 251 50,6 % SPD, FDP
Nein-Stimmen 235 47,4 %
Enthaltungen 5 1,0 %
Ungültig 4 0,8 %
nicht abgegeben 1 0,2 %
Damit wurde Willy Brandt zum Bundeskanzler gewählt.
Konstruktives Misstrauensvotum – Bonn, 27. April 1972 – Gesamtstimmenzahl 496 – absolute Mehrheit 249
Wahlgang Kandidat Stimmen Stimmenzahl Anteil Koalitionspartei(en)
Konstruktives
Misstrauensvotum
Rainer Barzel
(CDU)
Ja-Stimmen 247 49,8 % CDU/CSU
Nein-Stimmen 10 2,0 %
Enthaltungen 3 0,6 %
Ungültig 0 0,0 %
nicht abgegeben 236 47,6 %
Barzel nicht gewählt, Willy Brandt bleibt Bundeskanzler
Vertrauensfrage-Bonn, 22. September 1972 – Gesamtstimmenzahl 496 – absolute Mehrheit 249
Wahlgang Kandidat Stimmen Stimmenzahl Anteil Koalitionspartei(en)
Vertrauensfrage Willy Brandt
(SPD)
Ja-Stimmen 233 47,0 % SPD, FDP
Nein-Stimmen 248 50,0 %
Enthaltungen 1 0,2 %
Ungültig 0 0,0 %
nicht abgegeben 14 2,8 %
Willy Brandt wurde nicht das Vertrauen ausgesprochen.
Kabinett Brandt I – 22. Oktober 1969 bis 13. Dezember 1972
(Bis zum 15. Dezember 1972 mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt)
Amt Foto Name Partei Parlamentarischer Staatssekretär
bzw. Staatsminister
Partei
Bundeskanzler
Willy Brandt
(1913–1992)
SPD Katharina Focke
(1922–2016)
SPD
Vizekanzler
Walter Scheel
(1919–2016)
FDP FDP
Auswärtiges Ralf Dahrendorf
(1929–2009) bis 2. Juli 1970
Karl Moersch
(1926–2017) ab 2. Juli 1970
Inneres
Hans-Dietrich Genscher
(1927–2016)
FDP Wolfram Dorn
(1924–2014) bis 31. August 1972
FDP
Justiz
Gerhard Jahn
(1927–1998)
SPD Alfons Bayerl
(1923–2009)
SPD
Finanzen
Alex Möller
(1903–1985)
(bis 13. Mai 1971)
SPD Gerhard Reischl
(1918–1998) bis 13. Mai 1971

Hans Hermsdorf
(1914–2001) ab 13. Mai 1971
SPD
Karl Schiller
(1911–1994)
(bis 7. Juli 1972)
Helmut Schmidt
(1918–2015)
(ab 7. Juli 1972)
Wirtschaft
Karl Schiller
(bis 7. Juli 1972)
SPD Klaus Dieter Arndt
(1927–1974) bis 14. September 1970

Philip Rosenthal
(1916–2001) 14. September 1970
bis 17. November 1971


Rainer Offergeld
(* 1937) ab 15. März 1972
SPD
Helmut Schmidt
(ab 7. Juli 1972)
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Josef Ertl
(1925–2000)
FDP Fritz Logemann
(1907–1993)
FDP
Arbeit und Sozialordnung
Walter Arendt
(1925–2005)
SPD Helmut Rohde
(1925–2016)
SPD
Verteidigung
Helmut Schmidt
(bis 7. Juli 1972)
SPD Karl-Wilhelm Berkhan
(1915–1994)
SPD
Georg Leber
(1920–2012)
(ab 7. Juli 1972)
Jugend, Familie und Gesundheit
Käte Strobel
(1907–1996)
SPD Heinz Westphal
(1924–1998)
SPD
Verkehr und Post- und Fernmeldewesen
Georg Leber
(bis 7. Juli 1972)
SPD Holger Börner
(1931–2006) bis 4. Februar 1972

