ZIS Islamische+Studien 2.ausgabe
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Editorial ...... Seite 3 Prof. Dr. M. Fuad Sezgin Die Quellen al-Buaris Die Zusammentragung der adte (tadwn); bertragung des Wissens/berlieferung Prof. Dr. Abdullah Takm der ade (taammul al-ilm)......... Seite 63 Trag vor im Namen deines Herren, der euch erschaffen hat (Sure 96:1-5) Der Koran: Das Wort Gottes in Dr. Christiane Geisthardt arabischer Sprache ....... Seite 5 Interreligiser Dialog als Chance Man stelle sich vor ...... Seite 72 Serdar Kurnaz, M.A. Alexander Schmidt Maqaid a-aria Eine kurze historische Skizze der Rezension zu Gottes Menschenwort islamischen Rechtsphilosophie .. Seite 12 von Abu Zaid ......... Seite 76 Bchervorstellung: Dr. Mark Chall Bodenstein Aye Boztrk Koranische Rckbeziehung religionsGnilka, Joachim: Bibel und Koran. didaktischer Konzepte . Seite 55 Was sie verbindet, was sie trennt. .... Seite 78
ZS ZS
REDAKTION Elif Gmleksiz: Chefredakteurin, Mitherausgeberin, bersetzerteam Studienfcher: Islamische Religion, Jd.- Christl. Religionswissenschaft, Germanistik Serdar Kurnaz, M. A.: Chefredakteur, Mitherausgeber, bersetzerteam Studienfcher: Islamische Religion, Jd.- Christl. Religionswissenschaft, Pdagogik, Rechtswissenschaft Johanna Ertan: Stellv. Chefredakteurin Studienfcher: Islamische Religion, Jd.- Christl. Religionswissenschaft, Sdostasienwissenschaften Mukadder Tuncel, M.A.: bersetzerteam Studienfcher: Islamische Religion, Jd.- Christl. Religionswissenschaft, Pdagogik, Literaturwissenschaft, Judaistik Hacer akmak: Homepage Studienfcher: Islamische Religion, Pdagogik Aye Karaman: bersetzerteam Sudienfcher: Islamische Religion, Jd.- Christl. Religionswissenschaft, Romanistik Zeki Tuncel: Layout Studienfcher: Islamische Religion, Jd.- Christl. Religionswissenschaft, Pdagogik
Redaktion
Aye Boztrk: Bchervorstellung Studienfcher: Islamische Religion, Jd.- Christl. Religionswissenschaft, Pdagogik
Impressum: ZIS - Zeitschrift fr Islamische Studien c/o Institut fr Studien der Kultur und Religion des Islam Grfstr. 78 60486 Frankfurt a.M. Email: [email protected] Web: www.islamische-studien.de
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Editorial
EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser, wir freuen uns, Ihnen die zweite Ausgabe der ZIS Zeitschrift fr Islamische Studien zu prsentieren. Diese Ausgabe beginnt mit einem Beitrag ber den Koran und das islamische Offenbarungsverstndnis von Abdullah Takm, Professor fr Ideengeschichte des Islam an der Goethe-Universitt Frankfurt. Takm betont, dass der Offenbarungsakt nach islamischem Verstndnis einen essentiellen, kommunikativen Charakter aufweist, der in der Bezeichnung der Koranverse als ayat, d.h. Zeichen, explizit wird. Vermittels dieser verbalen Zeichen kommuniziert Gott mit den Menschen und fordert sie auf, ber seine ayat nachzudenken (Koran 38, 29). Mit Rekurs auf verschiedene Koranverse zeigt Takm im Folgenden, dass im Koran alle Offenbarungsschriften auf das Mutterbuch (umm al-kitab) als verbindende Urquelle zurckgefhrt werden: Jedem Propheten werden Teile dieses Mutterbuches bzw. dieser Uroffenbarung in der Sprache seines eigenen Volkes herabgesandt (Koran 14, 4). Damit wird nicht nur die geschichtliche Kontinuitt der Offenbarungsreligionen gewahrt, sondern auch die geistige Einheit der Offenbarungsreligionen Judentum, Christentum und Islam konstatiert, so Takm. Die Essenz der Offenbarungsschriften ist dieselbe, nmlich der Monotheismus. Im weiteren Verlauf stellt Takm die spirituell-sthetische Dimension des Korans dar, die durch die Wahrnehmung des Korans als materielles Buch in den Hintergrund gert. Dem Akt der lauten und knstlerisch-sthetischen Rezitation, in der die Rede Gottes vergegenwrtigt und erlebt wird, kommt primre Bedeutung fr Muslime zu, so der Autor. Dabei mchte man durch die eigens fr die
Rezitation entwickelte Wissenschaft (ilm al-tagwid) den erhabenen und unnachahmlichen Worten Gottes gerecht werden. Takm schliet mit einem berblick ber die verschiedenen Formen und Entwicklungen der Koranexegese bis zur Moderne (19./20. Jh.), wo die Reformbemhungen im Mittelpunkt des islamischen Diskurses standen, ab. Serdar Kurnaz fasst in seinem Aufsatz seine Magisterarbeit mit dem Titel Der Diskurs um Maqaid as-aria Ein Konzept zur Lsung aktueller Rechtsprobleme zusammen und prsentiert das Instrumentarium der islamischen Rechtsmethodik (ul al-fiqh) fr die Bewahrung der Dynamik des islamischen Rechts (fiqh), um neuentstandene Situationen arakonform zu beurteilen. Diese Methoden beachten nicht nur den Wortlaut der Texte (Koran und Sunna), sondern auch die Essenz/Ziele (Maqaid), was dazu fhrt, dass vorhandene Urteile sich ndern und neue Urteile erlassen werden knnen und diese trotzdem dem Koran und der Sunna nicht widersprechen. Dabei untersucht Kurnaz die historische Entwicklung elementarer Begriffe der islamischen Rechtsmethodik wie malaa, maqaid as-aria und istisan beginnend von den Lebzeiten des Propheten Muammad ber den sogenannten Rechtsschulgrndern bis hin zu den spteren muslimischen Rechtsmethodikern wie al-azl, a-ib und muslimischen Gelehrten des 19./20. Jahrhunderts wie Abduh, Ri, Ibn r und Fazlur Rahman. Kurnaz gelangt zu dem Ergebnis, dass schon zur Zeit des Propheten und der Prophetengefhrten die Essenz der Offenbarung beachtet, koranische Urteile bezglich der zwischenmenschlichen Beziehungen (muamalat) revidiert, verschiedenermaen ausgefhrt und neuere Urteile erlassen wurden. Somit bietet das islamische Recht laut Kurnaz eine fundierte Basis fr nichtwortlautgebundene arakonforme Urteilsfllung und fr die Wahrung der Dynamik des islamischen Rechts, was sich auch in den Rechtssammlungen (corpus juris) wie bspw. im Kitab al-Mabs des as-Saras niedergeschlagen hat.
