Gerd Müller (Politiker, 1955)

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Gerd Müller (2017)

Gerhard „Gerd“ Müller (* 25. August 1955 in Krumbach, Schwaben) ist ein deutscher Politiker (CSU). Vom 17. Dezember 2013 bis zum 8. Dezember 2021 war er Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in den Kabinetten Merkel III und Merkel IV. Von 1994 bis 2021 war Müller Mitglied des Deutschen Bundestages.[1] Seit 2021 ist er Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO).[2]

Studium und Beruf

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Nach dem Besuch der Realschule machte Müller zunächst eine kaufmännische Ausbildung. Auf dem Zweiten Bildungsweg holte er sein Abitur nach und absolvierte nach dem anschließenden Grundwehrdienst mit einem Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung ein Studium der Pädagogik, Psychologie sowie der Politik- und Wirtschaftswissenschaften an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, welches er als Diplom-Wirtschaftspädagoge beendete.

1980 begann Müller seine Berufstätigkeit als Geschäftsführer eines Verbandes, trat aber später in das bayerische Wirtschaftsministerium ein, wo er zuletzt als Oberregierungsrat im Grundsatzreferat sowie als stellvertretender Pressesprecher des Bayerischen Wirtschaftsministers Anton Jaumann bis 1989 tätig war. 1988 wurde Müller an der Universität Regensburg mit einer Dissertation über Die Junge Union Bayern und ihr Beitrag zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung promoviert. 2014 laut gewordene Plagiatsvorwürfe gegen Müller wies die Hochschule als Kolportage ohne Grundlage zurück.[3]

Gerd Müller auf dem CSU-Parteitag 2015

Müller engagierte sich zunächst in der Jungen Union, bei der er von 1982 bis 1991 Bezirksvorsitzender in Schwaben und von 1987 bis 1991 bayerischer Landesvorsitzender war. In dieser Funktion forderte er 1989 die Todesstrafe für Drogenhändler.[4] Später distanzierte er sich von dieser Forderung.[5]

Seit 1993 ist er stellvertretender Vorsitzender des CSU-Bezirksverbandes Schwaben.

Von 1989 bis 1994 gehörte Müller dem Europäischen Parlament an und war hier in dieser Zeit Parlamentarischer Geschäftsführer der EVP-Fraktion.

Von 1994 bis 2021 war Müller Mitglied des Deutschen Bundestages für den Wahlkreis Oberallgäu (Kempten, Lindau, Oberallgäu und Westallgäu). Bis 2005 war er, unter anderem, außen- und europapolitischer Sprecher und Stellvertretender Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Zudem war er von 2002 bis 2005 im Bundestag in der Position als stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus. Bei der Bundestagswahl 2005 erreichte er 61,5 % der Erststimmen. Bei der Bundestagswahl 2009 lag das Ergebnis bei 53 %, bei der Bundestagswahl 2013 erhielt er 60,7 % der Erststimmen.[6] Zuletzt wurde er bei der Bundestagswahl 2017 mit 50,4 % der Erststimmen wiedergewählt.[7] Im September 2020 kündigte Müller an, nicht bei der Bundestagswahl 2021 wieder anzutreten.[8]

Öffentliche Ämter

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Müller war von 1978 bis 1988 Zweiter Bürgermeister von Krumbach und Kreisrat im Landkreis Günzburg.[9]

Am 22. November 2005 wurde Müller als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in die von Bundeskanzlerin Angela Merkel geführte Bundesregierung berufen. Wie dem Kabinett Merkel I gehörte er auch dem Kabinett Merkel II an.

Am 17. Dezember 2013 wurde Müller zum Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Kabinett Merkel III ernannt. Müller lehnte anders als Merkel und Bundespräsident Gauck eine persönliche Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien aus Protest gegen soziale und ökologische Verwerfungen demonstrativ ab. Er befürchtete „ein ähnliches Desaster wie in Südafrika: Milliardeninvestitionen verkommen zu Ruinen, und daneben darbt die Bevölkerung im Elend.“ Brasilien stehe ihm zufolge für Straßenfußball. Nicht aber für eine solche „Art von Großereignissen“, von denen „ein Großteil der Bevölkerung überhaupt nichts“ habe. Seine Kritik richtete er dabei ausdrücklich auch an die FIFA. Für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar befürchtet Müller sogar eine Steigerung des „materialistischen Spektakels“.[10]

Die Handlungen der Bundesregierung und der Europäischen Union zur Bewältigung der Flüchtlingskrise wurden von Müller als unzureichend kritisiert. „Wenn ich mir die europäische Ratssitzung gestern in Luxemburg anschaue, wo wir über Gender-Probleme diskutieren und das Flüchtlingsthema fast keine Rolle spielt, dann frag ich mich schon, was ist jetzt auf der europäischen Agenda?“ sagte Müller dem Bayerischen Rundfunk. „Wir müssen handeln, und zwar auf kommunaler, Landes-, Bundes- und europäischer Ebene.“[11] Zudem fordert Müller wiederholt einen Marshallplan mit Afrika,[12] auch, um Migrationsbewegungen entgegenzuwirken. Müller verweist aber auch darauf, dass es lange Zeit Europäer waren, die migriert sind.[13][14]