Ernst Haar
(1925–2004) ab 7. Februar 1972
SPD
Lauritz Lauritzen
(1910–1980)
(ab 7. Juli 1972)
Städtebau und Wohnungswesen Lauritz Lauritzen Karl Ravens
(1927–2017)
SPD
Innerdeutsche Beziehungen
Egon Franke
(1913–1995)
SPD Karl Herold
(1921–1977)
SPD
Bildung und Wissenschaft
Hans Leussink
(1912–2008)
(bis 15. März 1972)
parteilos Klaus von Dohnanyi
(* 1928) bis 15. März 1972

Joachim Raffert
(1925–2005) 15. März 1972 bis 31. August 1972
SPD
Klaus von Dohnanyi
(* 1928)
(ab 15. März 1972)
SPD
Wirtschaftliche Zusammenarbeit
Erhard Eppler
(1926–2019)
SPD Brigitte Freyh
(1924–2009)
SPD
Besondere Aufgaben
Chef des Bundeskanzleramtes
Horst Ehmke
(1927–2017)
SPD SPD

Am 30. November 1966 gab es einen Kanzlerwechsel in der laufenden Legislaturperiode: Bundeskanzler Ludwig Erhard trat zurück, nachdem die Koalition aus CDU/CSU und FDP an Fragen der Haushalts- und Steuerpolitik zerbrochen war.

Zu seinem Nachfolger wurde Kurt Georg Kiesinger gewählt (bis dahin Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg); er bildete eine Große Koalition aus CDU/CSU und SPD (Kabinett Kiesinger). Bundesaußenminister und Vizekanzler wurde der bisherige Regierende Bürgermeister von Berlin Willy Brandt. Die Berufung in die Bundesregierung war ausschlaggebend für Willy Brandt, entgegen einem nach der Bundestagswahl 1965 erklärten Verzicht auf eine erneute Kanzlerkandidatur doch wieder anzutreten.

Brandt trat damit zum dritten Mal als Kanzlerkandidat der SPD an, Kiesinger für die CDU/CSU das erste Mal.

Die Wahl 1969 ging knapp aus. Noch in der Nacht vereinbarten Brandt und FDP-Chef Walter Scheel die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.

Das sozial-liberale Kabinett strukturierte zahlreiche Ministerien um. Ganz aufgelöst wurden das Bundesschatzministerium, das Ministerium für die Angelegenheiten des Bundesrates sowie das für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Das seit 1961 eigenständige Gesundheitsministerium wurde aufgelöst und Teil des Ministeriums für Familie, Jugend und Gesundheit.

Das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen erhielt im Zuge der Ostpolitik die bis zur Wiedervereinigung gültige Bezeichnung Ministerium für innerdeutsche Beziehungen. Umbenannt wurde auch das Ministerium für wissenschaftliche Forschung (neu: Bildung und Wissenschaft).

Nach knapp neun Monaten im Amt wechselte der bisherige Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen, Ralf Dahrendorf, auf eigenen Wunsch mit Wirkung zum 1. Juli 1970 als Kommissar für Handel in die Europäische Kommission.[1] Sein Nachfolger wurde (nachdem Hans Apel, Hans-Jürgen Junghans (damals Wirtschaftssprecher der SPD-Fraktion) und andere abgelehnt hatten[2]) Karl Moersch.

Nachdem schon länger wegen möglicher Differenzen mit Bundeswirtschaftsminister Schiller über den Rücktritt des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft, Klaus Dieter Arndt, spekuliert worden war,[3] trat er schließlich am 14. September 1970 zurück und widmete sich wieder ganz seinem Amt als Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Schon seit August 1970 stand fest, dass Philip Rosenthal sein Nachfolger werden sollte.[4]

Da er die wachsenden Ausgabenwünsche der anderen Ressorts nicht mehr mittragen konnte, reichte Bundesfinanzminister Alex Möller am 13. Mai 1971 seinen Rücktritt ein.[5] Daraufhin übernahm Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller als sogenannter „Superminister[6] zusätzlich die Leitung des Bundesfinanzministeriums. Ebenfalls am 13. Mai 1971 schied der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Gerhard Reischl, aus dem Amt. Zu seinem Nachfolger wurde der bisherige stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Hans Hermsdorf, ernannt.