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Editorial
Mark Chall Bodenstein, der am Institut fr Studien der Kultur und Religion des Islam die Professur fr Kultur und Gesellschaft des Islam in Geschichte und Gegenwart vertritt, prsentiert in seinem Aufsatz didaktische Modelle wie die Korrelations- und Symboldidaktik aus der Religionspdagogik, die, so der Autor, nicht als alleinig christliche didaktische Modelle zu bezeichnen sind, sondern eher als dem Wesen des Menschen generell angemessene Vermittlungsformen. Bodenstein widmet sich in diesem Sinne der Frage, ob diese didaktischen Modelle kompatibel mit der sich neu entwickelnden islamischen Religionspdagogik sind. Hierfr wird berprft, in wieweit der Koran sich dieser Modelle bedient und mit ihm berhaupt begrndbar ist, den islamischen Religionsunterricht auf diese Weise zu gestalten. Dabei stellt der Autor dar, dass sowohl im Koran selbst als auch in der Koranexegese (tafsir) korrelationsdidaktische Elemente nachzuweisen sind: Whrend der Koran auf die Ereignisse und Anliegen seiner Ersthrer explizit Bezug nimmt, versuchten die Exegeten Koranverse mit der Lebenswelt der frhen Gemeinde zu korrelieren (asbab an-nuzl). Es folgen weitere Ausfhrungen zu symboldidaktischen Konzepten, die mit reichlichen Bespielen und Bezgen zu Koranversen veranschaulicht und im Hinblick auf die Frage nach der Kompatibilitt diskutiert werden. dienen sollten, bestimmtes Wissensgut in diesem Fall die ade mglichst in ihrer Ursprungsform bewahrt weiterzugeben. Diese berlieferungsregeln und -methoden der adwissenschaft stellt Sezgin im Einzelnen dar, wobei auch Termini technici wie addaana und abarana, die der Identifikation der Methoden im Prozess der berlieferung und Kodifikation dienen, erklrt werden. Dabei beschreibt Sezgin den berlieferungsvorgang selbst, die Schler-LehrerBeziehung sowie die Rolle der Schrift in den einzelnen Methoden.
Der freie Essay von Dr. Christiane Geisthardt beginnt mit einer Utopie, die sie in der Vergangenheit ansiedelt: Die Autorin imaginiert die Welt, wie sie ausgesehen htte, wenn es keine Kreuzzge bzw. Religionskriege, keine Verfolgungen und religisen Diskriminierungen gegeben htte. Zurck auf der Ebene der Realitt, die geprgt ist von Vergegnungen, Intoleranz und Anwendung von Gewalt gegenber Andersdenkenden, hebt die Autorin die friedlichen Diskurse der verschiedenen religisen Traditionen sowie die Chancen des interreligisen Dialogs hervor. Dabei rekurriert sie auf Bibel- und Koranstellen, die als Aufruf zu Toleranz und Anerkennung des (religisen) Pluralismus gelesen werden knnen. Geisthardt betont die Bedeutung des aktiven Umgangs mit der religisen Vielfalt, die ber eine passive Duldung der Anderen hinausgeht. In diesem Sinne In der zweiten Ausgabe der ZIS wird die bersetzungsreihe Die Quellen albeschreibt sie verschiedene Formen des interreligisen Dialogs, die alle einen Burs fortgesetzt. Fr diese Ausgabe wurden die Kapitel Die Zusammentra- Beitrag zum friedlichen Zusammenleben leisten knnen. Als ein Beispiel fr den gung der ade (tadwin) und bertragung des Wissens/berlieferung der interreligisen Dialog stellt die Autorin abschlieend die Initiative Abrahams ade (taammul al-ilm) des Werkes von Fuad Sezgin bersetzt. In diesen Runder Tisch vor, zu deren Mitbegrndern sie gehrt. An dieser Stelle einen Kapiteln beschftigt sich Sezgin mit der Datierung des tadwin. Hauptschliche herzlichen Dank an unsere Gastautorin. Kritik wird aufgrund der spten Datierung des tadwin an Goldziher ausgebt, welcher laut Sezgin die feine Nuance zwischen tanif al-adi und tadwin aladi bersehen hat. Sezgin fhrt nach der Aufhebung des Missverstndnisses Eine erkenntnisreiche und anregende Lektre eine neue Datierung fr den tadwin-Prozess an. In dem darauf folgenden Kapitel wnschen Ihnen stellt Sezgin dar, welche Grnde und Umstnde dazu gefhrt haben, dass fr die Elif Gmleksiz Weitergabe der ade berlieferungstechniken entwickelt wurden, die dem Ziel Serdar Kurnaz
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Abdullah Takm: Trag vor im Namen deines Herren, der euch erschaffen hat (Sure 96:1-5)
TRAG VOR IM NAMEN DEINES HERREN, DER EUCH ERSCHAFFEN HAT (SURE 96:1-5)
Der Koran: Das Wort Gottes in arabischer Sprache
Was Christus fr das Christentum, das ist der Koran fr den orthodoxen Islam so bringt es der lutherische Theologe Nathan Sderblom auf den Punkt. Fr Muslime ist der Koran das Wort Gottes. Als solches steht er im Mittelpunkt der islamischen Religion und besitzt gttliche Autoritt. Auf ihm grnden der Glauben, die religise Praxis und die Weltanschauung der Muslime. Jeglichen religisen Wissenschaften wie der Islamischen Jurisprudenz, der Dogmatik oder der Ethik dient der Koran als primre Quelle noch vor der prophetischen Tradition. Doch der Koran ist nicht nur eine Quelle des religisen Studiums. Die Rezitation des Korans ist ein spirituelles, sthetisches Erlebnis. Viele Muslime hngen Koranverse an die Wand oder lesen kranken Angehrigen, die durch gngige Therapieformen nicht geheilt werden knnen, Koransuren vor, da sie an die heilende und schtzende Kraft des Korans glauben. sehen wird, sollte eine Periode der Ungewissheit folgen, denn weitere Offenbarungen lieen auf sich warten. Schlielich wurde das Schweigen gebrochen und vermittels Gabriel wurde Muhammad weiteren gttlichen Offenbarungen zuteil, die ihn aufforderten, seinen Mitmenschen die gttliche Botschaft zu verknden und sie vor dem Gericht Gottes zu warnen. Das islamische Offenbarungsverstndnis
Der arabische Terminus fr Offenbarung way bedeutet im sprachlichen Sinne zuflstern, insgeheim mitteilen. Bezogen auf die koranische Offenbarung bedeutet way, dass der gesandte Engel Gabriel mit dem Befehl Gottes die Bedeutungen, die er von Gott erhalten hat, in die arabische Sprache gekleidet und sie dem Herzen Muhammads eingegeben hat. Sowohl die Wortformen des Korans als auch die Bedeutungen davon stellen die Offenbarung des Engels dar. Als der Prophet Muhammad 40 Jahre alt war und sich wieder eines Nachts in Der Prophet Muhammad hatte darauf selbst keinen Einfluss. Damit wird der die Hhle Hira in Mekka zurckzog, um zu meditieren und zu beten und sich gttliche Ursprung des Korans jedoch nicht in Frage gestellt, im Gegenteil: dem Schpfergott zuzuwenden, zeigte sich ihm Gabriel, der Engel Gottes. Dieser Wenn er [d.h. der Koran] von einem anderen als Gott wre, wrden sie in ihm forderte ihn auf, die gttliche Botschaft vorzutragen und bermittelte ihm die viel Widerspruch finden (4, 82). In diesem Sinne wird der Engel Gabriel im ersten Verse des Korans (96:1-5). Tieferschttert und verngstigt von diesem Koran der vertrauenswrdige Geist (26, 192-195) genannt, der einen hohen Ereignis kehrte Muhammad nach Hause zurck und lie sich durch die zuspreRang bei Gott hat und als Engel, der von Gott selbst gesandt und mit der berchenden Worte seiner Frau Hadga beruhigen. Diesem Offenbarungsereignis, das mittlung seiner Gebote und Verbote an den Propheten beauftragt worden ist, nur in der islamischen Tradition als die Berufung Muhammads zum Propheten ange- die Worte Gottes und nicht die des Satans wiedergibt.
