Relativity, Groups, Particles
Relativity, Groups, Particles
Relativity, Groups, Particles
in 19. Jahrhundert vorherrschten. Maxwell stellte sich ein Magnetfeld als eine Menge von "Molekular-
wirbeln" vor, die um die Feldlinien rotieren . Ihre Rotationsgeschwindigkeit ist dabei der Feldstärke
proportional. Die "Kugellager" zwischen den Wirbeln sollen aus Ladungsteilchen bestehen . Rotie-
ren benachbarte Molekularwirbel verschieden schnell, so kommt es zur Verschiebung der Ladungs-
teilchen. Dieses Modell des Elektromagnetismus lag der Herleitung der Maxwellsehen Gleichungen
zugrunde. Die Aufstellung der Relativitätstheorie durch Albert Einstein im Jahre 1905 setzte der-
artigen mechanischen Erklärungsversuchen für elektromagnetische Erscheinungen ein Ende.
Roman U. Sexl und Helmuth K. Urbantke
Relativität)
Gruppen) Teilchen
Spezielle Relativitätstheorie
als Grundlage der Feld- und Teilchenphysik
Mit 57 Abbildungen
1. Die Lorentztransformation 1
1.1 Inertialsysteme 1
1.2 Das Relativitätsprinzip 3
1.3 Folgerungen aus dem Relativitätsprinzip 4
1.4 Invarianz der Lichtgeschwindigkeit und Lorentztransformation 7
1.5 Das Linienelement 8
1.6 Michelson, Lorentz, Poincare, Einstein 12
2. Physikalische Interpretation 18
2.1 Geometrische Darstellung der Lorentztransformation 18
2.2 Relativität der Gleichzeitigkeit . Kausalität 20
2.3 Überlichtgeschwindigkeit 23
2.4 Die Lorentzkontraktion 26
2.5 Retardierungseffekte: Die Unsichtbarkeit der Lorentzkontraktion
und Überlichtgeschwindigkeiten 28
2.6 Eigenzeit und Zeitdilatation 31
2.7 Das Uhren- oder Zwillingsproblem (-"Paradoxon") 33
2.8 Über den Einfluß von Beschleunigungen auf Uhren 36
2.9 Das Geschwindigkeitsadditionstheorem 37
2.10 Die Thomaspräzession 39
2.11 Die Synchronisation von Uhren 43
4. Relativistische Mechanik 62
4.1 Kinematik 62
4.2 Die Stoßgesetze. Relativistische Massenzunahme 66
4.3 Lichtquanten: Dopplereffekt und Comptoneffekt 68
4.4 Die Umwandlung von Masse in Energie. Der Massendefekt 74
4.5 Der relativistische Phasenraum 77
5. Relativistische Elektrodynamik 84
5.1 Dynamik 84
5.2 Die kovariante Formulierung der Maxwell-Gleichungen 85
Inhaltsverzeichnis IX
1 Die Lorentztransformation
Traditionellerweise werden zwei Postulate an die Spitze der speziellen Relativitäts-
theorie gestellt, aus denen alle Resultate hergeleitet werden können:
A) Das Relativitätsprinzip
B) Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit
Aus diesen Prinzipien läßt sich die Lorentztransformation auf zahlreichen mehr
oder weniger elementaren Wegen herleiten, wie dies in den meisten Darstellungen
der Relativitätstheorie auch geschieht. Bereits ab 1910 haben Autoren immer wie-
der darauf hingewiesen", daß das Relativitätsprinzip allein schon fast die gesamte
Struktur der Theorie bestimmt und die Existenz einer (numerisch nicht festgeleg-
ten) invarianten Geschwindigkeit zur Folge hat. Die Lorentztransformation soll daher
hier auf einem Weg hergeleitet werden, der die zentrale Rolle des Relativitätsprinzips
berücksichtigt und die Invarianz der Lichtgeschwindigkeit mehr als Resultat denn als
Postulat erscheinen läßt.
Zum Verständnis des Relativitätsprinzips ist eine genaue Analyse des Begriffs
"Inertialsystem" notwendig, die zunächst vorausgeschickt werden soll.
1.1 Inertialsysteme
Eine Anzahl von Laboratorien (Abb . 1.1) soll sich selbst überlassen frei fliegen, von
ihrer gegenseitigen Wechselwirkung (etwa Gravitation) sei abgesehen.
q_t>
Abb. 1.1. Frei fliegende Laboratorien
In jedem dieser Labors gilt das erste Newtonsehe Axiom (Trägheitsgesetz) , jeder
darin sich selbst überlassene Körper verharrt - vom Labor aus beurteilt - in Ruhe
oder geradlinig-gleichförmiger Bewegung. Ein derartiges Labor definiert ein Inerti-
alsystem I. Jedes Ereignis kann durch die Koordinatenwerte x, y, z in bezug auf ein
mit I verbundenes rechtwinkeliges Koordinatensystem - wir beschränken uns bis auf
r«. v. Ignatowsky, Phys. Zeits. 11,927 (1910), P. Frank, H. Rothe, Ann. Physik 34,825 (1911);
s. auch G. Süßmann, Z. Naturforsch . 24a, 495 (1969).
2 1. Die Lorentztransformation
weiteres auf Rechtssysteme - und durch die Anzeige t einer in I befindlichen Uhr
festgelegt werden. Diese 4 Koordinaten faßt man zweckmäßigerweise in der Form
xi = (XO, xl, x 2 , x 3 ) := (t,x,y,z) zusammen. Dabei erscheint die Zeit - zunächst rein
formal - als vierte ("nullte") Koordinate.
Der Zeitablauf der Bewegung eines Massenpunktes wird in einem Inertialsystem
am einfachsten in einem Raum-Zeit-Diagramm ("graphischer Fahrplan") beschrieben,
wobei es aber in der zeichnerischen Darstellung erforderlich ist , sich auf höchstens zwei
Raumdimensionen zu beschränken (siehe Abb. 1.2).
I
. /
,
I /
I
i = 0,1,2,3 . (1.1.2)
Dabei zeigt sich, daß das Resultat dieses - und jedes anderen in I und I gleichar-
tig aufgebauten - Experiments unabhängig vom zugrundegelegten Inertialsystem ist.
Wenn Naturvorgänge unter gleichen Anfangs- und Randbedingungen in I und I zu
gleichen Resultaten führen, so müssen auch die zu ihrer Beschreibung dienenden Na-
turgesetze so formulierbar sein, daß sie in I und I und jedem anderen Inertialsystem
die gleiche Form haben. Dies drückt man formal durch die Forderung aus, daß die
4 1. Die Lorentztransformation
+ ( x - -ax)
(1.3.1)
o x a .
- -a - a cos a - - x x sm a,
a2 a2 a
d.h., LOo = 1, LOO/ = 0 = L~, D'v = Rl'v' wo Rl'v die eigentlich-orthogonale Matrix
(1.3.2)
ist.
Wenn sich die beiden Inertialsysteme hingegen nur durch eine geradlinig-gleich-
förmige Relativbewegung unterscheiden, so steht nur v zur Konstruktion von zur u,
1 Diese drei Tatsachen werden oft formuliert als Homogenität und Isotropie des Raumes, Homo-
genität der Zeit .
1.3 Folgerungen aus dem Relativitätsprinzip 5
XO = a(v) x Ö + b(v) vx
(1.3.5)
d(v) -
x = c(v)x + ----=2
v
v (vx) + e(v)v XO
hat, wobei v = -v, V = v . Setzt man (1.3.5) unter dieser Bedingung in (1.3.3) ein,
so ergibt sich eine Identität nur, wenn
I, i mit VI j?;egen I bewegen soll. Sind dabei v und VI proportional, so muß die Relation
zwischen I und I wieder eine reine Geschwindigkeitstransformation in der gemeinsa-
men Richtung von v und VI sein. (Wenn v, VI nicht proportional sind, kann man
noch den axialen Vektor v x VI bilden, so daß bei Zusammensetzung zweier beliebiger
Geschwindigkeitstransformationen eine relative Verdrehung von I gegen I denkbar ist;
tatsächlich hängt die in Abschnitt 2.10 betrachtete Themaspräzession damit zusam-
men). Legen wir v und VI in die jeweilige I-Richtung, so muß nach dem Gesagten das
Produkt der Transformationen
1 - a2(v) 2(w)
X
O
= a(v)x O+ Xl XO = a(w)xO + 1 - a Xl
va(v) wa(w)
Xl = a(v)x l - va(v)xO und xi = a(w)x I - wa(w)x O (1.3.8)
die Gestalt
I-a 2(u)
O = a(u)x O+
=
X Xl
u a(u)
Xl = a(u)x l - ua(u)x O (1.3.9)
haben. Setzen wir die beiden sich durch Koeffizientenvergleich für a( u) ergebenden
Ausdrücke einander gleich, so erhalten wir
oder 2(v) 2
1- a = 1 - a (w) = I<.
(1.3.10)
v 2 a2(v) w2 a2 (w)
Hier ist K eine für jedes beliebige Paar von Inertialsystemen gleiche, also universelle
Konstante. Die Auflösung von (1.3.10) ergibt'
a(v) = (1 + K v2 t l 2
/ , b(v) = J( a(v),
1 Das negative Vorzeichen bei der Quadratwurzel entspräche einer Zeitumkehr und scheidet hier
aus , da Uhren wie üblich in die Zukunft laufen .
1.4 Invarianz der Lichtgeschwindigkeit 7
Das Relativitätsprinzip legt daher die Gestalt der Transformationen zwischen In-
ertialsystemen völlig fest , wobei nur eine universelle Konstante J( unbestimmt bleibt.
Setzen wir in (1.3.11) J( = 0, so erhalten wir die Galileitransformation
X
Ö
= xo
(1.3.12)
x= x-vxo,
welche bekanntlich der Newtonsehen Mechanik zugrunde liegt ("Galilei-Relativität'J .
Anhang: Geschwindigkeitsreziprozität
Wie bereits erwähnt, kann die Relation v = -v, die zwischen der Geschwindigkeit v von I
relativ zu I und der Geschwind igkeit v von I relativ zu I besteht, aus dem Relativitätsprinzip gefolgert
werden" , Dazu macht man sich erst klar, daß v und v proportional sein müssen - andernfalls könnte
die Zusammensetzung von (1.3 .3) und (1.3.5) nicht die Identität liefern. Da kein Paar I, I vor einem
anderen ausgezeichnet ist , muß gelten
1/(lf(v)l)1 =v
für die Funktion If(v)l , die den - aufgrund des Relativitätsprinzips universellen - Bereich der mögli-
chen Beträge von Relativgeschwindigkeiten zwischen Inertialsystemen umkehrbar eindeutig (wieder
=
wegen des Relativitätsprinzips!) auf sich abbildet: v I/(v)l . Eine solche Funktion muß bekanntlich
=
streng monoton sein und wegen 1/(0)1 0, I/(v)1 ~ 0 monoton wachsend . Diese Bedingung und
die obige Funktionalgleichung führen aber die Annahmen I/(v)1 > v und I/(v)1 < v sofort zu einem
Widerspruch, so daß I/(v)1 = v, I(v) = ±v, v = ±v folgt . Die formale Möglichkeit v = v (Bewe-
gungsumkehr) führt bei Verfolgung der weiteren Prozedur dieses Abschn itts zu Transformationen
mit Umkehr des Zeitsinnes, die wir aber hier ausschließen . - Es sei darauf verwiesen , daß der Art ikel!
von Berzi und Gorini auch zahlreiche Literaturangaben zur Herleitung der Lorentztransformation
und kritische Bemerkungen dazu enthält.
Aufgabe
Man beweise (1.3.1)
(1.4.1)
gilt. Das hat zur Folge, daß für eine Bewegung x = x(XO), für die in einem Inerti-
alsystem (dxldxO)2 = -liK ist, die entsprechende Relation auch in jedem anderen
1 V. Berzi, V. Gorini, J . Math. Phys . 10, 1518 (1969) ; siehe auch Art ikel in Barut (1973) .
8 1. Die Lorentztransformation
erfolgt; daher ist K negativ . Wir wollen im folgenden meist Einheiten verwenden, in
denen c = 1 ist, d.h., Geschwindigkeiten in Vielfachen von c ausdrücken. Dann ist
1
K= -1, a(v) = ~=: /, (1.4.3)
+ 1- v 2
und (1.3.11) geht über in die (spezielle) Lorentztransformation
XÖ = /(X O - vx)
/2 (1.4.4)
X =x + - - v (v x) - / v x O•
/+1
Wir haben in (1.4.3) ausdrücklich die positive Quadratwurzel gewählt ; negatives a(v)
entspräche einer Umkehrung des Zeitsinnes, was bei der hier besprochenen "passiven"
Interpretation der Lorentztransformation nicht deutbar ist und daher ausgeschlossen
werden soll.
Die in der Natur realisierte Relativität, bei der die Transformationen zwischen
Inertialsystemen durch Raum-Zeit-Translationen, Raumdrehungen und Lorentztrans-
formationen (1.4.4) gegeben sind, ist die Einsteinsehe Relativität. Wir wollen in die-
sem Buch zeigen, welche Folgerungen sich aus ihr für die Formulierung physikalischer
Gesetze ergeben .
Durch Hintereinanderanwendung der verschiedenen Transformationen obiger Art
entstehen kompliziertere. Die homogenen davon wollen wir (allgemeine) Lorentztrans-
formationen, die inhomogenen Poincareiransformationen nennen.
Aufgabe
Man verifiziere (1.4.1)
1) Es gibt eine absolute Zeit t, d.h., bei Übergang von einem Inertialsystem I zu
einem anderen, I, ist stets dx ö = dxo = dt invariant.
2) Der räumliche Abstand zweier gleichzeitiger Ereignisse ist unabhängig vom Inerti-
alsystem, in dem er gemessen wird: dx 2 = dx 2 für dxo = 0, wegen der Existenz der
absoluten Zeit ist diese Gleichzeitigkeit in allen Inertialsystemen erfüllt: dx ö = O.
Diese beiden Eigenschaften, also die Existenz absoluter, beobachtungsunabhängiger
(= invarianter) Raum- und Zeitintervalle, charakterisieren alle Transformationen der
Galilei- Relativität vollständig.
In der Einstein-Relativit ät zeigt (1.4.4), daß dx ö # dxo. Es gibt also keine ab-
solute Zeit, Zeitintervalle sind vom Beobachter (Inertialsystem) abhängig, ebenso
Raumintervalle. Absolute Zeit und absoluter Raum sind hier relativiert, was zum
Namen Relativitätstheorie geführt hat. Minkowski wies aber 1908 darauf hin, daß
alle Poincaretransformationen analog durch ein Invarianzprin zip charakterisierbar
sind, nämlich durch die Invarianz des vierdimensionalen Lin ienelements ds,
(1.5.1)
(1.5.1) entsteht aus (1.4.1) mit I< = -1 und schreibt je zwei benachbarten Ereignissen
einen Abstand zu (den Ereignissen selbst, und nicht nur ihren Bildpunkten in einem
speziellen Koordinatendiagramm!) . Raum und Zeit für sich allein sind nicht mehr
absolut, sondern nur mehr die Raum-Zeit (die Menge aller Ereignisse, von Minkowski
auch die" Welt" genannt) und der auf ihr definierte Abstand (1.5.1). (Ausführlicheres
dazu siehe Abschnitt 3.2.)
Zum Beweis dieser Charakterisierung, der bis zur Lektüre von Abschnitt 2.10
übergangen werden kann, ist noch umgekehrt zu zeigen, daß wirklich alle Trans-
formationen, die ds 2 invariant lassen, tatsächlich vom Relat ivitätsprinzip zugelassen
werden. Den Beweis der Linearität dieser Transformation schieben wir bis zur Ent-
wicklung eines dafür effizienten Formalismus in Abschnitt 3.1 auf und führen hier
nur aus, wie jede homogene Transformation dieser Art in das Produkt einer Drehung
(1.3.1) und einer Geschwindigkeitstransformation (1.4.4) zerlegt werden kann".
Es sei also x" = L i k x k oder, in Matrixschreibweise, x' = L x eine ds 2 invariant
lassende linear-homogene Transformation. Spalten wir die Matrix L in der Gestalt'
L =( '
-b _aT)
M (1.5.2)
(1.5.4)
1 Eventuell nach Abspaltung einer Raum- und/oder Zeitspiegelung. Von letzterer Operation
müssen wir aber vorläufig absehen, da sie in der gegenwärtigen "passiven" Interpretation der Trans-
formationen nicht ohne weiteres sinnvoll ist.
2 a , b sind 3-zeilige Spalten, M, R, 1 sind 3 x 3-Matrizen , T bezeichnet Transponieren .
10 1. Die Lorentztransformation
denn das Produkt L- 1 L ergibt mit (1.5.3) die 4 x 4-Einheitsmatrix E. Daraus folgt
aber auch LL- 1 = E oder nach Aufspaltung
Ma=,b (1.5.5)
(1.5.6)
da , in (1.4.4) und hier wegen (1.5.5) dieselbe Bedeutung hat, falls, > O. Den
Fall, < 0, bei dem die Transformation L eine Umkehrung des Zeitsinnes involviert,
müssen wir bei der vorliegenden "passiven" Interpretation der Transformation (Wir-
kung auf Bezugssysteme) ausschließen; formal kann man ihn mitnehmen, indem man
im Anschluß an die Transformation Lv, in deren Definition (1.5.6) dann, durch 1,1
und a durch -a zu ersetzen ist, noch eine Zeitspiegelung
T:= ( -lOT)
0 1 (1.5.7)
einschiebt.
Die Beziehung zwischen I' und 1 ist durch x' = Lx = L L;l x gegeben, d.h. durch
die Matrix L t.;'. Benützung von L;l = L- v und Ausführung der Matrixmultiplika-
tion ergibt unter Verwendung der Relationen (1.5.5) tatsächlich
P := ( 0l -1
OT) ' (1.5.9)
1.5 Das Linienelement 11
die dem Übergang von einem Links- zu einem Rechtssystem entspricht. Danach ergibt
sich der Drehvektor Q aus
mit derselben Matrix R wie in (1.5.8) folgt. Damit haben wir (im spiegelungsfreien
Fall) die beiden alternativen, jeweils eindeutigen Zerlegungen (beachte (1.5.11)) von
(1.5.2):
(1.5.13)
R= M _ baT.
v = al" 1+,
Als Anwendung untersuchen wir folgende Frage. Ersichtlich ist die Matrix einer
reinen Geschwindigkeitstransformation (1.5.6) symmetrisch. Gilt auch die Umkeh-
rung? Wir haben
L = LR i; =} L T = L~ L~ = t; LRT j
soll dies mit L = LRv LR übereinstimmen, ergibt die Eindeutigkeit der Zerlegung
Rv = V, R=RT (= R- 1 ) . Ist hierbei R eigentlich-orthogonal (spiegelungsfrei) ,
so folgt aus (1.3.2): sin a = 0, also a = 0 oder o = 1l' und damit R = 1 oder
R = 2nn T - 1 mit [n] = 1. Für v -I 0 muß dabei n = viv sein, für v = 0 kann
n ein beliebiger Einheitsvektor sein. Abgesehen von reinen Geschwindigkeitstransfor-
mationen (1.4.4) kommen also noch 180°-Drehungen infrage sowie Produkte solcher
Drehungen mit Geschwindigkeitstransformationen, wo die Drehachse die Richtung
der Relativgeschwindigkeit hat.
12 1. Die Lorentztransformation
Es sei darauf hingewiesen, daß statt (1.5.1) ebensogut das Negative des Ausdrucks der rech-
ten Seite als Linienelement verwendet werden kann und in der Wahl eine Konvention vorliegt, die
von Autor zu Autor verschieden ist. Die (1.5.1) entgegengesetzte Konvention ist zu empfehlen,
wenn häufige Raum-Zeit-Aufspaltungen auszuführen sind, weil (1.5.1) für dxo = 0 einfach in die
gewohnte Euklidische Metrik übergeht. (Vgl. diesbezügliche Bemerkungen in Abschnitt 5.9.) Die
gewählte Konvention (1.5.1) ist vor allem im Zusammenhang mit dem in Kap . 8 zu besprechenden
2-Komponenten-Spinorkalkül von Vorteil.
Es seien hier auch Ansätze der letzten Zeit erwähnt, eine physikalische Entscheidung zwischen
beiden Konventionen herbeizuführen, die auf der Nichtisomorphie der zu den beiden gehörenden
Pin-Gruppen (s. dazu den Anhang von Abschnitt 9.1) beruht, welche sich bei Dirac-Spinorfeldern
auswirkt, falls die Raumzeit im Großen eine von R 4 abweichende, nicht orientierbare Struktur hat .
Siehe S. Carlip, C. DeWitt-Morette, Phys, Rev. Lett. 60, 1599 (1988) und C. DeWitt-Morette, B.S.
DeWitt, Phys . Rev. D 41, 1901 (1990).
Minkowskis geometrische Formulierung erwies sich in der Folge als sehr fruchtbar, sowohl was
die Rechentechnik anlangt, als auch begrifflich. Ersteres werden wir in den späteren Kapiteln se-
hen ; zum letzteren sei nur bemerkt, daß Einstein nur mit ihrer Hilfe über das Äquivalenzprinzip
seine relativistische Gravitationstheorie, die "allgemeine Relativitätstheorie", aufbauen konnte . Es
ist historisch bemerkenswert, daß - einem Bericht Sommerfelds ("Zum 70. Geburtstag A. Einsteins" ,
Deutsche Beiträge, Bd. III, Nr. 2. München : Nymphenburger Verlagshandlung, 1949) zufolge - Ein-
steins erste Reaktion auf Minkowskis Formulierung war, er verstehe nun seine eigene Theorie nicht
mehr.
Aufgabe
Man zeige, daß die aus (1.5.13) folgende Relation LR L; LR1 = LRv allgemein für
orthogonale R gilt. Was bedeutet sie?
Die hier angegebene Herleitung der Lorentztransformation entspricht nicht der ur-
sprünglich von Einstein 1905 benützten Argumentation. Wir wollen sie daher durch
eine Skizze der historischen Entwicklung ergänzen, die auch die Rolle von Michelson,
Poincare und Lorentz berücksichtigt.
Die Messung der Bewegung der Erde durch den Äther, der für das 19. Jahrhun-
dert unbezweifelbare Realität besaß (siehe Titelblatt), war in der letzten Dekade des
19. Jahrhunderts ein zentrales Anliegen physikalischer Forschung. Zahlreiche Experi -
mente wurden ersonnen, und ebenso viele ad hoc-Hypothesen mußten herangezogen
werden, um den negativen Ausgang der Experimente zu erklären. Die meisten dieser
Experimente waren zur Messung von Effekten der Ordnung v/ c (v ist die Erdge-
schwindigkeit im Äther) bestimmt. H.A. Lorentz war schließlich in zwei grundlegen-
den Untersuchungen (der Jahre 1892 und 1895) in der Lage zu zeigen, daß eine korrekt
formulierte "Elektronentheorie" - in der die Maxwellsehen Gleichungen durch Hypo-
thesen über mikroskopische Ladungsverteilungen und deren Dynamik ergänzt werden
- für alle derartigen Experimente einen negativen Ausgang vorhersagt.
=
In diesen Abhandlungen findet sich auch die Einführung der "lokalen Zeit" t' t - (vx)jc 2 als
rechnerisches Hilfsmittel, das in ähnlicher Form bereits von Voigt 1887 in einer Untersuchung des
Dopplerprinzips verwendet worden war. Die Situation vor der Jahrhundertwende wird von Lorentz
1.6 Michelson, Lorentz, Poincsie, Einstein 13
1927 (in "Conference on the Michelson-Morley-Experiment" , Astrophys . J . 68, 341 - 402 (1928» so
beschrieben : "Ich erinnere speziell der Versammlung der deutschen Gesellschaft für Naturforschung
in Düsseldorf 1898, bei der zahlreiche deutsche Physiker anwesend waren, darunter Planck, W .
Wien, Drude und viele andere . Wir diskutierten speziell die Frage der Effekte erster Ordnung.
Einige Apparate, mit denen ein derartiger Effekt bestimmt werden könnte , wurden vorgeschlagen,
aber kein Versuch einer Messung wurde je gemacht, so weit ich weiß. Die Überzeugung, daß Effekte
erste r Ordnung nicht existierten, wurde allmähli ch zu stark. Gewöhnlich lasen wir nur noch die
Zusammenfassung experimenteller Arbeiten, die sich mit solchen Effekten beschäftigten. Wenn die
Effekte negat iv waren, fühlten wir uns sehr befriedigt" .
Wie schwierig gerade dieser Punkt war, zeigt folgendes Zitat von Lorentz (in der erwähnten
"Conference on the Michelson-Morley-Experiment", p. 350), der 1928 schreibt : "Was Effekte zwei-
ter Ordnung betrifft, war die Situation viel komplizierter . Die Experimente konnten durch eine
bestimmte Transformation der Koordinaten von einem System zum anderen erklärt werden. Auch
eine Zeittransformation war notwendig. Daher führte ich das Konzept der lokalen Zeit ein, die für
relativ zueinander bewegte Bezugssysteme verschieden ist. Ich dachte aber nie, daß sie etwas mit
der wirklichen Zeit zu tun hat . Die wirkliche Zeit war für mich noch immer durch das Konzept
einer absoluten Zeit gegeben, die unabhängig von jedem Koordinatensystem ist. Es gab für mich
nur diese eine wahre Zeit. Ich betrachtete die Zeittransformationen nur als heuristische Arbeits-
hypothese . So ist die Relativitätstheorie wirklich allein Einsteins Werk". Poincare dürfte 1905 den
gleichen Standpunkt eingenommen haben , da er sonst den radikalsten und wichtigsten Schritt auf
dem Weg zur Relativitätstheorie, die Elimination der absoluten Zeit, in seiner Veröffentlichung nicht
unerwähnt gelassen hätte. Ziel des Mathematikers Poleare war vor allem die formale Verbesserung
und Ausfeilung von Lorentz' Untersuchung, wie er selbst schreibt : "Die Resultate, die ich erzielt
habe , stimmen mit denen des Herrn Lorentz in allen wichtigen Punkten überein; ich wurde nur dazu
geführt, sie in einigen Details zu verbessern; die Unterschiede, die von nebensächlicher Bedeutung
sind , werden später klar" . Vom wissenschaftstheoretischen Standpunkt gesehen liegt bei Poincare ein
teilweise uninterpretierter Formalismus vor, bei dem die Zuordnungsregeln zwischen theoretischen
und empirischen Termen fehlen. Siehe dazu z.B. Leinfel1ner (1965), p. 107.
Einstein leitete schließlich die Lorentzkontraktion ohne jede Bezugnahme auf die
Elektrodynamik her . Der erste Abschnitt seiner berühmten Arbeit "Zur Elektrody-
namik bewegter Körper" (abgedruckt in Lorentz et al. (1958); es ist unbedingt zu
empfehlen, diese Arbeit im Original zu lesen) trägt den Titel "Definition der Gleich-
zeitigkeit" und untersucht den Begriff der Gleichzeitigkeit entfernter Ereignisse (siehe
Abschnitt 2.2) ; der nächste Abschnitt" Über die Relativität von Längen und Zeiten"
schließt mit der Feststellung: "Wir sehen also, daß wir dem Begriff der Gleichzeitigkeit
keine absolute Bedeutung zumessen dürfen, sondern daß zwei Ereignisse, welche, von
einem Koordinatensystem aus betrachtet, gleichzeitig sind, von einem, relativ zu die-
sem System bewegten System aus betrachtet, nicht mehr als gleichzeitige Ereignisse
aufzufassen sind" . Bei der folgenden Herleitung der Lorentztransformation werden
die Zeitkoordinaten t und f sofort mit den in den jeweiligen Systemen tatsächlich
gemessenen Zeiten identifiziert (so daß die Zuordnungsregeln zwischen theoretischen
und empirischen Termen von Anfang an gegeben sind). Im zweiten Hauptabschnitt
seiner Arbeit zeigt Einstein dann , daß die aus der Analyse der Gleichzeitigkeit (bei
vorausgesetztem Relativitätsprinzip und Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindig-
keit) gewonnenen Lorentztransformationen die Maxwell-Gleichungen forminvariant
lassen.
Lorentz (1909) charakterisiert die Unterschiede zwischen seiner und Einsteins Auffassung in
einer 1909 erschienenen (1906 abgehaltenen) Vorlesungsreihe so: "Der wesentliche Unterschied ist,
daß Einstein einfach postuliert [das Relativitätsprinzip], was wir hier mit einiger Mühe und nicht
ganz zufriedenstel1end, aus den Grundgleichungen des elektromagnetischen Feldes hergeleitet haben.
Dabei ist anzumerken , daß er die negativen Resultate von Experimenten wie Michelson, Rayleigh
oder Brace [die Letztgenannten versuchten Doppelbrechung in durch den Äther bewegten Körpern
nachzuweisen, die wegen der durch die Lorentzkontraktion bedingten Anisotropie erwartet wurde]
nicht als zufällige Kompensation entgegengesetzter Effekte erklärt, sondern als Manifestation eines
al1gemeinen und fundamentalen Prinzips .
Dennoch, glaube ich, hat auch die Form, in der ich die Theorie hier dargestellt habe , Vorteile. Ich
kann den Ather, der der Träger des elektrischen Feldes mit seinen Schwingungen und Energien sein
kann, nur als mit einem gewissen Maß von Substantialität versehen betrachten, wie auch immer er
1.6 Michelson, Lorentz, Poiucete, Einstein 15
von gewöhnlicher Materie verschieden sein mag. Diesem Gedankengang gemäß scheint es natürlich,
Abstände und Zeiten mit Maßstäben und Uhren zu bestimmen, die eine feste Lage relativ zum Äther
haben , und nicht mit der Annahme zu beginnen, daß es niemals einen Unterschied macht, ob sich
ein Körper durch den Äther bewegt oder nicht" .
Dieses Zitat zeigt deutlich , daß Einsteins Theorie durchaus nicht sofort in ihrer Bedeutung
erkannt wurde, sie erschien vielmehr als ein (allerdings ungewöhnlicher) Beitrag zur umfangreichen
"Ät herliteratur " .
Vom heutigen Standpunkt ist auch zu betonen, daß Einsteins Vorgangsweise den Problem-
kreis "Raum-Zeit-Relativität" von den Problemen der "Elektronentheorie" trennte, deren Lösung
nicht aus der Relativitäts-, sondern aus der Quantentheorie folgte. In Lorentz ' Elektronentheo-
rie war das Problem der Raum-Zeit-Transformation mit dem (auch heute noch schwierigen, siehe
Abschnitt 5.10) der Dynamik geladener Teilchen verknüpft, aber auch der Zeeman-Effekt, die elek-
tris che Leitfähigkeit etc . sollten aus der Theorie korrekt resultieren . Erst viel später wurde klar, wie
unterschiedlich die theoretische Analyse der hier angeschnittenen Themen sein mußte .
Die obige Analyse der Beiträge von Lorentz, Poincare und Einstein ist im
Zusammenhang mit Whittakers (1960) bereits zitierter historischer Untersuchung
"A History of the Theories of Aether and Electricity" von Interesse. Kapitel 2 des
zweiten Bandes dieses Werkes trägt den Titel "Die Relativitätstheorie von Poincare
und Lorentz" , und nach einer ausführlichen Würdigung der Verdienste dieser bei-
den Autoren schreibt Whittaker: "Im Herbst desselben Jahres (1905) ... veröffenlichte
Einstein eine Arbeit, die Poincares Relativitätstheorie mit einigen Erweiterungen dis-
kutierte und die ziemliche Aufmerksamkeit erregte" . Warum Whittaker in seinem im
übrigen ausgezeichneten Buch Einsteins Verdienste in bezug auf die spezielle Relati-
vitätstheorie so unterschätzte, ist nicht völlig geklärt.
Auch die Rolle des Michelson-Morley-Experiments in der Entstehungsgeschichte
der Relativitätstheorie ist in den letzten Jahren viel diskutiert worden. Einst ein be-
zieht sich in seiner Originalarbeit des Jahres 1905 nur allgemein auf "die mißlungenen
Versuche, eine Bewegung der Erde relativ zum ,Lichtmedium' zu konstatieren", ohne
irgendein Experiment besonders hervorzuheben. In didaktisch aufgebauten Darst el-
lungen findet sich dagegen oft die Bemerkung, daß das Michelson-Morley-Experiment
und die Relativitätstheorie in engster historischer und sachlicher Beziehung stünden.
Eine Beschreibung dieses Experiments fehlt überhaupt in kaum einem Buch über Ein-
steins Theorie - ja man gewinnt manchmal den Eindruck, daß die Relativitätstheorie
aus dem Michelson-Morley-Experiment folge.
Welche Bedeutung kommt dem Michelson-Morley-Experiment in sachlicher und
historischer Hinsicht in bezug auf die Relativitätstheorie zu? War es das berühmte
"experimentum crucis", das die Epoche der klassischen Physik beendete und eine
Revolution im Weltbild der Physik hervorrief?
Einstein hat zur Frage, inwieweit dieses Experiment seine Überlegungen beein-
Hußt hatte und ob es für die Aufstellung der Relativitätstheorie von Bedeutung war,
unterschiedliche Stellungnahmen abgegeben, die bei Holton (1973) kritisch analysiert
werden.
So teilte Einstein im Jahre 1950 Shankland mit, er habe vom Michelson-Morley-Exp eriment
erst nach 1905 aus den Schriften von Lorentz erfahren . Zwei Jahre später war er bei einem weiteren
Gespräch nicht mehr ganz so sicher, wann er zum erst en Mal davon gehört hatte, und meinte :
"Ich bin mir nicht bewußt, daß es mich während der sieben Jahre, die die Relativitätstheorie mein
Lebensinhalt war , beeinflußt hat. Ich glaube , daß ich seine Richtigkeit einfach annahm" . 1954schrieb
16 1. Die Lorentztransformation
Einstein an Davenport: "Auf meine eigene Entwicklung hat Michelsons Resultat keinen bedeutenden
Einfluß gehabt".