Vor der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 forderte Müller einen neu zu schaffenden Nachhaltigkeitsrat der Vereinten Nationen, der jährlich über die Umsetzung nationaler Klimaschutz-Pläne berichtet. Er mahnte die verbindliche Umsetzung der Beschlüsse an.[15]

Müllers Eintreten für eine Bekämpfung der Fluchtursachen durch Schaffung von Wohlstandsperspektiven in den Herkunftsregionen der Flüchtenden statt einer Abschottung brachte ihm den Ruf ein, „das gute Gewissen der CSU“ zu sein.[16]

Am 14. März 2018 wurde Gerd Müller von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Kabinett Merkel IV wieder als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ernannt.[17] Unter ihm wurden die Ausgaben des Ministeriums von 6 auf 10 Milliarden Euro jährlich gesteigert.[18]

Müller initiierte den Grünen Knopf, ein seit 2019 verwendetes Textilsiegel, das für Mindeststandards bei der Textilproduktion in Entwicklungsländern wie Bangladesch sorgen soll, denen oft menschenunwürdige und lebensgefährliche Produktionsverhältnisse existieren.

Im September 2020 kündigte er seinen Rückzug aus der Bundespolitik an, um Gelegenheit für einen Generationswechsel zu schaffen.[19][20]

Im November desselben Jahres wurde er von der Bundesregierung, mit Unterstützung der EU und der anderen EU-Mitgliedstaaten,[21] als Kandidat für die Leitung der UNO-Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO) benannt.[22] Am 13. Juli 2021 setzte er sich bei einer Wahl im UNIDO-Lenkungsgremium (Industrial Development Board) gegen Kandidaten aus Äthiopien und Bolivien als Nachfolger von Li Yong durch. Die Wahl wurde am 30. November 2021 von der UNIDO-Generalversammlung förmlich bestätigt. Am 10. Dezember 2021 trat Müller sein Amt als UNIDO-Generaldirektor an.[21][23][24]

Ein Meilenstein seiner Amtszeit als Entwicklungsminister war das Lieferkettengesetz, das ab 2023 große Unternehmen dazu verpflichtet, gegen Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit und Umweltverstöße ihrer Zulieferer vorzugehen. Im Bundestag führte er dazu aus:[25]

„Das war vielleicht meine letzte Rede hier, aber ganz sicher das wichtigste Gesetz für mehr Gerechtigkeit zwischen Reich und Arm – wir haben noch viel zu tun.“

Mitgliedschaften und Ehrenämter

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In seiner Jugend war Müller Mitglied der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB).[26] Von 2008 bis 2012 war er Präsident des Deutschen Heilbäderverbandes,[27] und seit 2009 ist er Honorarprofessor für Internationale Agrarpolitik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden.[28] Müller ist Mitglied der Europa-Union Deutschland.[29] Von 2017 bis 2021 war er gewähltes Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.[30][31] Ferner ist er Schirmherr von „1000 Schulen für unsere Welt“, einer Gemeinschaftsinitiative der kommunalen Spitzenverbände in Deutschland.[32]

Müller ist Mitglied der International Gender Champions, die sich für Geschlechtergleichstellung in nationalen und internationalen Organisationen einsetzt.

Müller ist römisch-katholisch, mit Gertie Müller-Hoorens verheiratet[33] und Vater von zwei Kindern.[34][35]