Nachdem das Verhältnis zwischen dem Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller und dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft, Philip Rosenthal, schon länger als zerrüttet galt, trat Rosenthal aus Anlass einer erneuten Verzögerung bei der Aufstellung eines Plans zur Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivkapital am 17. November 1971 zurück.[7]

Am 24. Januar 1972 wurde Holger Börner zum Bundesgeschäftsführer der SPD gewählt. Sein Nachfolger im Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Verkehr und Post- und Fernmeldewesen wurde am 7. Februar 1972 Ernst Haar.

Nachdem der parteilose Bundesbildungsminister Hans Leussink bereits im Januar 1972 seinen Rücktritt erklärt hatte, wurde am 15. März 1972 der bisherige Parlamentarische Staatssekretär Klaus von Dohnanyi zum neuen Bundesminister für Bildung und Wissenschaft ernannt. Dohnanyis Nachfolger im Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs wurde Joachim Raffert.

Nach dem Rücktritt des beamteten Staatssekretärs Heinz Haller wurde am 15. März 1972 Rainer Offergeld zum Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen – vor allem mit der Verantwortung für das ins Stocken geratene Projekt einer Steuerreform – ernannt.[8]

Am 7. Juli 1972 trat der Bundesminister für Wirtschaft- und Finanzen, Karl Schiller zurück, nachdem er aus seiner Sicht die Unterstützung von Bundeskanzler Brandt verloren hatte und in der Woche zuvor in einer währungspolitischen Frage im Bundeskabinett eine Abstimmungsniederlage hatte hinnehmen müssen.[9] Sein Nachfolger wurde der bisherige Verteidigungsminister Helmut Schmidt. Zum neuen Bundesminister der Verteidigung wurde der bisherige Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, Georg Leber, ernannt. Die Ressorts für Verkehr und Post wurden zusätzlich von Bundesbauminister Lauritz Lauritzen übernommen.

Im August 1972 gerieten die beiden Parlamentarischen Staatssekretäre Wolfram Dorn (Inneres) und Joachim Raffert (Bildung und Wissenschaft) wegen Beraterverträgen mit dem Heinrich Bauer Verlag in die Kritik; beide traten daraufhin am 31. August 1972 zurück.[10] Angesichts der schon für den 19. November 1972 terminierten Bundestagswahl wurde jeweils kein Nachfolger ernannt.

Einzelnachweise

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  1. Dahrendorf: Ab nach Brüssel. In: Der Spiegel. Nr. 23, 1970, S. 33 (online1. Juni 1970).
  2. Spiegel 29/1970 vom 13. Juli 1970: Hält niemand aus
  3. „Opas Lehrbuch bleibt zugeklappt.“ Spiegel-Interview mit Staatssekretär Klaus Dieter Arndt über Konjunkturpolitik. In: Der Spiegel. Nr. 19, 1970, S. 26 (online4. Mai 1970).
  4. Staatssekretäre: Schön geschoben. In: Der Spiegel. Nr. 32, 1970, S. 29–30 (online3. August 1970).
  5. Uns bleibt nur ein schmaler Korridor. In: Der Spiegel. Nr. 21, 1971, S. 21–29 (online17. Mai 1971).
  6. Dieser Schiller ist wie ein Astronaut. In: Der Spiegel. Nr. 21, 1971, S. 31–34 (online17. Mai 1971).
  7. „Kurs der SPD nach rechts verschoben.“ Spiegel-Interview mit Ex-Staatssekretär Philip Rosenthal. In: Der Spiegel. Nr. 48, 1971, S. 26 (online22. November 1971).
  8. Fünfter Mann. In: Der Spiegel. Nr. 13, 1972, S. 30–31 (online20. März 1972).
  9. Karl, billiger werden wir dich nicht los. In: Der Spiegel. Nr. 28, 1972, S. 19–21 (online3. Juli 1972).
  10. Mein Junge, ob das so richtig ist. In: Der Spiegel. Nr. 37, 1972, S. 17–23 (online4. September 1972).