Nicht nur aus historischer, auch aus logischer Sicht ist das Michelson-Morley-
Experiment nicht das "experiment um crucis", das zwischen klassischer Physik und
Relativitätstheorie entschied. Wollte man nämlich die Relativitätstheorie (oder eine
dazu im Sinne von Abschnitt 2.11 äquivalente Theorie) aus der experimentellen Evi-
denz deduzieren, so sind dazu noch zwei weitere Experimente erforderlich, wie Ro-
bertson! zeigte: Das Kennedy- Thorndike-Experiment und das Ives-Stilwell-Exp eri-
ment (siehe z.B. Schwartz (1968); die beiden Experimente legen zusammen die Kon-
stanz von Maßstäben senkrecht zur Bewegungsrichtung und die Zeitdilatation fest ,
nachd em das Michelson-Morley-Experiment die Längenkontraktion erweist). Auf "de-
duktivem" Weg kann man unmögli ch aus dem Michelson-Morley-Experiment die Re-
lativitätstheorie erschließen.
Das Michelson-Morley-Experiment hat aber auch keinen Wandel im Weltbild der
Physik hervorgerufen - es war ja befriedigend durch die Elektronentheorie zu erklären,
die nur durch die Lorentzkontraktion ergänzt zu werden brauchte (und für die Lo-
rentz bereits 1895 eine im Rahmen der Elektronentheorie überzeugende Erklärung
gab; siehe Abschnitt 5.8). So haben Poincare und Lorentz, zwei der Hauptexponen-
ten der Elektronentheorie, noch Jahre nach der Aufstellung der Relativitätstheorie
den Wandel im Weltbild der Wissenschaft nicht akzeptiert, wie die bereits zitierten
Bemerkungen von Lorentz zeigen, oder aber auch ein Bericht von Moszkowski (1922)
über einen Vortrag Poincares vom 13. Oktober 1910 zeigt: " Poincare sprach über:
,Die neue Mechanik' . .. Diese Revolution, so sagte er , scheint zu bedrohen, was in
der Wissenschaft bis vor kurzem als das Sicherste galt : Die Grundlehren der klas-
sischen Mechanik, die wir dem Geiste Newtons verdanken. Vor der Hand ist diese
Revolution freilich nur erst ein drohendes Gespenst, denn es ist sehr wohl möglich,
1 H.P. Robertson, Rev. Mod . Phys. 21, 378 (1949) . " Deduzieren" trifft nur mit vielen Ein-
schränkungen und in dem in der Physik gebräuchlichen (unexakten) Sinn zu; siehe zu dieser Pro-
blematik die Diskussion bei Popper (1971).
1.6 Michelson, Lorentz, Poiucsre, Einstein 17
daß über kurz oder lang jene altbewährten Newtonsehen dynamischen Prinzipien als
Sieger hervorgehen werden. Und im weiteren Verlauf erklärte er wiederholt, daß er
vor Ängsten kopfscheu würde angesichts der sich auftürmenden Hypothesen, deren
Einordnung in ein System ihm schwierig bis zur Grenze der Unmöglichkeit erschien".
Bei der Analyse der Rolle des Michelson-Morley-Experiments ist auch die Begriffsbildung von
Kuhns (1973) "Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" von Nutzen. Im Verlauf der "nor-
malwissenschaftlichen Entwicklung " der Elektronentheorie war das Michelson-Morley-Experiment
tatsächlich ein "experimentum crucis" - es erforderte die Einführung der Lorentzkontraktion, die in
diese Entwicklung eingebaut wurde. Damit waren alle Experimente zufriedenstellend erklärt, ohne
daß an der Bedeutung der gewohnten Begriffe etwas geändert werden mußte .
Erst Einsteins spezielle Relativitätstheorie brachte die Revolution - sie gab den physikalischen
Begriffen Raum, Zeit, Äther und Elektron teils neuen Inhalt, teils stellte sie diese als irrelevant hin
oder wies sie auch anderen Teilgebieten physikalischer Forschung zu. Sie erklärte zunächst nicht
mehr als die herkömmliche Th eorie - daher konnten auch die Vertreter der Äthertheorie ihre Mei-
nung oft noch jahrzehntelang beibehalten (vielleicht erklärt sich auch Whittakers Darstellung der
Geschichte der Relativitätstheorie so). Erst allmählich wurde die große Vereinfachung klar, die das
neue Begriffssystem herbeiführte.
2 Physikalische Interpretation
Bereits die Herleitung der Lorentz transformation hat gezeigt , daß manche Überlegun-
gen durch Benützung von Diagrammen erleichtert werden , bei denen Raum- und Zeit-
koordinaten gemeinsam aufgetragen sind. Bei der folgenden Untersuchung der physi-
kalischen Konsequenzen der Lorentztransformation werden derartige Diagramme fast
unentbehrlich sein. Auch läßt sich die Widerspruchsfreiheit einiger scheinbar para-
doxer Folgerungen der speziellen Relativitätstheorie am einfachsten mit Hilfe von
Raum- Zeit-Diagrammen aufzeigen.
Allerdings hat der Gebrauch der Diagramme den Nachteil, nur bei Beschränkung
auf eine Raumdimension übersichtlich zu sein. Für praktische Anwendungen - wo
fast immer alle drei Raumdimensionen von Bedeutung sind - müssen daher andere
Techniken entwickelt werden (Kap. 3). Für die prinzipiellen Überlegungen dieses Ka-
pitels ist es aber hinreichend, sich auf eine Raumdimension (Koordinate) und die Zeit
t zu beschränken.
[=l(t-vx)
(2.1.1)
x = l ex - vt).
Um sie in einem Raum-Zeit-Diagramm geometrisch darzu stell en, müssen wir zunächst
die durch (2.1.1) bedingte Relation zwischen den t- , z- und [-, x-Achsen bestimmen.
Die durch [ = 0 definierte x-Achse hat nach (2.1.1) im (x , t)-Diagramm die Glei-
chung t = vx, ist daher eine Gerade durch den Nullpunkt mit Anstieg tg5 = v .
Analog ist die [-Achse (x = 0) durch x = v t bestimmt, also durch den Ansti eg
tg5' = i]» (Abb. 2.1).
-.........- - - - - - - - - _ x
Um die Einheiten auf den f-, x-Achsen zu bestimmen, benützen wir die für (2.1.1)
geltende Identität (vgl. (1.3.1))
(2.1.2)
(2.1.3)
Die Einheitspunkte sind also die Schnittpunkte der jeweiligen Achse mit den Hy-
perbeln (2.1.3,4), wie sie in Abb. 2.2 gezeigt ist . (Dabei sind die Tangenten an die
Hyperbeln in diesen Punkten jeweils parallel zur anderen Achse - eine Tatsache, die
bei der Anfertigung qualitativer Handskizzen zu beachten ist , um Fehlschlüsse zu
vermeiden, und als Übung bewiesen werden möge).
=
x
-=::;""----0-----'" x
Abb . 2.2. Die Einheitspunkte auf den Achsen
Zur weiteren Deutung der Transformation bemerken wir, daß (2.1.2) nach Ein-
führung einer imaginären Zeitkoordinate durch t = i x 4 auch in der Form
(2.1.5)
geschrieben werden kann. Die Transformationen, die eine solche Quadratsumme in-
variant lassen, sind aber gerade die Drehungen
(2.1.1) herzustellen, multiplizieren wir die obere Gleichung (2.1.6) mit i und erhalten
mit a := i<p, cos<p = cosh a, i sin <p = sinh o:
t = cosh a t - sinh a x
(2.1.7)
x = - sinh a t + cosh a x .
Damit für reelle (t, x) auch (t, x) reell wird, muß a reell , d.h., <p ein rein imaginärer
Winkel sein. Vergleich von (2.1.7) mit (2.1.1) ergibt
Aufgabe
Man beweise die im Text angegebene Eigenschaft der in den Einheitspunkten der
neuen Achsen an die "Einheitshyperbeln" gelegten Tangenten.
o
-o- .x K..-----o-----+ x.x
o
a) Lorentztransformation b) Galileitransformation
x = r(x - vt) x=x-vt
=
t r(t - vx) t=t
Abb. 2.3 Vergleich zwischen klassischer und relativistischer Transformation
Bei der Galileitransformation wird nur die t-Achse gedreht, während die x-Achse
fest bleibt. Da es für [vjkeine obere Grenze gibt, kann man durch Wahl eines ge-
eigneten Inertialsystems I stets erreichen, daß ein beliebiges (nicht auf der x-Achse
liegendes) Ereignis A auf der i-Achse zu liegen kommt und A damit bezüglich i am
gleichen Ort x = 0 wie 0 (Ereignis im Koordinatenursprung) stattfindet. Der räum-
liche Abstand nicht-gleichzeitiger Ereignisse hängt folglich in der (der klassischen
2.2 Relativität der Gleichzeitigkeit. Kausalität 21
Vergangenheit
Der Lichtkegel ist nach dem Gesagten von fundamentaler Bedeutung für die Theo-
22 2. Physikalische Interpretation
rie. Jedes Ereignis außerhalb des Lichtkegels von 0 kann durch geeignete Wahl eines
Inertialsystems mit 0 simultan gemacht werden und ist in diesem Sinn zur Gegen-
wart von 0 zu zählen. Die innerhalb des Vorwärtslichtkegels (t > 0) liegenden Punkte
liegen dagegen für alle möglichen Beobachter in der Zukunft von 0, finden für jeden
Beobachter später statt als O. Analog begrenzt der Rückwärtslichtkegel die Vergan-
genheit von O.
Die Lichtkegel der Ereignispunkte bestimmen die Kausalstruktur der Relativitäts-
theorie . Ein Ereignis, das außerhalb das Lichtkegels von 0, also in dessen Gegenwart
liegt , kann die Geschehnisse in 0 weder kausal beeinflussen noch von ihnen beein-
flußt werden - es gibt ja einen Beobachter, für den dieses Ereignis und 0 gleichzeitig
und räumlich getrennt erscheinen. Dagegen kann das Ereignis 0 alle Vorgänge im
Vorwärtslichtkegel beeinflussen und von allen Ereignissen im Rückwärtslichtkegel be-
einflußt werden.
Um diese Überlegungen an einem konkreten Beispiel zu überprüfen, betrachten
wir die Paarvernichtung zweier Elektron-Positron-Paare:
,
-,
-,
'}'
"-, -,
'8
In Abb. 2.5 sind die Weltlinien der beiden Paare zusammen mit der Weltlinie von
zwei Beobachtern B+, B_ eingezeichnet. Die beiden Elektronen e" ruhen im (x, t)-
System, B_ genau in der Mitte zwischen beiden; die Positronen e+ ruhen dagegen im
(x, t)-System mit B+ in ihrer Mitte. Zur Zeit t = 0, d.h. gleichzeitig im (x, t) -System,
annihilieren sich die beiden Paare in der Reaktion e+ + e" -> I + I (I = Photon =
= Lichtquant), wobei in der Abbildung der Einfachheit halber nur je eines der Pho-
tonen eingezeichnet ist. B_ empfängt nun die beiden Lichtblitze genau gleichzeitig,
für ihn war die Vernichtung wirklich simultan. B+ dagegen erhält den Lichtblitz von
Ereignis A wesentlich später und kommt zu dem Schluß, daß B wesentlich früher
als A stattgefunden hat. Da beide Beobachter gleichberechtigt sind , kann absolute
Gleichzeitigkeit für A, B nicht definiert werden.
Das obige Beispiel ist von Bedeutung, weil analoge Überlegungen Einstein 1905 zur speziel-
len Relativitätstheorie führten . Sein Ausgangspunkt war eine erkenntnistheoretische Analyse der
2.3 Überlichtgeschwindigkeit 23
Gleichzeitigkeit räumlich getrennter Ereignisse. In der klassischen Mechanik war dieser Begriff nie
genau analysiert, sondern als selbstverständlich angesehen worden. Einstein zeigte, daß es notwendig
ist, die Gleichzeitigkeit räumlich getrennter Ereignisse zu definieren. Das von ihm vorgeschlagene
Verfahren, zwei in einem Inertialsystem an verschiedenen Orten ruhende Uhren zu synchronisieren
(d.h. auf gleichen Uhrenstand zu stellen), entspricht genau dem oben angegebenen Gedankengang:
Einstein schlug vor, zwei räumlich getrennte Ereignisse (wie etwa die Erreichung der Nullstellung
durch Uhrzeiger) als gleichzeitig zu definieren, wenn von ihnen ausgehende Lichtsignale zugleich bei
einem in der Mitte befindlichen Beobachter eintreffen . Äquivalent dazu könnte man die Synchro-
nisation verschiedener Uhren in einem Bezugssystem auch durch den (sehr langsamen) Transport
einer Normaluhr von Ort zu Ort vornehmen .
Durch die in Kap . 1 gegebene Version des Relativitätsprinzips ist eine derartige Uhrensynchro-
nisation bereits impliziert: Die Gleichberechtigung beliebiger Inertialsysteme ist natürlich nur dann
gegeben , wenn auch das Verfahren der Uhrensynchronisation keines von ihnen auszeichnet. Nur
wenn die Synchronisation in jedem System auf die gleiche, systeminterne Weise - wie etwa durch
Lichtsignalübertragung oder langsamen Uhrentransport - ausgeführt wird, sind die verschiedenen
Inertialsysteme tatsächlich äquivalent (siehe dazu Abschnitt 2.11).
2.3 Überlichtgeschwindigkeit
Wir haben bereits festgestellt, daß die Lorentztransformation (2.1.1) für lvl ~ 1 sinn-
los wird. Dies legt nahe, daß sich Inertialsysteme nur mit Relativgeschwindigkeiten
lvl < 1 bewegen können . Dieses Resultat werden wir in Abschnitt 4.2 auch aus der
Relativitätsmechanik folgern.
Noch weitergehend muß aber gelten, daß auch keine Signale existieren (z.B. Schall-
signale), die sich mit Überlichtgeschwindigkeit ausbreiten. Gäbe es nämlich ein solches
Signal, so könnte man in die eigene Vergangenheit zurücksignalisieren: Nehmen wir
der Einfachheit halber an, es gäbe ein Signal, das sich (relativ zu seiner Quelle) mit
der Geschwindigkeit v = 00 ausbreitet, und betrachten Abb. 2.6. Wird bei A ein der-
artiges Signal emittiert und von einern bewegten Beobachter in B reflektiert, so müßte
die Antwort in C empfangen werden, also noch vor der ursprünglichen Emission!
E;. -+x
(nach seiner Definition) zugleich auch sein anderes Ende, und unendliche Signalge-
schwindigkeit würde resultieren.
Die grundlegende Bedeutung des Postulates der Nichtexistenz von Überlichtge-
schwindigkeiten für die Relativitätstheorie erfordert es, den Begriff der Signalge-
schwindigkeit genauer zu formulieren . Dazu ist es zunächst erforderlich, die Pbasen-,
Gruppen- und Frontgeschwindigkeit einer Welle zu unterscheiden.
Betrachten wir eine Welle c.p(x, t), die sich in einem dispergierenden Medium (d.h.
in einem Medium mit vom Wellenzahlvektor abhängigem Brechungsindex) ausbreitet.
Die Phasengeschwindigkeit Vp der Welle c.pk(X, t) = exp(ikx-iwt) ist durch kx-wt =:
= : k(x - vpt) definiert, also
vp(k) = w(k)/k. (2.3.1)
Für die Signalübertragung ist Vp nicht maßgebend, da der monochromatische Wel-
lenzug c.pk(X, t) unendliche Länge aufweist und unmoduliert ist, also kein Signal trägt.
Durch Überlagerung von Wellen verschiedener Frequenz, im einfachsten Fall durch
Bildung von
zu signalisieren, aus dem bis dahin vorliegenden Wellenzug nicht erschlossen werden
kann) .
1:
Um den Beweis von (2.3.4) zumindest zu skizzieren, setzen wir
wobei f(k) Pole nur in der oberen komplexen k-Ralbebene habe. Dann kann man für
x > 0 den Integrationsweg durch einen großen Halbkreis in der unteren Halbebene
schließen und erhält (mittels des Residuensatzes) <p(x > 0, t = 0) = O. (2.3.5) hat also
1:
eine für ein Signal erforderliche Diskontinuität. Schreiben wir für die Zeitentwicklung
so hat dieses Integral nach dem Residuensatz den Wert Null, wenn für k -4 00 gilt
Die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Existenz von Teilchen, die sich mit Überlichtgeschwin-
digkeit bewegen ("Tachyonen "), wurde eine Zeitlang viel diskutiert. Auslösend war dabei vor allem
ein Artikel von G. Feinberg (Phys. Rev. 159, 1089 (1957)), der versuchte, die hier beschriebenen
Kausalitätsprobleme durch eine "Reinterpretation" der Gesetze der Tachyonenausbreitung zu lösen,
was unserer Meinung nach nicht gelungen ist (siehe z.B. F . Pirani, Phys. Rev. D1, 3224 (1970)).
Auch erweist es sich - ganz abgesehen von Fragen der Kausalität - als unmöglich, eine konsistente
Quantentheorie freier, lokalisierbarer Tachyonen aufzubauen, da negative Energien zu Instabilitäten
führen (siehe z.B. G. Ecker, Ann. Phys . (N.Y.) 58, 303 (1970)).
Sehr ausführlich (mit einem pro-Tachyonen-Standpunkt) informiert der Überblicksartikel von
E. Recami und R. Mignani, Revista Nuovo Cim. 4, 209 (1974) über die Problematik. Es wird
dort sogar die Existenz von Inertialsystemen postuliert, die sich relativ zueinander mit Überlichtge-
schwindigkeit bewegen. Der Artikel enthält über 100 Literaturzitate, die sich mit der Theorie und
der experimentellen Suche nach Tachyonen beschäftigen .
Lesenswert sind auch die Ausführungen von Terletskii (1968), der die informationstheoretischen
und thermodynamischen Probleme im Zusammenhang mit Tachyonen und Teilchen mit negativer
Energie studiert.
Weltlin ien
der Atome
Schnitt durch
die Weltröhre
Die Größe des bewegten Objektes wird durch die Lage seiner Punkte zu irgend-
einem Zeitpunkt t gegeben, d.h., durch einen Schnitt der Weltröhre mit der Fläche
t = const. Wegen der Relativität der Gleichzeitigkeit hängt der Schnitt, und damit
die Ausdehnung des betrachteten Gegenstandes, von dem zugrundegelegten Inertial-
system ab.
2.4 Die Lorentzkontraktion 27
Abb. 2.7 zeigt einen Maßstab, der in seinem Ruhsystem 1 die Länge ~x = 1 hat.
Die Abbildung zeigt deutlich, daß der Schnitt t = const. eine Länge des Maßstabes
~x < 1 ergibt, d.h. , der bewegte Maßstab ist kontrahiert (Lorentzkontraktion) . Diese
Feststellung gilt nur für die Bewegungsrichtung, während senkrecht dazu (y-Richtung)
keine Kontraktion resultiert.
Den numerischen Wert der Lorentzkontraktion können wir sofort aus (2.1.1) her-
leiten . Setzen wir dort t=O , so folgt
Da die Länge des Maßstabes in seinem Ruhsystem I gleich Eins sein soll, ~x = 1,
wird seine Länge im System I
Aufgaben
1. Man zeige anhand von Abb. 2.7 und auch mittels (2.1.1), daß die Lorentzkon-
traktion ein reziproker Effekt ist, d.h., auch ein im (t, x )-System ruhender Maß-
stab erscheint, vom (t, x)-System beurteilt, um den gleichen Faktor verkürzt.
2. Die Länge eines dünnen Maßstabes, der relativ zum Inertialsystem I bewegt
wird, soll gemessen werden. Dazu werden in I eine Serie von Blitzlampen simul-
tan gezündet und der Schatten, den der Maßstab wirft, auf einer Photoplatte
festgehalten. Man zeige, daß die Lorentzkontraktion von einem mitbewegten
Beobachter so erklärt wird, daß die Blitze für ihn nicht simultan sind.
3. Ein Mann , der eine 2,1 m lange Leiter vor sich herträgt, läuft mit der Geschwin-
digkeit u]« = -/3/2 in ein 1 m langes Zimmer und schließt die Tür hinter sich
zu (Achtung auf die Zahlenwerte!).
a) Wieso ist das möglich?
b) Wie sieht die Situation vom Mann gesehen aus?
c) Was passiert nachher?
d) Man zeichne eine Reihe von Schnitten t = const . bzw. t = const., um den
Ablauf des Geschehens von beiden Systemen aus zu beschreiben.
(Diese Aufgabe ist aus Rindler (1966) entnommen, wo sich noch eine Reihe anderer "Paradoxien"
der Lorentzkontraktion findet.
28 2. Phy sikalische Interpretation
D
einfaches Beispiel mag dies erläutern (Abb . 2.8a).
A' O
\
\ Q
A
---+v
A
'?DIQ --+ v
\ IB I c I IB IC
\ I / I I I
\ I / I I I
\I / I I I
11 / I I I
\I / I I I
I Lh/ 1 I I
\17 I I I
11 I I I 1
V I
I
II I
6 l inse
a) Photographie eines Würfels b) Vereinfach te Anordnung
Ein Würfel bewege sich mit der Geschwindigkeit v an einer Kamera vorbei, wobei
eine Momentaufnahme gemacht werden soll. Dabei werden alle Lichtstrahlen erfaßt ,
die gleichzeitig bei der Kam era eintreffen - und nicht etwa jene, die zugleich vom
Würfel emittiert werden.
Da der Lichtstrahl von der Kante A eine größere Entfernung zu überwinden hat
als von B, wird diese Kante offenkundig zu einem früheren Zeitpunkt, also weiter links
(A') registriert. Im Falle einer (relativ zur Würfeldimension) weit entfernten Kamera
läßt sich dieser Effekt leicht berechnen, da dann die in Abb. 2.8a angedeuteten Wink el
8 klein sind und alle Lichtwege ohne merklichen Fehler (von der Größenordnung
1 - cos 8 ;::;j 82/2 ;::;j 0) für die parall elen Strahlen der Abb. 2.8b berechnet werden
können.
Da die Kante A um i weiter von der Kamera entfernt ist , muß das Licht von dort
um ti.t = f früher emit tiert werden als das von B bzw. C. In dieser Zeit bewegt sich
der Würfel um ti.x = vti.t = vi nach rechts , so daß die Strecke AA '= vi betr ägt .
Ohne Berü cksichtigung der Lorentzkontraktion erhält man daher das in Abb. 2.9a
gezeigte Bild.
2.5 Retardierungseffekte 29
[J []
A B l A B
vQ Q vQ Qy'1 _ v 2
a) Bild ohne Berücksichtigung der Lorentzkon- b) Die Lorentzkontraktion ent zerrt das Bild
traktion
Die Lorentzkontraktion bewirkt, daß die Seite Be auf f.~ verkürzt wird, so
daß Abb. 2.9b entsteht. Dies ist aber gerade das Bild eines um a = arc sin v verdrehten
(ruhenden) Würfels gleicher Größe.
Dieses hier in einem einfachen Spezialfall hergeleitete Resultat gilt ganz allgemein:
Bewegte Objekte erscheinen bei photographischen Aufnahmen nicht kontrahiert, son-
dern verdreht. Der Beweis dieser Behauptung und der Zusammenhang der Unsicht-
barkeit der Lorentzkontraktion mit der bekannten Aberration von Lichtstrahlen ist
in Abschnitt 4.3 zu finden.
Ein weiterer Retardierungseffekt ist im Zusammenhang mit astrophysikalischen
Überlegungen von Bedeutung. Eine (viele Lichtjahre große) Gaskugelschale umgebe
ein zentrales Objekt (Abb. 2.10), das für kurze Zeit aufleucht et und intensive Strah-
lung emittiert . Dadurch wird die Gashülle kurzzeitig - und zwar in einem mit ihr
mitbewegten System in allen Punkten simultan - zum Aufleuchten gebracht. Welche
Leuchterscheinungen beobachtet ein irdischer Astronom, wenn sich das Objekt mit
der Geschwindigkeit v (kosmische Expansion) von uns entfernt?
- v
Wir beschränken uns der Einfachheit halber auf zwei Raumdimensionen und be-
trachten einen Gasring in der (x,y)-Ebene des Systems I (dies ist für manche An-
wendungen sogar realistischer als eine Gaskugelschale) , dessen Zentrum sich zur Zeit
t = 0 im Nullpunkt befindet und sich mit Geschwindigkeit v in x-Richtung von
einem in (x = D, y = 0) ruhenden Beobachter entfernt. Wenn das Aufleuchten des
30 2. Physikalische Interpretation
Ringes in dem mit ihm mit bewegten System I zur Zeit [ = 0 erfolgt , in welchem er
durch i = R cos ep, Y = R sin ep beschrieben wird, so bedeutet das im System I des
Beobachters
t = ,([- vi) = -,vRcosep
x=,(i-vl)=,Rcosep (2.5.1)
y = y = Rsinep.
Der Gasring leuchtet also von I gesehen nicht in allen Punkten simultan auf.
Könnte man seine Gestalt in I z.B. durch Anbringen einer riesigen Photoplatte in
der (x, y)-Ebene registrieren, so wird der Ring dort nicht lorentzkontrahiert, sondern
im Gegenteil dilatiert abgebildet, denn aus (2.5.1) ergibt sich y2 + (xh)2 = R2,
die Gleichung einer Ellipse mit der großen Halbachse ,R > R in x-Richtung. Dies
zeigt, daß kurz aufleuchtende Objekte wieder völlig anderes Verhalten zeigen als mit
Momentaufnahmen registrierte, wie wir sie oben untersucht haben".
Das emittierte Licht breitet sich zum Beobachter aus, das Aufleuchten der Ring-
punkte mit r.p = ±epl wird von ihm zur Zeit t l beobachtet, wobei
(2.5.2)
(in der betrachteten Situation ist ja D ~ R). Der Beobachter sieht also zur Zeit t l
zwei Lichtpunkte im Abstand
(2.5.3)
Aufgabe
Man zeige, daß Bruchstücke einer explodierenden Masse mit Überlichtgeschwindigkeit
auseinanderzufliegen scheinen, falls sie hinreichend große Geschwindigkeitskomponen-
ten in Richtung auf den Beobachter aufweisen.
(2.6.1)
Wir betrachten die Weltlinie eines beliebig bewegten Massenpunktes (Abb . 2.11).
Nach Abschnitt 2.3 muß sie stets innerhalb des Lichtkegels jedes ihrer Punkte verblei-
ben . Es gibt dann stets ein Inertialsystem I, das sich instantan mit dem Massenpunkt
mitbewegt, das momentane Ruhsystem. Die Zeitachse von I ist parallel zur Tangente
an die Weltlinie in diesem Moment . Im Ruhsystem - das im allgemeinen von Punkt
zu Punkt der Weltlinie wechselt - ist dx = 0, ds = dl. Das Linienelement mißt also
in jedem Moment die von einer mit dem Massenpunkt mitgeführten Uhr angezeigten
Zeitintervalle und heißt daher auch das Element der Eigenzeit. Da es in jedem Iner-
tialsystem den gleichen Wert annimmt, ist es das (unter Poincaretransformationen]
invariante Maß für die Länge der Weltlinie des Massenpunktes, so wie in der ebenen
euklidischen Geometrie da? = dx 2 + dy 2 die unter euklidischen Bewegungen invariante
Länge einer Kurve mißt.
-I---,I---------~ x
Gleichung der Weltlinie ist dann wie üblich x = x(t), und die Geschwindigkeit des
Massenpunktes in bezug auf I ist v = dxjdt . Die Eigenzeit ds entlang der Weltlinie
des Massenpunktes wird dann ds 2 = dt 2 - dx 2 = dt 2 (1 - v 2 ) , so daß die von einer
bewegten Uhr angezeigte Zeit
ds=dt~ <dt (2.6.2)
beträgt. Bewegte Uhren gehen daher langsamer. Diesen Effekt, die Zeitdilatation,
können wir auch aus dem in Abb. 2.12 gezeigten Raum-Zeit-Diagramm ablesen. In
der Abbildung sind zwei Uhren 1 und 2 gezeigt, die im Ursprung von I bzw. 1 ruhen,
deren Weltlinien also durch die t- bzw. l-Achsen gegeben sind.
E.. ... x
Die Literatur über das Mißverständnis, (2.6.3,4) als Transformationsformeln anzusehen, ist sehr
umfangreich . Besonders im Zusammenhang mit dem im nächsten Abschnitt diskutierten "Zwil-
lingsparadoxon" sind zahllose Arbeiten erschienen; so umfaßt die ausgewählte Bibliographie, die in
Marder (1971) enthalten ist, 305 Zitate. Interessant ist dabei z.B. H. Dingle, der 1940 ein Lehr-
buch der Relativitätstheorie verfaßte, bei dessen Neuauflage (Dingle (1961» er im Vorwort schreibt:
"Since this book was written, reasons have appeared, which to me are conclusive for believing that
the theory is no longer tenable" . Dies zeigt deutlich, zu welchen Problemen ein allzu unexakter
Gebrauch mathematischer Symbole führen kann.
CD
IL- • X
Ein Zwilling 1 verbleibe auf der Erde, während 2 mit einer der Lichtgeschwindig-
keit vergleichbaren Geschwindigkeit v eine Reise durch den Weltraum unternimmt
und wieder zur Erde zurückkehrt. Während dabei auf der Erde die Zeit Tl vergeht,
sollte nach Gleichung (2.6.2) oder (2.6.3) für den bewegten Zwilling 2 nur die Zeit
T2 = Tl~ (2.7.1)
vergangen sein . Der bewegte Zwilling sollte daher bei seiner Rückkehr weniger gealtert
sein als der erdfeste. Vom Standpunkt von 2 aus gesehen, bewegt sich aber 1 ständig
mit einer Geschwindigkeit v, so daß 2 erwarten würde, daß 1 weniger gealtert sein
wird.
In eine wissenschaftliche Terminologie übersetzt, lautet das Problem (siehe Abb .
2.13b) : Eine Uhr 1 ruht in einem Inertialsystem, während sich Uhr 2 davon gleich-
förmig wegbewegt, zurückbeschleunigt wird und schließlich wieder die Bahn von 1
kreuzt. Da sich 2 ständig mit der Geschwindigkeit v bewegt, sollte 2 bei der Rück-
kehr (die zur Zeit t = Tl im (x, t)-System erfolgen soll) nur die Zeit T2 = T1\/f~
34 2. Physikalische Interpretation
anzeigen. Nun lautet wie vorher das Argument, das Anlaß zum eigentlichen Para-
doxon gibt , daß man sich auch auf den Standpunkt der Uhr 2 stellen kann , der ge-
genüber sich 1 ständig mit v bewegt, so daß die Relation gerade umgekehrt, nämlich
Tl = T2 vr=t}2 lauten sollte.
Um den Fehler dieser Argumentation zu finden, stellen wir zunächst fest, daß die
beiden Uhren 1 und 2 keinesfalls symmetrisch in das Problem eingehen, wie auch das
Raum-Zeit-Diagramm Abb. 2.13b unmittelbar zeigt . Die Uhr 1 ruht im Inertialsystem
I, während 2 beschleunigt wird. Im Raum -Zeit-Diagramm ist die Weltlinie von 2 daher
keine Gerade.
Man könnte nun vermuten, daß der Unterschied zwischen den Uhren 1 und 2 etwas
mit der Beschleunigung von 2 zu tun hat, und man hier einen Einfluß der Beschleuni-
gung und nicht der Geschwindigkeit auf die Uhren feststellt. Im nächsten Abschnitt
soll dieser Gesichtspunkt untersucht werden, hier wollen wir vorgreifend nur feststel-
len, daß man Beschleunigungseffekte auf Uhren stets eliminieren kann. Außerdem ist
die Phase der Beschleunigung beliebig kurz gegenüber dem unbeschleunigten freien
Flug wählbar, so daß sie von I gesehen beliebig wenig Einfluß auf das Endergebnis
hat.
Untersuchen wir das "paradoxe" Argument genau! Wir haben im vorigen Ab-
schnit t festgehalten, daß der Weltlinie eines Körpers, die im Raum-Zeit-Diagramm
am längsten aussieht , die kürzere Eigenzeit ds entspricht. Diese allgemeine Feststel-
lung zeigt sofort, daß die Kurve 2 in Abb. 2.13b zur kürzeren Eigenzeit gehört I ,
Zwilling (d.h. Uhr) 2 altert daher weniger als 1. Das zum Paradoxon führende Ge-
genargument heißt jetzt: Wenn man sich auf den Standpunkt von 2 stellt und die
Weltl inie von 2 als Gerade x = 0 einzeichnet (siehe Abb. 2.14), so erscheint die Bahn
von 1 eckig und daher länger, so daß die ihr entsprechende Eigenzeit kürzer als auf 2
sein sollte''.
i
---...,.----------_ x
Abb . 2.14 Das Zwillingaparadoxon, gesehen vom Standpunkt von 2. In dieser Abbildung wurde ein
=
Koordinatensystem (t, x) gewählt, in dem Uhr 2 im Ursprung x 0 ruht
1 Weg 2 ist wohl länger, weil er ein gekrümmtes Stück enthält; aber während letzteres zwar die
größere Länge ermöglicht, stammen die wesentlichen Beiträge dennoch nur von den geradlinigen
Stücken (= unbeschleunigte Bewegung)!
2J. Crampin , W. McCrea, D. McNally, Proc . Roy. Soc. A252, 156 (1959) geben für konkrete Fälle
maßstäbliche Diagramme.
2.7 Das Zwillingsparadoxon 35
Der Irrtum in dieser Argumentation liegt darin, daß das (t, x )-Koordinatensystem,
wie Abb. 2.13b zeigt, krummlinig ist. Koordinaten, krummlinige Die t-Koordinaten-
linie (d.h. die Weltline 2) ist offenbar gekrümmt. Dem entspricht die Tatsache, daß das
mit der Uhr 2 mitbewegte System kein Inertialsystem ist . Die Benützung eines derar-
tigen Systems ist natürlich ebenso zulässig wie etwa die Verwendung von Polarkoordi-
naten in der ebenen Geometrie, nur muß man alle Formeln geeignet transformieren, so
daß sie auch in krummlinigen Koordinatensystemen (hier : in Nicht-Inertialsystemen
= beschleunigten Bezugssystemen) gelten .
So kann man etwa - wie in Abb. 2.15 - die ebenen Polarkoordinaten (r, ep) genau
wie kartesische auftragen. Nur ist dann der Abstand zwischen den Punkten A und
B nicht einfach durch die Formel do? = dr 2 + dep2 gegeben, sondern muß durch eine
Koordinatentransformation wie üblich zu da 2 = dr 2 + r 2dep2 bestimmt werden.
o
B
o
A
L.....----------I-_
2"
'P
Abb . 2.15. Zur Frage krummliniger Koordinatensysteme
daß man im Rahmen der speziellen Relativitätstheorie im Prinzip sogar eine ideale
Uhr konstruieren kann, bei der keinerlei Beschleunigungseffekte auftreten.
