Hermann Muhs

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Porträt von Hermann Muhs (aufgenommen 1933)

Hermann Muhs (* 16. Mai 1894 in Barlissen; † 13. April 1962 in Göttingen) war ein deutscher Jurist und Politiker (NSDAP), Staatssekretär und geschäftsführender Reichsminister für die Kirchlichen Angelegenheiten.

Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg studierte Muhs Rechtswissenschaft und promovierte 1922 über „Das Notverordnungsrecht nach Landstaatsrecht“ an der Universität Göttingen zum Doktor der Rechte. Er erhielt die Zulassung als Rechtsanwalt, eröffnete eine Anwaltskanzlei und war später auch Notar. 1929 wurde er Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 152.594). Von 1932 bis 1933 saß er im Preußischen Landtag. 1932 wurde er kurzzeitig Gauleiter der NSDAP. Als Fraktionsvorsitzender der NSDAP im Göttinger Bürgervorsteherkollegium (in dem Muhs seit 1929 war) engagierte sich Muhs noch im Wahlkampf der NSDAP für die Reichstagswahl am 5. März 1933. Die Historikerin Cordula Tollmien urteilte, Muhs sei in dieser Zeit „zweifellos der führende Kopf der Göttinger Nationalsozialisten“ gewesen.[1] Muhs startete noch im März 1933 eine Kampagne gegen die Göttinger Stadtverwaltung und organisierte eine NSDAP-Massenkundgebung, an der 8.000 Göttinger teilnahmen. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten wurde Muhs am 26. März 1933 Regierungspräsident in Hildesheim.[2] Zusätzlich war er im Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ) tätig.[3] 1933 war er auch Mitglied im Provinziallandtag der Provinz Hannover. Nach Klaus Arndt war Muhs in seiner Zeit als Regierungspräsident für den Arbeitseinsatz im KZ Moringen verantwortlich.[4]

Seit 1935 war Muhs Staatssekretär im Reichsministerium für die Kirchlichen Angelegenheiten. Seine Gleichschaltungsbemühungen einerseits und seine theologische Inkompetenz andererseits stießen in Kirchenkreisen immer wieder auf Widerstand.

Nachdem Muhs gegen den Befehl von Himmler, der die Distanz der SS zur Kirche markieren wollte, 1941 in Uniform am Begräbnis des Kölner Kardinals Karl Joseph Schulte teilgenommen hatte, wurde er im Rang eines SS-Oberführers (vergleichbar zwischen Oberst und Generalmajor) aus der SS entlassen (SS-Nummer 54.402). Trotzdem führte Muhs nach dem Tod des Kirchenministers Hanns Kerrl bis 1945 das Ministerium weiter.

Muhs wurde in der Nachkriegszeit wieder als Rechtsanwalt in Göttingen zugelassen.[3]

Muhs’ Rolle in der Raumplanung

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Muhs war gleichzeitig Vertreter Kerrls als Leiter der Reichsstelle für Raumordnung (RfR). Dort führte er auch die „Zentralabteilung“.[5] Durch den frühen Tod von Hanns Kerrl im Dezember 1941 wurde Muhs geschäftsführender Leiter der RfR. Muhs war 1942 Mitglied des „Führerrings“ der Gesellschaft für europäische Wirtschaftsplanung und Großraumwirtschaft e. V.

Schon als RfR-Abteilungsleiter meinte Hermann Muhs im Jahr 1938 – wie viele andere Raumordnungsexperten – nicht nur eine „Raumnot“ des Deutschen Reiches zu erkennen, er plädierte auch für einen „totalen Raumplan“, einen „Reichsraumordnungsplan“[6]:113

„Die Aufgaben, die Muhs und sein bereits 1936 verstorbener Vorgänger Walter Blöcker der Raumplanung zuwiesen, knüpften in zahlreichen Punkten an Grundgedanken der Weimarer Landesplanung an, gleichzeitig verschoben sich vor dem Hintergrund von Vierjahresplan, Autarkiebestrebungen und rassenpolitischen Zielsetzungen teilweise die Schwerpunkte. (…) Die Ballungsgebiete müßten, so Muhs, entlastet, das Volk wieder mit dem Boden verbunden und das Verkehrsnetz ausgebaut werden; des weiteren nannte er die Festlegung von Gartenbauzonen (Schutz vor Bebauung und Stadterweiterung) und den Schutz des Waldbestands als Aufgaben der Raumplanung, aber auch den Schutz der Erbhofgebiete‚ als rassisch wertvollste Blutsträger des Volkes.“[6]:114

Allerdings blieben solche Vorstellungen häufig nur Absichtserklärungen oder wurden für die Zeit nach dem Kriegsende projektiert. Die RfR besaß einen Überblick über zahlreiche Planungsvorhaben, war aber in der polykratischen Struktur des Regimes eine relativ schwache Behörde. Im Jahr 1943 gelang es unter tatkräftiger Mithilfe von Hermann Muhs, die drohende Auflösung der Reichsstelle für Raumordnung zu verhindern.[6]:192-194 Auch wenn für den völlig fachfremden Muhs die Raum- und Landesplanung (nicht weniger als die Kirchenpolitik) wohl ein komplett neues und unbekanntes Arbeitsgebiet darstellte, so zeigte er doch Interesse an Fachliteratur. So notierte der Regionalökonom August Lösch im Dezember 1942 auch eine Begebenheit mit Hermann Muhs in sein Tagebuch. Lösch bezog sich dabei auf seine international renommierte Untersuchung Die räumliche Ordnung der Wirtschaft. Eine Untersuchung über Standort, Wirtschaftsgebiete und internationalem Handel, erschienen in erster Auflage in Jena im Jahr 1940:

„Am 27. November bei Staatssekretär Muhs, dem Leiter der Reichsstelle für Raumordnung. In jeder Hinsicht eine Genugtuung und ein Erfolg. Es habe mein Buch gelesen (und Isenberg versicherte, dem sei so, er habe es abends immer mit heim genommen). Er möchte, daß ich’s nun für die Praxis ausweite, und zwar – nach der isolienden Methode von Thünen! Es komme ihm darauf an, daß die spezifisch wirtschaftlichen (nicht etwa die außerwirtschaftlichen!) Gesichtspunkte herausgearbeitet werden. Ich solle nicht beschreiben, was ist, sondern zeigen, was sein soll. Wie es vernünftig wäre. Ich dankte für sein Interesse …“[7]

Auch in seinem „Vorwort zur zweiten Auflage“ der oben genannten Studie, verfasst im Herbst 1943, ging Lösch auf Muhs und die Mitarbeiter der Reichsstelle ein. Nachdem er den interdisziplinären Nutzen seiner Studie hervorgehoben hatte, verwies er auch auf ihre mögliche Praxistauglichkeit für die Raumplanung:

„Darüber hinaus bedürfte freilich Vieles gerade für die praktische Planungsarbeit der Auswertung. Den Auftrag, diese vorzubereiten, verdanke ich dem freundlichen Interesse des Leiters der Reichsstelle für Raumordnung, Staatssekretär Dr. Muhs. Dabei gedenke ich gerne der Aussprache mit seinen Mitarbeitern Ministerialdirigent Dr. Teubert, 1. Baurat Köster, Dr. Puttkammer, Diplomvolkswirt Wiesener. Vor allem aber bin ich meinem Landsmann Oberregierungsrat Dr. Isenberg, einem Pionier der Raumforschung, dieses mal für vieles verpflichtet.“[8]

  • Das Notverordnungsrecht nach Landesstaatsrecht, o. O., 1923 (Göttingen, R.- u. staatswiss. Diss., 1923)
  • (gemeinsam mit Konrad Meyer): Volk, Staat und Raum, zwei Vorträge gehalten auf der Frühjahrstagung der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung im Mai 1937. Sonderdruck aus der Zeitschrift Raumforschung und Raumordnung. Heidelberg, Berlin: Kurt Vowinckel Verlag 1937
  • Die Raumordnung in der nationalsozialistischen Staatspolitik. In: Raumforschung und Raumordnung 1. Jg. (1937), S. 517–523.
  • Die Raumordnung vor neuen Aufgaben. In: Raumforschung und Raumordnung 2. Jg. (1938), S. 473–480.
  • Durch Raumplanung zur Raumordnung, ohne Datum, ohne Ort, in: Bundesarchiv R113 /2264 (nach Herzberg 1997:22)
  • Klaus Arndt: Dr. Hermann Muhs (1894–1962). Eine biographische Skizze in zwei Teilen. Teil 1: Vom Göttinger Jurastudenten zum nationalsozialistischen Regierungspräsidenten in Hildesheim. Teil 2: Von Hildesheim über Hannover nach Berlin. In: Hildesheimer Jahrbuch für Stadt und Stift Hildesheim. Hildesheim: Gerstenberg; Bd. 81 (2009), S. 75–116; Bd. 82 (2010), S. 71–125.
  • Hansjörg Buss: Das Reichskirchenministerium unter Hanns Kerrl und Hermann Muhs. In: Manfred Gailus (Hrsg.): Täter und Komplizen in Theologie und Kirche 1933–1945. Wallstein, Göttingen 2015, ISBN 978-3-8353-1649-2, S. 140–170.
  • Ernst Kienast (Hrsg.): Handbuch für den Preußischen Landtag, Ausgabe für die 5. Wahlperiode, Berlin 1933, S. 365.
  • Beatrix Herlemann, Helga Schatz: Biographisches Lexikon niedersächsischer Parlamentarier, 1919–1945, Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2004, S. 255/256.
  • Heike Kreutzer: Das Reichskirchenministerium im Gefüge der nationalsozialistischen Herrschaft. Droste, Düsseldorf 2000 (=Schriften des Bundesarchivs, 56), ISBN 3-7700-1610-6.

Einzelnachweise

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  1. Cordula Tollmien: Nationalsozialismus in Göttingen, (1933–1945), S. 74. In: Diss. an der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen. November 1998, abgerufen am 26. September 2017.
  2. Cordula Tollmien: Nationalsozialismus in Göttingen, (1933–1945), S. 78–81. In: Diss. an der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen. November 1998, abgerufen am 26. September 2017.
  3. a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 425.
  4. Siehe: https://www.goettinger-tageblatt.de/Die-Region/Goettingen/Aufstieg-und-Fall-eines-NS-Funktionaers
  5. Andreas Kübler: Chronik Bau und Raum. Geschichte und Vorgeschichte des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung. Hrsg.: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Wasmuth, Tübingen 2007, S. 300.
  6. a b c Ariane Leendertz: Ordnung schaffen. Deutsche Raumplanung im 20. Jahrhundert. Wallstein Verlag, Göttingen 2008.
  7. August Lösch. Aus Tagebüchern und Briefen 1925–1945, zusammengestellt von Marga Künkele-Lösch, mit Anmerkungen von Volker Riegger, in: Roland Riegger (Hrsg.): August Lösch in memoriam. Heidenheim: Meuer 1971, S. 109.
  8. August Lösch: Die räumliche Ordnung der Wirtschaft. Zweite, neu durchgearbeitete Auflage. Verlag von Gustav Fischer, Jena 1944, S. V und VI.