Commons: Gerd Müller – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Deutscher Bundestag - Abgeordnete. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
  2. Change of management at UNIDO: Gerd Müller succeeds Director General LI Yong. In: unido.org. Abgerufen am 2. Dezember 2021 (englisch).
  3. Presseerklärung zu den Plagiatsvorwürfen gegen Bundesminister Gerd Müller. uni-regensburg, 22. April 2014, archiviert vom Original am 26. April 2014; abgerufen am 4. August 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uni-regensburg.de
  4. Sängerknaben und Eunuchen. In: Der Spiegel. 19. November 1989, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 2. November 2023]).
  5. Kersten Augustin: Nein, nicht DER Gerd Müller. In: ZEIT ONLINE. ZEIT ONLINE GmbH, 18. Dezember 2013, abgerufen am 30. Mai 2020.
  6. Wahlkreisergebnis. Der Bundeswahlleiter, archiviert vom Original am 4. August 2016; abgerufen am 4. August 2016.
  7. Gewählte auf Landeslisten der Parteien in Bayern - Der Bundeswahlleiter. In: www.bundeswahlleiter.de.
  8. Michael Stifter: Entwicklungsminister Müller wird 2021 nicht mehr für den Bundestag kandidieren. In: Augsburger Allgemeine.
  9. Kersten Augustin: Entwicklungsminister: Nein, nicht DER Gerd Müller. In: Die Zeit. 18. Dezember 2013, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 4. März 2018]).
  10. Gerd Müller boykottiert Fußball-WM in Brasilien. Die Welt, 27. Mai 2014, abgerufen am 4. August 2016.
  11. "Wir müssen handeln" - CSU-Minister schimpft auf Europa. Merkur, 28. Oktober 2015, abgerufen am 4. August 2016.
  12. FOCUS Online: CSU-Minister Müller: Was wir tun müssen, um Flüchtlingskrisen zu stoppen. In: FOCUS Online. (focus.de [abgerufen am 4. Juli 2017]).
  13. Menschen verlassen ihre Heimat wegen Krieg, Terror und Hunger - wir müssen ihnen vor Ort helfen. Archiviert vom Original am 28. Juni 2017; abgerufen am 4. Juli 2017.
  14. Murmann Publishers GmbH: Unfair! Für eine gerechte Globalisierung. ISBN 978-3-86774-579-6.
  15. Entwicklungsminister Müller will Kontrollinstanz für Klima-Zusagen. t-online, 28. November 2015, archiviert vom Original am 8. Dezember 2015; abgerufen am 4. August 2016.
  16. Entwicklungsminister Gerd Müller: Das gute Gewissen der CSU. Deutschlandfunk, 3. März 2016, abgerufen am 13. September 2020.
  17. Das neue Kabinett auf einen Blick, spiegel.de, abgerufen am 14. März 2018
  18. Hannes Koch: Entwicklungsminister über faire Kleidung: „Raus aus der Nische“. In: Die Tageszeitung: taz. 16. August 2019, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 18. August 2019]).
  19. Müller kündigt Rückzug aus Bundespolitik an. Tagesschau, 13. September 2020, abgerufen am 13. September 2020.
  20. bam, dpa, Reuters: CSU-Entwicklungsminister. Gerd Müller kündigt überraschend Rückzug aus Bundespolitik an. In: Spiegel Online. 13. September 2020, abgerufen am 13. September 2020.
  21. a b Marco Feldmann: Müller soll neuer UNIDO-Generaldirektor werden. In: Behörden Spiegel. 13. Juli 2021, abgerufen am 13. Juli 2021.
  22. Bundesregierung nominiert Gerd Müller für UNO-Spitzenamt. In: deutschlandfunk.de. 13. November 2020, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. November 2020; abgerufen am 15. November 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutschlandfunk.de
  23. Müller wird Unido-Chef. In: Süddeutsche Zeitung (SZ). 12. Juli 2021, abgerufen am 13. Juli 2021.
  24. Gerd Müller of Germany chosen as next UNIDO Director General. In: Website UNIDO. 12. Juli 2021, abgerufen am 12. Juli 2021 (englisch).
  25. „Das war sicher das wichtigste Gesetz“, sagt der Entwicklungsminister bewegt. In: WELT. 11. Juni 2021, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. November 2021; abgerufen am 1. November 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.welt.de
  26. Minister Müller preist Landjugend. Augsburger Allgemeine. 5. März 2017. Abgerufen am 6. März 2017.
  27. Ernst Hinsken wird neuer Präsident des Deutschen Heilbäderverbandes e. V. - Er tritt Nachfolge von Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller an. Deutscher-Heilbaederverband, abgerufen am 4. August 2016.
  28. Liste der Honorarprofessoren an der HTW Dresden. Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, archiviert vom Original am 20. Dezember 2016; abgerufen am 19. Dezember 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.htw-dresden.de
  29. Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag A - Z. In: Webseite der Europa-Union Deutschland. Abgerufen am 25. November 2020.
  30. Dr. Gerd Müller BM. Zentralkomitee der deutschen Katholiken, abgerufen am 27. Februar 2017.
  31. ZdK-Wahl: Diese 27 Kandidaten wurden ins Katholikenkomitee gewählt. Zentralkomitee der deutschen Katholiken, 20. April 2021, abgerufen am 21. April 2021.
  32. Homepage der Schul-Initiative, abgerufen am 23. März 2020.
  33. Dr. Gerd Müller erneut zum Direktkandidaten gewählt. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. September 2021; abgerufen am 18. Februar 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gerd-mueller.de
  34. bundestag.de: Dr. Gerd Müller, CDU/CSU
  35. Dr. Gerd Müller, CDU/CSU. Deutscher Bundestag, archiviert vom Original am 17. November 2016; abgerufen am 3. Mai 2017.
  36. Dr. Gerd Müller, Bundesminister a.D., ist Empfänger des Julius-Itzel-Preises 2022. ITZEL Stiftung, abgerufen am 23. Oktober 2022.
  37. „Tief verwurzelt im Glauben“: Gerd Müller erhält Eugen-Biser-Preis. In: katholisch.de. 12. April 2023, abgerufen am 13. April 2023.