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Die Erscheinung Gabriels manchmal in der Gestalt eines Menschen sieht nur der Prophet selbst, sein Reden hrt nur er. Whrend des Offenbarungsaktes verliert der Prophet seine menschlichen Sinnesempfindungen, wird sich seines Selbst unbewusst, gert in Kontakt mit dem Engel und hrt seine Worte, die dem Gedchtnis des Propheten so eingeprgt werden, dass er sie nicht vergisst. Dabei erzeugt die Kommunikation mit dem Engel groe Erschtterungen und Vernderungen im menschlichen Organismus des Propheten, was in der islamischen berlieferungsliteratur auch genauer beschrieben wird. in der Natur zu erkennen und richtig zu deuten. Es herrscht also eine kommunikative Beziehung zwischen Gott, Mensch, Koran und Schpfung.
Als direkte sprachliche Kommunikation und Selbstmitteilung Gottes an die Menschen hat der Koran, das Wort Gottes, folglich absolute, gttliche Autoritt im Islam. Daher ist der veraltete Begriff Muhammedaner als Bezeichnung fr die Muslime unzutreffend. Denn nicht die Person des Propheten steht im Zentrum der islamischen Religion, sondern der Koran, der als Rechtleitung fr die Menschen gesandt worden ist und dem der Prophet auch folgt. Dem Propheten Neben dieser Art der Offenbarung durch die Vermittlung des Engels Gabriel, kommt dabei allerdings keine geringere Aufgabe zu als die koranische Offenbawerden im Koran die direkte gttliche Inspiration und die Offenbarung hinter rung den Menschen zu verknden und zu erklren. Als zweite Quelle nach dem einem Vorhang erwhnt (42, 51-52). Letztere ereignete sich am Berg Sinai, als Koran gilt in der islamischen Tradition aus diesem Grund die Sunna des PropheMose die Stimme Gottes vernahm, ihm das Antlitz Gottes jedoch verwehrt blieb. ten. Offenbarung als Kommunikation Es ist bezeichnend, dass die einzelnen Verse des Korans im Koran selbst mit dem Begriff yat, d.h. Zeichen wiedergegeben werden. Dieser Terminus deutet auf den essentiellen kommunikativen Charakter der koranischen Offenbarung hin: Gott kommuniziert demnach vermittels der verbalen Zeichen des Korans mit den Menschen und verkndet seinen reinen Willen, whrend der Mensch dazu aufgefordert wird, ber die Zeichen Gottes nachzudenken und sie auf Gott hin zu deuten (38, 29). Somit ist der Mensch in die Offenbarung Gottes mit einbezogen. Er soll die Inhalte des Korans nicht als Dogmen begreifen, sondern ber die Koranverse nachdenken und dann, wenn er sie akzeptiert, annehmen und verinnerlichen. Dabei werden nicht nur die Koranverse yt genannt, sondern auch die Zeichen Gottes in der Schpfung, d.h. die Naturphnomene. Diese weisen als Zeichen ber sich hinaus auf den Schpfer und seine Einzigkeit, Barmherzigkeit und Weisheit hin, wobei der Koran seinen Adressaten hilft, diese Zeichen Gottes Das Mutterbuch als Quelle der Offenbarungen Gottes Laut dem Koran entspringen alle Offenbarungsreligionen bzw. Heilige Schriften einer einzigen Quelle dem Mutterbuch (umm al-kitb), das sich bei Gott befindet (43,4). Dieses ewige Buch symbolisiert einen Teil des Wissensschatzes Gottes und kann als absolute gttliche Rede bezeichnet werden. Als solche bedarf es nicht der Laute und Buchstaben und ist somit auch nicht als materielles Buch zu verstehen. Jedem Propheten werden Teile dieses Mutterbuches bzw. dieser Uroffenbarung in der Sprache seines eigenen Volkes herabgesandt (14,4). Damit sind alle Propheten Trger der gleichen Offenbarungswahrheit, nmlich der des Monotheismus. In diesem Zusammenhang wird der Begriff Islam im Koran nicht nur als Bezeichnung fr die vom Propheten Muhammad verkndete Religion verwendet, sondern der Islam ist auch der gemeinsame Name der Religion, die Gott den Menschen von Adam bis zum Propheten Muhammad verkndet hat. Insbesondere der Prophet Abraham wird im Koran als der Prototyp des Islams, d.h. des rei-
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nen Monotheismus dargestellt (22, 78). Dieser reine Monotheismus ist in der Natur jedes Menschen veranlagt, kann aber mit der Zeit durch die Menschen deformiert werden. Aus diesem Grunde werden Propheten gesandt, um diese ursprngliche, natrliche Konstitution des Menschen, nmlich den Islam, wiederherzustellen (7, 20-22). Nach koranischer Auffassung haben somit alle Propheten den Islam verkndet. Die gttliche Botschaft, die der Prophet Muhammad berbracht hat, ist keine neue. Sie ist auch in den vorherigen Offenbarungsschriften enthalten. Die Aufgabe des Propheten Muhammad bestand darin, diese Botschaft in einem neuen Gewande und in arabischer Sprache denjenigen zu vermitteln, die es verstehen, also in erster Linie den Arabern. Das Verhltnis des Korans zu den anderen Offenbarungsschriften Durch die Zurckfhrung aller Offenbarungsschriften auf das Mutterbuch konstatiert der Koran die Einheit der Offenbarungsreligionen Judentum, Christentum und Islam. Die Thora, das Evangelium und der Koran werden als von Gott geoffenbarte Schriften charakterisiert, die sich in ihrem Inhalt gegenseitig besttigen (5, 44-50). Dabei ist der Bezug des Korans zum Mutterbuch eine essentielle, der Bezug des Korans zur Thora und zum Evangelium hingegen eine geschichtliche, denn der Koran mchte damit die geschichtliche Kontinuitt der Offenbarungsreligionen wahren. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass der Koran neben Geschichten und Gesetzen, die den Arabern bekannt waren und ganz originellen Offenbarungen des Korans viele biblische Geschichten und Erzhlstoffe beinhaltet. Diese werden allerdings nicht einfach von der Bibel bernommen, sondern sie werden in einen neuen Kontext eingebettet sowie den Zeitumstnden entsprechend inhaltlich neu ausgewertet und akzentuiert. Damit ist der Koran ein multireferentielles Buch, das sich auf sich selbst und auf andere Schriften bezieht, sie bewertet und in die Offenbarungsgeschichte, ohne genauere historische Daten zu nennen, einordnet und damit die berzeitlichkeit und Universalitt der Offenbarung betont. Im Unterschied zur heutigen Bibel herrscht im Koran als Erzhlstil nicht der Geschichtsstil vor, sondern im Zentrum der koranischen Erzhlungen steht die Ermahnung (tadkir) und Erinnerung (dikra). Der Koran beabsichtigt nicht, eine Geschichte chronologisch nachzuerzhlen: Er beinhaltet demnach keine fortlaufende Handlung wie die Evangelien oder gar die Biographie Muhammads. Der Koran will vielmehr durch die ausgewhlten Geschichten die Menschen an die vergangenen Propheten, Vlker und damit an Gott erinnern und sie dadurch rechtleiten. Dieser koranische Erzhlstil der Erinnerung setzt voraus, dass die von ihm erzhlten Stoffe und Bilder den Zeitgenossen des Propheten Muhammad bzw. den Erstadressaten des