Dazu verwenden wir irgendeine gute Uhr, d.h. eine, die in den oben erwähnten
Beschleunigungsversuchen nur geringen Beeinflussungen unterliegt und nicht etwa
stehenbleibt. Man versieht nun die Uhr mit einem Beschleunigungsmeßgerät, wie
etwa in Abb . 2.16. (Beschleunigungen haben ja in der speziellen Relativitätstheorie
absolute Bedeutung, wie wir in Abschnitt 4.1 explizit zeigen werden .)
Abb . 2.16. Uhr mit Beschleunigungsmeßgerät. Die Spiralfedern, an denen die Uhr aufgehängt ist,
werden gedehnt und zeigen so Beschleunigung an
Die Ablesung dieses Gerätes verwendet man zur Korrektur des Einflusses der Be-
schleunigung auf die Uhr, d.h., um die Uhr geeignet nachzuregulieren. Durch diese
einfache Anordnung erhält man - zumindest im Prinzip - eine ideale Uhr, die gänzlich
unempfindlich gegen Beschleunigung ist, wobei allerdings für jede Art von Beschleu-
nigung (elektrisch, magnetisch, mechanisch etc.) eine eigene notwendig ist.
Eine derartige beschleunigungsunempfindliche Idealuhr zeigt bei beliebig be-
schleunigter Bewegung die Eigenzeit ds an. J
Diese Überlegungen zeigen allerdings nur die Selbstkonsistenz der Theorie mit den in Kapitel
1 gemachten Annahmen . Dort hatten wir ja Transformationen der Zeit- und Längeneinheiten mit
dem Hinweis weggelassen, daß es beschleunigungsunempfindliche Uhren und Maßstäbe gebe. Dies
erlaubte es, die skalaren Koeffizienten in (1.3.3) als Funktionen von v allein anzusetzen. In der resul-
tierenden, von der Lorentztranformation beherrschten Kinematik haben Beschleunigungen absolute
Bedeutung, und das haben wir soeben ausgenützt. Die empirische Tatsache, daß es praktisch ideale
Uhren gibt, bei denen also kein zweiter Uhreneffekt auftritt und die die Eigenzeit anzeigen, wird
deshalb von manchen etwas axiomatischer vorgehenden Autoren explizit als Grundpostulat C) zu
den Postulaten A), B) von Abschnitt 1.1 hinzugefügt.
:!!+ it(vw)v+v
u='Y 'Y . (2.9.2)
l+vw
Will man das hier auftretende formale Skalarprodukt v w geometrisch interpretieren, ist zu be-
achten , daß sich die Komponenten von v auf I, die von w auf j beziehen und es zunächst wegen
der Relativität der Gleichzeitigkeit sinnlos ist, vom Winkel zwischen v und w zu reden. Aller-
= =
dings ist v w -(-v) w, und v -v sind die Komponenten der Geschwindigkeit von I gegen j
(Reziprozität) , so daß das Produkt mit dem Winkel zwischen v und w in j in Verbindung gebracht
werden kann. Trotz dieser Möglichkeit bleibt die in (2.9.2) aufscheinende Vektoraddition formal , und
bei Anwendung ist stets streng zu beachten , worauf sich die vorkommenden Größen beziehen, um
Scheinparadoxa ~u vermeiden, wie etwa das folgende. " Nach der Reziprozitätseigenschaft hat j gegen
=
das Ruhsystem j des Massenpunktes die Geschwindigkeit w -w, I gegen j die Geschwindigkeit
=
U -u, also muß sich -u durch Einsetzen von - w statt v und -v = v statt w ins Additions-
theorem ergeben, d.h. (nach Wegkürzen des Minuszeichens), das Additionstheorem müßte in v , w
symmetrisch sein, was aber offensichtlich (für v x w -# 0) nicht der Fall ist - Widerspruch!" Die
durch (2.9.2) gegebene Verknüpfung ist tatsächlich weder kommutativ noch assoziativ . Die Lösung
der entsprechenden Paradoxa ergibt sich aus den Betrachtungen des nächsten Abschnitts. Charak-
teristische Schwierigkeit ist das Versagen der zweidimensionalen Raum-Zeit-Diagramme, die bisher
so hilfreich waren.
(2.9.4)
(2.9.5)
Aufgaben
lW -lW w
-T )
i: =( IV Lw =
'- I V v ( -lW w 1+ I~ wwT '
1 +IW
(2.10.1)
1 1
IV:= ~,
vl- v 2 IW:= VI _ w2 '
also durch Matrixmultiplikation
(2.10.2)
mit
1= I(V, w) := I v IW (1 + v w) == I(W, v), (2.10.3)
a = I( v, w) w 0 v, b = I( w, v) v 0 w,
M = M(w,v):=
I; T I~ - - T (
:= l + - - v v + - - w w +IVIW 1+(1
IV I W
)(1
-) - T
)vw wv ,
1 + IV 1 + IW + I V + IW
wo
wo v := (rw I Vv + IW w + IW 1 :;IV (wv) v) h(v, w) (2.10.4)
die Summengeschwindigkeit u (2.9.2) ist. Die erste der Relationen (1.5.5) zeigt nun
unmittelbar die Richtigkeit von (2.9.5), d.h.,
IU = I(V , w) . (2.10.5)
Die Matrix (2.10.2) ist für v x w -f 0 nicht symmetrisch, wie dies für reine
Geschwindigkeitstransformationen notwendig wäre. Nach (1.5.13) können wir aber
40 2. Physikalische Interpretation
baT
R = R(w, v) := M(w, v) - - - (2.10.6)
1+ ,
die zu v, w gehörende Thomasrotation ist . Aus den Definitionen für M, a , b sieht
man, daß v x w Eigenvektor von R zum Eigenwert 1 ist, also die Drehachse angibt.
(Für v x w = 0 wird R = 1, woraus aus Stetigkeitsgründen auch det R(w, v) = + 1
folgt .) Der Drehwinkel Q ergibt sich aus Sp R = 1 + 2 cos Q in etwas unübersichtlicher
Form, und erst eine langwierige Umformung! führt auf den symmetrischen Ausdruck
(McFarlane, J. Math. Phys. 3, 1116 (1962))
gilt, so daß die Achse für die_ Thomasdrehung von I auf die beiden Relativgeschwin-
digkeitsvektoren v , u von I, I gegen I senkrecht steht.
Um v x w andererseits als Drehachse im System I zu interpretieren, entsprechend
der Aufspaltungsversion L = LR Lu, beachten wir, daß L = L Ru LR besagt: I geht
durch reine Geschwindigkeitstransformat:..ionen aus dem System I' hervor, das durch
die Drehung R aus I entsteht. Daher hat I gegen I oder I' eine Geschwindigkeit, deren
Komponenten in I' durch Ru gegeben sind. Qem~ß Reziprozität sind die Komponen-
ten der Geschwind igkeit von I oder I' gegen I in I durch u = - Ru gegeb en. Aus der
obigen Gestalt von R sieht man, daß sich Ru von u nur um lineare Kombinationen
von v und w unterscheidet, also wje u selbst eine solche Kombination ist . Da w= -w
die Geschwindigkeit von I gegen I ist , folgt also
die Achse für die Thornasdrehung von I steht auf die Relativgeschwindigkeitsvektoren
ü, Vi von I, I gegen I senkrecht.
Mit der Einsicht , daßu= -Ru und nicht etwa u= - u gilt, löst sich nach A.A. Ungar [Found .
Phys. 19, 1385 (1989) - aber Achtung auf andere Konventionen!) auch das im vorigen Abschnitt
formulierte Paradoxon (s. Aufgabe), und eine analoge, aber etwas kompliziert ere Analyse löst auch
das erwähnte Assoziativi tätsparadoxon .
1 Eine kurze Herleitung mittels Vierervektoren und Cliffordalgebra ist enthalten in H. Urbantke,
Am. J . Phys. 58,747 (1990), 59,1150 (1991).
2.10 Die Thomaspräzession 41
Zur Ermittlung des Drehsinnes genügt es aus Stetigkeitsgründen, sich auf den
Fall zu beschränken, daß w sehr klein ist, so daß wir quadratische Terme in w ver-
nachlässigen können. Dann wird mit liiJ ~ 1:
R ~ 1 +~ (w v T - vw T ) , (2.10.10)
1 +,v
d.i. die Matrix einer kleinen (passiven!) Drehung mit dem Drehvektor
IV _ I;
o~---vxw~---vxu (2.10.11)
1 + IV 1 + IV '
wie man durch Vergleich mit (1.3.1,2) leicht sieht (cos o ~ 1, sin a ~ a) . Die Ver-
drehung erfolgt also von der "neuen" Relativgeschwindigkeit u zur "alten", v, hin,
wobei - vgl. (2.10.7) - der Drehwinkel nie 1800 erreicht.
Wir betrachten nun folgende Situation. Relativ zu einem Inertialsystem I bewege
sich das System S beschleunigt, ab er so, daß die räumlichen Achsen von S stets parallel
bleiben in dem Sinn , daß die zu S gehörigen instantanen Ruhsysteme l ' zur Zeit t
und t + /)"t für /)"t - t 0 durch eine reine Geschwindigkeitstransformation verknüpft
sein sollen - praktisch ist das durch Orientierung an mitgeführten, im Schwerpunkt
unterstützten (drehmomentfreien), schnell rotierenden Kreiseln realisiert. Von I aus
gesehen scheint nach obigen Ausführungen das Achsenkreuz von S in jedem Moment
verdreht zu sein , und da sich die Geschwindigkeit von S stetig ändert, ändert sich auch
diese Verdrehung. Mit der beschleunigten Bewegung von S ist also eine Präzession
von S relativ zu I verbunden, die Thomas-Präzession. Wir wollen den Vektor WT
ihrer Winkelgeschwindigkeit bestimmen.
Während eines kleinen Zeitintervalls /)"t (gemessen in I) erfährt die momentane
Relativgeschwindigkeit v(t) von S gegen I den Zuwachs /)"v, gemessen in I; daher gibt
(2.10.11) für die Verdrehung während /)"t den Ausdruck /),,0 = -,; v x /)"v/(l +,v) ,
d.h. für /)"t - t 0 den gesuchten Vektor der Winkelgeschwindigkeit
WT=---VX- .
I; dv
(2.10.12)
1 + IV dt
Dieser relativistische Präzessionseffekt wurde von Thomas benützt, um eine Diskre-
panz zu beseitigen, die sich in der nichtrelativistischen Quantenmechanik des spinnen-
den Elektrons ergab . Das aus dem anomalen Zeeman-Effekt bestimmte gyromagne-
tische Verhältnis des Elektrons führte ohne Berücksichtigung der Themas-Präzession
zu falschen Werten der Feinstrukturaufspaltung. Die Thomas- Präzession liefert einen
Korrekturterm in der Bewegungsgleichung des Elektronspins im äußeren elektroma-
gnetischen Feld und damit eine Korrektur zur Spin-Bahn-Wechselwirkungsenergie,
die zur richtigen Feinstruktur führt.'.
Von historischem Interesse sind die einleitenden Sätze in Thomas' Arbeit :
"It seems th at Abraham [1903(!)] was the first to consider in any detail an electron with an axis.
lL.H . Thomas, Nature 117, (1926); Phil. Mag. 3, 1 (1927); s. besonders W.H. Furry, Am. J .
Phys. 23,517 (1955); wegen einer Kritik an der Herleitung siehe H. Bacry, Ann. de Physique, 8,
197 (1963); N. Davidovich (Univ. Bariloche 1974, unveröffentlicht), N. Davidovich, G. Beck, Nuovo
Cimento 27B, 19 (1957); H. Mathur, Phys. Rev. Lett . 67,3325 (1991).
42 2. Physikalische Interpretation
Many have since considered spinning electrons, ring electrons, and the like. Compton [1921] in
particular suggested a quantized spin for the electron . It remained for Uhlenbeck and Goudsmit
[1925] to show how this idea can be used to explain the anomalous Zeeman effect. The assumptions
they had to make seemed to lead to optical and relativity doublet separations twice as large as those
observed.
The purpose of the following paper, which contains the results mentioned in my recent letter
to ,Nature' [1926], is to investigate the kinematics of an electron with an axis on the basis of
the restricted theory of relativity. The main fact used is that the combination of two ,Lorentz
transformations without rotation' in general is not of the same form" .
Historisch ist auch anzumerken, daß der Präzessionseffekt bereits Ende 1912 dem Mathematiker
E. Borel bekannt war (C. R. 156, 215 (1913» und von ihm und von L. Silberstein schon 1914 in
Lehrbüchern beschrieben wurde (E . Borei, Introduction Geometrique aQuelques Theories Physiques,
Paris : Gautier-Villars; L. Silberstein, The Theory 0/ Relativity, London: McMillan) . Es scheint , als
wäre der Effekt bereits 1909 Sommerfeld und vor ihm Poincare bekannt gewesen. Thomas' Verdienst
war also nicht nur die unabh ängige Wiederentdeckung, sondern die relevante Anwendung auf ein
virulentes Problem.
Aufgaben
,(Sw, Sv) = ,(w, v), Sw 0 Sv = S(w 0 v), R(Sw, Sv) = S R(w, v) S-1.
(2.10.15)
6. Man zeige, daß sich nicht jede Lorentztransformation als Produkt von zwei
reinen Geschwindigkeitstransformationen darstellen läßt!
Hinweis: im allgemeinen sind in (1.5.13) Rund u unabhängig.
2.11 Die Synchronisation von Uhren 43
t"----.....:.----~~ x
b) Aus (2.11.2) folgt, daß Uhren langsamer gehen, wenn sie gegen den Äther be-
wegt sind, da t < I, aber vom bewegten System aus gesehen gehen die im Äther
ruhenden Uhren schneller. Denn (2.11.2b) ist hier - zum Unterschied von der
Standardformulierung der Theorie - eine Transformationsformel zwischen Zeit-
lAusführlicheres in R. Mansouri, R.U. Sexl, GRG 8,497,515, 809 (1977), und Mittelstaedt
(1989).
2.11 Die Synchronisation von Uhren 45
koordinaten und nicht nur Zeitintervallen. Die Umkehrung von (2.11.2b) lautet
daher t = I t und nicht etwa t = ~ t . Man überzeugt sich aber leicht, daß
alle beobachtbaren Konsequenzen wie" Uhrenparadoxon" etc. in dieser Version
der Theorie ebenso resultieren wie in der Standardversion. Beide Versionen
unterscheiden sich, um dies nochmals zu betonen, nur um eine Konvention über
die Synchronisation von Uhren .
er deformiert die Masstäbe, verändert den Gang der Uhren und die Federkraft in den Federwagen
u.s .w. Für alles das sorgen jene Grundhypothesen, insbesondere auch die Hypothese, dass die Bewe-
gung durch den Aether die Anziehungskräfte zwischen den Molekülen verändert . Und wenn nun der
Experimentator die durch den Aetherwind gestörten Processe mit seinen Instrumenten beobachtet,
die derselbe Aetherwind verdorben hat, dann sieht er exact das , was der ruhende Beobachter, an
den ungestörten Processen mit den unverdorbenen Instrumenten beobachtet .
Es ist erstaunlich, dass sich dieses Resultat für eine sehr umfassende Klasse von Experimenten
aus so wenigen Grundannahmen streng beweisen liess. Es ist wunderbar, dass es überhaupt gelungen
ist eine derartige Schlusskette lückenlos durchzuführen. Es wäre unbescheiden von mir , wenn ich die
besondere Methode, durch die Herr Lorentz diese Aufgabe bewältigt hat, durch irgend ein Epitheton
bewerten wollte ...
Wir sehen also, dass hier die aetherlose Theorie von Einstein genau dasselbe verlangt, wie die
Aethertheorie von Lorentz . Auf diesem Umstand beruht dann auch , dass nach der Einste in'sch en
Theorie ein Beobachter an den vor ihm laufenden Masst äben, Uhren etc. exact dieselben Contrac-
tionen, Gangänderungen usw. beobachten muß, wie nach der Lorentz'schen Theorie. Und hier sei
gleich allgemein bemerkt: Ganz principiell gibt es kein experimentum crucis zwischen diesen beiden
Theorieen" .
Wenn sich die Standardformulierung der Einsteinsehen Theorie von (2.11.2) nur
durch eine andere Konvention über Uhrensynchronisierung unterscheidet, so kommt
man doch aufgrund der "Ät herformulierung" auf völlig andere Hypothesen bezüglich
möglicher Tests der Theorie. So haben Morley und Miller1 das Michelson-Morley-
Experiment 1904 auf einem Fichtenholzgerüst wiederholt, um festzustellen, ob dieses
Material bei der Bewegung durch den Äther ebenso kontrahiert wird wie der ur-
sprünglich verwendete Sandstein.
Morley und Miller formulieren ihre Hypothesen 1904 folgendermaßen : "Wenn der Fitzgerald-
Lorentz-Effekt existiert , könnte er alle Materialien gleichermaßen beeinflussen, unabhängig von der
Natur des Materials. Aber es ist möglich, r1aß der Effekt von den Materialeigenschaften abhängt,
so daß Fichtenholz mehr beeinflußt wird als Sandstein. In diesem Fall würde Fichtenholz - in ei-
nem Experiment wie 1887, bei dem Sandstein keine Verschiebung der Interferenzstreifen ergab -
mehr als Sandstein komprimiert werden , und zu einem Effekt mit umgekehrtem Vorzeichen zu der
ursprünglichen einfachen Theorie führen" .
Ein anderes Experiment, das seiner Idee nach der vorrelativistischen Auffassung
von Lorentzkontraktion entspricht, wurde 1937 (!) von Wood, Tomlinson und Essen?
ausgeführt. Ein mit seiner Eigenfrequenz longitudinal vibrierender Stab wurde in
Drehung versetzt. Durch die Längenkontraktion sollte in manchen Orientierungen
eine Veränderung der Eigenfrequenz v resultieren - falls der Effekt nicht durch eine
Veränderung der elastischen Konstanten des Stabes genau kompensiert wird. Das
Experiment ergab eine Obergrenze von 4.10- 11 für die relative Frequenzänderung
!:lv/v.
Aufgrund der Relativitätstheorie ist dieses Resultat selbstverständlich. In der Theorie, die die
Autoren des Versuches zugrundelegten, war dies keinesfalls so - sonst hätten sie den Versuch kaum
gemacht. Sie nahmen vielmehr die zur Relativitätstheorie kinematisch äquivalente "Ätherversion"
(2.11.2) an . Was unberücksichtigt blieb, ist, daß auch die Eigenschwingungen des Stabes einen
periodischen Vorgang darstellen, der als Uhr benützt werden kann . Wäre der Versuch positiv aus-
gegangen, so hätte dies bedeutet, daß es in einem relativ zum Äther bewegten System Klassen von
Uhren gibt, die durch die Bewegung unterschiedlich beeinflußt werden (die Autoren wollten ja die
Veränderung der Eigenfrequenz des bewegten Stabes durch Vergleich mit einer ebenfalls bewegten
Uhr feststellen!) . Dies wäre in einer Äthertheorie möglich. In diesem Fall hätte die Transformation
(2.11.2) sehr eingeschränkte Bedeutung - es wäre zu spezifizieren, mit welcher Art von Uhr die
Zeit ~.emessen werden kann. Um Übereinstimmung mit der Relativitätstheorie zu eEzielen, ist in
der "At hertheorie" zu postulieren , daß j ede Art von Uhren bei Bewegung durch den Ather um den
Faktor ~ langsamer geht , jeder Maßstab um diesen Faktor schrumpft. Dieses kinematische
Postulat muß dann auch aus der Dynamik (inneren Struktur) des Maßstabes oder der Uhr her-
aus bewiesen werden. Für die Lorentzkontraktion wurde dies von Lorentz teilweise gezeigt (siehe
Abschnitt 5.8). In der Relativitätstheorie wird durch die Lorentzkovarianz der Naturgesetze (siehe
folgende Kapitel) garantiert, daß Kinematik und Dynamik stets übereinstimmende Resultate liefern.
(Assoziativität)
kommen dann als Bausteine einer physikalischen Theorie infrage, in der das Relati-
vitätsprinzip verwirklicht ist.
Wir wollen in diesem Buch dieses Programm schrittweise verfolgen und dabei
einige typische Methoden und Argumentationsweisen kennenlernen, ohne allerdings
Wert auf große mathematische Strenge oder Vollständigkeit zu legen.
(3.1.1)
invariant lassen. Hier haben wir die für die weiteren Manipulationen unentbehrliche
Zahlenmatrix
'T/ = ('T/ik):= diag(l,-l,-l,-l) = ('T/ki) (3.1.3)
(den sog. metrischen Tenso.,J) eingeführt, mit deren Hilfe die Bedingung der Invarianz
von ds 2 unter (3.1.1) als
'T/ik dXid Xk = 'T/mn d X»«Xii ( 3.1.4)
Wir zeigen nun als Nachtrag zu 1.5, daß (3.1:1) tatsächlich eindeutig umkehrbar
und linear sein muß. Lesen wir (3.1.5) als Matrixgleichung und bilden die Determi-
nante, so folgt sofort det( 8 fm /8x i) = ±1 =1= O. Nun differenzieren wir (3.1.5) nach xi,
permutieren die Indizes i, k, j zyklisch, addieren zwei der entstehenden Gleichungen
und subtrahieren die dritte. Wegen 'T/mn = 'T/nm ergibt sich daraus
(3.1.7)
durch
n
'T/mnLi L k = 'T/ik ::} det L = ±1 (3.1.8)
1 Diese Bezeichnung wird später erklärt.
3.1 Die Lorentz- und Poinceregtuppe 51
eingeschränkt.
Es ist trivial, daß alle umkehrbaren Transformationen (3.1.1), die ds 2 invariant
lassen, eine Gruppe bilden; d.h. aber, die Transformationen (3.1.6) mit (3.1.8) bilden
eine Gruppe, die Poincareqruppe P . (Der Beweis, daß P mit der Gruppe aller Trans-
formationen zwischen Inertialsystemen cum grano salis - siehe Bemerkungen über
Spiegelungen - identisch ist, ist dam it vervollständigt.) Die homogenen Transfor-
mationen (3.1.7) mit (3.1.8) bilden hiervon eine Unterg ruppe, die Lorenizqruppe: L .
(3.1.6,7,8) können in leicht verständlicher Matrix-Symbolik geschrieben werden
als
x = Lx + a (3.1.6')
x = Lx (3.1.7')
L T 1]L = 1], (3.1.8')
T
wobei L die zu L transponierte Matrix bezeichnet. (3.1.8') ist völlig analog zur Rela-
tion OTE 0 = E für orthogonale Matrizen 0, wo E die Einheitsmatrix diag (1,1,1,1)
ist. (3.1.8,8') bezeichnen wir deshalb auch als Pseudo-Orthogonalitätsrelation, die
durch (3.1.2) in der Raum-Zeit definierte Metrik als pseudoeuklidisch .
Wir können L demnach auch beschreiben als Matrixgruppe, d.h. als Gruppe aller
4 x 4-Matrizen L, für die (3.1.8') gilt. Die Gruppenaxiome mögen in dieser Form als
Übung verifiziert werden.
Entsprechend kann P auch beschrieben werden als Menge aller Paare (a, L) aus ei-
nem Spaltenvektor a und einer Lorentzmatrix L, wobei sich als Produktregel für diese
Paare durch Zusammensetzung zweier Transformationen vom Typ (3.1.6') ergibt:
In späteren Kapiteln werden wir uns noch ausführlich mit Eigenschaften und
Realisierungen der Lorentz- und Poincaregruppe beschäftigen. Hier wollen wir uns
vorläufig nur mit den einfachsten Objekten und Begriffen vertraut machen , die zur
Formulierung der relativistischen Mechanik und Elektrodynamik nötig sind .
Aufgaben
1. Man wiederhole die wichtigsten Grundbegriffe der Gruppentheorie aus einem
Standardwerk über Algebra (vgl. auch das Glossar im Anhang A).
4. Man verifiziere die Gruppenpostulate für P = {(a, L) : LT1]L = 1]} mit (3.1.9)
als Produkt.
1 Andere Nomenklatur: P . . . inhomogene, L .. . homogene Lorentzgruppe; entsprechend für die
Transformationen.
52 3. Lorentz-, Poiuceregiuppe und Minkowskigeometrie
u w := ~ (( u + W)2 - 2 k
u - w 2) = TJik uiw = uOwo - u w = w u (3.2.5)
eingeführt; die rechten Seiten von (3.2.4,5) sind Prototypen lorentzinvarianter Aus-
drücke (Viererskalare). Einen vierdimensionalen Vektorraum y4 mit einem Skalarpro-
dukt der Form (3.2.5) nennen wir Vektorraum mit Minkowski-Geometrie . Vektoren
mit verschwindendem Skalarprodukt heißen in ihrem Sinn orthogonal.
Trotz der suggestiven Schreibweise u 2 ist (3.2.4) nicht definit: u 2 kann positive und
negative Werte annehmen und auch verschwinden, ohne daß u selbst verschwindet .
(Ein solches "Längenquadrat" eignet sich natürlich nicht , um in y4 eine metrische
Topologie einzuführen, diese ist vielmehr die übliche des R 4 . ) Die Vektoren u =/: 0
aus v- fallen somit in eine der folgenden Klassen:
zeitartige
lichtartige Vierervektoren . (3.2.6)
raumartige
Lichtartige Vektoren werden oft auch Nullvektoren genannt. Beim englischen Wort ,null vec-
tor' gibt das keinen Anlaß zu Verwirrungen, da dort für das Nullelement eines Vektorraumes ,zero
vector' zur Verfügung steht. In der Geometrie werden zu sich selbst orthogonale Vektoren wie im
Französischen isotrop genannt, ihre Richtungen isotrope, Null- oder Minimalrichtungen, der von
ihnen gebildete Kegel entsprechend isotrop er, Null- oder Minimalkegel.
Sind sie zeitartig getrennt (x, x' in der Abbildung), so liegt x' innerhalb des Licht-
kegels von x , also in seiner Zukunft oder Vergangenheit . Bei raumartiger Trennung
(x, z" in der Abbildung) gehört z" zur Gegenwart von Xj bei lichtartiger Trennung
(x, XIII in der Abbildung) liegt XIII auf dem Lichtkegel von x.
Bei diesen Unterscheidungen können die Rollen der beiden Ereignisse noch ver-
tauscht werden. Da wir uns aber auf Lorentztransformationen ohne Umkehr des Zeit-
sinnes beschränkt haben, ist in v- noch eine Zeitorientierung für nicht-raumartige
54 3. Loteniz-, Poincetegruppe und Minkowskigeometrie
Vektoren erklärt. Ist nämlich für einen Vierervektor (# 0) u 2 2:: 0, so folgt luDI> 0,
und gilt uD > 0 in einem System I, so gilt u Ö > 0 in jedem anderen Inertialsystem
I, wir haben also tatsächlich eine Eigenschaft des Vierervektors selbst vor uns, wir
nennen ihn zukunjtsgerichtet. Gilt uD < 0, so nennen wir ihn analog dazu vergangen-
heitsgerichtet. Um die eben gemachten Bemerkungen formal zu beweisen, können wir
uns auf reine Geschwindigkeitstransformationen (1.4.4) beschränken. Zunächst folgt
aus u # 0, u 2 > 0, UD > 0:
u· = (±~,O) (3.2.7)
u· = (0, J -u 2 , 0, 0) . (3.2.8)
Bei lichtartigem u erreicht man durch Raumdrehung z.B. das Verschwinden der
2- und 3-Komponente und damit wegen u2 = 0 die Form ui = (±a, a, 0, 0). Der Wert
von a ist aber nicht invariant, die einzige unabhängige Invariante u 2 verschwindet
ja. Es ist leicht zu sehen, daß bei Geschwindigkeitstransformationen in I-Richtung u i
nur mit einem Faktor multipliziert wird und so
Struktur effizient auszunützen. Das betrifft sowohl die grundsätzliche Einsicht in die Theorie wie
den prak tischen Umgang mit ihr - es sei bloß an die in Abschni tt 2.9 und 2.10 aufgezeigten Gefahr en
einer formal en 3-Vektor-Schreibweise erinnert . Im Gegensatz zu ihr vermeiden der Vierervektorfor-
malismus und die Minkowskigeometri e solche Pannen fast automatis ch, so daß es durchaus rentab el
wird , ein beschränktes Ausm aß an " Anschauung" für diese Geometri e zu entwickeln.
Ein "Geheimt ip" für die Veranschaulichung der Orthogonalitätsverhältnisse linearer Teilräume
des V 4 ist es, zum zugehörig en 3-dimensionalen projektiven Raum P(V 4 ) üb erzugehen , in dem
der Lichtkegel von V 4 eine ovale Fläche 2. Ordnung ("Kugel") definiert und Orthogonalität dann
Polarität bezüglich dieser Fläche bedeut et. Durch diese Reduktion der Dimension befindet man sich
(fast) wieder im Gebiet der Anschauung. (Der Leser diskutiere Aufgabe 2 in diesem Bild!)
Aufgaben
2. Man zeige, daß die zu ein em lichtartigen Vektor orthogonalen Vektoren entweder
raumartig oder zu ihm proportional sind. Was läßt sich üb er Vektoren sagen,
die zu einem zeit- od er raumartigen Vektor orthogonal sind?
3. Die Weltlinie eines Beobachters habe die Richtung des Vierervektors u. Man
zeige , daß zwei Er eignisse x , y für diesen Beobachter genau dann gleichz eitig
sind, wenn u (x - y) = o.
4. Das Ereignis z liege sowohl zu x als auch zu y lichtartig. Man zeige , daß der
Verbindungsvektor von x nach y orthogonal auf den Verbindungsvektor von z
zum Mittelpunkt zwischen x und y steht. Man deute dieses Ergebnis im Hinbli ck
auf das Resultat zu Aufgabe 3 im Sinn der Einstein-Synchronisierung!
5. Zwei " Licht teilchen" mögen ein "Kopf-an-Kopf-Rennen" ausführen, d.h ., sich
auf parallelen Bahnen bewegen und auf einem (hypothetischen) dazu senkrech-
ten Bildschirm für einen Beobachter gleichzeitig auftreffen. Man zeige, daß diese
Kopf-an- Kopf- Eigenschaft (engl. "abreastness") beobachterunabhängig ist und
der Orthogonalität kv = 0 eines Richtungsvierervektors k der Weltlinien auf
jeden Verb indungsvektor zwischen ihnen entspricht . Man überzeuge sich, daß
dies für Kopf-an-Kopf-Rennen mit Unterlichtgeschwindigkeit nicht der Fall ist.
(3.3.1 )
56 3. Loteuiz-, Poiuceregruppe und Minkowskigeometrie
(3.3.2)
die mit (3.2.4) nur übereinstimmt, wenn die Basisvektoren im Sinne der Minkowski-
Geometrie orthonormiert sind:
eiek = TJik
(3.3.3)
eoeo = +1,
Wir wollen im weiteren stets orthonormierte Basen verwenden. Dies entspricht der
getroffenen Wahl, in jedem Inertialsystem kartesische Orthogonalkoordinaten und die
Einstein-Synchronisation sowie c = 1 zu verwenden (vgl. Aufgaben 3, 4 des vorigen
Abschnitts).
Der Übergang (3.2.3) zu einem neuen Inertialsystem entspricht dem Übergang zu
einer neuen, ebenfalls orthonormierten Basis {ei}:
(3.3.4)
(3.3.6)
wobei also
c i -- Lk iLi i'
Lik Li i -- uk (3.3.7)
d.h ., die Matrizen (U k ) und (L/) sind zueinander kontragredient, eine ist die trans-
ponierte Inverse der anderen.
3.3 Passive und aktive Transformationen . Spiegelungen 57
u ---+ ü = Lu mit ü
2
= u2 • (3.3.8)
Eine Basis {ei} wird dabei in eine Basis {ed = {Le i} abgebildet, deren Vektoren
sich nach den e; zerlegen lassen müssen:
- = Li i ej.
ei (3.3.9)
Dadurch ist der Transformation L eine Matrix (L/) zugeordn et. Der Vektor ü hat in
der alten Basis {ed Komponenten, die sich aus
(3.3.10)
zu
(3.3.11)
ergeben, mit der Umkehrung
(3.3.12)
(vgl. (3.3.7)). Der Gegensatz zwischen (3.2.3) und (3.3.12) ist anschaulich klar.
Bezüglich der neuen Basis {ei} hat ü natürlich dieselben Komponenten wie u be-
züglich {e.}.
Ganz entsprechend sind in der Raum-Zeit passive und aktive Poincaretransforrna-
tionen zu beschreiben. An die Stelle der linearen oder Vektor basen [ e.] von v- treten
hier die affinen Orthonormalbasen von X 4 , die aus einem Punkt 0 E X 4 ( " Ursprung")
und einer Vektorbasis {ei} bestehen; jedem Ereign is sind dann bezüglich einer derar-
tigen affinen Basis Ereigniskoordinaten x' zugeordnet, indem der Verbindungsvektor
von 0 zu x nach {ei} in Komponenten zerlegt wird. Das mathematische Modell, das
hiermit einem inertialen Bezugssystem I entspricht, ist eine affine (raum- und zeitori-
entierte) Orthonormalbasis {o, e.] für X 4 • (Vgl. dazu Anhang B.14.) Mit dieser neuen
Terminologie wollen wir nun nochmals auf die Situation in Kap. 1 zurückkommen:
In den Abschnitten 1.3,4 bestimmten wir die passive Form der Transformationen,
nachdem uns die Überlegungen in Abschnitt 1.2 gezeigt hatten, daß die Naturgesetze
unter aktiven Transformationen invariant sind. Denn es ist eine aktive Transforma-
tion, die ein in I aufgebautes Experiment in ein in I "in gleicher Weise" aufgebautes
Experiment überführt; hingegen ist es eine passive Transformation, ein und dasselb e
Ereignis oder ein und denselben Vorgang - wie etwa in Abschnitt 1.4 einen mit Licht-
geschwindigkeit stattfindenden Ausbreitungsvorgang - von zwei Systemen I und I aus
zu betrachten.
