Explosionen der Pager und Walkie-Talkies der Hisbollah

Zu Explosionen der Pager und Walkie-Talkies der Hisbollah kam es bei zwei koordinierten Angriffen am 17. und 18. September 2024 im Libanon. Zu zwei Zeitpunkten wurden mehrere tausend Funkmeldeempfänger (Pager), Walkie-Talkies und andere elektronische Geräte der Hisbollah zur Explosion gebracht. Insgesamt wurden nach libanesischen Angaben mindestens 37 Menschen getötet und rund 3000 verletzt. Die Verantwortung schreiben westliche Medien dem israelischen Geheimdienst Mossad zu, der die Apparate im Vorfeld mit Sprengstoff präpariert haben soll.

Erste Angriffswelle

Tausende von der Hisbollah genutzte Pager vom Typ Gold Apollo AR924 wurden kurz vor halb vier am Nachmittag des 17. September 2024 im Libanon und in einigen Orten Syriens gleichzeitig zur Detonation gebracht. Berichtet wird von einem vorangegangenen Tonsignal, das auf eine Nachricht hinwies. Nach libanesischen Angaben wurden durch die Detonationen knapp 2800 Menschen verletzt (davon 200 schwer verletzt) und zwölf getötet, darunter zwei Kinder. Unter den Verletzten befand sich auch der iranische Botschafter im Libanon, Modschtaba Amani und Mehdi Ammar, Sohn des Abgeordneten der Nationalversammlung Ali Fadel Ammar. Aus Syrien wurden 14 Verletzte in Damaskus und im Umland gemeldet. Viele Opfer – vom Piepsen des Pagers dazu gebracht, eine Nachricht zu lesen – erlitten Verletzungen im Gesicht, an den Augen, und an den Händen, die teils zu Erblindung, teils zu Amputationen führten, sowie in der Bauchgegend. Der Ministerpräsident des Libanon Nadschib Miqati besuchte noch am 17. September 2024 die südlichen Vororte Beiruts, um dem Parlamentarier sein Beileid auszusprechen.

Der libanesische Gesundheitsminister Firass Abiad gab bekannt, dass die Mehrzahl der Pager-Bomben in Beirut und den südlichen Vororten fernausgelöst worden seien, daher gab es in dieser Region mit 1850 Opfern die meisten Verletzten. Im Süden des Libanon wurden rund 750 Verletzte gemeldet, aus dem Bekaa-Tal weitere 150.

Zweite Angriffswelle

In einer zweiten Angriffswelle am 18. September 2024 detonierten in Beirut, Tyros und anderen Orten im Süden des Libanons erneut funkgesteuerte Geräte. Diesmal detonierten nicht nur Pager, sondern Walkie-Talkies (hauptsächlich das Modell IC-V82 des japanischen Herstellers Icom), aber auch Radios, Smartphones, Gegensprechanlagen, Autobatterien, biometrische Fingerabdrucklesegeräte und Solarstromanlagen für Privathaushalte.

Das libanesische Gesundheitsministerium teilte am Abend mit, dass beim zweiten Angriff in den Vororten Beiruts und im Bekaa-Tal 20 Menschen getötet und mehr als 450 verletzt wurden; laut Angaben des libanesischen Gesundheitsministers lag die Opferzahl beider Angriffswellen bei insgesamt mindestens 37 Toten und rund 3000 Verletzten.

Hintergrund

Aufgrund von israelischen Anschlägen auf Kommandeure der Hisbollah seit Beginn des Kriegs in Israel und Gaza im Jahr 2023 erging innerhalb der Hisbollah der Befehl, auf Mobiltelefone, die zur Ortung verwendet werden könnten, zu verzichten und stattdessen über Pager zu kommunizieren.