Korans bekannt waren. In diesem Sinne sind im Koran eindeutig Spuren der Bibel enthalten, denn der Islam ist als Religion nicht in einem Vakuum entstanden, sondern fand verschiedene religise Traditionen und Erzhlstoffe vor, auf die er Bezug nahm. Der Erinnerungsstil ist jedoch nicht nur dem Koran vorbehalten: Auch die Thora und das Evangelium werden im Koran dikr, d.h. Erinnerung oder Ermahnung genannt, denn dem Koran zufolge ist die Botschaft aller Offenbarungsreligionen dieselbe, nmlich die Erinnerung an Gott, auch wenn der Erinnerungsstil im Koran indes strker betont wird. Der Koran ein Buch? In seiner heutigen Form ist der Koran ein abgeschlossenes Buch, das von Gott vermittels des Erzengels Gabriel an Muhammad in einem Zeitraum von 23 Jahren offenbart wurde. Die Assoziation des Korans mit einem Buch blendet jedoch einen wichtigen, essentiellen Charakter aus, der sich hinter dem arabischen Wort Qurn verbirgt. Der Begriff Qurn kann im Koran selbst verschiedene Bedeutungen haben und bezeichnet ursprnglich nicht den ganzen Koran als Buch,
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wie man gewhnlich annimmt, sondern er hat die Grundbedeutung laut (vor) lesen, vortragen, rezitieren. Als Qurn knnen auch ein kleiner Abschnitt oder eine ganze Sure aus dem Koran, aber eben auch der ganze Koran bezeichnet werden. Wichtig ist, dass der Text laut vorgetragen, d.h. rezitiert wird. Der Koran ist damit kein Buch, das zum stillen lesen und studieren bestimmt ist. In seiner Buchform ist er sekundr und dient als Gedchtnissttze, whrend der Akt der Rezitation primr fr die Muslime ist. Die Rezitation des Korans ist ein ritueller Akt, der eine groe spirituelle Wirkung auf die Glubigen ausbt: Durch das laute und knstlerisch-sthetische Vortragen des Korans wird die Rede Gottes erlebt ja, man hrt Gott selbst. Die Unnachahmlichkeit und sthetik des Korans Unmittelbar verbunden mit dem spirituellen Erleben des Korans ist der Glaube der Muslime, dass der Koran in seinem Stil, seiner Darstellung, seiner Sprache und in seinem Inhalt unnachahmlich und unbertrefflich ist. Dieser Topos der Unnachahmlichkeit (igz) hat seinen Ursprung im Koran selbst. So fordert der Koran die Unglubigen heraus, ein hnliches Buch, das dem Koran gleicht, zu bringen (52, 34; 17, 88). Wenn sie dies nicht bewerkstelligen knnen, so sollen sie doch zehn Suren bringen, die den koranischen Suren gleichen (11, 13-14) oder wenigstens eine Sure (10, 38; 2, 23). Dieser Herausforderung an die Unglubigen folgt schlielich der koranische Grundgedanke, dass der Mensch nicht imstande sei, ein Buch wie den Koran hervorzubringen, selbst dann nicht, wenn die Menschen und die Djinn zu diesem Zweck zusammenkmen (17, 88). Dieses Unvermgen der Menschen wird in der islamischen Tradition als Beweis dafr angefhrt, dass der Koran das Wort Gottes ist. Dieser Topos der Unnachahmlichkeit und sthetischen Dimension des Korans schlgt sich auch in vielen islamischen berlieferungen nieder: Demnach konnten sich viele Polytheisten zur Zeit des Propheten Muhammad, die sich der neuen gttlichen Botschaft verschlossen hatten und gar gegen sie ankmpften, der Sprache, Poetizitt und Musikalit, d.h. der gttlichen Schnheit und Komposition der koranischen Rede nicht erwehren und nahmen den Islam an. Welch hohen Stellenwert das sthetische Erleben des Korans im Islam einnimmt, zeigt auch die von Muslimen eigens entwickelte Wissenschaft der Koranrezitation (ilm al-tagwid), durch die eine Reihe von Regeln fr Aussprache, Intonation und Zsuren festgelegt wurden. Ziel dieser Wissenschaft ist eine mglichst schne Rezitation des Korans, um dem Wort Gottes gerecht zu werden. Dabei sttzt sich dieses Bemhen auf den Koran selbst, in dem es heit: Trag den Koran in singendem Vortrag vor (73, 4), oder aber auf die Aussprche des Propheten, von denen einer lautet: Schmckt den Koran mit euren Stimmen! Mit schner Stimme und im tartil-Stil, worunter man einen bedchtigen, deutlich artikulierten, musikalischen und melodischen Vortrag zu verstehen hat, das berdenken und Nachsinnen ber die vorgetragenen Verse ermglicht, soll der Koran also vorgetragen werden, denn ohne das Verstehen der Textinhalte ist die Koranrezitation wirkungslos. Die Entwicklung der Koranexegese Der Prophet Muhammad war nicht nur mit der bermittlung und Verkndung der gttlichen Rede beauftragt, sondern auch damit, diese Offenbarung den Menschen durch Wort und Tat zu erklren. So wird berliefert, dass die Gefhrten des Propheten bei Verstndnisfragen zu bestimmten offenbarten Versen den Propheten konsultierten, der ihnen mit nheren Erluterungen antwortete. Der erste Ausleger des Korans (mufassir) ist somit der Prophet selbst. Nach dem Tod des Propheten wandten sich die Muslime mit ihren Fragen zum Koran an die Gefhrten, die mit dem Propheten zusammengelebt, an seinen Gesprchen teilgenommen und die koranischen Auslegungen des Propheten auswendiggelernt hatten. Diese koranexegetischen berlieferungen des Propheten sowie die eigenen Koranauslegungen der Gefhrten wurden somit an die Nachfolgegenerationen weitertradiert und etablierten sich als die wichtigsten Quellen neben dem Koran
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selbst, aus der fr die Errterung von neuen Fragestellungen und Problemen geschpft wurde. Zu einer wissenschaftlichen Disziplin entwickelte sich die Koranexegese erst im Spteren, als die koranexegetischen berlieferungen des Propheten und seiner Gefhrten in einem Werk schriftlich zusammengetragen wurden und mit Hilfe derer die Koranverse gedeutet wurden. Diese Methode der Auslegung wird tafsir bi-r-riwaya (Auslegung durch die berlieferung) genannt. Nicht die berlieferung, sondern die Vernunft steht hingegen in der Methode tafsir bi-d-diraya bzw. tafsir bi-r-ray (Auslegung durch die eigene Meinung) im Mittelpunkt, auch wenn die berlieferungen zweifellos auch hier mitbercksichtigt wurden. Eine andere Deutungsmethode in der Koranexegese ist die mystische oder sufische Auslegung des Korans, die tafsir al-iari (Auslegung durch die Zeichen) genannt wird. Wichtiges Kennzeichen der islamischen Mystiker war, dass sie den Koran stndig lasen und immer neue Erkenntnisse, immer neue Schichten des Verstehens darin entdeckten. Ihre hermeneutischen Methoden reichten von einfacher wrtlicher Interpretation bis zu symbolischer und allegorischer Exegese, ohne jedoch den Wert des ueren Sinnes der koranischen Worte zu leugnen. Quelle der mystischen Auslegungen ist die Inspiration (ilham): Gott gibt in das Herz des eingeweihten Mystikers innere, verborgene Bedeutungen der Koranverse ein, die auch Weisheiten des Herzen (marifa) genannt werden. Muslime gegenber dem