Es ist nunmehr möglich, auch kurz auf die bisher immer ausgeschlossenen Spie-
gelungen einzugehen. Bei den räumlichen Spiegelungen ist eine passive Interpretation
ohne weiteres möglich, sie bed eutet ja nur den Übergang von einem Rechtssystem zu
58 3. Lorentz-, Poinceregruppe und Minkowskigeometrie
einem Linkssystem oder umgekehrt. Die Frage ist nur, ob diese Transformation dem
Relativitätsprinzip genügt, und dazu muß sie aktiv interpretiert werden . Die Schwie-
rigkeiten, die sich ergeben können, wenn man versucht, ein Experiment bezüglich
zweier spiegelbildlicher Bezugssysteme "gleichartig" aufzubauen, können am bekann-
ten Örsted-Versuch leicht illustriert werden. Spiegelt man die Magnetnadel naiv-
geometrisch, so scheint der Vorgang nicht spiegelungsinvariant zu sein; denkt man
sich die Magnetisierung der Nadel aber durch elementare Kreisströme hervorgerufen
und spiegelt diese, so ergibt sich wieder Spiegelungsinvarianz. Dies zeigt bereits, daß
die Durchführung einer aktiven Raumspiegelung keineswegs trivial ist. Die Elementar-
teilchenphysik hat weiters gezeigt", daß nicht alle Naturvorgänge spiegelungsinvariant
sind .
Noch komplizierter ist die Situation bei der Zeitspiegelung (Zeitumkehr) . Es ist
nicht möglich, diese Transformation passiv zu realisieren (Übergang zu einem Beob-
achter, für den die Zeit zurückläuft? !). Die Transformation ist aber aktiv realisierbar
als Bewegungsumkehr. Die sich ergebenden Schwierigkeiten können wieder am Örsted-
Versuch illustriert werden. Die Teilchenphysik hat auch Prozesse entdeckt, die man
so interpretieren kann, als wären sie nicht invariant unter Zeitumkehr" .
Wir werden die Diskussion der Spiegelungen erst in Kap . 6 wieder aufnehmen.
Ui
•
.= "Iik U
k
= (0
u, -u 1,-u2, - u 3) (3.4.1)
kovariante Komponenten einzuführen. Die Berechnung erfolgt in jedem (orthonor-
mierten) Bezugssystem mit derselben Zahlenmatrix "I , (3.1.3). Mit Hilfe dieser Kom-
ponenten schreibt sich das Skalarprodukt (3.2.5) kürzer
(3.4.2)
(3.4.5)
lYgl. Källen (1965); für die Verletzung der Spiegelungsinvarianz in der organischen Welt - hier
bricht kein dynamisches Gesetz die Invarianz! - siehe z.B. A. McDermott, Nature 323, (4. Sept .
1986). Ygl. auch Janoschek (1991).
2Ygl. Kabir (1968); Davies (1974).
3.4 Kontravariante und kovariante Vektorkomponenten. Felder 59
(3.4.6)
zu
(3.4.7)
mit
Li m .=
• L k jm
1/ik i 1/ • (3.4.8)
Wie sich leicht aus u w = UiW i = u,w' ergibt und auch mittels (3.1.8) verifiziert
werden kann , stimmt (3.4.8) mit der in (3.3.6) eingeführten kontragredienten Matrix
zu (Lik ) überein.
Die Einführung kovarianter Vektorkomponenten sieht zunächst wie ein überflüssi-
ger Luxus aus. Es gibt aber Objekte, für die sie "natürlicher" sind als die kontra-
varianten. Ein wichtiges Beispiel dafür ist der Vierergradient, den wir weiter unten
betrachten werden.
Ein Beispiel, bei dem ebenfalls das Transformationsgesetz (3.4.7) eher auf der
Hand liegt , tritt bei der Beschreibung von raum-zeitlich periodischen Ausbreitungs-
vorgängen (ebenen Wellen) auf. Beschreiben Beobachter in I so einen Vorgang
etwa durch cos(wt - k x), d.i, eine Welle, die in der Richtung des Wellenzahlvek-
tors k mit der Phasengeschwindigkeit VPh = w/lkl läuft und die Kreisfrequenz w
(=} reduzierte Wellenlänge = l/lkl) hat, so ist dieser Vorgang auch für einen Be-
obachter in I räumlich und zeitlich periodisch: Setzen wir w = kO und definieren
k, = 1/ij k i, so ist wt - k x = k; xi, und Lorentztransformation xi = L/ x' ergibt
cos k; xi = cos k; L/ xl = cos Js x 1, einen Ausdruck gleicher Gestalt mit
Js = L/ k,
wie in (3.4.7), wobei nun kÖ = wund k = (k i,k 2,k3 ) die in I registrierte Frequenz
und vektorielle Wellenzahl sind.
Der hierdurch definierte Wellenzahl- Vierervektor k liefert ein lineares Funktional
auf V4, indem er jeder raum-zeitlichen Verschiebungsstrecke Öox die zugehörige Pha-
senänderung k Öox zuordnet, die beobachterunabhängig ist (wie die Zahl der längs Öo x
registrierten Maxima) . (Wegen des Begriffs des Dualraums V zu einem Vektorraum
V als Menge der linearen Funktionale auf V siehe Anhang B.2.)
Unter Verwendung des Basisvektors eo von I haben wir w = kO = eo kund k 2 =
= (eok)2 - P, also
2 _ (eok )2
vph- (eok)2_k2 '
Dies ist explizit beobachterabhängig, außer in Fall P = 0, wo VPh = 1 der Lichtge-
schwindigkeit gleicht. Zu P > 0 bzw. k2 < 0 gehört VPh > 1 bzw. VPh < 1, diese
Aussagen sind ebenfalls beobachterunabhängig.
Neben Skalaren und Vierervektoren spielen skalare Felder und Vierervektorfelder
eine wichtige Rolle, die jedem Punkt x der Raum-Zeit eine Zahl <p(x) bzw. einen
60 3. Lorentz-, Poiuceregtuppe und Minkowskigeometrie
~(Xk) = ~(xk)
8~ 8~ 8x k
8x' = 8x k 8x"
und da wegen (3.3.7) die Transformation dx' = Lij dx j der Koordinatendifferentiale
die Umkehrung
k
k
dx = Li kdx, =}
8x
8 '
x'
= Li k (3.4.12)
Aufgabe
Man rekapituliere den Beweis der Aussage, daß sich eine Funktion in der Richtung
ihres Gradienten am stärksten ändert, und gebe die Modifikation dieser Aussage für
den Minkowskiraum an!
Hinweis: Um die Änderung in verschiedenen Richtungen zu vergleichen, müssen die
Richtungsvektoren gleich normiert sein.
4 Relativistische Mechanik
Wir kommen in diesem Kapitel zur Formulierung der kinematischen und dynamischen
Grundgesetze. Dabei ist darauf zu achten, daß diese Gesetze dem Relativitätsprinzip
genüg en. Sie müssen zum Ausdruck bringen, daß die Inertialsysteme, die auseinander
durch Poincaretransformationen hervorgehen, gleichberechtigt sind und durch kein
Experiment ein solches Syst em vor einern anderen ausgezeichnet ist . In die Sprache
der Mathematik übersetzt lautet diese Forderung, daß die Naturgesetze lorent zkova-
riant , d.h. so formulierbar sein müssen, daß sie in jedem Bezugssystem die gleiche
Form annehmen.
Rechentechnisch soll in diesem Kapitel vor allem die Verwendung von Vierervek-
toren und ihrer Skalarprodukte erläutert werden . Diese Technik hat große Vorteile
gegenüber den in Kap. 2 eingeführten Raum-Zeit-Diagrammen und ist bei den mei-
sten praktische n Anwendungen vorzuziehen.
4.1 Kinematik
Die Geschwindigkeit eines Massenpunktes, dessen Bewegung in bezug auf ein Iner ti-
alsystem I durch x = x(t) beschrieben wird , ist durch
dx
v= di (4.1.1)
u
i
= (dt dX) dt
ds' ds = ds (1, v) = 'Y (1, v). (4.1.4)
Im nichtrelativistischen Grenzfall (N.R.) ist lvi:::; 1" ~ 1 und somit u i ~ (1, v) . u ist
somit eine Verallgemeinerung des gewöhnlichen Geschwindigkeitsbegriffes, wobei die
Komponenten sich bei Lorentztransformationen linear verhalten. Es enthält natürlich
auch nicht mehr Information als v, denn es gilt für das Viererquadrat
. 2
2 i dx'dXi ds
u -- u u ,-
· - -ds
-2- -- -ds 2 -- 1• (4.1.5)
Die Vierergeschwindigkeit ist daher ein zeitartiger und wegen dxo > 0, ds > 0 zu-
kunftsgerichteter Vektor - geometrisch die Tangente an die Weltlinie. Die Tatsache,
daß es keine absoluten Geschwindigkeiten gibt, findet hier darin den Niederschlag,
daß die einzigen Lorentzinvarianten zeitartiger Vektoren u die Viererquadrate u 2 und
die Vorzeichen sign uO sind - und diese sind für alle Vierergeschwindigkeiten gleich.
Diese Definition legt es nahe , dem Massenpunkt (Masse m) einen Viererimpuls
(4.1.6)
zuzuschreiben. N.R. gilt pi ~ (m, mv), so daß die räumlichen Komponenten p für
lvl s 1 mit den in der klassischen Mechanik eingeführten Impulskomponenten über-
einstimmen.
Für das Viererquadrat des Viererimpulses folgt aus (4.1.5)
(4.1.7)
eine für die relativistische Kinematik grundlegende Relation. Sie bedeutet geome-
trisch, daß die möglichen Viererimpulse von Teilchen der Masse m zeitartig sind
und im 4-dimensionalen Impulsraum ein Hyperboloid bilden , die sogenannte Mas-
senschale, die für zwei Raumdimensionen in Abb. 4.1 illustri ert ist.
/
/
/
/
/
/
/
/
/
/
/
V
/
/
/
/
/
/
/
/
/
/
/
64 4. Relativistische Mechanik
. cPx i du i
b' := ds2 = d;' (4.1.8)
d . k)
(TJik u'u = TJik u'b + b'u = 2u'bi .
( . k . k) .
0= - (4.1.9)
ds
b ist also (im Sinn der Minkowski-Geometrie) auf u orthogonal und somit ein
raumartiger Vierervektor. Die Größe (-b2)1/2, geometrisch eine lorentzinvariante
Krümmung der Weltlinie, ist gleich dem Betrag der im momentanen Ruhsystem ge-
messenen Beschleunigung (Aufgabe). Dies zeigt formal, inwieweit Beschleunigungen
im Gegensatz zu Geschwindigkeiten absoluten Charakter haben.
Es liegt nun nahe , das zweite Newtonsehe Axiom K = mb zu
i
f{i = mbi = m du = dpi (4.1.10)
ds ds
Ku = 0, (4.1.11)
° dx
K = I' k v = I' k- = k- =: -
dx dA
(4.1.13)
dt ds ds
hat die Bedeutung der am Teilchen von der Kraft k pro (Eigen-) Zeiteinheit geleisteten
Arbeit. (4.1.10) ergibt für i = 0
°
p = I'm = m + -2-
mv
2
+ ... (4.1.15)
Für kleine Geschwindigkeiten v ~ 1 ist pO bis auf die Konstante m gleich der kineti-
schen Energie des Teilchens.
Die Überlegungen des nächsten Abschnittes (Energieerhaltung) werden zeigen,
daß pO als Gesamtenergie des Teilchens aufzufassen ist, die sich aus der Ruhenergie
m (in konventionellen Einheiten mc2 ) und der kinetischen Energie T (Translations-
energie) zusammensetzt. Der für relativistische Geschwindigkeiten gültige Ausdruck
für die kinetische Energie ergibt sich aus
pO = : m+T (4.1.16)
zu
mv 2 3
T = b -1)m = -2- + Smv +... 4
(4.1.17)
Weierstraßsches Modell des Lobatschewskiraums, vgl. Fock (1960», wie er in kosmologischen Mo-
dellen Verwendung findet (vgl. Sexl - Urbantke (1987» . Projektion vom Nullpunkt des V 4 auf
eine Tangentialhyperebene des Hyperboloids liefert das sog. Kle insehe projektive Modell; projiziert
man hingegen vom Antipodenpunkt (auf dem gestrichelten Teil der Abb . 4.1) des Berührpunkts,
entsteht das sog. Poincaresche konforme (= winkeltreue) Modell (vgl. Strubecker (1969», das für
halbquantitative Überlegungen von Nutzen sein kann .
Das Geschwindigkeitshyperboloid erlaubt, allgemeine Lorentztransformationen geometrisch zu
veranschaulichen . Man identifiziert dazu die Bezugssysteme I, I, ... mit Orthonormalbasen {e;},
{eil, ... von V 4 und deutet eo, eo , ... als Vierergeschwindigkeiten von I, I, , somit als Punkte
des Hyperboloids . Jetzt kann man die dazu orthogonalen Vektoren e,,, eo , (a = 1,2 ,3) als
Tangentialvektoren in den Punkten eo, eo, .. . des Hyperboloids eintragen; sie bilden dort je weils
Orthogonalbasen des Tangentialraums. Jede derartige orthonormale Tangentialbasis kann dur ch ge-
nau eine Lorentztransformation in jede andere transformiert werden - man sagt , die Lorentzgruppe
wirke auf dem gesamten Bündel der orthonormalen Tangentialbasen des Geschwindigkeitshyperbolo-
ids einfach-transitiv (= frei und transitiv) . Auszeichnung eines Systems I liefert daher eine Bijektion
zwischen diesem Bündel und der Lorentzgruppe.
Für jede Weltlini e x( s) sind die Tangenten an die auf dem Geschwindigkeitshyperboloid gelege-
nen Kurve u( s) ( relativistischer Hodograph der Bewegung) gerad e durch die Viererb eschleunigung
b(s) gegeben .
Aufgaben
3. Man zeige, daß (_&2)1/2 der Betrag der im momentanen Ruhsystem gemessenen
gewöhnlichen Beschleunigung ist .
) ~i'
Unabhängig von der Natur der dort wirkenden Kräfte gilt im nichtrelativistischen
Fall stets, daß die Summe der Impulse
PI + P2 = P3 + P4 (N.R.) (4.2.1)
und die Summe der Energien (TA := p~/2mA N.R.)
Tl + T2 = T3 + T4 (N.R.) (4.2.2)
vor und nach dem Stoß dieselbe ist . Da die Impulse P3, P4 sechs unabhängigen Größen
entsprechen und in (4.2.1,2) nur vier Gleichungen vorliegen, ist der Endzustand ohne
Kenntnis der Wechselwirkung nicht vollständig durch den Anfangszustand bestimmt,
doch schränken die Erhaltungssätze die Menge der Endzustände bereits entscheidend
ein.
Die Menge der kinetisch möglichen, d.h. mit den Erhaltungssätzen verträglichen, Endzustände
bei gegebenem Anfangszustand nennt man - in Anlehnung an die statistische Mechanik - in der Teil-
chenphysik den Phasenraum des Stoßprozesses. Aus ihm wählt die spezifische, durch die Wechselwir-
kung gegebene Dynamik des Prozesses den tatsächlichen Endzustand aus, der nach der klassischen
Physik eindeutig erm ittelt werden kann , während die Quantenmechanik lehrt, mit welcher Wahr-
scheinlichkeit er in irgende inen Bereich des Phasenraumes fällt . Die Untersuchung der Geometrie
dieses Phasenraumes wird in der Teilchenphysik übrigens nicht als Kinetik, sondern als Kinematik
bezeichnet .
Da für die außerhalb der Stoßregion kräftefrei bewegten Massenpunkte außer den
Viererimpulsen PA (A numeriert die Teilchen) bzw. den dazu proportionalen UA keine
anderen Vierervektoren entsprechender Dimension zur Verfügung stehen, muß die
relativistische Verallgemeinerung der Erhaltungssätze (4.2.1,2)
PI +P2 = P3 + P4 (4.2.3)
lauten. (4.2.3) enthält vier Gesetze, man wird vermuten, daß im N.R. Grenzfall sowohl
Energie- wie Impulserhaltung resultieren. Für lvl ~ 1 ist pi ~ (m,mv), (4.2.3)
spezialisiert sich zu
(N.R.) (4.2.4)
68 4. Relativistische Mechanik
(N.R.) (4.2.5)
Statt der erwarteten Energieerhaltung haben wir in (4.2.4) das Gesetz der Erhal-
tung der Masse vor uns, das in der Newtonsehen Mechanik üblicherweise als selbst-
verständlich vorausgesetzt und nicht eigens angeführt wird! Mit (4.1.16) ergeben sich
aber aus (4.2.3) Aussagen über die Energieerhaltung: statt (4.2.4) bekommen wir
(4.2.6)
wobei TA wie früher die relativistische kinetische Energie des A-ten Teilchens bedeu-
tet.
Das Auftreten des Summanden m in pO = m + T gewinnt dadurch weit mehr als
formale Bedeutung: Nach (4.2.6) ist nur die Summe der kinet ischen und der Ruh-
energien erhalten, die Erhaltung der kinetischen Energie allein wie in (4.2.2) ist da-
durch nicht gefordert. Es kann daher Prozesse geben, in denen die eine Energieform
in die andere umgewandelt wird. Diese überraschende Möglichkeit, die durch die re-
lativistische Form der Erhaltungssätze zugelassen wird , ist durch zahlreiche bekannte
Experimente belegt, von denen in Abschnitt 4.5 einige theoretisch wesentli che Bei-
spiele besprochen werden sollen. .
Eine weitere Folgerung aus (4.2.3) ist, daß sich wegen P = I m v ein schnell
bewegtes Teilchen beim Stoß so verhält, als hätte es - im Vergleich zur Newton-
sehen Mechanik - eine Masse I m, also eine gegenüber der Ruhmasse m vergrößerte
"dynamische" Masse. Diese Tatsache bezeichnet man auch als relativistischen Mas-
senzuwachs. Die Ruhmasse m ist daher durch Experimente im nichtrelativistischen
Geschwindigkeitsbereich zu ermitteln.
Wesentlich ist ferner, daß die Gesamtenergie pO = I m eines Teilchens für v ---? 1
unbegrenzt zunimmt. Um ein Teilchen auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen,
ist eine unendlich große Energiezufuhr nötig. Dies ist der angekündigte dynamische
Gr und für die Unerrei chbarkeit der Lichtgeschwinäigkeit .
Aus der Relation p2 m 2 folgt schließlich eine viel verwendete Formel für die
Gesamtenergie pO:
pO = +Vm2 + p 2. (4.2.7)
Subtraktion der Ruhenergie m ergibt für die kinetische Energie
T=vm 2 + p2 - m, (4.2.8)
was sich für Ipl ~ m auf den nichtrelativistischen Ausdruck p 2 / 2m reduziert. Die
Geschwindigkeit des Teilchens ist, durch pausgedrückt,
v-~-
- po - vm 2p+ p 2' (4.2.9)
Fall kann man nur pi cx: dx i schließen, wobei der Proportionalitätsfaktor unbestimmt
bleibt. Aus p2 = (pO)2 - (p)2 = m 2 = 0 folgt ferner, daß der Energie-Impuls-Vektor
eines Photons ein lichtartiger, zukunftsgerichteter Vektor p mit den Komponenten
pi = (jp], p) (4.3.1)
sein muß .
Den Zusammenhang zwischen p und dem Wellenzahlvierervektor des Lichtquants
liefert die Quantenmechanik. Es ist
Es pflanzt sich also in der (x,y)-Ebene im Winkel zur x-Achse fort. In bezug auf
ein System I, das sich gegen I mit Geschwindigkeit v in die x-Richt ung bewegt, hat
k die Komponenten
k i = w (1, cos e, sin e, 0), (4.3.4)
wobei der Zusammenhang zwischen (4.3.3) und (4.3.4) durch
(4.3.5)
Jf=V2w
w= (4.3.6)
1 + u cos B
und die Beziehung zwischen e und 0 (Aberration)
cos e- =
cos0-v
, sin e =
Jf=V2 sin0
----~ (4.3.7)
1 - v cos e 1-vcose'
70 4. Relativistische Mechanik
Der Zusammenhang zwischen wund w geht aus demjenigen zwischen wund w durch
die Substitution v --+ -v hervor, wie dies nach dem Relativitätsprinzip der Fall sein
muß. Beim nicht relativistischen Dopplereffekt (Schall!) trifft dies nicht zu, da dort
die Wurzel in (4.3.6) fehlt und man Fallunterscheidungen treffen muß, je nachdem,
ob sich die Quelle oder der Beobachter gegenüber dem Gas bewegt, das den Schall
überträgt. Hier kommt es dagegen nur auf die Relativgeschwindigkeit zwischen I (in
dem z.B. der Beobachter ruht) und I (in dem sich die Lichtquelle befinde) an.
Von prinzipieller Bedeutung ist der transversale Dopplereffekt 0 = 1r /2. In diesem
Fall bewegt sich der Beobachter senkrecht zur Richtung des einfallenden Lichtes , so
daß klassisch kein Effekt zu erwarten wäre . Die von der Relativitätstheorie vorherge-
sagte Frequenzverminderung
w=w~ (4.3.9)
ist auf die Zeitdilatation zurückzuführen, und die Messung dieses Effektes durch Ives
und StilweIl im Jahre 1938 ist von wissenschaftsgeschichtlicher Bedeutung als erste
quantitative Bestätigung der Zeitdilatation (Details sind z.B. bei French (1971), p.
146 zu finden).
Neuere Experimente zur Messung des transversalen Dopplereffektes beruhen auf
dem Mößbauer-Effekt" , Eine Quelle von I-Strahlen wird von einem rotierenden zy-
linderförmigen Absorber aus dem gleichen Material umgeben. Durch die Drehung
wird die Übereinstimmung von Emissions- und Absorptionsfrequenz wegen (4.3.9)
verschoben und der Zylinder wird für die I-Strahlen transparent, wie man mit einem
außerhalb angebrachten Detektor feststellt . Damit kann (4.3.9) auf einige Prozent
genau getestet werden .
Die Bedeutung der Aberrationsformel (4.3.7) für die Beobachtung von Sternen
von der bewegten Erde aus ist in allen elementaren Einführungen (z.B. French (1971),
Kaczer (1970)) zu finden .
Wichtig ist der Zusammenhang zwischen Aberration und der Unsichtbarkeit der
Lorentzkontraktion bzw. der bei photographischen Aufnahmen (theoretisch) zu be-
obachtenden Verdrehung des Objektes. Das von einem bewegten Objekt in seinem
e
Ruhsystem I unter einem Winkel zur Bewegungsrichtung abgestrahlte Licht wird im
System I unter dem Winkel 0 beobachtet. Das Objekt erscheint also um den Winkel
a =0 - e verdreht, wobei sich für 0 = 1r /2 (Beobachtung in I senkrecht zur Bewe-
e
gungsrichtung) sin = JI=V2 ergibt, also cos o = JI=V2, was genau mit dem im
Abschnitt 2.5 auf anschauliche Weise gewonnenen Resultat übereinstimmt. Besonders
interessante Effekte ergeben sich für extrem relativistische Bewegung, I ~ 1. In Abb.
e
4.3 ist der Zusammenhang zwischen 0 , und o für I = 2 dargestellt und in Abb.
4.4 die daraus folgende scheinbare Verdrehung eines an einer Kamera vorbeifliegenden
Würfels .
IH. Hay, J . Schiffer, T . Cranshaw, P. Engelstaff, Phys. Rev. Lett . 4, 165 (1960).
4.3 Lichtquanten. Doppler-, Comptoneffekt 71
tol 1 - - - - -- - - - - - - - - "
o _= .....::...~ tol
Kamera 0
Allerdings haben wir noch den allgemeinen Beweis der Unsichtbarkeit der Lo-
rentzkontraktion nachzutragen und zu zeigen, daß bei photographischen Aufnahmen
tatsächlich stets nur eine Verdrehung des (sehr weit von der Kamera entfernten)
Objektes festzustellen ist .
Dazu betrachten wir zwei Photonen, die den gleichen Wellenzahlvektor k haben
(hier geht die große Kameraentfernung ein). Ihre Weltlinien sind durch
(4.3.10)
gegeben, wobei AA und AB zwei Parameter sind, die entlang der Weltlinie variieren.
(Da für Photonen ds = 0 ist, kann die Eigenzeit nicht wie bei massiven Teilchen
zur Parametrisierung der Weltlinie dienen; ,\ wird affiner Parameter genannt) . Beide
Photonen treffen zugleich auf einer zur Ausbreitungsrichtung senkrecht stehenden
photographischen Platte (Momentaufnahme!) ein, falls k (dA - dB) = 0 gilt , wie man
am besten im Ruhsystem der Platte einsieht (vgl. Aufgabe 5 zu Abschnitt 3.2). Da
auch P = 0 ist , wird der Abstand der beiden Lichtstrahlen durch den lorentzinva-
rianten Ausdruck (XA - XB)2 = (dA - dB)2 gegeben. Daher ist dieser für die photo-
graphische Aufnahme relevante Abstand im Ruhsystem des zu photographierenden
Objektes der gleiche wie im Ruhsystem der Kamera, womit der gewünschte Beweis
erbracht ist.
72 4. Relativistische Mechanik
Als letztes Beispiel untersuchen wir die Kinematik der Compton-Streuung, d.i.,
der Streuung von Licht an Elektronen (Abb. 4.5).
q' p'
\
\
\
\
\
\
q \ p
\
Abb. 4.5. Compton-Streuung
Sind die Viererimpulse des Photons bzw. Elektrons vor und nach der Streuung p und
p' bzw. q und q', so verlangt die Energie-Impuls-Erhaltung
Um die Energieänderung des Photons bzw. Elektrons bei der Streuung zu berechnen,
eliminieren wir q' aus (4.3.11). Dazu arbeitet man zweckmäßigerweise mit Invarianten,
statt sofort auf ein Inertialsystem zu spezialisieren. Wir schaffen in (4.3.11) p' nach
links und bilden das Viererquadrat:
(4.3.12)
wobei 0 der Winkel zwischen der Richtung des einfallenden und des gestreuten Pho-
tons ist, Mit 2Jrlw =.\ erhalten wir aus (4.3.14)
Dies ist die bekannte Comptonsche Relation. Für 0 = Jr 12 ist die Wellenlängenände-
rung durch die Campton- Wellenlänge hlme = 2,426.10- 10 cm des Elektrons gegeben .
4.3 Lichtquanten. Dopplex-, Comptoneffekt 73
dt 3 c3
2
dE = ~ e x2 = ~ e
2
3 c3 m 2
E2.:=- (4 .3.16)
gegeben. Der Energiefluß I des einfallenden Licht es ist 1= cE2/47r (der Querstrich bedeutet Mitte-
lung über die Periode), so daß der Wirkungsquerschnitt der Streuung
4
dE 87r e 811" 2 -25 2
O"T = dt/I= 3" m 2c4 = 3"r. = 6,65.10 cm (4 .3.17)
beträgt . Dabei ist r. = e2 / m c2 = 2, 818.1O- 13cm der klassische Elektronenradius (siehe Kap. 5). Bei
Photonenenergien , die mit der Elektonenruhenergie vergleichbar sind , ist der Wirkungsquerschnitt
durch die Klein-Nishina-Formel gegeben (siehe Bjerken & Drell (1966)) .
In der Astrophysik ist der inverse Compton-Effekt von Bedeutung, bei dem ein ho chenergetisches
Elektron (kosmische Strahlung) an einem niederenergetischen Photon (Sternenlicht bzw. "kosmi-
sehe Hintergrundstrahlung") gestreut wird . Wenn wir uns der Einfachheit halber auf den frontalen
Zusammenstoß von Elektron und Photon (in x-Richtung) beschr änken , ist qi = (")'m , ")'mv, 0, 0),
pi= h(w,-w ,O,O),p/i = h(w',w',O,O) , wobei (4.3.13) mit den Näherungen 1 +v:::::: 2, I-v:::::: 1/2")'2
auf
/ 4w")'2
w = (4.3.18)
1 + 4hw"Y/m
führt . Inverse Compton-Streuung ist eine wichtige Quelle von Röntgenstrahlen (siehe z.B . D. Sciama
in Sachs (1971)) .
Aufgaben
1. Ein Teilchen strahle in seinem Ruhsystem I Licht isotrop in alle Richtun-
gen, d.h., mit einer Winkelverteilung L(0) = L = const . aus. Welche Ver-
teilung L(0) der Strahlung beobachtet man in einem System I, in dem sich das
Teilchen extrem relativistisch (-y ~ 1) bewegt? (Anleitung: L(0)sin0d0 =
= L(0) sin 0 d0.) Man diskutiere das Vorwärtsmaximum von L(0) im Zusam-
menhang mit der Strahlung relativistischer Teilchen (siehe z.B. Jackson (1983),
Abschnitt 14). Man zeige, daß der Dopplereffekt zusätzlich zur Verstärkung des
Vorwärtsmaximums beiträgt.
74 4. Relativistische Mechanik
2. Aus (4.3.7) ergibt sich eine einfache Relation zwischen tg e /2, tg 0/2. Wie
lautet sie?
Wegen ihrer Anwendung auf die Kontur schnell fliegender Kugeln siehe R . Penrose, Proc.
Cambridge Phi\. Soc, 55, 137 (1959).
c) Der Zerfall 71"0 -+ 2')' ermöglicht ebenfalls eine genaue Überprüfung der Um-
wandlung der Masse in Energie. Auch kann damit das Geschwindigkeitsaddi -
tionstheorem getestet werden, indem man die Geschwindigkeit der ')'-Quanten
bestimmt, die von im Flug (v = 0, 98c) zerfallenden Pionen stammen.
4.4 Umwandlung von Masse in Energie. Massendefekt 75
Diese Beispiele sollen hinreichen, um zu zeigen, daß die Umwandlung von Masse
in Energie in der Welt der Elementarteilchen in einer Unzahl von Experimenten
beobachtet und üb erprüft werden kann. Im Alltag zerfällt der relativistische Massen-
Energieerhaltungssatz dagegen praktisch in zwei getrennte Teile : Masse und Energie
sind (mit hoher Genauigkeit) separat erhalten. Der Grund dafür ist vor allem in den
Erhaltungssätzen für Ladung, Leptonenzahl und Baryonenzahl! zu finden. So kann
das Elektron nicht in andere Teilchen zerfallen, da es das leichteste geladene Teilchen
ist , das Proton wiederum das leichteste Baryon. Beim Neutron ist die Situation etwas
komplizierter: Freie Neutronen zerfallen durch ß-Zerfall
n -t p + e + ve (4.4.1)
mit einer Halbwertszeit von etwa 1000 sec in Proton, Elektron und Antineutrino.
Stabile Atomkerne sind dagegen (unter anderem) dadurch charakterisiert, daß die in
ihnen enthaltenen Neutronen wegen des Pauli-Prinzips nicht zerfallen, da die Ener-
gieniveaus, die dem beim ß-Zerfall entstandenen Protonen zur Verfügung stehen, so
ungünstig liegen , daß (4.4.1) energetisch unmöglich ist.
Damit haben wir die Gründe für die Stabilität "normaler" Materie kurz charakteri-
siert: Die nichtgeometrischen Erhaltungssätze (Ladung, Leptonenzahl, Baryonenzahl,
etc.; der Terminus "geometrischer Erhaltungssatz" wird in Kap. 10 erläutert) sichern
in Abwesenheit von Antimaterie die Ruhmassenerhaltung.
Allerdings gilt dies nur näherungsweise. Analysieren wir z.B . eine chemische Re-
aktion genauer, wobei wir als einfachstes Beispiel die Bildung von Wasserstoff aus
Proton und Elektron heranziehen wollen:
Die dabei frei werd ende Bindungsenergie ist durch E B = 13,55 eV = a 2 gegeben, tm
wobei m die Elektronenmasse und o = 1/137 die Feinstrukturkonstante ist . Der
Einfachheit halber nehmen wir an , daß E B durch die Emission von 2 Photonen in
entgegengesetzte Richtungen freigesetzt wird, wie Abb. 4.7 zeigt.
H /-y
-y \
/
\ /
\ 3 /
4 \ / 5
\ /
/
\
Wenn wir Elektron und Proton (Masse M) als ruhend nähern, so sind ihre Viere-
rimpulse P~ = (M ,O), P; = (m ,O), während für die bei (4.4.2) emittierten Photonen
P~ = (w,p), P~ = (w,-p) mit 2w = 21pl gilt. Die Energie-Impulsbilanz
PI + P2 = P3 + P4 + Ps (4.4.3)
ergibt somit
P~ = (m + M - 2w, 0). (4.4.4)
Das Wasserstoffatom ruht , seine Masse p. ist aber nicht durch m+ M gegeben, sondern
kleiner : p. = m + M - 2w, wobei der Massendefekt ~p. = (m + M) - p. = 2w = E B
auf die Bindungsenergie zurückzuführen ist . Der relative Massendefekt ~p./ Il
(4.4.5)
(4.4.6)
Wenn ein Stern aus einer Gaswolke entsteht, wird diese Energie abgestrahlt, so daß
dem Stern nur die Masse MI = M - EB verbleibt. Der Newtonsehen Gravitations-
theorie gemäß könnte MI sogar negativ sein, wenn nur R klein genug gewählt wird.
Die allgemeine Relativitätstheorie! zeigt, daß dies nicht möglich ist, da (4.4.6) nur
für sehr kleine Werte von EB/M gilt. Immerhin erreichen aber Bindungsenergien
ISiehe z.B. Sexl & Urbantke (1987).
4.5 Der relativistische Phasenraum 77
auch gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie bis zu 40% der Ruhmasse. Gravi-
tative Phänomene erlauben somit die größten Umsetzungen von Masse in Energie,
wenn man von Materie-Antimaterie-Annihilation absieht, bei der sogar 100% der
Ruhmasse zerstrahlt werden kann.
Aufgaben
1. Welche Bedeutung hat die Invariante s = (ql + q2)2 bei dem Streuprozeß (wir
schreiben Viererimpulse statt der Teilchen an) ql +q2 -+ PI +P2? Man diskutiere
s im Laborsystem (q~ = (m,O)) und im Schwerpunktssystem (ql + q2 = 0).
Welche Bedeutung hat t = (ql - pd?
(4.5.1)
gegeben ist. Dab ei ist IHB AI 2 das Matrixelement des Wechselwirkungsterms im Ha-
miltonoperator und p(E) die Dichte der Energieeigenwerte der Endzustände (siehe
z.B . Schiff (1968), p. 199 oder Flügge (1964)).
Die in (4.5.1) vorgenommene Aufspaltung der Übergangswahrscheinlichkeit in die
Faktoren p und IHI 2 ist auch in der relativistischen Quantenmechanik bzw. Quan-
tenfeldtheorie von Bedeutung.