Die erste Explosionswelle ereignete sich wenige Stunden, nachdem Amos Hochstein, der Sondergesandte des US-Präsidenten Joe Biden für den Nahen Osten, die Region verlassen hatte. Er hatte bei seinem fünften Besuch in Israel seit Beginn des Krieges im Gazastreifen Washingtons Warnungen vor einer Ausweitung des Krieges mit dem Libanon übermittelt. Nach Angaben des israelischen Fernsehens N12 warnte Hochstein die führenden israelischen Politiker vor den gefährlichen Folgen eines regionalen Krieges. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte dem Sondergesandten Hochstein mit, dass Israel einen „radikalen Wandel“ an der israelisch-libanesischen Grenze fordere. The New York Times zufolge wurden die Explosionen von Israels Geheimdienst Mossad geplant und ausgeführt; eine libanesische Quelle gab Reuters zufolge an, die Pager seien bereits mit dem Sprengstoff produziert worden. Es sollen insgesamt 5000 Geräte manipuliert worden sein. Der taiwanische Pager-Hersteller Gold Apollo erklärte, die explodierten Funkempfänger nicht selbst hergestellt zu haben. Sie seien in Ungarn von einer Firma produziert worden, die zur Nutzung des Markennamens Gold Apollo berechtigt ist. Die ungarische Firma unterhält jedoch keine Produktionsstätte – mindestens teilweise ist das Unternehmensprofil gefakt. Viele der Pager sollen aus einer Lieferung stammen, die die Hisbollah-Miliz erst wenige Tage vor den Explosionen der Geräte erhalten hatte. Laut Nachrichtenwebsite Axios waren die USA nicht vorab von den Plänen informiert. Nur wenige Minuten vor der Anschlagserie rief Israels Verteidigungsminister Joaw Galant seinen US-amerikanischen Amtskollegen Lloyd Austin an, um ihm eine Operation im Libanon anzukündigen – ohne dies näher zu spezifizieren – so US-amerikanischen Angaben.

Reaktionen

Am 18. September, noch vor der zweiten Explosionswelle, verurteilte UN-Generalsekretär António Guterres die Umwandlung ziviler Objekte zur Waffe: „Es ist sehr wichtig, dass es eine wirksame Kontrolle ziviler Objekte gibt und nicht, dass zivile Objekte zu Waffen gemacht werden. Das sollte eine Regel sein, die Regierungen überall auf der Welt umsetzen können sollten. Der Zusammenhang zwischen dem, was im Libanon passiert, und dem, was in Gaza passiert ist, ist von Anfang an offensichtlich. Ich meine, die Hisbollah hat sehr deutlich gesagt, dass sie ihre Operationen aufgrund der Ereignisse in Gaza begonnen hat und dass sie aufhören werden, wenn es in Gaza einen Waffenstillstand gibt.“ Die UN-Sonderkoordinatorin für den Libanon, Jeanine Hennis-Plasschaert bezeichnete die Explosionen als „besonders besorgniserregende Eskalation“. Francesca Albanese, die Sonderberichterstatterin der UN für die besetzten Gebiete Palästinas, und Volker Türk, der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, sehen in den Sprengstoffanschlägen eine Verletzung internationalen Rechts. Türk verlangte „eine unabhängige, gründliche und transparente Untersuchung“ der Explosionsserien.

Israel übernahm keine Verantwortung. Das Büro von Premierminister Netanjahu soll alle Minister angewiesen haben, zu dieser Angelegenheit Stillschweigen zu bewahren. Am 18. September rief Israels Verteidigungsminister Joaw Galant eine „neue Phase“ des Krieges aus; Fokus sei nun die Front im Norden, berichteten mehrere Medien unter Berufung auf Galants Büro. Galant hatte zwei Tage zuvor bei seinem Treffen mit Amos Hochstein gesagt, dass die Sicherheitslage im Norden Israels „grundlegend geändert“ werden müsse. Zu Israels Kriegszielen gehöre nun – neben der Befreiung der Geiseln aus dem Gazastreifen und der Zerstörung der Hamas – auch die Rückkehr der evakuierten israelischen Bürger in ihre Wohnorte im Norden des Landes, dies sei nur möglich, wenn Israel eine militärische Operation an der Grenze starte. Am 19. September 2024 äußerte sich die israelische Regierung zu den Ereignissen und räumte indirekt eine Beteiligung an den Detonationen von Pagern und Walkie-Talkies ein. Verteidigungsminister Galant besuchte einen Luftwaffenstützpunkt in Nordisrael und verkündete, eine „neue Phase“ des Krieges sei angebrochen. Er lobte die „ausgezeichnete Arbeit“ der Armee, des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet und des Auslandsgeheimdienstes Mossad.

Am 19. September 2024 kündigte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah Vergeltung gegenüber Israel an. Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi beschuldigte Israel, einen „Terrorakt“ verübt zu haben. Die USA erhöhten nach dem Angriff ihre Alarmbereitschaft.

Der irische Außenminister Micheál Martin verurteilte den Angriff mit der Begründung, er zeige „mutwillige Missachtung“ des Lebens von Zivilisten und verstoße gegen die Genfer Konvention gegen wahllose Angriffe. Die stellvertretende Premierministerin Belgiens Petra De Sutter verurteilte den Angriff. Die US-amerikanische Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez kritisierte den Angriff als Verletzung des Humanitären Völkerrechts.

Die Fluglinien der Lufthansa-Gruppe und der Air France-KLM Holding setzten die Flüge nach Tel Aviv bzw. Beirut und Teheran aus.