Westen musste sich die islamische Welt mit dem Vorwurf auseinandersetzen, der Islam sei fortschrittsfeindlich und rckstndig. Als Antwort auf diesen Vorwurf entwickelten die Exegeten neue Methoden der Koranauslegung, anhand derer gezeigt werden sollte, dass kein Widerspruch zwischen den koranischen Inhalten und den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Moderne existiere. Hierbei gewann die Ratio allmhlich die Oberhand: Ad fontes, zurck zu den Quellen, d.h. zum Koran selbst und zu den authentischen Aussprchen des Propheten Muhammad war das Leitmotiv. Viele koranexegetische berlieferungen, auf die sich die klassischen Koranexegeten berufen hatten, wurden nun als schwach und erfunden eingeordnet. Durch diese Neuorientierung sollten die Korankommentare und islamischen Traditionen von zeitbedingten Anschauungen, falsch hergeleiteten Rechtsbestimmungen und vom Aberglauben befreit und dadurch die wahre Botschaft des Korans vermittelt werden. Auf diese Weise wurden immer mehr moderne Korankommentare verfasst, die reformistisches Gedankengut aufzeigten und dieses an die breite Masse zu vermitteln versuchten. Literatur:
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Abdullah Takm: Trag vor im Namen deines Herren, der euch erschaffen hat (Sure 96:1-5)
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MAQID A-ARA
Eine kurze historische Skizze der islamischen Rechtsphilosophie
r die Existenz und das Fortbestehen der Dinge bedarf es in der Schpfung und Natur einer Ordnung, die durch bestimmte physikalische und kologische Gesetzmigkeiten geregelt ist. Der Mensch als Teil der Natur und Schpfung versucht auch sein Leben mit bestimmten Gesetzen zu regeln und zu ordnen, damit das Leben in Sicherheit, Gerechtigkeit, Harmonie und Glckseligkeit bestehen kann. Jede Zivilisation versucht dementsprechend, ein Rechtssystem zu entwickeln, um der Ungerechtigkeit entgegen zu wirken und fr Sicherheit zu sorgen. Fr Muslime gilt es als oberstes Prinzip, die Gerechtigkeit herbeizufhren und die Ungerechtigkeit zu unterbinden.1 Daher thematisiert der Koran, der nach islamischem Verstndnis ein Buch gttlichen Ursprungs ist, einige Rechtsflle und bestimmt auch einige Urteile darunter auch Strafen um das Leben der Muslime gem der Gerechtigkeit zu formen. Da der Koran fr die Muslime als die objektive Kraft fr die Bestimmung des Guten und Bsen gilt, haben muslimische Gelehrte ein Rechtssystem entwickelt, in dem der Koran und die Sunna als die primren Quellen gelten. Hierauf folgt der Konsens der Gelehrten (igma), der sich auf den Koran und die Sunna sttzt. Als letzte Quelle wurde der Analogieschluss (qiyas) bestimmt, der einen direkten Bezug zum Koran und zur Sunna hat und neue Situationen anhand der ratio legis (illa) mit dem koranischen Urteil vergleicht und falls es mglich ist die neue Situation aufgrund der Analogie mit dem lteren Urteil qualifiziert.2 Wie aus den Ausfhrungen ersichtlich ist, ist ein starker Bezug auf die textuellen Quellen vorhanden, fr dessen Ausprgung a-fi verantwortlich gemacht
wird. Die Mainstreammeinung besagt, dass dies ein Verdienst und eine groe Leistung ist, wohingegen andere behaupten, dass dies zur Stagnation des islamischen Rechts gefhrt hat und die dynamische Seite des Rechts ausgeblendet wurde.4 Aufgrund des Fokus auf die Texte, der nach a-afi durch Ibn anbal noch strker betont wurde, hat sich das islamische Recht dahingehend geformt, das die literarisch-interpretative Seite ausgeprgt und der qiyas somit immens gestrkt wurde.5 Ziel dessen war, die Rechtssicherheit im islamischen Reich zu gewhrleisten und die Willkr des Menschen zu unterbinden, damit ein gottgeflliges Rechtssystem aufgebaut werden konnte.6 Ein anderer Faktor fr diese Ausprgung ist wahrscheinlich die Haltung der ummayyadischen Dynastie, welche wider dem gttlichen Willen Urteile erlassen lie und sich immer mehr von den koranischen Vorschriften entfernte. Jedoch wurde durch die islamischen Rechtsmethodologen und Theologen (mutakallimn), schon vor dieser dargestellten Ausprgung, frh erkannt, dass der reine Textbezug und die stark literarisch-interpretative Herangehensweise nicht jede neu entstandene Situation arakonform beurteilen konnte. Diese Problematik fhrte zu der Fragestellung, welche Ziele (maqaid) die ara zu erreichen beabsichtigt, und ob die festgelegten Urteile im Koran wortlautgetreu angewendet werden mssen, oder ob man die Essenz und die Absicht beachtend die Ausfhrung ndern kann. Des Weiteren musste diskutiert werden, welche Urteile sich ndern knnen. Knnen sich alle Urteile ohne eine Unterscheidung ndern oder muss man sich auf die zwischenmenschlichen Beziehungen (darunter auch Zivilrecht, ffentliches Recht), welche al-muamalat genannt
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maqasid und Abu Mansur al-Maturd (333/944) mit seiner groen Kenntnis
ber den ul al-fiqh und seinem Prinzip des nas igtihadi voraus.10 Vor aluwayn knnen noch weitere Namen wie al-asss (gest. 370/980) und alHwrazm (gest. 387/997) genannt werden, die sich auch mit dieser Thematik befasst haben, jedoch betiteln sie diese Diskussion nicht als Maqaid, sondern fhren ihre Ansichten im Rahmen des istisan und malaa an.11 Diese Tradition, die Maqaid a-aria unter malaa und istisan zu diskutieren, wird sich spter im klassischen ul al-fiqh auch durchsetzen. Wird der istisan nun auch als ein Zweig der Diskussion um Maqaid a-aria verstanden, was durchaus mglich ist, so kann die Bearbeitung von Maqaid bis auf Ab anfa (gest. 150/767), Ab Ysuf (gest. 182/798) und Muammad ibn asan a-aybn (gest. 189/805) zurckgefhrt werden.12 In den Fustapfen dieser genannten mugtahidn voranschreitend kann man den Anfang der Diskussionen ber Mlik ibn Anas (gest. 179/795) bis zu Muammad ibn Idrs a-fi Die Anfnge der islamischen Rechtsphilosophie (gest. 204/819) fortfhren. Whrend Malik ibn Anas die Wichtigkeit von istisan Die Ausfhrungen von al-uwayn, der wie erwhnt wurde als erster Syste- mit dem Leitsatz al-istisan tisat aar al-ilm (istisan ist neunzehntel des matiker der Diskussion um Maqaid a-aria gilt, beinhalten einige Indizien Wissens/der Wissenschaft) betont und eine sehr groe Bedeutung der Beachdarauf, dass schon vor ihm teilweise auf theoretischer Basis diese Diskussion tung der malaa mursala zugeschrieben hat,13 verwarf a-afi die Nutzung des gefhrt und einige Ergebnisse festgehalten wurden. Denn die Erkenntnisse von istisan mit dem bekannten Leitsatz man istasana faqad arraa (wer gutal-uwayn basieren grten Teils auf den Ergebnissen von al-Bqilln (gest. dnkt/istisan betreibt, der stellt eine eigene aria auf)14. Die Tatsache, dass a 403/985). Zu diesen Ergebnissen hatte