So wird z.B. sowohl der Zerfall des Neutrons, n -+ P + e + Ve , als auch der Müon-
Zerfall p, -+ e+ve+v/L durch schwache Wechselwirkungen verursacht. Die Lebensdauer
T der beiden Teilchen (Tn ~ 1000 sec, T/L ~ 2.10- 6 sec) unterscheidet sich aber um 9
Größenordnungen, da beim p,-Zerfall mehr Ruhmasse in Energie umgewandelt wird
und den auslaufenden Teilchen e, Ve , V/L eine größere Anzahl möglicher Zustände zur
Verfügung steht als beim Neutronenzerfall. Diese Tatsache wird durch den Phasen-
raumfaktor beschrieben, der die relativistische Verallgemeinerung von p(E) ist .
Um den Phasenraumfaktor (der besser Impulsraumfaktor heißen sollte) einzufüh-
ren, betrachten wir als Beispiel einen Erzeugungsprozeß
(4.5.2)
wobei wir statt der Teilchen deren Viererimpulse angeschrieben haben. Die Über -
gangswahrscheinlichkeit für (4.5.2) muß aus nachstehenden allgemeinen Überlegun-
78 4. Relativistische Mechanik
w oc J 4
cflPl cflP2 cflP3 8 (Pl + P2 + P3 - ql - q2) 8(p~ - mi) 8(p~ - m~).
(4.5.3)
·8(p~ - mD h2(Pl , P2, P3, ql, q2)
sein: Die erste 8-Funktion sichert die Energie-Impuls-Erhaltung bei (4.5.2), die weite-
ren 8-Funktionen sorgen dafür, daß alle Viererimpulse auf ihren Massenschalen liegen
(es ist nur über zukunftsgerichtete Vektoren zu integrieren) . Der Faktor h2 schließ-
lich entspricht I HAB 12 in (4.5.1) und ist eine invariante Funktion der Viererimpulse
der beteiligten Teilchen, die aus der speziellen Form der Wechselwirkung nach den
Regeln der Quantenfeldtheorie zu entnehmen ist. (Die fehlenden Details, um (4.5.3)
als lorentzinvariant zu erweisen, finden sich im Anhang zu diesem Abschnitt.)
Manchmal ist über h2 wenig bekannt, wie z.B, bei den starken Wechselwirkungen .
Dann kann man als ersten Ansatz h2 = const . versuchen. Die Verteilung der Teilchen
im Endzustand ist in dieser Näherung durch den Phasenraumfaktor (q:= ql + q2)
bestimmt, eine invariante Funktion des Gesamt- Viererimpulses q. Dieser Ansatz ist
analog zu den Grundannahmen der statistischen Mechanik, und die darauf aufge-
baute Theorie wird auch statistische Theorie genannt. Sie wurde 1950 von Fermi
zur Erklärung von Beobachtungen bei hohen Energien (kosmische Strahlung) aufge-
stellt, da die großen Teilchenzahlen, die dabei auftreten, statistische Überlegungen
gerechtfertigt erscheinen lassen. Aber auch bei wenigen Teilchen im Endzustand sind
Phasenraumüberlegungen ein wichtiges Hilfsmittel, da man aus Abweichungen (bzw.
Zutreffen) vom statistischen Verhalten oft wichtige Schlüsse ziehen kann, wie hier an
einem Beispiel gezeigt werden soll.
Die relativistische Invarianz von R 3 (q) - und analoger R..(q) für n Teilchen im
Endzustand - folgt aus der Invarianz von d4 q und 84 (q) bei Lorentztransformationen,
wobei q ein beliebiger Vierervektor ist (siehe Anhang) .
Als ersten Schritt zur Berechnung von R3 (q) werten wir die 8-Funktionen
8(p2 - m 2) durch Integration über pO aus. Es ist
1
8(p2 - m 2) = 8(p~ - E 2(p)) = 2E(p) (8(po - E(p)) + 8(Po + E(p))]
(4.5.5)
E(p) := Vp2 + m 2•
Wegen pO > 0 ist das Argument der zweiten 8-Funktion in (4.5.5) stets positiv, so
daß diese nichts zum Integral beiträgt. Damit wird
(4.5.6)
für beliebige Funktionen f . Diese Relation gibt den Übergang vom manifest kovarian-
ten vierdimensionalen Impulsraum zum dreidimensionalen Integral über die Impulse
4.5 Der relativistische Phasenraum 79
an, wie es aus der nichtrelativistischen Theorie bekannt ist. Der Faktor 1/2E(p) un-
terscheidet das "kovariante" vom "nichtkovarianten" Impulsraumelement Jd!tJ (siehe
dazu auch den Anhang zu diesem Kapitel).
Werten wir die Integration über die Null-Komponenten der Impulse in (4.5.4) mit
(4.5.6) aus so folgt
(4.5.7)
(4.5.8)
1 A.R. Erwin, R. March, W.D . Walker, E. West, Phys. Rev. Lett . 6,628 (1961).
80 4. Relativistische Mechanik
Es entsteht bei der Streuung zunächst ein p-Meson, das anschließend in 71"+ und 71"-
zerfällt und zu kurzlebig ist - seine Lebensdauer wird auf rund 10- 23 sec geschätzt -,
um direkt - etwa durch eine Spur in einer Blasenkammer - beobachtet zu werden.
Wenn die Hypothese der Existenz des p-Mesons zutrifft, so müssen die Viererim-
pulse PI und P2 der Pionen, die aus dem Zerfall stammen, die Relation
(4.5.10)
erfüllen, wobei M die Masse des p-Mesons bedeutet. Diese Masse wird allerdings nur
mit einer Unschärfe jj.M definiert sein, die nach der Unschärferelation jj.M = jj.E ~
~ n/jj.t mit der Lebensdauer T = jj.t des p-Mesons zusammenhängt.
Um die Hypothese der Existenz des p-Mesons zu testen, müssen wir feststellen,
ob mehr Pionpaare die Bedingung (4.5.10) (innerhalb der Massenunschärfe jj.M)
erfüllen, als dies statistisch zu erwarten wäre. Dazu benützen wir zunächst die Rela-
J
tion
2
dM c5((PI + P2)2 - M 2) = 1 (4.5.11)
(4.5.13)
um w( M2, q) umzuformen:
2,
w(M q) = J~: J~;: J~: J~k c5
4(PI
+ P2 - 2 2
k) S(k - M ) o(k + P3 - q)
(4.5.14)
(wegen des Faktors S4(PI +P2 - k) konnten wir S(P - M2) schreiben). Vertauschung
der Integrationsreihenfolge ergibt
(4.5.15)
wobei
(4.5.16)
4.5 Der relativistische Phasenraum 81
gerade der invariante Phasenraumfaktor für 2 Teilchen (11"+ , 11"-) ist . Da wir das
Resultat sofort brauchen werden, werten wir (4.5.16) für 2 Teilchen verschiedener
Masse mt, m2 aus. R 2(k) ist ein nur von k abhängiger Skalar, also eine Funktion von
P . Ferner verschwindet R2(k) , wenn k nicht ebenso wie PI, P2 im vorderen Lichtkegel
liegt, und kann daher einfach durch Übergang ins Ruhsystem von k berechnet werden,
wo ki = (Jk2, 0) ist:
(4.5.19)
Das verbleibende Integral ist wieder von der Form (4.5.16), und wir erhalten mit
(4.5.18) und m3 = P (Masse des Neutrons)
11"2 k
-JI-4m 2f M 2 - für 2m< M < R-p
2 R (4.5.20)
o sonst ,
(4.5.21)
zu entnehmen ist . Dabei ist q = qI + q2 die Summe der Viererimpulse qI des Pro-
tons und des daran gestreuten Pions. Im Laborsystem ruht das Proton, so daß (bei
Vernachlässigung des Proton-Neutron-Massenunterschiedes) qi = (p,O) ist. Für q2
folgt
(4.5.22)
82 4. Relativistische Mechanik
wobei E die Energie des einfallenden Pions bedeutet. Damit sind alle Größen in
(4.5.20) bekannt und w(M 2,q) kann berechnet werden.
In Abb. 4.9 wird W(M) (durch W(M) dM = W(M2,q) dM 2 mit unserem Resultat
verknüpft) mit dem Ergebnis des Experimentes von Erwin et al. verglichen. Es zeigt
sich deutlich, daß die Verteilung der Impulse der 7l'-Mesonen nicht statistisch ist ,
sondern der Existenz eines p-Mesons mit einer Masse von 765 MeV entspricht. Aus
der Abbildung kann man auch I:lM ablesen und daraus die Lebensdauer des p-Mesons
berechnen (Aufgabe!).
Anzahl
(willkürliche
Einheiten)
L...&J.J,---lUUll......-=-_-+-_ _ ~.L..- M
2m 765 MeV yq'i- IJ
Abb. 4.9. W(M) - Vergleich von statistischer Theorie und Experiment
definiert , also unabhängig vom Bezugssystem. Wegen (4.5.24) kann sie durch Koordinaten in der
Form
4.5 Der relativistische Phasenraum 83
(4.5.26)
ausgedrückt werden.
Größen d3x , d3 p sind wegen der Lorentzkontraktion nicht invariant. Da d4x = d3x dxo gilt, ist
d3;,; vielmehr als Nullkomponente eines kovarianten Vektors, d3;,; = duo, aufzufassen (siehe auch
Abschnitt 5.6).
Aufgaben
1. Man berechne die Winkelverteilung der ')'·Quanten für den Prozeß e+ +e- ~ 2')'
nach der statistischen Theorie und vergleiche sie mit dem Resultat der Aufgabe
1 von Abschnitt 4.3.
5.1 Dynamik
Im vorigen Kapitel haben wir die Gleichung J( = mb zur Grundlage der relativi-
stischen Dynamik gemacht. Um dieser Gleichung physikalischen Inhalt zu geben, ist
es notwendig, die darin auftretende Kraft J( zu spezialisieren. Was kann für den
Vierervektor der Kraft eingesetzt werden?
Auf dem phänomenologischen Niveau der Makrophysik kann J( beispielsweise
eine Druck- oder Reibungskraft bedeuten, wie in der relativistischen Hydrodyna-
mik (die wir in Kap. 10 kurz betrachten wollen; zur relativistischen Kontinuumsme-
chanik siehe z.B. Schwartz (1968)). Die Anwendungsmöglichkeiten einer derartigen
Theorie sind jedoch gering (außer in der Astrophysik bzw. Kosmologie, wo jedoch
allgemein-relativistische Theorien benötigt werden), da Flüssigkeitsströmungen und
andere makroskopische Vorgänge kaum relativistische Geschwindigkeiten erreichen.
Wenn wir uns der Mikrophysik zuwenden, so finden wir dort 4 Wechselwirkungen
vor:
kommen. Bei derart kleinen Distanzen wird aber der klassische Bahnbegriff sinnlos,
so daß auch die Beschleunigung b des Teilchens nicht definierbar ist.
Bei den in Abb. 4.6 illustrierten Prozessen ist es folglich nicht möglich, mit klassi-
schen Begriffen wie Kraft und Beschleunigung zu operieren, man kann nur Wirkungs-
querschnitte, also Wahrscheinlichkeiten für Streuungen und Teilchenumwandlungen
messen und berechnen.
Von den beiden klassisch beschreibbaren Kräften muß aber auch die Gravitation
gesondert behandelt werden, da Gravitationsfelder die Raum-Zeit-Struktur beein-
flussen, was Gegenstand der allgemeinen Relativitätstheorie ist 1 . Somit bleiben die
elektromagnetischen Kräfte die einzigen, die sinnvoll in K = mb eingesetzt werden
können.
Bei der obigen Aufzählung der möglichen Ansätze für K haben wir eine scheinbar offensichtliche
Möglichkeit ausgelassen: Relativistische Fernwirkungstheorien, bei denen die Kraft zwischen zwei
Teilchen beispielsweise proportional zu 1/r2 ist, wobei allerdings für r ein retardierter Abstand zu
rechnen ist, um die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wechselwirkung zu berücksichtigen.
Man erwartet ein Bild, wie etwa das in Abb. 5.1 skizzierte, in dem die strichlierten Linien die
Kraftübertragung zwischen den Teilchen A und Bandeuten (wegen mehr Details siehe z.B. Anderson
(1967».
wirklich in jedem System die gleiche Form annehmen, da sie nur dann die korrekten
Grundgleichungen des Elektromagnetismus sein können. Dabei werden wir uns auf
Ladungen und Felder im Vakuum beschränken, da ein Dielektrikum (e, J1, =I 0) ein
Ruhsystem auszeichnet und damit die Gleichberechtigung der Inertialsysteme aufhebt
(siehe dazu z.B. Schwartz (1968)) .
Die zu untersuchenden Gleichungen lauten!
öB
divB = 0, rotE = -7ft, (5.2.1a, b)
öA
E= -gradV-- B = rotA (5.2.4a, b)
öt '
identisch erfüllt. Dabei sind die Potentiale V, A durch (5.2.4) nur bis auf Eichtrans-
formationen
V-tV--
öA
A -t A + grad A (5.2.5)
öt'
bestimmt, und A kann z.B. so gewählt werden, daß die Lorenzbedingunl (-eichung)
divA+ ~~ = 0, (5.2.6)
erfüllt ist. (Selbst dann ist A nur bis auf Addition von Lösungen der Gleichung
;t22
A - 6.A = 0 bestimmt.) Nehmen wir (5.2.6) an, ergibt Einsetzen von (5.2.4) in
(5.2.2) die einfache Gestalt der inhomogenen Gleichungen
82
D .-
.- 8t 2 - 1\
L.:>. = TJ ik 8i 8k
-
» (5.2.8)
Hier haben wir bereits angedeutet, daß D als Viererquadrat des Vierergradienten-
operators ein invarianter Operator ist, d.h., in jedem Inertialsystem die gleiche Form
hat.
Wenn wir ein Viererpotential A durch
(5.2.9)
(5.2.10)
eine kovariante Gleichung , falls die Ai(x) wie die Komponenten eines Vierervektorfel-
des mit den analogen Größen in I zusammenhängen. Ebenso fassen wir Ladungsdichte
und Strom zum Viererstrom j mit den Komponenten
(5.2.11)
8i / =0. (5.2.12)
(5.2.15)
(5.2.17)
(5.2.18)
(5.2.19)
1 Der Begriff "Tensor" wird in Abschnitt 5.4 erläutert.
5.3 Die Lorentzkraft 89
(F ik ) = (~1E -~1
B
2
=~:0
3
-t
-BI
3
) .
(5.2.20)
E3 -B2 BI 0
(5.2.22)
8i 8k F ik = -411"8i / = 0,
wie als Übungsbeispiel verifiziert werden möge. Eine elegante Form werden wir in
Abschnitt 5.7 kennenlernen.
Aufgaben
zu finden. Da die rechte Seite von (5.3.1) linear in den Feldstärken ist und - zumindest
der zweite Term - auch die Geschwindigkeit linear enthält, liegt der Ansatz
(5.3.2)
90 5. Relativistische Elektrodynamik
nahe. Mit (5.2.20) und Uk = 'Y (1, -v) erhalten wir tatsächlich
(5.3.4)
daß /{i die Komponenten eines Vierervektors K sind, da Akuk' uk8k Viererskalarpro-
dukte, A i und 8 i Vierervektorkomponenten sind.
Die Bewegungsgleichung K = mb = dp/ds = 'Y dp/dt ergibt mit (5.3.3)
dpO dp
dt = eEv, Jj=e(E+v xB). (5.3.5)
Die pro Zeiteinheit (nicht pro Eigenzeiteinheit!) am Teilchen geleistete Arbeit ist
e E v , die Impulsänderung ist genau durch die Lorentzkraft (5.3.1) gegeben.
(5.3.2) gibt die Kraft auf ein Punktteilchen an. Im Falle einer kontinuierlich en
Stromverteilung j(x) ist e Uk durch die Viererstromdichte jk( X) zu ersetzen , und wir
erhalten die Kraftdichte (Kraft pro Volumseinheit)
(5.3.6)
(5.3.7a)
Dies unterscheidet sich um den Faktor 'Y von (5.3.3). Tatsächlich bildet j(i = (j(o, K)
keinen Vierervektor , da das Volumen J3x (wegen der Lorentzkontraktion) keine Inva-
riante ist.
j(i hat aber doch physikalische Bedeutung, da diese Größen die Änderung der
Energie bzw. des Impulses der in einem Volumen enthaltenen Stromverteilung pro
Zeiteinheit angeben (dabei bezieht sich die Zeiteinheit auf das bei der Integration
(5.3.7) zugrundegelegte Inertialsystem). Für mehrere Punktteilchen ist
wobei die Summe über die im Volumen enthaltenen Teilchen zu erstrecken ist.
5.4 Tensoralgebra 91
5.4 Tensoralgebra
Bei der Formulierung der Maxwell-Gleichungen ist der Feldstärkentensor als erstes
Beispiel einer Größenart aufgetreten, die zusätzlich zu Vierervektoren zur Formulie-
rung lorentzkovarianter Gesetze herangezogen werden kann. Wir werden hier zunächst
das Transformationsverhalten von Fi/. untersuchen, um diejenigen Eigenschaften
daraus zu abstrahieren, die zur allgemeinen Einführung des Tensorbegriffes notwendig
sind .
Aus (5.2.19) folgt _mit Hilfe von (3.3.9) und (3.4.5) für die Komponenten P',r. in
einem Inertialsystem I
(5.4.1)
Die Fik transformieren wie die Produkte bi Ck der kovarianten Komponenten zweier
beliebiger Vierervektoren b, c:
(5.4.2)
Ein Objekt F, dessen Komponenten Fik sich wie die Produkte derkovarianten Kom-
ponenten zweier Vektoren verhalten, heißt Tensor! zweiter Stufe , Fik seine kovarianten
Komponenten.
Aus (5.4.1) und (5.2.19) folgt das Transformationsverhalten der Komponenten
F ik :
(5.4.3)
F ik heißen die kontravarianten Komponenten des Tensors F, sie verhalten sich wie
Produkte kontravarianter Vektorkomponenten.
Der Feldtensor ist nur ein Spezialfall des allgemeinen Tensorbegriffes, den wir im
folgenden formulieren wollen. Wir führen Tensoren hier nicht abstrakt algebraisch ein,
sondern? als Objekte, die in jedem Bezugssystem durch eine Anzahl von Komponen-
ten festgelegt werden, wobei zwischen den Komponenten bezüglich zweier Systeme I
und I, die durch
X' = Lik X k
(5.4.4)
x k = L/x'
verknüpft sind, ganz bestimmte Relationen bestehen sollen. Von den Matrizen (Li k)
und (L/) setzen wir zunächst nur voraus, daß sie zueinander kontragredient sind
(d.h., eine ist die Transponierte der Inversen der anderen, (5.4.4)) - es braucht sich
also nur um nichtsinguläre lineare Transformationen handeln, nicht um Lorentztrans-
formationen; auch die Dimensionszahl muß nicht 4 sein. Später kehren wir zu unserem
Spezialfall zurück. In (5.4.4) verstehen wir daher vorläufig x i als Komponenten ei-
nes Vektors x aus einem n-dimensionalen Vektorraum V" in bezug auf eine Basis
("System I"), x' als Komponenten von x bezüglich einer anderen Basis ("System I").
1 Die Bezeichnung stammt aus der Elastizitätstheorie (Spannungstensor; "tensio" = Spannung) .
2Siehe Anhang B wegen der abstrakten Einführung von Tensoren.
92 5. Relativistische Elektrodynamik
Ein Objekt T, das in jedem System I durch ein System von Komponenten
(5.4.5)
besteht, heißt ein Tensor vom Typ (a, b); Tensoren vom Typ (a,O) heißen kontrava-
riante, vom Typ (0, b) kovariante, die anderen gemischte Tensoren. Skalare seien als
Tensoren vom Typ (0,0) bezeichnet. Da (5.4.5) linear-homogen ist, folgt aus dem Ver-
schwinden der Komponenten in einem System das Verschwinden in allen Systemen -
man sagt, der Tensor T verschwindet in diesem Fall.
Wir kommen nun zu den algebraischen Manipulationen mit Tensoren. Bilden wir
zu zwei Tensoren A, B gleichen Typs in jedem System I mit beliebigen (reellen oder
komplexen) Zahlen o, ß die Größen
c-; .- kJ ... •-
a Ai ...kJ.... + ß Bi...kJ.... , (5.4.6)
so definieren die Ci···k j ... wegen der Linearität von (5.4.5) wieder einen Tensor C
des gleichen Typs, C = aA + ßB. Tensoren eines festen Typs bilden also einen
Vektorraum. Symmetrie bzw. Antisymmetrie
Ai...k ... J.... -- Ai ...J.... k ... bzw • Bi...k ... J... . -- -
B i....J ... k ... (5.4.7)
in irgendeinem Paar gleichartiger Indizes ist - wie mittels (5.4.5) leicht zu bestätigen
- eine Tensoreigenschaft (d.h., nicht nur eine Eigenschft der Komponenten in einem
speziellen System). Die in einem festen Indexpaar symmetrischen bzw. antisymme-
trischen Tensoren bilden Teilräume des obigen Vektorraumesl.
Neben der Addition von Tensoren gleichen Typs läßt sich eine Multiplikation be-
liebiger Tensoren A, B vom Typ (a, a') bzw. (b, b') definieren : wir bilden
D imn...kJI. ... '•-- A i...kJ.... B mn...I... (5.4.8)
vom Typ (a-1, b-l), wie mittels der Relationen in (5.4.4) leicht zu sehen ist. Wichtig
ist dabei, daß stets ein oberer und ein unterer Index gleichgesetzt werden, wonach
Summation erfolgt . Ein Spezialfall ist die Spur t- , eines Tensors t-, vom Typ (1,1),
eine skalare Größe.
1 Eine systematische Betrachtung komplizierter Symmetrietypen erfordert kombinatorische Hilfs-
mittel. Wegen des Zusammenhanges mit der Darstellungstheorie der linearen Gruppen siehe z.B.
Boerner (1955).
5.5 Invariante Tensoren, metrischer Tensor 93
(5.4.10)
als Komponenten eines Tensors B vom Typ (b, b'), so ist das Objekt D ein Tensor
vom Typ (b + a', b' + a). (Der Beweis sei als Übungsaufgabe gestellt.)
Das Quotiententheorem wird häufig herangezogen, um die Tensornatur eines Ob-
jektes zu beweisen . Es gestattet auch, Tensoren als lineare Abbildungen zwischen
Tensorräumen zu interpretieren (D bildet die Tensoren vom Typ (a, a') auf Tenso-
ren vom Typ (b, b') ab) und umgekehrt. (5.4.10) kann z.B. so gelesen werden, daß
der kovariante Vektor a den Raum der kontravarianten Vektoren in den Raum der
Skalare linear abbildet. (In dieser Weise wird übrigens in der abstrakten linear en
Algebra der Dualraum' Vn (Raum der kovarianten Vektoren oder Kovektoren) zu
einem gegebenen Vektorraum V" (Raum der kontravarianten Vektoren) eingeführt.)
Ein anderes Beispiel findet sich in der Elastizitätstheorie, wo der Spannungstensor
PIJ.V dem Oberflächenelement dO die auf es wirkende Kraft K gemäß f{IJ. = PIJ.V dOv
zuordnet (daher der Name Tensor!).
Aufgaben
1. Welche Dimension hat der Raum der Tensoren vom Typ (a, b)?
schreiben. Die Sik bilden daher die Komponenten eines Tensors vom Typ (1,1), des
Einheitstensors; seine Komponenten haben in allen Bezugssystemen die gleichen,
durch das Kroneckersymbol gegebenen Werte. Er ist ein Beispiel für numerisch inva-
riante Tensoren, deren Komponenten sich wie Skalare verhalten. Es erhebt sich die
Frage, ob es weitere derartige Tensoren gibt.
Trivialerweise liefern die Linearkombinationen von Produkten
(5.5.2)
weitere numerisch invariante Tensoren aller Typen (p,p). Man kann zeigen, daß da-
mit die invarianten Tensoren erschöpft sind, wenn - wie bisher stets angenommen
- die Transformationen (5.4.4) völlig allgemeine, umkehrbare lineare Transformatio-
nen sind . Wenn wir die linearen Transformationen (5.4.4) und die entsprechenden
Transformationsgesetze (5.4.5) wie in Abschnitt 3.3 aktiv auffassen, bedeutet die nu-
merische Invarianz eines Tensors, daß die durch ihn vermittelte lineare Abbildung
mit den durch (5.4.4,5) vermittelten Abbildungen vertauschbar ist.
Unter den Tensoren (5.5.2) sind jene besonders wichtig, welche eine Projektion
des Raumes der (0, p)- oder (p, 0)-Tensoren auf Teilräume eines bestimmten Symme-
trietyps vermitteln. Wir betrachten hier speziell den Teilraum der total (d.h. in jedem
Indexpaar) antisymmetrischen Tensoren. Die Projektion auf ihn ist durch
fTI
.L ijk ...
_>
~
11[I)k...
.. ] ·.-- .!..,u,)k...
_!mn... T.
Imn ... (5.5.3)
p.
gegeben, wo
S! S; Sk
film n ... •_ Si fij sr (5.5.4)
ijk ...
Si sr; Si:
das verallgemeinerte I<roneckersymbol ist. Der Faktor l/p! in (5.5.3) wurde ange-
bracht, um zu erreichen, daß die Zuordnung wirklich eine Projektion ist, d.h., im
Unterraum der bereits total antisymmetrischen Tensoren wie die Identität wirkt .
Analog zu (5.5.3) kann die totale Symmetrisierung
definiert werden, wobei statt S::: ein Tensor einzusetzen ist, der aus der in (5.5.4)
rechts stehenden Entwicklung der Determinante entsteht, indem man alle Minuszei-
chen durch Pluszeichen ersetzt. (Die hier für (0, p)- Tensoren angestellten Betrachtun-
gen sind analog für (p, 0)-Tensoren durchzuführen.)
Weitere invariante Tensoren ergeben sich, wenn wir die Gruppe der Transforma-
tionen L in (5.4.4) einschränken - wir wollen ja schließlich wieder zur Lorentzgruppe
zurückkehren. Der einfacheren Schreibweise wegen sei die Dimension n = 4 gewählt -
die meisten Verallgemeinerungen auf beliebige Dimension sind unmittelbar evident.
Der Raum der total antisymmetrischen Tensoren vom Typ (4,0) bzw. (0,4) ist ein-
dimensional , solche Tensoren haben ja in einer gegebenen Basis nur eine wesentliche
5.5 Invariante Tensoren, metrischer Tensor 95
bei Übergang zu einer anderen Basis gemäß (5.4.5) also nur um den Faktor det L
t
bzw. (det L 1 • Das zeigt, daß solche Tensoren unter der Gruppe der unimodularen
Transformationen L (d.h. det L = 1) numerisch invariant sind . Sind sie # 0, heißen
sie auch Determinantentensoren. Zeichnen wir einen von ihnen, tabcd # 0, aus , so
können wir eine Klasse von bezüglich t unimodularen Basen (untereinander durch
unimodulare Transformationen verbunden) wählen, in der fabcd = t(abcd) gilt; wir
wählen nun auch einen (4,0)-Determinantentensor t abcd dadurch, daß
t abcd = -tabcd = -f(abcd) in unimodularen Basen. (5.5.8)
(Das Minuszeichen ist vorläufig nur eine Konvention.)
Kontraktion von 4 kontravarianten Vektoren mit e. . . . gibt das orientierte Volumen des von
ihnen aufgespannten Parallelepipeds relativ zu einem Einheitsparallelepiped (definiert durch eine
der unimodularen Basen). (.... und die Klasse unimodularer Basen bedingen einander gegenseitig
gemäß (5.5.8); auf die für die Physik relevante Wahl kommen wie weiter unt en zurück.
Das Tensorprodukt fabcdtijkm und seine Kontraktionen sind wegen det L ·det L -1 =
= 1 sogar invariante Tensoren der vollen linearen Gruppe, die dah er aus den Produk-
ten Oai Ob k • • • zusammensetzbar sein müssen. Nützlich sind die folgenden expliziten
Formeln, die durch die Antisymmetrie der e ... verständlich sind:
- -4'.
. ",ikjm -
,-.kJm'-
a , (5.5.9a)
,-.kJm'-",ikjn -- -3'. s:m
c .. (5.5.9b)
,-.kJm'-c ikrn -- -2'. o~n
a , .
Jm (5.5.9c)
(5.5.9d)
(s.s.se)
Mit Hilfe der t- Tensoren kann man zu gegebenen total antisymmetrischen Tensoren
vom Typ (p,O) die sogenannten dualen Tensoren' vom Typ (0, n - p) konstruieren.
1 Die Bezeichnung stammt wieder aus der projektiven Geometrie; insbesondere sind dort x[iyk)
bzw. a[ibk) die Plücker-Grassmannschen Linienkoordinaten für Gerade, die als Verbindung zweier
Punkte x , y bzw. Schnitt zweier Ebenen a, b gegeben sind, und . , • führen die eine Darstellung einer
Geraden in die andere über.
96 5. Relativistische Elektrodynamik
Seien T ikjm, Tik j, T ik total antisymmetrische Tensoren, Ti ein Vektor, T ein Skalar ;
dann bilden wir (.- Operation)
I 'k ' m
.T = - m T' 3 (5.5.10a)
4! f'k'
'3
I 'k '
.Tm = 3! f ik jm T' 3 (5.5.lOb)
1 ik
.Tj m = 2! fikjm T (5.5.IOc)
1 .
.Tkjm = I! f ik jm T' (5.5.10d)
(5.5.10e)
Analog wird mit f abcd eine·- Operation definiert, die (0, p)- Tensoren in (n - p ,O)-
Tensoren linear abbildet. Aus (5.5.9) geht hervor, daß die beiden Operationen im
wesentlichen zueinander invers sind, etwa gilt
• T ab _
• -
~I"€jmab T .
• 3m
= _Tab. (5.5.11)
2.
Es sei darauf hingewiesen , daß in den Definition en (5.5.8) und (5.5.10) Konv ent ionen ent ha lten
sind, die von Autor zu Autor variieren. Ebenso t ückisch ist der Umstand, daß bei Verwend ung von
x 4 statt xO die natürliche Ind exanordnung, für die das Permu tationssymbol den Wert +1 hat , 1234
= =
ist , so daß !( 4123) -I , während hier !( 0123) +1 gewählt wurde .
Wir gehen jetzt von der Gruppe der unimodularen Transformationen zur Loreni z-
gruppe zurück. In diesem Fall sind die Matriz en ( L i k ) und (L/ ) nicht nur kontragre-
dient zueinander, sondern es gilt (3.1.8) . Durch Multiplikation von (3.1.8) mit Lai Lbk
ent steht
(5.5.12)
Das bedeutet, daß bei Einschränkung auf Loreritztransformationen die 'TJik Kompo-
nenten eines numerisch invarianten Tensors vom Typ (0,2) bilden - des m etris chen
Tensors. Genauer: wird eine Basis für orthonormal erklärt und ein metrischer Tensor
'TJ vom Typ (0,2) durch Komponenten 'TJik = diag(I,-I,-I ,-I) bezüglich dieser Ba-
sis definiert, so hat 'TJ in allen lorentztransformierten Basen dieselben Komponent en
(Klasse der Orthonormalbasen; vgl. Anhang B.14). Wenn er als Abbildung int erp re-
tier t wird , bildet er den Raum der kontravarianten auf den Raum der kovarianten Vek-
toren gemäß x i ---+ a i = 'TJi k x k ab , und zwar umkehrbar eindeut ig, da det 'TJi k = - 1 =I- 0.
Die in 3.4 eingeführte inverse Matrix 'TJ ik liefert die Umkehr abbildung und bildet nach
dem Quotiententheorem die Komponent en eines num erisch invari anten (2,0)-Tensors.
Da nach der Relativitätstheorie der metri sche Tensor 'TJ und damit die durch ihn
vermit telte Abbildung eine fundamentale Rolle spielen , identifiziert man die auf diese
Weise einander zugeordnet en ko- und kontravarianten Vektoren, spricht von Vierer-
vekt oren schlechthin und unt erscheidet nur zwischen ihren ko- und kontravarianten
Komponent en , die nach (3.4.1,5) ineinander umgewand elt werden. Diese Abbildung
5.5 Invariante Tensoren, metrischer Tensor 97
und Identifizierung bzw. der sich ergebende Indextransport werden auch auf Tensoren
ausgedehnt. So sind etwa
F ik _ 'Y)im 'Y)kn F, i
F j = 'TJ im F,mh
- '/ ., mn, F ik = 'TJim n»« F?"
kontravariante, gemischte und kovariante Komponenten desselben Vierertensors F,
bei dem es dann nicht mehr auf seinen Typ (a, b), sondern nur mehr auf seine Stufe
p = a + b (hier 2) ankommt.
Die Schreibweise 'TJ ik, 'TJik deutet an, daß es sich im eben beschriebenen Sinn um
kontra- und kovariante Komponenten desselben Tensors 'TJ handelt, wie explizit nach-
geprüft werden kann (Aufgabe).
Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß aus (3.1.8,8') durch Determinantenbil-
dung folgt
(5.5.13)
Die Lorentztransformationen L mit detL = +1 bilden eine Untergruppe der Lo-
rentzgruppe, man nennt sie eigentliche Lorentztransformationen (vgl. Kap. 6). Für
sie stehen außer 'TJ noch die f- Tensoren (5.5.8) als invariante Tensoren zur Verfügung,
wobei die dort gewählte Konvention und Schreibweise bereits and euten, daß die bei-
den durch 'TJ identifiziert werden sollen.
Dazu erklären wir "per Dekret" eine Orthonormalbasis mit zukunftsgerichtetem
eO, bei der {e\ e2 , e3 } ein Rechtssystem bilden, für unimodular, so daß tatsächlich
nach der Regel des Indextransports
f ij km = 'TJ ia 'TJjb 'TJkc 'TJmd fabcd = f( ij km) det( 'TJpq) = -f( ij km) ,
was mit (5.5.8) übereinstimmt. Da wir nun nicht mehr zwischen f · · · · und f .... sowie ko-
und kontravariant unterscheiden, sprechen wir statt von ", * nur mehr von der durch
f vermittelten (Hodge-) - -Operation: sie bildet die total anti symmetrischen Tensoren
p-ter Stufe umkehrbar eindeutig auf jene (4 - p )-ter Stufe ab (die Dimension beider
Räume ist (;) = ( 4 ~ p )), wobei zweimalige Anwendung
gibt, wie mittels (5.5.9) gezeigt werden kann. Besonders wichtig ist der Fall p = 2
wegen der Anwendung auf das elektromagnetische Feld.