al-uwayn Zugang, da er Schler von al- -fi keinen Bezug auf die malaa genommen hat, zeigt, dass die Diskussion Bqilln war und sein rechtsmethodisches Werk at-Taqrib wa-l-irad fi tartib um den istisan frher entstanden ist als die Diskussion um malaa.15 Da aber uruq al-igtihad unter dem Namen at-Tali zusammengefasst hat.8 Da alder istisan eher auf den qiyas bezogen ist und sich indirekt mit der Maqaid beuwayn auch zugleich ein Kalmwissenschaftler (mutakallim) war, kannte er fasst, ist es wissenschaftlich betrachtet korrekt, den Anfang der theoretischen 9 sich sehr gut mit den Diskussionen um ala und usn-qub aus. Hier kann fest- Diskussionen bei al-uwayn beginnen zu lassen, welcher sich konkret und exgestellt werden, dass die Diskussion um Maqaid sich in den Kalamdiskussionen plizit mit der Thematik befasst hat. Es knnen trotzdem einige Gelehrte im Vorfinden, auf diese basieren lsst und frher als das 5./11. Jahrhundert zu datieren aus genannt werden, um zu zeigen, dass die Ergebnisse von al-uwayn nicht in ist. Auch wenn al-uwayn der erste in diesem Feld ist, gehen ihm a-fi einem Milieu entstanden sind, das vllig frei von hnlichen berlegungen war. (gest. 204/819) mit einigen Anstzen im Qiyasverstndnis, kim at-Tirmi Heute wird auch die Ansicht vertreten, dass die Grundlagen der Maqaid a(gest. Ende 3./9. Jahrhundert) mit der weitrumigen Nutzung des Wortes aria auf den Propheten, ja sogar auf die Verkndigung des Korans zurckzu-
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Sowohl der istisan als auch der istila sind Methoden, um die Grenzen des Rechts zu erweitern, neue Situationen maqaid-gerecht zu beurteilen und die malaa und den sozialen Wandel zu beachten. Somit haben sie dasselbe Ziel. Wo liegen dann nun die Gemeinsamkeiten und Unterschiede, sodass man von zwei verschiedenen Methoden redet? Um diese Frage beantworten zu knnen, mssen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede analysiert werden. Die Gemeinsamkeiten sind folgende: 1. Beide Methoden beachten die malaa mursala, um die Maqaid a-aria bercksichtigen zu knnen.146 2. Rechtslcken werden durch die Beachtung der sozialen Umstnde und der Gewohnheiten der Menschen (urf) gefllt. Dabei wird die malaa als Basis genommen. Neben diesen Gemeinsamkeiten gibt es aber auch Unterschiede, die verdeutlichen, weshalb es sich um zwei verschiedene Methoden handelt: Der Vergleich zwischen istisn und qiys 1. Es existieren im istisan eigentlich schon Flle, bei denen durch qiyas ein Wird der istisan mit dem qiyas als versteckter qiyas (al-qiyas al-gali) vergli(mgliches) Ergebnis schon feststeht. Jedoch wird durch einen anderen Beweis chen, so kann man in diesem Punkt die hnlichkeit der Methoden entdecken. urf, arra, malaa, al-qiyas al-afi eine Ausnahmebestimmung entwiDoch wird im qiyas etwas Bekanntes mit etwas Bekanntem verglichen. Es gibt ckelt.147 keine weitere Entscheidungsmglichkeit. Bei istisan kann auch eine andere 2. Fr den istila gibt es keine hnliche, vergleichbare Situation. Es gibt keine Entscheidung getroffen werden, die nach tieferer Untersuchung gefunden und qiyas-Mglichkeit. Die neue Situation ist nicht mit einem lteren Urteil verbungegenber dem anderen qiyas bevorzugt werden kann. Auch wenn etwas Beden. Daher ist der istila eine Entscheidung, die sich komplett auf die malaa kanntes vorhanden ist, entscheidet man sich fr das auerordentliche Urteil. Es mursala sttzt. Somit wird eine direkte Verbindung zur malaa aufgebaut.148 kommt zu einer Ausnahme im Gegensatz zu der allgemeinen Regel.144 Auch wenn die beiden Methoden sich sehr hneln, unterscheiden sie sich in dieAndererseits gleicht der istisan auch dem qiyas. Es befinden sich mehrere illa, sen genannten Punkten. Die ltere Methode, nmlich der istisan, ist durch die die man aufgrund der munasaba auswhlt und eine Analogie vollzieht. Jedoch enge Korrelation mit dem qiyas eher wortlautgebunden. Jedoch wird sie genauso wird durch die Entscheidung eine Ausnahme gebildet, was dann zur Trennung stark kritisiert wie der istila. Der istila scheint eher die Weiterentwicklung
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Ab Bakr al-a (gest. 370/980) Auch wenn al-asss die Grenzen der malaa mursala mit istisan eng hlt, versucht er die Maqaid a-aria zu beachten und dabei eine Kontrollfunktion Ab Manr al-Mturidi (gest. 333/994) Al-Mturd, der eine fhrende Rolle in der sunnitischen Theologie zu errichten, damit sich durch die bloe Nutzung der Vernunft die Beachtung der (Kalamwissenschaft) inne hat, hat sich auch mit dem ul al-fiqh beschftigt. In persnlichen Neigung nicht durchsetzen kann. Daher sieht er die Anwendung der seiner Methodologie wird das nicht Erwhnte (ayr man) nicht nur durch malaa als illa im istisan, der sich u. a. auch auf textuelle Quellen sttzt. 183 qiyas, sondern auch durch andere Wege wie istisan erreicht und bewertet. Er Denn die wirkliche malaa ist eigentlich durch die nu bestimmt, die Verbetont sehr stark die Rolle der Vernunft bei der Ermittlung von Urteilen. Denn nunft kann ja irren und eine falsche malaa als wahr anerkennen und somit die Vernunft kann das Gute und Schlechte in den Urteilen erfassen, jedoch nicht falsch urteilen. Im istisn knne die Vernunft das Ntzliche erfassen und das ohne die Untersttzung der samiyyat (Offenbarungen und berlieferungen) als Schdliche vermeiden.188 der objektive Mastab. Im nas-Verstndnis von al-Mturd ist die Beachtung der malaa am strksten Ab l-Husayn al-Bari (gest. 436/1044) zu spren. Falls ein Urteil nicht die malaa der Menschen herbeifhrt, so wird Ab l-usayn al-Basr, ein mutazilitischer Gelehrter, geht auch wie die vorheridurch ein anderes Urteil das Letztere aufgehoben, sei es durch Beachtung der gen Gelehrten davon aus, dass die Urteile Wissen ber malaa und mafsada 184 na oder der bloen malaa. Diese Art des nas nennt er nas igtihadi (auf vermitteln und somit die Vernunft diese erfassen kann.189 Jedoch ist die Vernunft igtihad basierende Abrogation) und als Beispiel dazu nennt er die Urteilsndenicht alleine dazu befhigt, sondern sie wird durch die Offenbarung untersttzt. 185 rung durch Umar bezglich der al-muallafa qulbuhum. Demnach hat er ein Nur die Vernunft alleine kann nicht ermitteln, weshalb der Wein als Ganzes versehr dynamisches Verstndnis bezglich des nas und erweitert dessen Wirboten ist.190 Daher hngt es auch davon ab, ob Gott etwas befiehlt, wodurch man kungsfeld. Jedoch ist das, was al-Mturd unter nas versteht, kein nas nach die malaa erkennen kann. Ist eine Handlung verboten, so wird diese dann auch der klassischen Lehre der Koranwissenschaften (ulm al-quran) und ul alals mafsada wahrgenommen. Somit ist die malaa nicht durch die menschliche 186 fiqh, sondern eher Methoden wie istila, tai oder istisan. Vernunft determiniert, jedoch aber erfassbar.191 Folglich kann die malaa mutabara und u. a. auch maslaha mursala als illa fungieren.192 Al-wrazmi (gest. 387/997) Al-Hwrazm benutzt die malaa zum ersten Mal als Terminus technicus und Imm al-Haramayn al-uwayni (gest. 478/1085) diskutiert sie als eine Disziplin des ul al-fiqh. Er zeigt die Befrworter und Al-uwayn, der wie erwhnt als Grnder der theoretischen Diskussion gilt,193
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Sayf ad-Din al-midi (gest. 631/1233) So wie ar-Rz mit seinem al-Masl habe auch al-mid versucht, alMutamad, al-Burhan und al-Mustafa zusammenzufassen und eine Synthese zwischen ihnen herzustellen.225 Wie die vorherigen Gelehrten nutzt er eine berschrift mit dem Titel al-malaa al-mursala,226 behandelt diese aber unter dem qiyas.227 Al-mid bernimmt auch das Dreistufenmodell mit ihren jeweiligen tatimmat.228 Er sieht unter der Stufe der arriyyat die Beachtung der al-maqaid al-amsa (identisch mit a-arriyyat al-amsa).229 Systematisch stellt er dar, wie der Schutz der Religion, des Lebens, der Vernunft, der Nachkommen und des Besitzes gewhrleistet wird.230 Die klassische Beschreibung der agiyyat und Far ad-Din ar-Rzi (gest. 606/1209) Die Annherung von Far ad-Dn ar-Rz an die Thematik der malaa mursala tasiniyyat wird mit den entsprechenden Beispielen beibehalten.231 Die Begrenscheint eine Rezeption der Untersuchung von al-azl zu sein.216 Seine Ergeb- zung der arriyyat auf die Anzahl fnf habe damit zu tun, dass dies mit der Renisse und Beispiele gleichen der al-azls und er bringt auch zum Ausdruck, alitt bereinstimme und auer diesen keine weiteren existieren wrden.232 dass er sich auf der Linie von al-azl befindet.217 Die Arten der malaa als Ein neuer Ansatz wird darin gesehen, dass er eine Entscheidungsfolge zwischen 218 mutabara, mula und mursala und die daraus resultierenden Ergebnisse ber- den Stufen feststellt, und zwar dass erst die arriyyat, dann die agiyyat und nimmt ar-Rz von al-azl.219 Das Dreistufenmodell wird ebenfalls bernom- zuletzt die tasiniyyat gewhlt werden. Eine hnliche Entscheidungsfolge taucht men, sowie die drei Bedingungen qai, kulli und arri fr die Beachtung der auch unter den tatimmat auf.233 malaa.220 Die Beachtung der malaa mursala, falls diese arri, qai und kulli ist, subsummiert er unter dem qiyas unter al-munasaba.221 Er versteht unter Al-Izz ibn Abd as-Salm (gest. 660/1262) der Beachtung der munasaba die Herbeifhrung des Ntzlichen und die Abwehr Einer der wichtigsten Protagonisten bezglich der Diskussion um malaa ist des Schdlichen. Ebenso wie al-azl befrwortet er auch, dass die malaa Izz ad-Dn (bzw. al-Izz) ibn Abd as-Salm. Indem er an der Diskussion teilge222 mursala auf der Stufe der arriyyat auch ohne Text beachtet werden kann. nommen hat, hat er auch eine sufische Deutung in die Diskussion eingebunden Jedoch muss gewhrleistet sein, dass die malaa mursala keine malaa mula und somit die Diskussion auch erweitert.234 Al-Izz sieht in malaa die Beachist.223 Unter diesen Gesichtspunkten akzeptiert auch ar-Raz die Integration der tung der Absichten der Urteile. Die malaa besteht aus Behagen, Freude und malaa mursala auf der Stufe der arriyyat in den qiyas. Er versucht, die Be- deren Grnde dafr. Dementsprechend besteht die mafsada aus dem Gegen-
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* Dieser bersetzung liegt folgende Originalausgabe zu Grunde: Sezgin, M. Fuad: Burnin Kaynaklar. Ankara: Kitbiyt, 2001.
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Nachdem Goldziher die diesbezglichen Berichte weiter diskutiert, fhrt er wie folgt fort:
Viel positiver treten andere Daten der muhammedanischen Literaturgeschichte bezglich der Anfnge der Traditionsliteratur auf. Diese Daten anticipieren
Damit hlt Goldziher auch die Daten, die in den islamischen Quellen fr die erwhnte Geschichte der ersten muannaf-Werke angefhrt werden, fr ungeeignet. Aus welchem Grund auch immer setzt Goldziher den tadwin und den tanif gleich und setzt deren Anfang ein Jahrhundert spter an, obwohl die tadwinPhase schon viel frher begonnen haben muss.6 Aus seiner Aussage wird deutlich, dass er die zwei verschiedenen Epochen, die in den islamischen Quellen fr den Anfang des tadwin und des tanif angegeben werden, miteinander verwechselt. Aus diesem Grund findet er die Berichte der Quellen widersprchlich. In der Tat hat keine Quelle die systematische Zusammenstellung der ade auf die Anregung von Umar bin Abd al-Azz begrenzt und die Klassifizierung der ade auf seine Zeit zurckgefhrt. Die Quellen versuchen nur eine Verbindung zwischen ihm und der Sammlung von aden herzustellen. Auch Goldziher erwhnt in seinem Buch, dass die umayyadische Regierung azZuhr, der mit der Niederschrift der ade vertraut war, gezwungen hat, diese zu verschriftlichen. Hierfr fhrt Goldziher auch Belege an.7 Jedoch ordnet er den Bericht, der von aybn in Mliks Muwaa berliefert wird, als unauthentisch ein8 und konstatiert, dass dieser von den anderen Quellen nicht besttigt wird, um somit die erste zeitliche Angabe auszuschlieen, die fr diese Angelegenheit [d.h. die Beauftragung az-Zuhrs] genannt wird. Den gleichen Bericht zitieren allerdings Ibn Sad in seinem Kitab a-abaqat alkabir, al-Bur in seinem Sahi unter dem Kapitel Kitab al-ilm9 und in seinem Kitab at-tari a-air10, Drim in seinem Sunan11 und auch viele sptere Quellen. Im Gegensatz zu der Behauptung Goldzihers betrachtet auerdem keiner Ab Bakr b. Amr b. azm (gest. 120) als den ersten mudawwin, sondern es wird nur vermerkt, dass Umar ibn Abd al-Azz ihm diesbezglich einen Befehl erteilt und dieser daraufhin einige Bcher verfasst hat.12 Als erster mudaw-
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Um die Analyse der Quellen von al-Burs al-ami a-Sai zu erleichtern, ist es neben der thematisierten Angelegenheit des kitabat al-ilm (Verschriftlichung des Wissens/der ade) genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, sich mit taammul al-ilm, das die adberlieferungsregeln zur Grundlage hat, zu beEs wird ersichtlich, dass in der Zeit az-Zuhrs und seiner Zeitgenossen oder zu fassen. Auch wenn in der adliteratur von diesen zwei Themen die zweite in Beginn des zweiten Jahrhunderts der igra, in dem Bcher eine grere Rolle der Anfangsphase ihre Bedeutung nicht so wie die erste unter Beweis stellen spielten, eine Gruppe von aden mndlich berliefert wurde. Im Grunde gekonnte, nimmt sie im Hinblick auf die Ttigkeit der Festlegung der ade oder
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Alexander Schmidt