Bei den "uneigentlichen" Lorentztransformationen (det L =
-1) wechseln die Komponenten
von e nur das Vorzeichen, man nennt sie deshalb bezüglich der vollen Lorentzgruppe Pseudoskala re.
Analog kann man Pseudotensoren definieren, für die im Transformationsgesetz (5.4.5) rechts noch
ein zusätzlicher Faktor sign det L auftritt (siehe Abschnitt 8.5). Es sei erwähnt, daß es - vor allem
in der älteren physikalischen Literatur - vielfach üblich ist, t . .. . als Pseudotensor zu definieren,
der damit auch unter uneigentiichen Lorentztransformationen invariant ist ; wir wollen dies dann in
der Notation durch Verwendung des Symbols e.. .. ausdrücken . Die damit gebildeten Dualen *T von
Tensoren T sind dann Pseudotensoren ; sie können in Fällen, wo der Unterschied relevant ist, nicht zu
echten Tensoren addiert werden! Es bleibe dahingestellt, ob dieser Nachteil durch die Spiegelungsin-
varianz von e.... aufgewogen wird. In der mathematischen Literatur und modernen Physikbüchern
wird e bevorzugt, da * nicht aus dem Bereich der echten Tensoren herausführt und insbesondere
das äußerst wichtige Konzept der Selbstdualität (vgl. Abschnitt 6.6) ermögli cht , wenn es auch nicht
98 5. Relativistische Elektrodynamik
spiegelungeinvariant ist. Die Verwendung von e...., * ist wohl traditionell bedingt, im wesentlichen
deshalb, weil die analogen dreidimensionalen Objekte mit der Gepflogenheit zusammenhängen, auch
bei Spiegelungen die rechte-Hand-Regel beizubehalten.
Wir haben in diesem und dem vorangehenden Abschnitt die algebraischen Mani-
pulationen, die mit Vierertensoren möglich sind (Addition, Multiplikation mit Zah-
len, Tensorproduktbildung, Kontraktion, Multiplikation mit invarianten Tensoren),
schrittweise entwickelt. Aus einem gegebenen System von Tensoren (Ai, B jk, . .. )
können damit unendlich viele weitere Tensoren verschiedenster Stufe gebildet wer-
den, wie
(5.5.15)
Aufgaben
1. Man zeige, daß (5.5.3) tatsächlich eine Projektion ist, d.h ., daß
_1{j'!bc... 1 =_
1 {j!'!'n ...
_ {jlmn ...
(5.5.17)
p! 'Jk... p! abc... p! 'Jk... .
3. Man zeige die Verträglichkeit der Schreibweise 71 ik, 71ik mit den Indextransport-
regeln.
4. Sei Fik ein antisymmetrischer Tensor. Man zeige die Gleichwertigkeit der Glei-
chungen
V[j F.ik] =,
0 Vj F.ik + Vi t: kj + Vk r ji = 0,
D D Vk *Fik = o. (5.5.18)
(5.5.19)
6. Fik sei ein antisymmetrischer Tensor. Die Matrizen (F ik), (*Fi k) seien mit F,
*F bezeichnet.
F 2-(*F)2=2/1 E , F*F=/2 E ,
(5.5.20)
F 4 - 2/1 F 2 - li E = 0,
det F = 0, 12 = 0, det *F = O.
(c) Man zeige, daß für 12 = 0, F 1= 0 der Rang der Matrix 2 ist und es
in diesem Fall zwei linear unabhängige Vierervektoren p, q gibt, so daß
Fik = Pi qk - qi Pk. In diesem Fall ist 11 proportional zur Gramschen De-
terminante (pq)2 - p2 q2 von p, q, ihr Vorzeichen gibt daher an, wieviele
lichtartige Richtungen k = >.p + p,q (k 2 = 0) in der von p, q aufgespannten
zweidimensionalen Ebene liegen.
7. Aj (x) = Re{ aj exp( -ik1x l )} sei das Viererpotential einer ebenen elektroma-
gnetischen Welle im Vakuum mit der komplexen Amplitude a und dem Wellen-
zahlvektor k.
100 5. Relativistische Elektrodynamik
(a) Welche Bedingungen ergeben sich für a, k aus Feldgleichungen und Lo-
renz bedingung?
(b) Der Felstärkentensor hat die Form Fmn = Re{fmn exp( -ikx)}. Man be-
rechne die komplexe Amplitude fmn und zeige
Es ist zu betonen, daß die links stehenden Komponentenfunktionen ein anderes Ar-
gument haben als die rechts stehenden. Am Beispiel des Feldstärkentensors werden
wir die Konsequenzen von (5.6.1,2) ausführlicher diskutieren.
Die Differentiation von Tensorfeldern ist einfach : da sich nach 3.4 die Differential-
operatoren 8i = 8/ 8x i wie Komponenten eines Vierervektors verhalten, führt ihre
Anwendung auf Komponenten eines Tensorfeldes T wieder zu Komponenten eines
(um eine Stufe erhöhten) Tensorfeldes D:
Damit ist zur Differentiation von Tensoren das Wesentlichste gesagt. Zu bemerken
ist nur noch, daß bei willkürlich aufgestellten Feldgleichungen auf ihre Konsistenz zu
achten ist . Tensorielle Feldgleichungen sind Systeme partieller Differentialgleichungen,
zwischen denen im allgemeinen Integrabilitätsbedingungen bestehen. Man erhält sie
durch Anwenden von Oi unter Berücksichtigung der Vertauschbarkeit Oi 0i = 0i Oi .
Als einfachstes Beispiel dafür mag die Herleitung der Stromerhaltung aus (5.2.22)
dienen .
Wir kommen nun zur Integration von Tensorfeldern über Gebiete des Minkowski-
raumes oder Teilmannigfaltigkeiten (z.B. Hyperebenen wie t = const., Lichtkegel
(x - XO)2 = 0, .. . ). Dazu brauchen wir zunächst die geeigneten Volumselemente.
Ausgangspunkt zu ihrer Herleitung ist die Formel für das Volumen eines Parallelepi-
peds , das von 4 Vierervektoren A, B, C, D gebildet wird ,
V (A, B, C, D) = Eiikm Ai Bi c' t r . (5.6.4)
Dieser (Pseudo) skalar hat alle Eigenschaften, die man von einem Volumen im Sinn
der Minkowski-Geometrie erwartet: ersetzt man eine Kante, etwa A, durch AA, so geht
V in AV über; V verschwindet, wenn zwei der Vektoren A, B, C, D parallel sind; V
ändert sich nicht, wenn A, B, C , D einer aktiven (eigentlichen) Lorentztransformation
unterworfen werden ; und schließlich ist für jede orthonormale Basis V( eo, el, e2,e3) =
±1. (Gilt hier das Pluszeichen, heißt die Basis positiv orientiert.)
Für das von den infinitesimalen Vektoren eodxo, e1dxt, e2dx2, e3dx3 aufgespannte
Volumselement ist daher
(5.6.5)
Damit können wir beliebige Tensorfelder T(x) über vierdimensionale Gebiete r des
Minkowskiraumes integrieren, wobei das Ergebnis ein Tensor t ist , der durch
(5.6.6)
gegeben ist (G, (j sind die zu I' gehörenden Koordinatenbereiche) . Wir müssen aber
betonen, daß t von r abhängt; würde man im zweiten Integral in (5.6.6) über einen
Bereich integrieren, der numerisch in gleicher Weise durch die x·
beschrieben wird
wie G durch die xi, so erhielte man die Komponenten eines anderen Tensors. Dieser
entspricht dem Integral von T( x) über ein Gebiet, das aus r durch aktive Poin-
caretransforrnation hervorgeht. Eine Ausnahme stellt der Fall dar, wo I' mit dem
ganzen Minkowskiraum X 4 übereinstimmt und sich bei aktiver Transformation nicht
ändert.
An Integralen über dreidimensionale Teilmannigfaltigkeiten brauchen wir vor al-
lem die Verallgemeinerung der aus dem R 3 bekannten Flußintegrale J v dO. Die Be-
reiche, über die integriert wird, sind Hyperflächen a mit einer Parameterdarstellung
x = x( u, v, w). Das Analogon zur Durchflußmenge v dO ist für ein Vektorfeld A( x)
das Volumen des von A und den Tangentialvektoren B = (ox/ou)du, C = (ox/ov)dv ,
D = (ox / OW )dw aufgespannten Parallelepipeds
.ox i ox k ox m .
EiikmA'a; OV OW dudvdw = A'dai' (5.6.7)
102 5. Relativistische Elektrodynamik
8x j 8x k 8x m . k
da, := fijkm 8u 8v 8w du dv dw = f ijkm dx' dx dx" (5.6.8)
eingeführt haben (die zweite Schreibweise deutet die Unabhängigkeit von der spe-
ziellen Parameterdarstellung an). da, ist orthogonal zur Hyperfläche, denn für die
Tangentialvektoren B, C, D ist
(5.6.9)
bilden, wodurch wir aus Tensorfeldern wieder Tensoren erhalten, die jedoch im all-
gemeinen von a abhängen. Wird o in I durch xi = <pi(u,v,w) parametrisiert, so
hat die Parameterdarstellung von a in I andere Funktionen von u, v, w, währ end
x' = <pi( u, V, w) eine aktiv Poincare-transforrnierte Hyperfläche beschreibt. Auf einen
Ausnahmefall kommen wir unten zurück.
Man nennt Hyperflächen raumartig, zeitartig oder lichtartig, wenn ihre Normalen
und damit da, zeitartig, raumartig oder lichtartig sind :
Von großer Bedeutung ist der Gaußsehe Integralsatz, der es gestattet, Integrale
über geschlossene Hyperflächen in Integrale über das von der Hyperfläche begrenzte
vierdimensionale Gebiet umzuwandeln. Er lautet
(5.6.11)
so ist
1o
da, T ik... = 1da~
o'
T ik... (5.6.13)
für je zwei Hyperflächen a, a', die außerhalb von r zusammenfallen (Abb. 5.2), oder :
5.6 Tensorfelder und Tensoranalysis 103
(J' kann innerhalb von r beliebig deformiert werden, ohne daß der Integralwert sich
ändert.
Ändert man nämlich die Orientierung von (J', so ergeben rn (J' und rn (J" zusammen
eine geschlossene, einheitlich orientierte Hyperfläche. die ein Gebiet I" c r berandet.
Das über sie erstreckte Integral
läßt sich wegen (5.6.11) in ein Integral über I" umwandeln und verschwindet wegen
(5.6.12).
Wegen exakterer und ausführlicherer Darstellung der Integration in mehreren Di-
mensionen und der Integralsätze sei etwa auf Spivak (1965) und andere moderne
Lehrbücher der Differential- und Integralrechnung verwiesen.
Aufgaben
1. Aus dem vektoriellen Volumselement da, kann durch da := Id(J'i d(J'ip/2 ein ska-
lares Volumselement für Hyperflächen gebildet werden. Mittels (5.6.8), (5.5.9)
zeige man, daß da = ~ du dv dw, wo ~ die Gramsehe Determinante
x u2 XuX v XuX w
.-
ß'- XuX v x 2v XvX w (5.6.14)
XuX w XvX w x 2w
(5.7.1)
noch etwas anders schreiben. (*p ik) geht aus (Pik) durch Vertauschung von E und B
hervor, aus (Pik) durch E --. -B, B --. E. Daher können die homogenen Gleichungen
analog zu (5.2.22) als
Oi *p ik = 0 (5.7.2)
geschrieben werden (vgl. Aufgabe 5 von 5.5).
Der dual e Feldstärkentensor ist demnach quellfrei, wobei im Prinzip als Quelle ein magnetischer
Stromvektor infrage käm e, der die völlige Symmetrie zwischen Elektrizität und Magnetismus her-
stellen würde . Experimentelle Evidenz für magnetische Ladungen (Monopole) fehlt derzeit völlig,
Experimente zu ihrer Auffindung werden aber immer wieder unternommen. Der Hauptgrund dafür
dürfte wohl der Hinweis Diracs (Proc. Roy. Soc. A133 , 60 (1931» sein , daß ihre Existenz im Rahmen
der Quantentheorie automatisch zur Ladungsquantisierung führt . Siehe auch J. Schwinger, Science
165,757 (1969) ; P. Price et. al. , Phys. Rev. Lett . 35,487 (1975).
Pik = Oi Ak - Ok Ai (5.7.4)
die Gleichungen (5.7.2) identisch erfüllt:
*P ik = i t
mnik (Om An - On Am) = t mnik Om An
Ok *P ik = t mnik Ok Om An == 0
5.7 Vollständige Maxwellgleichungen . Ladungserhaltung 105
1
Invarianz der Gesamtladung
o. = da, /(x) (5.7.5)
einer endlichen oder ins räumliche Unendliche genügend schnell abfallenden Ladungs-
verteilung. Um einzusehen, daß Qq tatsächlich die von Beobachtern in einem Inerti-
alsystem I ermittelte Gesamtladung ist, wählen wir als Hyperfläche (1 die raumartige
Hyper ebene XO = t = const ., auf der wir gleich Xl, x\ x 3 als Parameter verwenden .
(5.6.8) ergibt dann sofort
(5.7.6)
(vgl. die Bemerkung über J3x im Anhang von 4.5!) und daher tatsächlich
(5.7.7)
Die von diesen Beobachtern zu einer anderen Zeit t' ermittelte oder von relativ zu
ihnen bewegten Beobachtern eines Systems I bestimmte Gesamtladung ist
also gleich Qq' bzw. Qu. Außerhalb der Weltröhre der Ladungsverteilung kann (1',
jj beliebig deformiert werden, ohne den Wert des Integrals zu ändern (Abb.5.3).
Auf diese Weise werden (1', jj effektiv zu Deformationen von (1, und es folgt
°
Qq = Qq' = Qu, da 8i j i = im ganzen Raum.
Damit ist die Invarianz der Gesamtladung unter aktiven Poincare- Transformationen
von (1, also ihre zeitliche Konstanz (Ladungserhaltung) und Beobachterunabhängig-
keit bewiesen.
106 5. Relativistische Elektrodynamik
Dies gilt allerdings nur für die Gesamtladung, die in Teilbereichen der Ladungsver-
teilung enthaltene Ladung wird weder zeitlich konstant noch beobachterunabhängig
sein. Die übliche lokale Form der Ladungserhaltung in Form einer Bilanzgleichung,
die sich aus der Kontinuitätsgleichung Gi j i = 0 durch Integration über ein räumliches
Volumen unter Verwendung des Gaußsehen Satzes ergibt,
(5.7.8)
wo die Mantelfläche aus den Feldlinienstücken von 8i gebildet wird, die vom Rand
von 0' ausgehen. Es ist dort ((5.6.8) mit dx m - t 15 m )
ueida, J
o
·i = id 8u
au J·i ucl . (5.7.10)
1
12 = '4*Fi kF' = -EB.
k'
(5.8.1b)
Es folgt z.B. daraus , daß die Charakterisierung ebener elektromagnetischer Wellen
durch lEI = IBI, E B = 0 lorentzinvariant ist, da sie in der Form 11 = 0, 12 = 0
geschrieben werden kann (vgl. Aufgabe 8 in 5.5). Auch die Bedingungen E2 ~ B 2
(11 ~ 0), cos(E, B) ~ 0 (12 ~ 0) sind lorentzinvariant, und ein rein elektrisches Feld
kann in einem anderen Inertialsystem nie zu einem rein magnetischen werden, ein
spitzer Winkel zwischen E, B nie zu einem stumpfen.
Soweit die allgemeinen Aussagen, die für beliebige Lorentztransformationen gel-
ten. Um das Verhalten der einzelnen Komponenten von Fi k bei Lorentztransforma-
tionen zu studieren, betrachten wir das Transformationsverhalten des Feldstärken-
Tensorfeldes
F'k(X) = ü; u, Fmn(x) (5.8.2)
und spezialisieren auf eine Geschwindigkeitstransformation in I-Richtung (bei rein
räumlichen Drehungen würden wir nur den 3-Vektorcharakter von E, B zurückerhal-
ten, der bereits aus der dreidimensionalen Form der Maxwell-Gleichungen folgt). Für
solche Transformationen hat die Matrix Li m (vgl. (2.1.1)) die Form
L=(L i ) =
I
-IV
- IV
I 0 0
00)
m 0 0 1 0 . (5.8.3)
(
o 0 0 1
EI = EI BI = BI
E2 = I (E2 - V B 3 ) B2 = / (B 2 + v E3 ) (5.8.4)
E3 = I (E 3 + V B 2 ) B3 = I (B 3 - V E 2 ) ,
bzw. in vektorieller Form
1-1
E=/E--2-(Ev)v+/v xB (5.8.5a)
v
- 1-1
B = IB - -2- (Bv)v -IV x E. (5.8 .5b)
v
Hier sind noch die Argumente hinzuzufügen , d.h ., E 1(x) , E2 (x) etc . und x = Lx zu
berücksichtigen.
Um diese formalen Überlegungen an einem konkreten Beispiel zu illustrieren, be-
trachten wir ein in einem Inertialsystem I ruhendes, geladenes Teilchen. Mißt ein
Beobachter in I das elektromagnetische Feld des Teilchens, so findet er das übliche
Coulombfeld
B = 0, E = e X3 ' (5.8.6)
r
108 5. Relativistische Elektrodynamik
wenn wir annehmen, daß das Teilchen kein magnetisches Moment hat. Im System
I ist die Situation anders. Eine Messung des Feldes desselben Teilchens in diesem
System ergibt nicht nur ein elektrisches, sondern auch ein Magnetfeld . Die klassische
Erklärung dafür ist , daß das nun bewegt erscheinende Teilchen einen Strom darstellt,
der ein Magnetfeld erzeugt. Hier haben wir diese Tatsache allein aus dem Transfor-
mationsverhalten des Feldstärkentensors hergeleitet.
Auch das elektrische Feld bleibt von der Transformation nicht unbeeinflußt. Un-
tersuchen wir zunächst die elektrische Feldkomponente in Bewegungsrichtung, so ist
(5.8.7)
Setzen wir b2 = y2 + Z2 = f/ + Z2, wobei b der Abstand des Aufpunktes von der
x-Achse ist, so wird
(5.8.8)
(5.8.9)
Bemerkenswert ist , daß sowohl in (5.8.8) als auch in (5.8.9) ein Faktor "y im: Zähler
auftritt, was nach (5.8.4) zunächst nicht zu vermuten gewesen wäre. Dies zeigt, daß
man bei Vektor- bzw. Tensor/eldern keine vorschnellen Schlüsse aus Formeln wie
(5.8.4) ziehen darf, da die x-Abhängigkeit dieser Größen für das Transformationsver-
halten wesentlich ist . Um eine anschauliche Vorstellung von der Feldstärkenverteilung
(5.8.8,9) zu gewinnen, betrachten wir die momentane Verteilung der Feldlinien zur
Zeit t = 0:
(5.8.10)
wobei f2 = x2 • Die Feldlinien sind Gerade, wie bei einer ruhenden Ladung. Der Betrag
von E
(5.8.11)
(sin E> = b/f) ist bei festgehaltenem f in der Ebene senkrecht zur Bewegungsrichtung
des Elektrons am größten,
- e
IEI -- - r2 VI~- 2 für sinE> = 1, (5.8.12)
v-
Das Feldlinienbild (die Zahl der Feldlinien pro Flächeneinheit gibt wie üblich
den Betrag lEI an) können wir aus dem Feldlinienbild der ruhenden Ladung dadurch
gewinnen, daß wir dieses Bild um den Faktor.Jf=V2 in der x-Richtung affin stauchen
(Abb. 5Ab; wir folgen hier der Darstellung von Rindler (1969)). Um dies zu beweisen,
betrachten wir eine Kugel und das daraus durch Stauchung in der x-Richtung mit
dem Faktor .Jf=V2 hervorgehende Ellipsoid. Eine Fläche dA senkrecht zur x-Achse
erscheint vom Ursprung des Koordinatensystems betrachtet unter dem Raumwinkel
dO = dA cos 0/ r 2 • Alle durch diesen Raumwinkel hindurchtretenden Feldlinien (für
die ruhende Ladung) gehen bei Stauchung in den Raumwinkel dn = dA cos e /1'2 , da
dA unverändert bleibt. Es ist folglich
dn cos e r 2 1 r3
X r3
dO = cos 0 1'2 = 1'3 -; = :;1'3 . (5.8.14)
Da die Zahl der Feldlinien , die die Flächen r 2 dO und 1'2dn durchsetzen, gleich ist ,
ergibt sich für die Feldstärken lEI 1'2 dn = lEI r 2 dO oder
2
lEI = .::... d~ = e (1 - v ) (5.8.15)
1'2 dO 1'2(1 - v 2 sin2 0)3/2 '
Körpers von den Kräften zwischen seinen Molekülen abhängt und daß diese Kräfte wahrscheinlich
im dazwischen befindlichen Äther in einer Art übertragen werden, die mehr oder weniger der Art
gleicht, in der elektromagnetische Wirkungen übertragen werden. Von diesem Gesichtspunkt ist es
natürlich anzunehmen, daß molekulare Anziehung und Abstoßung wie elektromagnetische Kräfte
durch die Translation des Körpers modifiziert werden, und dies kann sehr wohl zu einer Änderung
der Dimension des Körpers führen .
Es ist sehr bemerkenswert, daß die früher postulierte Längenänderung [Lorentzkontraktion]
resultiert, wenn wir die Ergebnisse, die wir für das elektromagnetische Feld gewonnen haben , auf
molekulare Wechselwirkungen übertragen" .
Time'
10-' 10- ' 1 10 10' 10' 10'
Abb. 5.5. Ionisationsdichte als Funktion der Geschwindigkeit
Eine klare Darstellung des Zusammenhanges der Dilatation des Coulombfeldes mit dem Anstieg
der Ionisationsdichte bei hohen Geschwindigkeiten findet sich bei Jackson (1983). Siehe auch B.
Price, Rep. Prog. Phys. 18,52 (1955) oder H.A. Bethe, J . Ashkin in "Experimental Nuclear Physics" ,
Vol. I (E. Segre ed., Wiley 1953).
In den letzten Jahren war das Minimum der Ionisationsdichte vor allem im Zusammenhang mit
der Suche nach Quarks von Bedeutung. Diese hypothetischen Teilchen weisen nur eine Ladung 1/3 e
bzw. 2/3 e auf und sollten folglich in einem geeigneten Energiebereich Spuren hinterlassen, deren
Ionisationsdichte unter derjenigen von Teilchen liegt, die die volle Elementarladung e besitzen .
Die Dilatation des Coulombfeldes ist auch im Zusammenhang mit der Weizsäcker-Williams-
Methode (1934) zur Berechnung von Bremsstrahlung von Bedeutung . Man benützt dabei die Tatsa-
che, daß für 'Y ~ 1 das Feld eines geladenen Teilchens immer mehr einem ebenen elektromagnetischen
Wellenpuls entspricht (siehe Jackson (1983».
Bei der Abbremsung eines rasch bewegten (bzw. bei der Beschleunigung eines ru-
henden) Teilchens muß die in Abb. 5.4a gezeigte gestauchte Form des Coulombfeldes
in das übliche Feldlinienbild der ruhenden Ladung übergehen. Dieser Prozeß kann
nur allmählich erfolgen, da sich die Information über die Bremsung des Teilchens
mit Lichtgeschwindigkeit in seinem Feld ausbreitet. Abb. 5.6 zeigt ein auf diese Art
entstehendes Feldlinienbild.
5.8 Transformationseigenschaften 111
Die Schockwelle, die dabei durch das Coulombfeld hindurchgeht, entspricht genau
dem Strahlungsfeld des Teilchens. Dies ist daraus zu ersehen, daß die elektrischen
Feldlinien in der Schockwelle (annähernd, und im Unendlichen exakt) senkrecht auf
dem Radiusvektor stehen und sich die Schockwellemit Lichtgeschwindigkeit vom Teil-
chen her ausbreitet (Abstrahlung) . Falls das Teilchen aus relativistischen Geschwin-
digkeiten v ~ 1 heraus gebremst wird, entsteht das typische Vorwärtsmaximum der
Bremsstrahlung (Röntgenröhre!).
Für Geschwindigkeiten v ~ 1 erlaubt das anschauliche Bild eine einfache heuri-
stische Berechnung der Strahlung einer beschleunigten Ladung (die als Vorbereitung
auf die Überlegungen des Abschnittes 5.10 dienen soll).
Abb. 5.7 zeigt eine Linie des Feldes eines Teilchens, das im Zeitintervall von t = 0
bis t = T abgebremst wurde.
Das Coulombfeld entspricht bis zum Radius r = t (Feldlinie OP) bereits dem ru-
henden Teilchen, während von r = t + T auswärts (ab Punkt Q) die Feldlinien noch
112 5. Relativistische Elektrodynamik
der Verteilung entsprechen, die sich bei gleichförmiger Weiterbewegung des Teilchens
ergeben hätte. Für die Feldstärke E", des annähernd tangentialen Teiles PQ der Feld-
linie folgt aus der Abbildung
vtsin e
T
wobei Er = e/r 2 die radiale Feldstärke ist und vt = 00' die Strecke, die sich das
Teilchen weiterbewegt hätte. Daher wird
(5.8.17)
wird. Dies gibt die Winkelverteilung der Strahlung an, deren Gesamtintensität (ab-
gestrahlte Energie pro Zeiteinheit)
(5.8.18)
beträgt.
Die hier gegebene heuristische Berechnung der Strahlung eines beschleunigten Teilchens folgt
der Darstellung von J .J . Thomson ("Elektrizität und Materie", Vieweg 1904). In neuen Lehrbüchern
der Elektrodynamik findet sich (mit einer einzigen uns bekannten Ausnahme) nur die exakte , aber
unübers ichtlichere und schwerer durchschaubare analytische Rechnung mit Hilfe der retardierten
Pot entiale (siehe z.B. Jackson (1983» . Es existiert auch eine (sehr empfehlenswerte) Serie von 4 Fil-
men (beschrieben in J .C. Hamilton , J .L. Schwartz, Am. J . Phys. 39, 1540 (1971» , die die Strahlung
beschleunigter Ladungen auf die hier dargestellte anschauliche Weise illustriert .
Interessant ist, daß Thomson in dem erwähnten Buch die Rechnung unter dem Titel" Wirkungen
der Beschleunigung der Faradayschen Röhren" angibt, und unter anderem schreibt : "Wenn man an-
nimmt , daß das Licht durch die zitternde Bewegung in den straff gespannten Faradayschen Röhren
[die der wörtlichen Interpretation der Kraftlinien als gespannte Schläuche entsprechen] erzeugt wird,
so ergibt sich eine Frage, die bis jetzt unbeachtet geblieben ist. Es kann nicht angenommen werden,
daß die Faradayschen Röhren, die sich durch den Äther erstrecken, diesen vollständi~ füllen. Sie
müssen vielmehr als diskrete Fäden betrachtet werden, die in einem kontinuierlichen Ather einge-
bettet sind und diesem eine fasrige Struktur erteilen . Wenn dies aber der Fall ist, so muß . . . die
Welle selbst Struktur besitzen. Die Wellenfront muß . " von einer Reihe von Flecken auf dunklem
Grund gebildet sein, wobei die Flecken diejenigen Stellen bezeichnen, an denen die Faradayschen
Röhren die Wellenfront schneiden" .
Diese Passage, in der Thomson bemerkenswert nahe an die Entdeckung der Lichtquanten her-
ankommt, wird dadurch begründet, daß Röntgenstrahlen beim Durchgang durch Materie nur einen
kleinen Bruchteil der Atome ionisieren, was mit der Vorstellung einer kontinuierlichen Wellenfront
nicht verträglich ist.
5.9 Erhaltungssätze. Energie-Impuls-Tensor 113
Aufgabe
Man betrachte das elektromagnetische Feld E(x), B(x) in einem festen Raum-Zeit-
Punkt. Man zeige:
1
S:= -ExB (5.9.2)
411"
die Fast-Kontinuitätsgleichung
-+
Be diIV S =-JOE
Bt
(5.9.3)
zu gewinnen. Integrieren wir sie über ein Raumgebiet und verwenden noch (5.3.7a,8)
und den Gaußschen Integralsatz, entsteht daraus die Bilanzgleichung
(5.9.4)
114 5. Relativis tische Elektrodynamik
Da der erste Term in der Klammer links die Summe der Energien der geladenen Teil-
chen angibt, die die Stromverteilungausmachen, ist der zweite Term mit der Energie
E F des Feldes zu identifizieren, als dessen Energiedichte also & angesehen werden
kann (sie ist somit positiv-definit ). Der Poynt ing-Vektor S ist daher als Ene rgiestrom
des Feldes zu deuten.
Zur Herleitung des Impulssat zes benützen wir ein konstantes Hilfsvektorfeld a
und die für beliebige Vektorfelder v gültigen Identitäten
v2
v x rot v == grad 2' - (v V') v
(5.9.7)
PF = J 3
dx S (5.9.8)
gegeben. Das Oberflächenintegral G gibt den aus dem Volumen strömenden Imp uls
an , bzw. die auf das Volumen wirkende Kraft. Die Kompon ent en Go von G sind nach
(5.9.5,6) gegeben dur ch
471" Go = J
d x aß [Eo E ß + n, B ß -
3
~Ooß (E + B
2 2
)]
wobei
.
- 471" Toß := e, E ß + e; e, - 21 ooß (E + B ) =: Poß
2 2
(5.9.10)
die Komponenten des Maxwellsehen Spannungstensors Poß sind, dessen physikali-
sche Deutung analog zu der des Spannungstensors der Elast izit ätstheorie ist: G ist
5.9 Erhaltungssätze. Energie-Impuls-Tensor 115
die auf das in (5.9.7) betrachtete Volumen wirkende Kraft, dGo = dOß Toß das auf ein
Oberflächenelement des Volumens wirkende Kraftelement. (Bei dieser Interpretation
ist Vorsicht geboten, da wir aus dem Integral auf den Integranden schließen, was im
allgemeinen nicht zulässig ist. Dies gilt auch bei der Deutung von S als Impulsdichte
bzw. Energiestromdichte im elektromagnetischen Feld, die z.B. in gekreuzten elektro-
statischen und magnetostatischen Feldern scheinbar unrichtig ist. Die Diskussion von
dGo liefert jedoch - wie Maxwell 1873 gezeigt hat - ein anschauliches Bild, das es er-
laubt, bei gegebenem Feldlinienverlauf ohne Rechnung die zwischen Ladungen, Dipo-
len etc. wirkenden Kräfte direkt abzulesen. Sofern man sich bei diesen Anwendungen
wieder auf die Gesamtkraft G auf ein Volumen beschränkt, ist die Uneindeutigkeit
der Interpretation von dGo = -dOß Toß unwesentlich. Siehe zu dieser Problematik
auch die Diskussion am Ende von Abschnitt 10.2!) Betrachten wir ein Flächenele-
ment der Größe dO senkrecht zur x-Achse, also dOo = (1,0,0) dO, so ist die darauf
wirkende Kraft
1
dG3 = -TI 3 dO = - (EI E3
811"
+ BI B 3 ) dO.
Diese Kraft ist in Abb. 5.8 interpretiert.
dO
Integrat ionsvolumen
a) Das betrachtete Volums- bzw. Oberflächen- b) Zugspannung entlang der Feldlinien
element
Dabei ist zu beachten, daß Toß quadratisch in E bzw. B ist und eine Umkehr der
Feldlinien dG nicht ändert. Die Zugspannungen (negativer Druck!), die entlang der
Feldlinien, und die Drücke, die quer dazu wirken, erlauben es, aus Feldlinienbildern
wie z.B. denen der Abb. 5.9, sehr einfach die Kräfte abzulesen. Die betrachteten
116 5. Relativistische Elektrodynamik
,/
", .... - - II
/
/
/
I
I
I
\
\
\
',<,
-,
R-+ ~ "-
'- ........ _-,I
Integrationsgebiete sind durch die strichlierten Linien der Abbildung angedeutet. Zur
Berechnung von G ist nur das Integral über die Symmetrieebene heranzuziehen, da
die Halbkugeln im Unendlichen wegen T OIß oe 1/r4 nichts beitragen.
Die Symmetrie von T OIß, TOIß = TßOI' die aus (5.9.10) hervorgeht, entspricht der
Symmetrie des Spannungstensors POIß der Elastizitätstheorie. Man zeigt dort, daß
diese Symmetrie im statischen Fall das Verschwinden des Drehmomentes auf das
betrachtete Volumen zur Folge hat.
Damit haben wir auch das im Impulssatz auftretende Oberflächenintegral G in-
terpretiert und können nun zur relativistischen Formulierung der Erhaltungssätze
übergehen. Diese gewinnt man überraschend einfach, indem man T OIß durch den
Feldst ärkentensor F ausdrückt und formal zum Tensor Tik (i, k = 0,1,2,3) verall-
gemeinert. Da TOIß quadratisch in den Fik und symmetrisch in 0: und ß sein muß,
stehen nur wenige Möglichkeiten zu seiner Konstruktion aus F zur Verfügung, und
es zeigt sich, daß die korrekte Verallgemeinerung von (5.9.10) durch
kIki
411" Tij := Fik F i - 4
'Tlij F 'k F (5.9.12)
gegeben ist . Wir müssen nun feststellen , welche physikalische Bedeutung die neu
hinzukommenden Komponenten Too, ToOl in (5.9.12) haben. Einsetzen in (5.2.18,20)
führt nach kurzer Rechnung auf
Too = 8~ (E 2 + B 2 ) = C, (5.9.13)
1
ToOl = - 811" (E x B)OI = -SOl' (5.9.14)
Tik_(~)
F-~
(5.9.15)
bilden, wobei der Index F andeuten soll, daß es sich um den Energie-Impuls-Tensor
TF des Feldes handelt.
Der Energie-Impuls-Tensor (5.9.12) wurde erstmals von Minkowski (1908) angegeben . Die Ver-
einigung von Energiedichte (Lord Kelvin, 1853), Poynting-Vektor (Poynting, Heaviside , 1884) und
Spannungstensor (Maxwell, 1873) zum Energie-Impuls-Tensor wird von Whittaker (1960) als Min-
kowskis größte Entdeckung angesehen . Sie zeigt vielleicht am deutlichsten die innere Schönheit und
Abgerundetheit des vierdimensionalen Formalismus, dessen Entde ckung Minkowski zu den berühm-
ten Eröffnungsworten seines am 21. September 1908 auf der Versammlung Deutscher Naturforscher
und Ärzte gehaltenen Vortrages veranlaßte: "Meine Herren! Die Anschauungen über Raum und Zeit,
die ich Ihnen entwickeln möchte, sind auf experimentell physikalischem Boden erwachsen . Darin liegt
ihre Stärke. Ihre Tendenz ist eine radikale. Von Stund an sollen Raum für sich und Zeit für sich völlig
zu Schatten herabsinken und nur noch eine Art Union der beiden soll Selbständigkeit bewahr en".