etztes Jahr verschied der Gelehrte Nasr Abu Zaid 2010 in gypten. Der Todesort wre eine belanglose Funote, doch wer das Leben dieses Gelehrten nur ein wenig kennt, wei, dass dies mehr als eine Funote ist. Geboren ist er im Jahr 1943. Er studierte an der Universitt Kairo und promovierte im Jahr 1981 mit einer Arbeit zur Auslegung des Korans. Hier in Europa ist er aber weniger wegen seiner wissenschaftlichen Arbeiten bekannt geworden, sondern er wurde bekannt, weil er durch ein aufsehenerregendes Gerichtsurteil in gypten von seiner Frau Ibtihal Yunis zwangsgeschieden wurde. Begrndet wurde dieses Urteil dadurch, dass er zum Apostaten erklrt wurde und aus diesem Grund nicht lnger mit einer Muslima verheiraten sein darf. Seitdem lebte und lehrte er in den Niederlanden. Erst in den letzten Jahren konnte er auch wieder in gypten einreisen. Dadurch war es ihm vergnnt, in seiner Heimat zu sterben. Thomas Hildebrandt whlte fr sein Buch Gottes Menschenwort fnf Texte von Nasr Abu Zaid aus. Die Texte zeigen, wie das Denken dieses Gelehrten sich im Laufe der Jahre entwickelte. Das Denken und das ganze wissenschaftliche Schaffen von Abu Zaid drehten sich immer um die Herausforderung, Offenbarung und Vernunft zusammen zu denken. Nasr Abu Zaid vertritt die These der Mutazila von der Geschaffenheit des Koran, ohne indes bei dieser Position stehen zu bleiben, sondern er bringt in die Debatte auch moderne hermeneutische Anstze hinein, wie z.B. Hans-Georg Gadamers Ansatz von Deutung bzw. Dekodierung. Sein Anliegen ist es dabei, den Menschen ein Verstndnis der Offenbarung zu vermitteln, welches es ihnen er-
mglicht, auf der Hhe ihrer Zeit zu sein und trotzdem eine tiefe spirituelle Beziehung zu Gott haben. Bei Abu Zaid wird die Offenbarung des Koran als ein kommunikativer Prozess verstanden wird, der zwischen dem Propheten und Gott einsetzte und sich bis heute fortsetzt. Gott kommuniziert mit dem Menschen auch weiterhin durch den Koran, aber um den Koran zu verstehen, oder besser gesagt, ihn zum Reden zu bringen, bedarf es immer einen hermeneutischen Entschlsslung des Sinnes hinter dem Wortlaut, anders gesagt, einer Kontextualisierung der koranischen Aussagen. So wird es mglich der Botschaft des Koran treu zu bleiben und trotzdem im Einklang mit der jeweiligen Zeit zu leben. Hierzu mssten, nach Abu Zaid, heute moderne literaturwissenschaftliche Methoden eingesetzt werden, um die Botschaft des Korans fr die heutige Zeit zu dekodieren. Er pldiert fr ein humanistisches Verstndnis des Korans und der Religion, wo die Scharia nicht als eine berzeitliche, unvernderliche Groe verstanden wird, sondern als ein Produkt menschlicher Interpretation, das somit auch wandelbar ist. Er geht auch mit den religisen Autoritten stark in Gericht. Hierzu fhrt er in dem Text Historizitt. Der missverstandene Begriff eine begriffliche Unterscheidung ein, zwischen dem Wort Sprache (langue) und dem Wort Rede (parole). Diese Unterscheidung hat er von dem Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure bernommen, welche grob vereinfacht besagt, dass Sprache (langue) sich dem gesellschaftlichen Wandel entgegenstellt und immer nach Stillstand strebt, whrend die Rede (parole) der individuelle Gebrauch der Sprache ist und somit immer neues hervorbringt. Der Koran sei Rede und somit Pro-
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Bchervorstellung
Aye Boztrk
Bchervorstellung Gnilka, Joachim: Bibel und Koran. Was sie verbindet, was sie trennt.
Freiburg im Breisgau: Herder, 2010. 216 Seiten, (D) 9,95 (ISBN 978-3-451-06218-6)
as Buch Bibel und Koran. Was sie verbindet, was sie trennt ver- Zunchst das Verbindende in den Heiligen Schriften: sucht auf einer wissenschaftlichen, historisch-kritischen Methode - Bibel und Koran: dem nichtkundigen Leser eine Hinfhrung auf die Heiligen Schrif stellen eine Offenbarungsreligion dar ten, Bibel und Koran, zu ermglichen. stellen monotheistische Religionen dar Gnilka bemht sich um eine vergleichende Darstellung. Dabei klassifiziert er betrachten die Welt als Schpfung Gottes den Aufbau seines Werkes in drei Kapitel: Historischer Hintergrund, Bibel und sprechen ber Jesus und Maria mit Verehrung Koran ein allgemeiner Vergleich und ausgewhlte theologische Themen, wie stellen abrahamitische Religionen dar z.B. lehren, dass in der Erschaffung Adams der gemeinsame Ursprung liegt 1. das Gottesbild - Das Neue Testament und der Koran erwarten den Tag des Weltgerichts mit 2. die Welt als Gottes Schpfung der Auferstehung der Toten 3. Schpfungsmittler - Der Koran kennt wie das Neue Testament den Dekalog, interpretiert jedoch 4. die Sendung der Gottesboten und ihr Schicksal einiges anders 5. Jesus Christologie 6. Jesuslogien im Koran Zustzlich gibt es einige weitere Themen, die Bibel und Koran voneinander tren7. die gemeinsame Berufung auf Abraham nen: 8. das Menschenbild - Nach christlichem Offenbarungsverstndnis offenbart sich Gott in Jesus 9. Eschatologie Christus. Laut dem Koran offenbart sich Gott jedoch im Buch. 10. Juden Christen Muslime - Im christlichen Glauben ist Jesus der Sohn, der die Menschen zu Gott fh11. Ethische Weisung: Dekalog, heiliger Krieg und anderes. ren und zu Gotteskindern erheben will. Der Koran wertet diesen Glauben Somit werden Verbindendes und Trennendes von Bibel und Koran in der breiten als unvergebbare Snde. Facette der Themen dargestellt und erlutert. - Der Koran weist den christlichen Erlsungsgedanken ab.
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Bchervorstellung
- Die gemeinsame Berufung auf Abraham wird unterschiedlich interpretiert. Die Muslime sehen ihn als den Begrnder der Religion des Eingottglaubens und die Christen als ein Vorbild des Glaubens. - Die eschatologische Erwartung des Neuen Testaments und des Korans unterscheiden sich. Die Christen erwarten die Wiederkunft Christi, die Gemeinschaft mit ihm und die Teilhabe am gttlichen Leben, whrend Muslime das Paradies ersehnen und erwarten. - Der Dekalog wird im Neuen Testament in der Bergpredigt gedeutet. Das hier enthaltene Gebot der Feindesliebe hat im Koran keine Parallele. Der zentrale Gedanke Gnilkas bei der Analyse von Koran und Bibel basiert darauf, dass Bibel und Koran nur verstanden werden knnen, () wenn man sie als Ganzes ernst nimmt und die verbindenden Teile in ihrem Kontext belsst. Eine isolierte Betrachtung von Texten fhrte zu irrigen Resultaten, mit denen man sich selber tuschen wrde. Bibel und Koran. Was sie verbindet, was sie trennt ist eine empfehlenswerte Literatur fr diejenigen, die den Vergleich der Religionen aus der Sicht der christlichen Perspektive entdecken und den interreligisen Dialog suchen mchten.
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