(Siehe z.B. Lorentz, Einstein, Minkowski (1958» .
Es mag verwirren, daß die üblichen kartesischen Komponenten eines räumlichen Vektors manch-
mal mit, manchmal ohne Vorzeichenwechsel als Raumkomponenten von Vierervektoren auftre-
ten; desgleichen für Tensoren (z.B.: 6,x ..... 6,x", V' -+ 8a = -8" , S ..... TJ", P"ß (Maxwell-
Spannungstensor) ..... -41l'Ta ß , .. . ) . Dies zeigt den in Abschnitt 1.5 erwähnten Nachteil der gewähl-
=
ten Signatur (1.5 .1). Für die Signatur T/ik diag(-I, 1, 1, 1) wäre hingegen bei vielen "physikalisch"
positiven Größen wie pO , T o0 zu entscheiden, für welche Indexposition die Positivität eintritt. Es ist
zwar möglich, durch einen geeigneten Begriff einer "nat ürlichen IndexsteIlung " hier etwas Ordnung
zu schaffen, doch scheint sich der Aufwand für uns nicht zu lohnen . (Vgl. dazu Post (1962) .)
Mit Hilfe von (5.9.12) lassen sich die Erhaltungssätze von Energie und Impuls in
(fast) kovarianter Form zusammenfassen:
(5.9.16) stimmt für i = 0 mit (5.9.2), für i = ß mit dem Impulssatz (5.9.8) überein,
wobei die Terme r-:
die jeweiligen Oberflächenintegrale ergeben. Für die rechts-
J
stehende Summe können wir mittels (5.3.6,7,8) auch - d3x Fikjk schreiben und
wegen der Beliebigkeit des Integrationsvolumens auf die Gleichheit der Integranden
schließen:
TF ik,k = - F ik}k·
' (5.9.17)
(Diese Gleichung folgt aus der Definition (5.9.12) unter Verwendung der Maxwellglei-
chungen (5.2.22,23) rein differentiell, wie als Aufgabe gezeigt werden möge.)
Die unterschiedliche Beschreibung von Feld (durch das Energie-Impuls-Tensorfeld)
und Teilchen (durch den Viererimpuls) in (5.9.16) können wir durch die Definition
des Energie- Impuls- Tensorfeldes der Teilchen
beseitigen. Dabei sind ZA(SA) , A = 1,2, ... die Weltlinien der einzelnen Teilchen,
parametrisiert durch die jeweilige Eigenzeit, und UA ihre Vierergeschwindigkeiten.
Die Komponenten (wir beschränken uns hier der Einfachheit halber auf ein Teilchen)
verknüpfen den Energie-Impuls-Tensor Tfk(x) (der ein Tensor/eId ist) mit dem Ener-
gie-Impuls-Vektor (nicht: Vektorfeld) pi. Ferner gilt
8
TT'"k,k=m / ds 8xk8" ( x-z(s))u'u
" k =-m / dsu'-;j; 8
" dz" 8xk8" ( x-z(s)) =
= -m dsu i ds d~
d 8"(x - z(s)) = m / ds d;8"(x - z(s)).
/
(5.9.21)
Integration über ein Volumen, das das Teilchen enthält, liefert
Da das Integrationsvolumen beliebig ist, ist der Schluß auf den Integranden in (5.9.22)
zulässig, und es folgt für
(5.9.24)
die Gleichung
Tik,k = (Ti k + TFik),k = O. (5.9.25)
(Auch diese Aussage kann rein differentiell gewonnen werden, indem im letzten Aus-
druck von (5.9.21) für m ~:i aus der Bewegungsgleichung (4.1.10), (5.3.2) eingesetzt
und (5.2.15) verwendet wird, um
(5.9.26)
PF=
k 1
"T'dui=(EF,PF)
ki (5.9.27)
(5.9.29)
zu verlangen, die von ~i = ai = const. offensichtlich erfüllt wird , aber noch die wei-
teren Lösungen ~i(X) = f ikXk mit beliebigem fik = -fki besitzt. Die zugehörigen
Erhaltungsgrößen der Form ~ fab i», die die Drehimpuls- und Schwerpunktssätze
beinhalten, sind in Abschnitt 10.2 diskutiert.
Um zu zeigen, daß damit alle Lösungen der Killinggleichung erschöpft sind, dif-
ferenziere man (5.9.29) nach xi, permutiere die Indizes zyklisch, addiere zwei der
entstehenden Gleichungen und subtrahiere die dritte: es resultiert ~i,ki = 0, also
~i,k = fik wie oben . Bemerkenswerterweise stellt' die allgemeine Lösung ~i = fi k x k +a i
mit infinitesimalen fik, a i das Verschiebungsfeld 8x i bei einer infinitesimalen Poincare-
s,
Transformation xi --+ x i + 8x i = u; x k + a i mit L ik = + fik dar (fik = -fki sorgt bei
Vernachlässigung von O(f 2 ) für die Erfüllung von (3.1.8)!). Dies ist die relativistische
Version des Zusammenhangs von Symmetrien und Erhaltungssätzen, die in Kap . 10
ausführlicher dargestellt ist .
Wenn TTi k = 0, so ist für (5.9.28) wegen T F i i == 0 (s. Aufgabe) die schwächere Bedingung
(konforme Killing-Gleichung)
1 .
~i,k + ~k,i - 4e,j TJik = 0 (5.9.30)
Aufgaben
1. Man zeige
(5.9.31)
(5.9.32)
3. a) Man zeige
(5.9.33)
4. Zeige, daß (5.9.29) aus (3.1.5) entsteht, wenn dort fm(x) = x m + ~m(x) ersetzt
wird und quadratische Terme in ~ vernachlässigt werden .
B = ev x x (5.10.1)
r3
gegeben ist. Zur Energie E F des elektromagnetischen Feldes des Teilchens trägt wegen
B 2 cx v 2 ~ 0 nur das elektrische Feld bei,
(5.10.2)
Dabei durften wir das Integral nur von R (und nicht von Null) bis ins Unendliche
erstrecken, da sich sonst eine unendliche Selbstenergie E F ergeben hätte.
Das Abschneiden des Integrals bei R entspricht der Annahme einer Ladungsver-
teilung, die auf einer Kugelschale von Radius R konzentriert ist . Das feldfreie Innere
der Kugel trägt dann nicht zum Integral bei. (Andere Ladungsverteilungen führen
nur zu etwas abgeänderten numerischen Faktoren in (5.10.2).)
Die Energie EF trägt auch zur Masse des Teilchens bei. Wenn die Masse des
Teilchens ohne elektromagnetisches Feld (d.h. die Masse des ungeladenen Teilchens)
mo ist, so wird die gesamte Masse
po =m = mo+EF (5.10.3)
(5.10.4)
5.10 Geladene Teilchen 121
PF = -2
3-
2
ev
R
(4)
= -3 EF V
.
(5.10.5)
(5.10.7)
Demgemäß ist P' per definitionem ein Vierervektor. Wenn wir da; = (cf3x , 0) setzen,
ist
pi = J
d3x TO i . (5.10.8)
Spezialisieren wir weiter auf das Ruhsystem des Teilchens, in dem p i = (m,O) sein
muß, so folgt dort
(5.10.9)
bzw.
J d3x TO a = 0, Q' = 1,2,3. (5.10.10)
hab en muß, was (5.10.6) widerspricht. Die dur ch (5.10.3) und (5.10.6) definierten
Größen p i bilden keinen Vierervektor, obwohl sie genau nach der Vorschrift (5.10.7,8)
errechnet wurden. Dam it haben wir auch formal einen Widerspruch zu den grundle-
genden Transformationseigenschaften hergeleitet.
Mit der klaren Formulierung des Widerspruches haben wir zugleich auch die
Grundlage seiner Auflösung geschaffen. Explizit ist
(5.10.12)
122 5. Relativistische Elektrodynamik
wobei sich Tkl(x rn ) auf das Ruhsystem bezieht und die Lik für eine Geschwindigkeits-
transformation in der xl-Richtung durch (2.1.1) gegeben sind. Die Koordinaten x rn
im Ruhsystem hängen mit x ffl gemäß t = 1([ + vx) = IVX, x = I(X + vf) = IX,
y = y, z = z zusammen, da die Integration bei [ = 0 auszuführen ist . Wegen der Zeit-
unabhängigkeit des Energie-Impuls-Tensors im Ruhsystem des Teilchens ist ferner
(5.10.13)
f f
und
dJxTkl(/x,y,z) =~ J3xT kl(x,y,z), (5.10.14)
f
pö = ~ (LO o)2 d3x TOO + ~ (LO I ? f J3x T 11 =
= Im + I v 2 f 3
dx T 11
(5.10.15)
und analog
pi = I v m +I v f d3x T 11
(5.10.16)
p'i. = p3 = O.
J
Bis auf die unterstrichenen Terme (X d3x T 11 hat sich das korrekte Transformations-
verhalten P = mu ergeben.
Um zu zeigen, daß diese Terme in einer konsistenten Theorie verschwinden müssen,
bilden wir
(T ik Xl),k = Tik,k xl + T ik c5i = Ti! (5.10.17)
und integrieren diese Gleichung für 1= i = o über den ganzen Raum:
(keine Summe über a!). Es folgt wegen der Zeitunabhängigkeit von T Ik im Ruhsystem
(5.10.19)
Dieses Oberflächenintegral verschwindet für ein lokalisiertes Teilchen, wenn wir das
Integrationsvolumen über den ganzen Raum erstrecken , so daß (5.10.18) in diesem
l-r-:
Fall
a=1,2,3 (5.10.20)
ergibt . Die in (5.10.15,16) unterstrichenen Terme müssen tatsächlich infolge der Er-
haltungssätze verschwinden.
5.10 Geladene Teilchen 123
d.h., die Spur des Energie-Impuls-Tensorfeldes ist gleich Null. Für ein kugelförmiges
Teilchen ist keine Richtung ausgezeichnet, so daß
T/ 1 = Ti 2 = Tl 3 = ~3 '""' T FOIOI =
L..J
~3 TFoo (5.10.22)
01
J 3
d X TF
v 2 , so ergeben (5.10.15,16)
(5.10.24)
- 1
pI = (mo + EF) V + 3" v E F. (5.10.25)
Der Faktor 4/3 folgt somit daraus, daß (5.10 .23) nicht den aus den Erhaltungssätzen
resultierenden Einschränkungen (5.10.20) genügt.
Der Grund dafür ist einfach einzusehen: Wir haben bei der Berechnung der Selbst-
energie E F das Integral (5.10 .2) bei einem Radius R i= 0 abschneiden müssen, um
ein endliches EF zu erzielen. Das entspricht, wie bereits festgestellt wurde, einer La-
dungsverteilung, die auf einer Kugelschale konzentriert ist. Eine derartige Ladungs-
verteilung ist aber ohne die Wirkung von Kohäsionskräften instabil, da sich die auf
der Kugelfläche verteilten Ladungen abstoßen, und die Kugel explodiert, wie wir au ch
formal aus (5.10 .18) ablesen. Schreiben wir diese Formel nämli ch als
~ J
d3xSx = L Jd
01
3xTOIOI
+ (verschwindendes Oberfl ächenintegral), (5.10 .26)
J
so sieht man, daß für ~x TOleX> 0 eine stabile Energieverteilung nicht möglich ist
und stets ein radial nach außen gerichteter Energiefluß S vorhanden sein muß.
Nur wenn das Energie-Impuls-Tensorfeld der Materie (5.10.20) zu erfüllen gestat-
tet , sind stabile Teilchen möglich . Diese Bedingung kann man auf zwei unterschied-
liche Arten zu erreichen trachten:
Behält man das Modell eines ausgedehnten Teilchens bei, so muß das Energi e-
Impuls- Tensorfeld durch einen phänomenologischen Kohäsionstensor TK ergänzt
werden, der die Explosion der Ladungsverteilung verhindert. Damit erreicht man
J d3x TOIOI = 0, womit der Faktor 4/3 beseitigt ist und alle Probleme, soweit sie sich
auf die gleichförmige Translationsbewegung des Teilchens beziehen, gelöst sind. Die
Problematik der Beschleunigung des Teilchens wird sich dagegen als sehr schwerwie-
gend erweisen.
124 5. Relativistische Elektrodynamik
(5.10.27)
erhält. Thomson interpretierte das Auftreten des zweiten Terms in (5.10.27) als Vergrößerung der
=
Masse des Teilchens, also m mo + 4/3 (e2 /2R) . Zu bemerken ist, daß der Faktor 4/3 hier nicht bei
der Berechnung des Impulses , sondern der Energie des Teilchens auftritt, im Gegensatz zu (5.10.3,5).
Thomsons Rechnung ist nicht exakt (nicht nur wegen des Problems der fehlenden Kohäsion der Hohl-
kugel), da (5.10.1) nur in erster Ordnung in v korrekt ist, er jedoch in (5.10.27) zweite Ordnung en
berechnet .
Die Rechnung wurde später in allen Ordnungen in v durch exakte Berechnung des elektro-
magnetischen Feldes einer bewegten Ladung mittels der Maxwell-Gleichungen verbessert . Es ergab
sich
v2
EF(V) = EF + m'(v) 2 ' (5.10.28)
wobei die longitudinale Masse m' (v) durch
2 2
,
m(v)=-- 1+
4 e [1- l n v - l ] =-
-- 4 ( -e ) ( 6 2 + ...
1+-v ) (5.10.29)
3 2R v 1 - v 3 2R 5
gegeben ist . m'(v) ist für den Trägheitswiderstand des Körpers bei Beschleunigung in Bewegungs-
richtung ausschlaggebend .
=
Der Impuls PF des Feldes des Teilchens wurde von Abraham zu PF m"(v) v berechnet , wobei
die transversale Masse
m
" _ ( e
(v) - 2R
2
) [1~
+ v In 1
2
+ v 2] _4( e
2
1- v - v2 -:3 2R
) [ 2
1+ 5v
2
+ ... ] (5.10.30)
Feldern) wurden angestellt, um herauszufinden, welchen Anteil an der Gesamtmasse m des Elektrons
die "elekt romagnetische Masse" m"(v) habe, d.h., aus m =mo + m"(v) wurde versucht , mo und
m"(v) separat zu ermitteln. Die Messungen (bei denen Änderungen von m um einen Faktor 2
beobachtet wurden) schienen mit der Hypothese vereinbar, daß mo =0 und das Elektron rein
elekt romagnetische Struktur besitzt .
Es ist von Interesse, diese Rechnungen (die das Problem der Kohäsion unberücksichtigt ließen)
mit den analogen Ergebnissen (5.10.15,16) der Relativitätstheorie zu vergleichen. (5.10.15,16) liefert
(5.10.31)
2
4 e ) ~v(mo+m").
pI=/v ( m O+3'2R (5.10.32)
(5.10.33)
In der Energie tritt im Term oe ~ eine Masse mo + ~~ auf, im Gegensatz zur Gleichung (5.10.28)
(der konstante Term mo + e2/2R in (5.10.33) wurde in den vorrelativistischen Rechnungen als
Verschiebung des Energienullpunktes betrachtet und unberücksichtigt gelassen). Der Grund für diese
Diskrepanz ist , daß in den vorrelativistischen Rechnungen die bewegte Ladung ("Elektron") als
starre Kugel aufgefaßt wurde (keine Lorentzkontraktion). Die Feldenergie wurde nur über den in
Abb. 5.lOa gezeigten Außenraum des Elektrons integriert.
Lorentz wendete 1905 die Hypothese der Lorentzkontraktion auch auf das Elektron selbst an. Er
integrierte über den in Abb. 5.lOb gezeigten Außenraum des nun lorentzkontrahierten Elektrons, der
um den kreuzschraffierten Teil über Abb. 5.lOa hinausgeht . Diese zusätzliche Energie liefert gerade
den Faktor 5/3 in (5.10.33) anstelle der 4/3, was Lorentz durch eine nicht weiter erwähnenswerte
=
ad hoc-Hypothese zu erklären suchte . Wichtig war, daß Lorentz in (5.10.33) mo 0 setzte und für
den Impuls des Elektrons
- 4 e2
pl = iV 3' 2R = m1( v) v (5.10.34)
anschrieb. Die von Lorentz berechnete transversale Masse mH v) wies eine - aus heutiger Sicht
betrachtet richtige - Geschwindigkeitsabhängigkeit auf, und der falsche Faktor 4/3 störte nicht, da
der Elektronenradius ohnehin unmeßbar ist.
126 5. Relativistische Elektrodynamik
Kaufmann wiederholte 1906 (Ann. Phys . 19,487 (1906)) seine Versuche mit dem Ziel, zwischen
Lorentz' Hypothese des deformierbaren Elektrons m'J. und Abrahams Theorie des starren Elektrons
m"(v) zu unterscheiden. Die Experimente (deren Genauigkeit er überschätzte) schienen Abraham
zu bestätigen, und erst Bucherer (Phys . Zs. 9, 755 (1908)) war mit präziseren Meßmethoden in der
Lage, endgültig für die von Lorentz berechnete Massenformel zu entscheiden .
Damit waren aber die Schwierigkeiten, die auf den Faktor 4/3 (bzw. 5/3) zurückzuführen sind ,
noch nicht behoben . Auch Hasenöhrl, der 1904 die Trägheit der Hohlraumstrahlung berechnete,
erhielt eine zusätzliche Masse Am = 4/3 EF , die ein bewegter Hohlraum aufweist, der Strahlung
mit Feldenergie EF enthält. (Ohne Kohäsionskräfte würde der Hohlraum durch den Strahlungs-
druck explodieren .) Erst 1922 brachten einige Arbeiten Fermis Klarheit über diese Problematik und
die Ursache des Faktors 4/3. Die weitere Entwicklung ist mit derjenigen des Problems der Strah-
lung beschleunigter Ladungen und mit der quantenmechanischen Beschreibung des Elektrons eng
verknüpft.
Nach der Betrachtung der Problematik der gleichförmigen Bewegung wenden wir
uns den Phänomenen zu, die bei der Beschleunigung eines geladenen Teilchens auftre-
ten. Die Strahlung (5.8.18), die dabei ausgesendet wird, führt zu einem Energiever-
lust , der sich durch eine Strahlungsrückwirkung auf das Teilchen bemerkbar macht ,
d.h. durch die Loreritzkraft K s , die vom Feld des Teilchens auf das Teilchen selbst
ausgeübt wird und die die Bewegungsgleichung abändert . Für eine ausgedehnte La-
dungsverteilung mit der Ladungsdichte p(x, t) ist in zunächst nichtrelativistischer
Näherung nach (5.3.1,6)
Berechnet man E und Baus p mittels der Gleichungen (5.2.13,17), so folgt nach länge-
rer Rechnung (die erstmals von Lorentz (1909) ausgeführt wurde ; sie ist in Jackson
(1983) zu finden)
Ks=~EFb+~e2b_~~(-)ndnbO(Rn-l) ( 0 )
3 3 3 L..- n! di" ' 5.1 .36
n=2
wobei b die Beschleunigung des Teilchens und b ihre Zeitableitung sind . Die Term e
O(Rn-l) sind von der Größenordnung der entsprechenden Pot enz des Teilchenradius
R und verschwinden im Grenzfall eines Punktteilchens. Die Feldenergie E F ist du rch
EF = ~
2
J/) 3
p(x) p(x = d x E 2
Ix- x'I 871"
J (5.10.37)
gegeben .
Die Bewegungsgleichung des Teilchens (mo ist wieder die "mechanische Masse",
d.h. diejenige des ungeladenen Körpers) lautet
(mo + -4)
3
E F
2·
3
2 r dnb
b = - e + K - - ' " - - - - O(R n-
2b
3 L..- n! dt
n=2
00 (-
n
1
). (5.10.39)
5.10 Geladene Teilchen 127
Diese Bewegungsgleichung enthält neben der Beschleunigung b auch alle höheren Ab-
leitungen von b, und die Bewegung kann aus der Kenntnis der Anfangsbedingungen
x(O), v(O) nicht bestimmt werden.
Dies erscheint auf den ersten Blick sehr merkwürdig, da die zugrundegelegten
Gleichungen der Theorie dur chwegs von höchstens zweiter Differentialordnung in der
Zeit waren . Nun haben wir eine Gleichung erhalten, die Differentialquotienten beliebig
hoher Ordnung enthält. Wir müssen jedoch berücksichtigen, daß das System (Teilchen
+ Feld) unendlich viele Freiheitsgrade (die Eigenschwingungen des Feldes) enthält,
von denen wir in (5.10.39) alle bis auf die des Teilchens eliminiert haben, um zu
einer Bewegungsgleichung zu gelangen. Die eliminierten Freiheitsgrade scheinen dann
in Form höherer Ableitungen wieder auf und machen (5.10.39) für alle praktischen
Anwendungen völlig unbrauchbar, außer wenn die unendliche Summe nach wenigen
Termen abgebrochen werden kann.
Es gibt ein einfach es mechanisches Analogon zu dieser Situation (AbbA .11).
•x
Koppelt man eine Masse m mittels einer Spiralfeder an eine elastische Saite (und mit einer anderen
Feder an einen starren Körper), so läßt sich das Problem als Differentialgleichung zweiter Ordnung
für die Auslenkung y(x, t) der Saite und die Amplitude Y(t) des Massenpunktes formulieren . Kennt
man y(x,O), iJ(x,O), Y(O), Y(O), so ist die weitere Bewegung bestimmt. Man kann aber auch die
Freiheitsgrade der Saite eliminieren und eine Bewegungsgleichung für Y(t) allein aufstellen . Diese
Gleichung enthält dann alle Ableitungen von Y nach der Zeit.
(5.10.40)
(der Faktor 4/3 erklärt sich daraus, daß wir Kohäsionskräfte unberücksichtigt gelas-
sen haben), so können wir den Limes R ~ 0, mo ~ -00 betrachten, da nur die
beobachtbare Gesamtmasse m des Teilchens von Bedeutung ist . In diesem Grenzfall
eines Punkiteilchens ergibt sich eine relativ einfache Bewegungsgleichung
2 2'
mb= -e b+K, (5.10.41)
3
da die unendliche Summe in (5.10.39) nichts beiträgt.
Wieder war es erforderlich, zunächst ein ausgedehntes Teilchen zu betrachten
und dann wieder seinen Radius gegen Null gehen zu lassen, um das Probl em der
128 5. Relativistische Elektrodynamik
mb v = -32 e2 b· v + K v = -2
3
·
e2 b v - grad V . v
oder
~ ( m ~ + V (x)) = ~ e 2
bv. (5.10.42)
Dies läßt nicht erkennen, daß die Energie des strahlenden Teilchens gemäß (5.8.18)
abnimmt. Schreiben wir (5.10.42) aber als
2
-d ( m -v
dt 2
+ V (x) - -2 e2 b v )
3
= - -23 e2 b 2 -
< 0, (5.10.43)
so entspricht die rechte Seite von (5.10.43) genau der abgestrahlten Energie (5.8.18).
Wir haben daher die Energie des beschleunigten Teilchens mit
v2 2
E = m- + V (x) - - e2 b v (5.10.44)
2 3
zu identifizieren. Der Schott- Term cx: b v tritt nur während der Beschleunigungspha-
sen des Teilchens auf, er kann als reversible Deformation des elektromagnetischen Fel-
des des Teilchens durch die Wirkung der Beschleunigung interpretiert werden (eine
detaillierte anschauliche Deutung von (5.10.44) ist uns allerdings nicht bekannt).
Während gleichförmiger Beschleunigungsphasen b = 0 kompensiert der Schott-Term :
genau den Strahlungsverlust, so daß keine Strahlungsrückwirkung auftritt" . Da die
Energie E F des Feldes für Punktteilchen unendlich ist, kann dem Nahzonenfeld des
Teilchens während beliebig langer konstanter Beschleunigungsphasen Energie für das
Strahlungsfeld entnommen werden (die am Ende der Beschleunigungsphase wieder
zurückströmen muß).
Wir kommen nun zur relativistischen Verallgemeinerung der Strahlungsleistung
(5.8.18) und der Bewegungsgleichung (5.10.41). Da die abgestrahlte Energie E die
Nullkomponente eines Vierervektors vs (Energie-Impuls der Strahlung) sein muß,
kann die relativistische Formulierung von (5.8.18) nur
dps = _ ~ e2 b2 u (5.10.45)
ds 3
lauten, wie man sich leicht überzeugt. Dabei ist u die Vierergeschwindigkeit des strah-
lenden Teilchens und b der Beschleunigungs-Vierervektor, der im momentanen Ruh-
system b2 = _ b 2 erfüllt. dps/ds ist der pro Eigenzeitelement abgestrahlte Viere-
rimpuls. Versucht man nun, die Bewegungsgleichung des Teilchens in der plausiblen
1 Detaillierte Argumente finden sich bei Rohrlieh (1965).
5.10 Geladene Teilchen 129
Form
+ ps)
d (pds =m b_ ~3 e2 b2 u = I< ( )
5.10.46
anzusetzen, so stößt man alsbald auf einen Widerspruch, da die Strahlungsrück-
wirkungs-Kraft 2/3 e2 b2 u nicht orthogonal auf u steht, d.h., wegen I< u = bu = 0
folgt nach Multiplikation mit u aus (5.10.46) 2/3 e2 b2 u 2 = 0, oder b 2 = O.
Der Ansatz (5.10.46) ist daher zu modifizieren, wobei Abraham bereits 1905 ge-
zeigt hat, daß die relativistische Verallgemeinerung (damals noch aus anderen Über-
legungen hergeleitet) der Gleichung (5.10.41)
mb = -2 e2 (db
3
-
ds
+ b2 U ) + I< (5.10.47)
lauten muß. Tatsächlich ergibt sich hier bei Multiplikation mit u kein Widerspruch,
da aus bu = 0 durch Differentiation nach s udb/ds + b2 = 0 folgt. Der Vierervektor
der Strahlungsrückwirkung
(5.10.48)
wobei T = e2/m eine charakteristische Zeit ist (für Elektronen von der Größenord-
nung T = 10-23 sec). Dabei entnimmt das Teilchen die zur Beschleunigung notwendige
Energie offenbar dem unendlichen Energiereservoir der Feldenergie E F • Die unphysi-
kalischen Lösungen (5.10.49) sind der Preis, den wir für die Einführung von Größen
wie m = mo + E F = -00 + 00 bezahlen müssen.
°
Allerdings kann man die "runaway solutions " durch die Auferlegung der Randbe-
dingung b(s - t (0) = zur Differentialgleichung (5.10,47) vermeiden", die sich unter
dieser Nebenbedingung in die Integrodifferentialgleichung (siehe Rohrlieh (1965))
mb(s)= 1 00
daF(s+aT)e-
a
(5.10.50)
lSie eliminiert allerdings manchmal- etwa beim Coulomb-Problem - zugleich auch physikalische
Lösungen .
130 5. Relativistische Elektrodynamik
y
Abb. 5.12. Beschleunigte Ladungsverteilung
Da die Ladungsverteilung nicht als starr angenommen werden kann, dürfen wir sie
nicht einfach durch eine vorgegebene Funktion p(x) beschreiben . Es ist vielmehr eine
dynamische Beschreibung (durch Bewegungsgleichungen für jedes Volumselement des
Teilchens) erforderlich, wobei man mit rein elektromagnetischen Wechselwirkungen
wegen des Problems der Kohäsion nicht das Auslangen findet . Dabei muß spezifi-
ziert werden, an welchem Volumselement des Teilchens die Kraft angreift (was stets
ad hoc-Annahmen erfordert), und die "Teilchen im Teilchen" werden im allgemeinen
gegeneinander in Schwingungen geraten (wie in Abb. 5.12 angedeutet), was zusätz-
liche elektromagnetische Strahlung bewirkt. Auch haben die beiden mit 1 und 2
bezeichneten Weltlinien ungleiche Längen, so daß das Teilchen nach einer Beschleu-
nigungsphase keine einheitliche Eigenzeit mehr aufweist. Diese Bemerkungen sollen
5.10 Geladene Teilchen 131
nur einige der technischen Probleme illustrieren, die man bei der Erstellung einer
Dynamik ausgedehnter Ladungsverteilungen zu überwinden hat" .
Relativistische Geschwindigkeiten werden allerdings praktisch nur bei Elementar-
teilchen beobachtet, bei denen die Begriffe, mit denen wir bisher operiert haben,
nicht sinnvoll angewendet werden können. Die Quantenfeldtheorie liefert z.B. für
die Selbstenergie eines Teilchens eine von der klassischen grundlegend abweichende
Vorhersage:
(klassisch)
(5.10.52)
n
e2
EF~ -mln-- (Quantenfeldtheorie, Störungstheorie).
n mR
Im Grenzfall R --+ 0 ist das quantenfeldtheoretische Resultat wesentlich weniger di-
vergent als das klassische, wie erstmals 1939 von Weißkopf gezeigt wurde. Ganz sind
allerdings auch hier die Divergenzschwierigkeiten nicht beseitigt, und es besteht auch
hier die Situation weiter, die stark an die Zenoschen Aporien erinnert: Das Teilchen
darf weder ein Punkt sein, noch darf es keiner sein. Ein hochentwickeltes mathe-
matisches "Renormierungsverfahren", das zu den größten Leistungen der Physik seit
1945 gehört, erlaubt es allerdings, über diese Schwierigkeiten geschickt hinwegzuge-
hen, ohne daß die zugrundeliegenden Aporien des "unendlich Kleinen" wirklich gelöst
wären.
Die in (5.10.35-41) und (5.10.45-47) angedeutete Herleitung und Interpretation der Bewegungs-
gleichung für beschleunigte Ladungen ist mehr phänomenologischer Natur. Ein fundamentaler, kon-
sistent auf den Grundgleichungen der relativistischen Elektrodynamik aufbau ender Zugang wurde -
bemerkenswerterweise durch die Divergenzschwierigkeiten der in ihren Anfangen befindlichen Quan-
tenelektrodynamik angeregt - erst 1938 von Dirac, Proc . Ray. Soc. A 167, 148 (1938), versucht .
Seither ist die Diskussion über die "Exaktheit" der von Dirac hergeleiteten Gleichung (5.10.47) wie
auch über ihre unphysikalischen Lösungen nicht abgerissen . So schließt z.B. die zur Herleitung der
Integralgleichung (5.10.50) benötigte Randb edingung b(s -+ 00) = 0 neben den unphysikalischen
auch einige physikalisch interessante Lösungen aus (siehe die Aufgabe zu diesem Abschnitt) .
Für ein näheres Studium dieser und verwandter Probleme sei auf die ausführliche Arbeit von
Erber , Fortsehr . d. Phys . 9, 343 (1961), und die dort angegebenen Zitate sowie auf die neueren
Untersuchungen von Teitelboim, Phys. Rev. D 1, 1572 (1970); D 3, 297 (1971); D 4, 345 (1971),
verwiesen.
Mit dieser Skizze der Problematik der Bewegung geladener Teilchen (eine aus-
gezeichnete ausführliche Darstellung findet sich bei Rohrlieh (1965)) sind wir auch
an den Grenzen der nicht-quantenmechanischen Anwendung der Relativitätstheorie
angelangt.
Weitere Studien erfordern den Aufbau einer konsistenten relativistischen Quanten-
feldtheorie, der zu den wichtigsten und schwierigsten Aufgaben der heutigen Physik
gehört. Um die Möglichkeiten und Probleme der feldtheoretischen Beschreibung von
Elementarteilchen darzulegen, müssen wir zunächst alle Arten von Feldern (skalare
Felder, Vektorfelder, Spinorfelder, . . . ) systematisch ermitteln, die dieser Beschrei-
bung zugrundegelegt werden können. Dies ist die Aufgabe der Darstellungstheorie der
lSiehe dazu z.B. H. Hönl, Ergeb . exakt . Naturwiss. 26,291 (1952); J .S. Nodvik, Ann. Phys . 29,
225 (1964) .
132 5. Relativistische Elektrodynamik
Poincareqruppe, die in Kap. 9 enthalten ist . In den folgenden Kapiteln 7-8 sollen die
gruppentheoretischen Hilfsmittel, die dazu benötigt werden, anhand der einfacheren
Theorien der Rotations- bzw. Lorentzgruppe entwickelt werden.
Aufgaben
1. In Analogie zu (5.10.17-19) zeige man, daß für die Momente des Energie-Impuls-
Tensors
J d3x T oo X"'l • •• X"'l = : E"'l ···"'l
die Laue-Identitäten
(5.10.54)
2. In welcher Zeit spiralt ein im Abstand des ersten Bohrsehen Radius kreisendes
Elektron infolge der Strahlungsrückwirkung in den Atomkern?
6 Die Lorentzgruppe und einige ihrer
Darstellungen
Alle Naturgesetze, die in Vierertensorform geschrieben werden können , genügen
dem Relativitätsprinzip. Dabei macht das linear-homogene Transformationsverhal-
ten (5.4.5) der Tensorkomponenten bei Lorentztransformationen die Erfüllung des
Relativitätsprinzips manifest, da es auf sehr einfache Weise einzusehen gestattet,
daß Tensorgesetze tatsächlich in jedem Inertialsystem die gleiche Form annehmen.
Vom syst ematischen Standpunkt ist die Frage zu stellen, ob Tensoren die einzigen
Größen sind, die linear-homogenes Transformationsverhalten bei Wechsel des Inerti-
alsystems aufweisen . Wir werden diese Frage erst in Kap. 8 konstruktiv beantworten
und Spinorgleichungen als weitere Möglichkeiten manifest-kovarianter Naturgeset ze
kennenlernen. Dafür ist jedoch zuvor eine Präzisierung der Fragestellung nötig, die
auf den Begriff der Darstellung einer Gruppe führt. Ferner ist es notwendig, die Lo-
rentzgruppe selbst noch genauer zu untersuchen, da von der Struktur der Gruppe
auch die Struktur des Systems von Größen mit linearem Transformationsverhalten
abhängt.
Wir studieren daher in diesem Kapitel die Lorentzgruppe etwas ausführlicher und
führen die wichtigsten Grundbegriffe der Darstellungstheorie ein.
erfüllen . Wegen TJmn = TJnm sind dies zunächst 10 Relationen für die 16 Elemente der
Matrix L, und diese sind auch voneinander unabhängig, so daß nur 6 Matrixelemente
unabhängig gewählt werden können . Dies folgt z.B. daraus, daß wir jedem (6.1.2)
erfüllenden L in Abschnitt 1.5 die 6 Komponenten v, a zuordnen konnten , die L
eindeutig bestimmen und unabhängig über den zulässigen Bereich lvi< 1, lai::; 7r
variieren. Etwas direkter und für die im folgenden zu definierenden Lie-Gnippen
typisch ist eine .infinitesimale' Argumentation. Ist L eine Lösung von (6.1.2), so folgt
für jede infinitesimale Abänderung L -+ L + Sl: aus (6.1.2)
(6.1.3)
134 6. Die Lorentzgruppe und einige ihrer Darstellungen
(6.1.4)
(6.1.5)
(6.1.6)
für die Parameter des Produktelements, und damit die abstrakte Struktur der Loreritz-
gruppe. Insbesondere erweisen sich die Formeln (2.9.2)=(2.10.4) und (2.10.6,7) als
"Ausschnitte" dieser Multiplikationstafel mit 01 = 02 = O. Tatsächlich ermöglichen
diese Formeln zusammen mit LRv L R == LR Lv (vgl. die Aufgabe zu Abschnitt 1.5),
die gesamte Multiplikationstafel etwas expliziter anzugeben (Aufgabe):
Die Inversen zu L(v,O) bzw. L(O,o) sind einfach L( -v, 0) bzw. L(O, -0); daher
wird
L- 1 (v , 0 ) = L( -R(o)v, -0). (6.1.8)
Wir können nun die Situation bei der abstrakten Lorentzgruppe allgemein folgen-
dermaßen charakterisieren: Jedes Gruppenelement wird durch eine endliche Anzahl n
von Parametern (hier n = 6) festgelegt, die als "Koordinaten" der Gruppenelemente
6.1 Die Lorentzgruppe als Lie-Gruppe 135
fungieren und auf einem bestimmten Bereich des Rn variieren. (Hier auf dem Bereich
:s :s :s
o [o] x , 0 [v] « 1 des R 6 , wobei (v, a) und (v, -al für [o] = 7r demselben
Gruppenelement entsprechen.) Die Gruppe läßt sich (hier z.T . durch die Fallunter-
scheidung sign(LO o) = ±1, det L = ±1, vgl. Abschnitt 6.3) so in Teilmengen zerlegen,
daß in ihnen eine umkehrbar eindeutige Zuordnung zwischen Gruppenelementen und
Punkten in den zugehörigen Parameterbereichen besteht. Die Parametrisierung ist
nicht eindeutig (man kann z.B. statt vI, v 2 , v 3 , 0 \ 0: 2 , 0: 3 Polarkoordinaten wählen
oder statt a Euler- Winkel verwenden), aber stets so wählbar, daß die Kompositions-
funktionen (hier (6.1.6)) analytische (d.h. in konvergente Potenzreihen entwickelbare)
Funktionen werden, ebenso die Parameter des inversen Elements als Funktionen des
ursprünglichen.
Die abstrakte Gruppe bildet also eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit, wobei
die Gruppenmultiplikation Analytizitätseigenschaften aufweist. Eine solche Gruppe
nennt man eine endliche (n-dimensionale, n- parametrige oder n- gliedrige) Lie-
Gruppe.
Wir wollen hier nicht versuchen, diese mathematisch reichlich ungenauen Fest-
stellungen zu einer Definition einer Lie-Gruppe zu präzisieren (siehe dazu Chevalley
(1946) oder Pontrjagin (1957/58)) oder die schwächsten Bedingungen anzugeben, un-
ter denen eine Gruppe eine Lie-Gruppe ist", Wesentlich ist für uns, daß im Begriff und
der mathematischen Theorie der Lie-Gruppen ein allgemeiner Rahmen gegeben ist, in
dem sich in der Physik auftretende Gruppen wie die Poincare-, Lorentz-, Drehgruppe
einfügen und systematisch behandeln lassen.
Bezeichnen wir bei einer beliebigen Lie-Gruppe den Satz von Parametern (oben o ,
v), durch den ein Gruppenelement festgelegt wird, mit ß, die Parameter des Einheits-
elements mit 0, die des Inversen mit ß- 1 und denken uns die "Multiplikationstafel" ,
also die Parameter des Produkts zweier beliebiger Elemente als Funktionen f(ßlj ß2)
gegeben, so müssen die Kompositionsfunktionen f gewisse aus den Gruppenaxiomen
folgende Funktionalgleichungen erfüllen :
f(J(ßliß2)iß3) = f(ßlif(ß2iß3)) (Assoziativität)
f(ßj 0) = f(Oj ß) = ß (Einheitselement) (6.1.9)
f(ß-ljß) = f(ß,ß- 1) = O. (Inverses)
Die grundlegende Idee der Theorie der Lie-Gruppen ist nun, zunächst nur in-
finitesimale Umgehungen des Einheitselementes zu betrachten, d.h., f (und andere
von den Gruppenparametern abhängige Funktionen) in der Nähe von ß = 0 in eine
Taylorreihe zu entwickeln. Es stellt sich heraus, daß die Relationen (6.1.9) so ein-
schränkend sind, daß es genügt, die Entwicklung bis zu den quadratischen Termen
zu kennen, um die f festzulegen . Diese Betrachtungsweise reicht für die meisten hier
behandelten Probleme aus, insbesondere für die Klassifizierung aller Größen, die bei
Lorentztransformationen ein lineares Transformationsverhalten aufweisen.
Dennoch ist es für manche Zwecke günstig, sich die Gruppe selbst als Mannig-
faltigkeit "vorzustellen". (Gruppenmannigfaltigkeiten finden z.B. in kosmologischen
1 Einen Überblick über dieses ,,5. Hilbertsche Problem" gibt der Artikel von Skljarenko in Alex-
androvet al. (1971).
136 6. Die Lorentzgruppe und einige ihrer Darstellungen
Abb. 6.1. Getrennte Stücke des Schnittgebildes einer Kugel und eines Kegels
In gleicher Weise besteht die Lorentzgruppe aus 4 getrennten, jeweils in sich zu-
sammenhängenden Stücken (Zusammenhangskomponenten), die wir in Abschnitt 6.3
besprechen werden. Dies ist einer der Gründe, warum wir eine umkehrbar eindeutige
Zuordnung zwischen Gruppenelementen und Punkten in Parameterbereichen nur je-
weils für Teile der Gruppe verlangen können (die zusammen natürlich die Gruppe
überdecken) .
Der zweite Begriff ist der der I<ompaktheit bzw. Nichtkompaktheit der Gruppen-
mannigfaltigkeit: das Schnittgebilde von Flächen kann geschlossen (kompakt) oder
offen (nicht-kompakt) sein, wie Abb . 6.2 zeigt.
Jedes der vier Stücke der Lorentzgruppe ist nicht-kompakt, weil der Parameterbereich
für v offen ist : 0 ~ lvi < 1, d.h., weil Relativgeschwindigkeiten zwischen Inertial-
systemen kleiner als die Lichtgeschwindigkeit bleiben müssen.
Diese Begriffe lassen sich einführen und präzisieren, ohne daß eine Einbettung
der Gruppenmannigfaltigkeit in einen euklidischen Raum zu Hilfe genommen wird
- diese steht ja im Fall allgemeinerer Gruppen nicht immer zur Verfügung. Es sei
diesbezüglich auf die angegebenen Bücher verwiesen.
Aufgaben
4. Als erstes Beispiel der Anwendung der "infinitesimalen Methode" bei Lie-
Gruppen betrachten wir die Gruppe GL(n) der in 5.4 verwendeten allgemeinen
linearen nichtsingulären Transformationen. V" - t V" bzw. der nichtsingulären
n x n-Matrizen L . Für Transformationen, die nur infinitesimal von der Identität
L = E abweichen ("infinitesimale Transformation"), setzen wir
oder
(a) Man zeige, daß bei Vernachlässigung von Termen <X f2 gilt
oder (6.1.11b)
Wir suchen nun nach den invarianten Tensoren für GL(n), indem wir uns
auf infinitesimale Transformationen beschränken . Der Vorteil liegt hier
darin , daß wir dann für L- 1 die einfache Gestalt (6.1.11) zur Verfügung
haben.
138 6. Die Lorentzgruppe und einige ihrer Darstellungen
(b) Man zeige: Es gibt unter GL(n) keine ko- oder kontravarianten Tensoren
mit invarianten Komponenten.
Anleitung: Aus T'k ... = Lr Lk n . . . T mn... = Tik... folgt mit (6.1.11):
-f + Tim...lm k +...) = 0
(Tmk...fmi
Da die (mi beliebig sind, muß die Klammer verschwinden. Kontraktion über
m = j liefert dann Tik... = O. - Analog für rein kontravariante Tensoren.
(c) Man zeige: Die unter GL(n) invarianten gemischten Tensoren müssen vom
Typ (p,p) sein. In einfachen Fällen zeige man weiter, daß diese Tensoren
Linearkombinationen p-facher Tensorprodukte o~ Okm ••• sind.
5. Für die unimodulare Gruppe (det L = 1) und die Lorentzgruppe (L T "l L = "l)
könnte nicht so einfach wie in Aufgabe 4 geschlossen werden, da die (ik nicht
alle unabhängig sind . Welchen Einschränkungen unterliegen sie?
Gy := ( 1 OT) (6.2.1)
-v 1 '
(6.2.2a)
(6.2.2.b)
3
mit v, Vb V2 E R als Bereich. Aufgrund dieser Relationen kann jedes Gruppenele-
ment eindeutig in der Form GR Gy geschrieben werden.
Für die Lorentzgruppe bleibt (6.2.2a) erhalten, während (6.2.2b) wesentlich
abgeändert ist (vgl. Abschnitte 2.9,2.10):
(6.2.3a)
1 Dieser für das Folgende weniger wichtige Abschnitt beruht auf Arbeiten von A.A. Ungar ; s.
z.B. Resultate d. Math. 17, 149 (1990). Beim Vergleich sind aber Unterschiede in der Notation zu
beachten , die seine Formeln etwas einfacher machen , aber nicht zu den Konventionen in diesem Buch
passen. Zur gruppentheoretischen Terminologie vgl. Anhang A.
6.2 Die Lorentzgruppe als quasidirektes Produkt 139
(6.2.3b)
mit der Thomasdrehung R(Vb V2) und der Einsteinsehen Geschwindigkeitsaddition
Oj der Bereich für v, Vb V2 ist dabei durch [v] c 1 ghegeben. Man beachte, daß in
beiden Fällen die Operationen v -+ R v und v -+ v + VI bzw. v -+ v 0 VI nicht aus
den jeweiligen Bereichen herausführen, was wir ja schon physikalisch gedeutet haben .
Gemeinsam ist beiden Gruppen, daß sie die Untergruppe aller räumlichen Dre-
hungen GR == L R enthalten und die Menge der Geschwindigkeitstransformationen Gy
bzw. L y unter der "Konjugation" mit GR = LR invariant ist: GR Gy GRI = GRy bzw.
L R L y LRI = LRy.
Bei der Galileigruppe ist aber diese Menge wegen (6.2.2b) selbst eine (abelsche)
Untergruppe und daher ein Normalteiler; die Faktorgruppe der Gesamtgruppe nach
ihm ist isomorph zur Untergruppe der räumlichen Drehungen . Als Multiplikationsre-
gel ergibt sich aus (6.2.2)
(6.2.5)
definieren, doch definiert dies keine Gruppenstruktur, man spricht in diesem Fall nur
von einem Gruppoid. Ebenso wird in isomorpher Weise der Bereich lvl« 1 durch die
Verknüpfung VI 0 V2 zu einem Gruppoid. Insbesondere ist dabei das Assoziativgesetz
verletzt; es gilt jedoch eine "abgeschwächte" Version davon, in der die Thomasdrehung
auftritt (Aufgabe 1):
(6.2.6)
In (2.10.14) haben wir ferner auch ein abgeschwächtes Kommutativgesetz für 0 vor
uns. Als beidseitiges Einselement - in nichtassoziativen Gruppoiden ist ja zunächst
zwischen Links- und Rechts-Einheitselementen zu unterscheiden - bezüglich 0 fungiert
v = 0, als beidseitiges Inverses zu v fungiert -v. Wegen der Nichtassoziativität ist
es trotzdem nicht trivial, wenn auch richtig, daß die Gleichung
(6.2.7)
bei gegebenen VI, V3 eindeutig nach V2 und bei gegebenen V2, V3 eindeutig nach VI
gelöst werden kann. Ein Gruppoid, in dem (6.2.7) in der beschriebenen Weise lösbar
ist , heißt Quasigruppe, eine Quasigruppe mit beidseitigem Einselement ein LOOpI . Die
ITerm inologische Ergänzung: Ein assoziatives Gruppoid heißt Halbgruppe; Halbgruppe mit zwei-
=
seitiger Einheit Moneid.
140 6. Die Lorentzgruppe und einige ihrer Darstellungen
behauptete Lösbarkeit von (6.2.7) nach V2 folgt hier (Aufgabe 2) aus einer weiteren
Eigenschaft von 0, die deshalb als Loop-Eigenschajt bezeichnet wird:
(6.2.8)
(So wie für (2.10.14) und (6.2.6) empfiehlt sich auch für (6.2.8) eine indirekte Herlei-
tung (Aufgabe 3) oder die Verwendung symbolischer Computermanipulationen zur
direkten Verifikation durch Einsetzen der Definitionen.)
Orthogonale S wirken als Automorphismen des durch 0 definierten Gruppoids,
d.h.
(S VI) 0 (S V2) = S(VI 0 V2),
vgl. (2.10.15). Im vorliegenden Gruppoid ist also durch die Thomasdrehung eine Ab-
bildung (VI,V2) - t R(vI, V2) in die Automorphismengruppe gegeben, so daß
und (6.2.6) gilt . Ein Gruppoid mit Linkseinheit und Linksinversen von dieser Art
heißt schwach assoziativ; gilt noch (2.10.14), heißt es schwach assoziativ-kommutativ;
gilt weiter (6.2.8), heißt es Karzel-Loop .
Die gegenüber (6.2.4) abgeänderte Multiplikationsregel (6.1.6') der Lorentzgruppe
macht sie im Sinn dieser Definition zum quasidirekten Produkt der Drehgruppe
(Untergruppe der Automorphismengruppe des Geschwindigkeitsgruppoids) mit dem
schwach assoziativen Gruppoid der v . (Sie ist übrigens in keiner Weise ein semidi-
rektes Produkt, da sie einfach ist, d.h. keinen nichttrivialen Normalteiler besitzt.)
Wir schließen diesen eher formalen Abschnitt mit folgendem Kommentar. Führt
man in der Galilei-Re1ativität Vierergeschwindigkeiten gemäß uO = 1, u a = va ein,
so bilden diese einen affinen Punktraum; alle Punkte sind gleichberechtigt. Die Ver-
bindungsvektoren zwischen diesen Punkten sind die Relativgeschwindigkeitsvekto-
ren. Die Vektoraddition und die Vektorprodukte des üblichen Formalismus haben
unmittelbare geometrische und kinematische Bedeutung. In der Einstein-Relativität
ist der Geschwindigkeitsraum durch die Hyperboloidschale u 2 = 1, UO > 0 gegeben
(vgl. Abschnitt 4.1) - kein affiner, sondern ein (konstant) gekrümmter Punktraum.
Der 3-Vektorformalismus für Relativgeschwindigkeiten hat zum Teil nur formalen ,
nichtgeometrischen Charakter, da sich die Vektoren auf nicht-gleichzeitige 3-Räume
beziehen. Verwendet man diese Vektoren dennoch, ergeben sich die im vorliegenden
Abschnitt erwähnten Strukturen, die vielleicht für sich mathematisches Interesse be-
anspruchen und für die hier ein explizites Beispiel vorliegt. Der Formalismus ist, wie
schon in Abschnitt 2.10 gezeigt, bei der Diskussion mancher Paradoxa und auch zum
Vergleich mit Alternativtheorien nützlich.
Im Rahmen der Einsteinsehen Relativität erscheint aber der Vierervektorforma-
lismus zweckmäßiger, da viele allgemeine Überlegungen und die Formulierung der
Grundgleichungen ohne Zugrundelegung eines Bezugssystems möglich sind, auf wel-
ches sich die Matrizen der Lorentztransformationen beziehen. (In diesem Zusammen-
hang sei auf die sogenannte intrinsische Zerlegung von Lorentztransformationen und
ihre Eigenwertstruktur verwiesen, die in Abschnitt 8.4 behandelt wird.)
6.3 Untergruppen der Lorentzgruppe 141
Aufgaben
(6.2.10)
2. Man zeige, daß (6.2.6), (6.2.8) trotz Nichtassoziativität gestatten, (6.2.7) nach
VI oder V2 eindeutig zu lösen.
Hinweis: Der Unterschied zwischen Existenz und Eindeutigkeit ist hier zu be-
achten! Für die Eindeutigkeit der Lösung nach V2 ist (6.2.8), für die Existenz
noch die Spezialisierung V2 = -VI von (6.2.10) nötig.
3. Man leite (6.2.8) aufgrund der eindeutigen Zerlegbarkeit aus der Tatsache ab,
daß das Produkt LVI LV2 LVI aufgrund des in Abschnitt 1.5 gefundenen Symme-
triekriteriums eine reine Geschwindigkeitstransformation sein muß. (Eine mögli-
cherweise enthaltene 180°-Drehung ist hier wegen der Stetigkeit in Vb V2 aus-
zuschließen.)
(0 = leere Menge). Dabei bildet T[,T keine Untergruppe von E sondern wird als
Nebenklasse zu [,T bezeichnet.
Die Unterscheidung der Gruppenelemente nach dem Wert der Determinante,
det L = ±1 (siehe Abschnitt 5.5), erlaubt es, eine weitere Zerlegung von [, in Unter-
gruppe und zugehörige Nebenklasse vorzunehmen : In der eigentlichen Lorentzgruppe
[,+ sind die Transformationen mit det L = 1 zusammengefaßt. Der Durchschnitt
[,~ = [,+ n [,T, die eigentliche orthochrone Lorentzgruppe, enthält keine Raum- oder
Zeitspiegelungen mehr .
142 6. Die Lorentzgruppe und einige ihrer Darstellungen
Durch Zusammensetzen von L:~ mit der Raumspiegelung P (1.5.9) erhalten wir
die orthochrone Lorentzgruppe gemäß
(6.3.3)
der vollen Lorentzgruppe in Nebenklassen nach der Untergruppe L:~. Ferner gilt auch
(6.3.4)
da die Raurn-Zeitspiegelung
PT = (-lOT
o
) = _E
-1
(6.3.5)
positive Determinante hat. Die Vereinigung c; := L:~ U T L:~ bildet schließlich die
orihochore Lorentzgruppe.
Die Untergruppe L:~ ist zusammenhängend, jedes Element läßt sich in der Form
L(v, o ) schreiben, wobei durch kontinuierliches Variieren der Parameter von v = 0,
a = 0 weg alle Elemente aus L:~ erreicht werden. Im selben Sinn zusammenhängend
sind die Nebenklassen PL:~ , TL:~ , PTL:~. Man kann aber nicht durch kontinuierliches
Variieren von einer dieser Mengen in die anderen gelangen .
(6.3.3) ist somit die Zerlegung der Gruppenmannigfaltigkeit in vier getrennte,
jeweils in sich zusammenhängende Stücke (Zu sammenhangskomponenten) , wobei L: ~
die identische Transformation L = E enthält (L:~ heißt daher auch Kompon ent e der
Einheit).
Allgemein läßt sich jede Lie-Gruppe 9 in dieser Weise in Zusammenhangskom-
ponenten zerlegen, wobei die Komponente der Einheit, ge, stets ein Normalteiler ist.
Die Betrachtung von ge allein hat den Vorteil, daß man hier von Elementen ausgehen
kann, die nahe dem Einheitselement liegen, und durch oftmaliges Zusammensetzen
solcher Elemente ganz ge erreichen kann. Wie wir schon in Abschnitt 6.1 (vgl. (6.1.3)
und Aufgabe 4) sahen, bringt die Verwendung solcher Gruppenelemente große Ver-
einfachungen mit sich, die wir im weiteren systematisch benützen werden.
Nicht nur L:~, sondern auch L:+, L:f, L:o sind Normalt eiler in L:, die Faktorgruppen
sind isomorph zu den diskreten Untergruppen {E, P,T , PT} bzw. {E, P}, {E , T},
{E ,PTp. Die diskreten Transformationen P, T, PT erlangen ihre volle Bedeutung
erst in der Quantentheorie und Elementarteilchenphysik, weil sie dort zu wichtigen
Erhaltungssätzen führen.
Zum Abschluß dieser Betrachtungen über die vier Stücke der Lorentzgruppe sei
bemerkt, daß bei manchen Untersuchungen auch Lorentztransformationen mit kom-
plexen Koeffizienten Lik herangezogen werden. In diesem Fall ist die Unterscheidung
1 Es handelt sich hier also um semidirekte Produkte, vgl. Abschnitt 8.5 und Anhang A.
6.3 Untergruppen der Lorentzgruppe 143
LO o > 0, < 0 sinnlosv C! und rc: hängen im Komplexen zusammen. Die Unterschei-
dung nach det L = ±1 bleibt aber aufrecht, die komplexe Lorentzgruppe besteht aus
2 Stücken.
Wir wenden uns nun einigen Untergruppen von .c~ zu .
Die wichtigste Untergruppe ist die Gruppe rein räumlicher Drehungen, L R , wo R
eine eigentlich-orthogonale Matrix ist . Diese Gruppe wird mit SO(3,R) bezeichnet
(0... orthogonal, S... speziell, d.h., Determinante = 1, 3 = Dimension des Raumes,
R deutet den reellen Grundkörper an).
Die Drehgruppe SO(3,R) ist eine dreiparametrige, zusammenhängende, kompakte
Gruppe (0 :::; lai:::; 1f liefert alle Drehungen und ist als Vollkugel ein kompakter Be-
reich; die Parameterzuordnung ist jedoch nicht umkehrbar eindeutig, weil für lai = 1f
dieselbe Drehung durch a und -a beschrieben wird. Das Auftreten derartiger Phäno-
mene ist der zweite Grund, warum bei Lie-Gruppen umkehrbar eindeutige Parame-
trisierbarkeit jeweils nur für Teile der Gruppenmannigfaltigkeit verlangt wird, die
zusammen die Gruppe überdecken. Dies hat mit der im allgemeinen komplizierten
Topologie der Gruppe zu tun, auf die wir hier nicht näher eingehen können.) Die
reinen Geschwindigkeitstransformationen hingegen bilden, wie wir in 6.2 gesehen ha-
ben, keine Untergruppe, außer man beschränkt sich auf Relativgeschwindigkeiten
mit fester Richtung. Zu jeder Raumrichtung gehört eine einparametrige Gruppe von
Geschwindigkeitstransformationen, und ebenso eine einparametrige Gruppe von Dre-
hungen um die Richtung als Achse. Beide Gruppen sind kommutativ und vertauschen
auch untereinander, erzeugen somit eine zweiparametrige abelsche Untergruppe, die
uns noch in den Abschnitten 8.2 und 8.4 beschäftigen wird .
Die hier gegebene Aufzählung von Untergruppen hat sich auf die der Anschau-
ung zugänglichsten beschränkt und ist keineswegs vollständig - so gibt es etwa
noch Drehungen in lichtartigen Ebenen, Gruppen, die raumartige Vektoren festlas-
sen (SO(1,2)) etc. Wir verzichten auf eine systematische Behandlung und beschreiben
diese Gruppen, wenn sie gebraucht werden. Vgl. J. Patera et al. , J. Math. Phys. 16,
1597 (1975) .
Wir haben hier die volle Lorentzgruppe und ihre Untergruppen als Matrixgruppen beschrie-
ben, was eher die passive Interpretation nahelegt. Insbesondere wurde von "der" Raum- und "der "
Zeitspiegelung gesprochen. Definiert man I:. akti v als Menge linearer Transformationen eines Vierer-
vektorraumes V 4 , die die Metrik 71 invariant lassen, so ist I:.T jene Untergruppe, die beide Zusam-
menhangskomponenten des Lichtkegels (ohne Nullpunkt) einzeln invariant läßt. Die Nebenklasse I:.!
(bisher TI:.T) besteht aus den Transformationen, die diese Komponenten vertauschen. Ebenso ist
1:.+ jene Untergruppe, die eine gewählte Orientierung in V4 invariant läßt; 1:._ (bisher PI:.+ = TI:.+)
kehrt sie um; I:.~ =I:.l () I:.±, I:.i =
I:.! () I:.± gibt dann die 4 Stücke von I:. wie vorher. Die neue
Symbolik drückt die Beobachterunabhängigkeit dieser Mengen aus, während die aktiven Operatio-
nen P , T sich auf einen Beobachter beziehen müssen: ist u seine Vierergeschwindigkeit, so sind diese
Operationen Pu bzw. Tu =- =
Pu gegeben durch v VII + v 1. ...... VII - v 1. bzw. ...... -vII + v 1. (Spiegelung
=
an der Geraden -< u?- bzw. der Hyperebene -< u ?-1.), wo VII (vu/u 2)u die Projektion von v aufu
ist . Nur das Produkt Pu Tu = -id y • ist von u unabhängig, ebenso die Gesamtmengen Pul:.i = I:.~ ,
=
Pul:.+ 1:._, . . .
L E I:.i ist eine reine Gesch windigke itstransformation bezüglich u, wenn L die von u und
Lu aufgespannte (zeitartige) Ebene -< u, Lu »- als ganzes sowie die (raumartige) Orthogonalebene
-< u, Lu ?-1. vektorweise invariant läßt. L ist eine rein räumliche Drehung bezüglich u, wenn Lu u; =
dann bleibt auch der euklidische Raum -< u ?-1. invariant, die dort induzierte eigentlich-orthogonale
144 6. Die Lorentzgruppe und einige ihrer Darstellungen
Transformation läßt eine Achse vektorweise und die dazu orthogonale 2-Ebene als ganzes fest . Man
spricht deshalb hier von raumartigen, im vorigen Fall von zeitartigen Drehungen. Die bezüglich u
räumlichen Drehungen bilden eine zu SO(3,R) isomorphe Untergruppe (siehe Aufgabe 5).
Zu zwei Vierergeschwindigkeiten u, u' gibt es genau eine zeitartige Drehung AU,u', die u in u'
überführt und -< u , u' ~ invariant läßt (in Aufgabe 4 soll sie als Produkt zweier Zeitspiegelungen
konstruiert werden). Definiert man K(L, u) := A;;iuL, so läßt K(L , u) den Vektor u invariant und
ist deshalb eine bezüglich u rein räumliche Drehu~g, und L = Au,LuK(L, u) entspricht daher einer
der in Abschnitt 1.5 angegebenen Zerlegungen von Lorentztransformationen. (In Abschnitt 9.4 wird
eine Verallgemeinerung hiervon benötigt , bei der eine weitere Vierergeschwindigkeit ü ausgezeichnet
und K(L , Uj ü) := ALu.a L A;;.h gesetzt wird - die zu L, u gehörige Wigner-Rotation bezüglich ü . Sie
=
geht für L Au,Lu in die Thomasdrehung über .)
Die in Aufgabe 4 angegebene Erzeugung von Au •u ' durch Spiegelungen sowie die elementar
bekannte Möglichkeit, räumliche Drehungen durch Spiegelungen zu erzeugen, zeigen nun, daß jedes
L E .c Produkt von Hyperebenenspiegelungen ist . Man kann (Aufgabe 6) dabei durch geeignete
Wahl die nötige Anzahl von Spiegelungen ::5 4 machen, wobei sich die vier St ücke .c~ , .c~, .c~, .c:
durch die Parität (gerade/ungerade) der Anzahl der benötigten raum- und zeitartigen lIyperebenen
unterscheiden, an denen zu spiegeln ist. (Für allgemeine pseudoorthogonale Gruppen bei beliebiger
Dimension und Signatur ist dies in Cartan (1966) ausgeführt.)
Zu unterscheiden von obigen "beobachterabhängigen" Zerlegungen ist die intrinsische Klassifi-
kation und Zerlegung von Lorentztransformationen , die wir in Abschnitt 8.4 herleiten werden . Dabei
wird .c~ ohne Bezugnahme auf einen Vierervektor u o.ä. unterteilt in allgemeine Lorentztransforma-
tionen und Nulldrehungen (lichtartige Drehungen). Im allgemeinen Fall ist L eindeutig als Produkt
einer zeitartigen und einer raumartigen Drehung schreibbar, wobei diese Drehungen kommutieren,
da die Ebenen aufeinander orthogonal stehen. Spezialfälle hiervon sind rein zeitartige, rein raum-
artige Drehungen und die Identität. Nulldrehungen lassen eine lichtartige Ebene (aufgespannt von
einem lichtartigen und einem darauf orthogonalen raumartigen Vektor (vgJ. Aufgabe 5 zu Abschnitt
3.2!) und den in ihr befindlichen lichtartigen Vektor invariant und werden uns in Abschnitt 9.4
beschäftigen.
Aufgaben
1. Eine Teilmenge einer Mannigfaltigkeit kann man als zusammenhängend defi-
nieren, wenn sich je zwei Punkte darin stets durch eine stetige Kurve verbinden
lassen. Als Komponente der Einheit Ye einer Lie-Gruppe Y wird man dann die
die größte die Gruppeneinheit enthaltende zusammenhängende Teilmenge von
Y ansehen . Man zeige, daß Ye ein Normalteiler ist.
2. Welche der diskreten Gruppen {E,P}, {E,T}, {E ,PT} sind Normalteiler in
L bzw. in L+, LT, La?
3. Läßt sich L als isomorph zu einem direkten Produkt (vgl. 3.1, Aufgabe 6) einer
der Gruppen L+, L T, La mit einer der diskreten Gruppen auffassen? Gibt es
eine derartige Produktzerlegung für L+, L T, La mit L~ als Faktor?
Man gebe in analoger Weise eine raumartige Drehung an, die zwei raumartige
Vektoren m, n gleicher Länge ineinander überführt. Bezüglich welcher Beob-
achter u ist das eine rein räumliche Drehung?
5. Eine Untergruppe von .c~, die einen zeitartigen Vektor fest läßt, ist - wie aus der
Normalform (3.2.7) ersichtlich - eine Drehgruppe. Man zeige unter Benützung
von AU,u" daß je zwei solche Drehgruppen zu u, u' in .c~ konjugierte Unter-
gruppen sind.
6. Man zeige für die Nebenklassen zu .c~, daß die Zahl der benötigten Spiegelungen
::; 4 gemacht werden kann .
ü = L(g)u, (6.4.1)
bei aktiver Interpretation den Raum V 4 der Vierervektoren linear in sich abbildet,
wobei Viererskalarprodukte invariant bleiben:
Nach Definition des Produkts zweier Gruppenelemente g1, g2 handelt es sich hier
um das abstrakte Element, das der Transformation L(gd L(g2) zugeordnet ist:
(6.4.3)
Dabei gehört zum Einselement e der abstrakten Gruppe die identische Transformation
E = L(e), zum Inversen 9- 1 von 9 die Transformation L(9- 1 ) = L- 1 (g).
146 6. Die Lorentzgruppe und einige ihrer Darstellungen
Fassen wir nun die abstrakte Gruppe als das Primäre auf, dann ist die Zuordnung
9 - t L(g) eine Realisierung der abstrakten Gruppe als Transformationsgruppe, die
auf einem Raum wirkt. Dabei ist die Zuordnung so, daß
e - t id, (6.4.4)
wo id die identische Abbildung des Raumes in sich ist. Der Raum, um den es sich
hier handelt, ist ein Vektorraum, und die Transformationen sind lineare Abbildungen
des Raumes in sich. Man spricht dann von einer linearen Realisierung der abstrakten
Gruppe oder von einer Darstellung der Gruppe, (6.4.4) heißt die Darstellungseigen-
schaft der Zuordnung, der Vektorraum der Darstellungsraum.
Im Fall der Realisierung als passive Transformationen ist der Vektorraum, um
den es sich hier handelt, der Raum R4 der Koordinatenquadrupel u = (u i ) , d.h . der
Spaltenvektoren, und die Transformationen sind unmittelbar durch die Matrizen L(g)
gegeben. Wie haben hier eine Matrixdarstellung.
Bei der Realisierung als aktive Transformation ist im obigen Fall der Vektorraum
derjenige der Vierervektoren, V 4 , in dem den abstrakten Gruppenelementen 9 lineare
Abbildungen L(g) zugeordnet sind. Durch Einführung einer festen Basis {ei} erhalten
wir auch hier eine Matrixdarstellung, vgl. (3.3.8,9):
9 -t (L/(g)), (6.4.5)
Stimmt diese Basis {ei} mit jener überein, bezüglich der bei der obigen passiven
Interpretation die Komponenten u i gebildet wurden, so sind die beiden Matrizen
(Lik(g)) und (Lik(g)) zueinander kontragredient (vgl. (3.3.7)):
(6.4.6)
Man kann auch unmittelbar verifizieren: Ist die Zuordnung 9 - t L(g) eine Ma-
trixdarstellung, dann auch die Zuordnung 9 - t L(g) (kontragrediente Darstellung).
Denn wenn L(gd L(g2) = L(g1 g2) ist, so folgt daraus
L SLS-1
-t (6.4.7)
gegeben, wie man leicht nachrechnet (S := (S/)). So erhalten wir zur Darstellung
9 - t L(g) unendlich viele Matrixdarstellungen, je nach Wahl der neuen Basis bzw.
L'(gt} L'(g2) = S L(gt} S-l S L(g2) S-l = S L(gt} L(g2) s:' = S L(gl g2) s:' =
= L'(gl g2).
Bei den Lorentztransformationen sind die Matrixdarstellungen 9 -. L(g) und
9 -. L(g) äquivalent. Aus (6.1.2) folgt nämlich
(6.4.9)
Um zu sehen, daß der obige Standpunktwechsel, bei dem die abstrakte Gruppe das
Primäre ist und die ursprüngliche Transformationsgruppe eine Darstellung von ihr,
nicht trivial ist, betrachten wir das Transformationsgesetz von Tensorkomponenten
unter der zum Element gl gehörenden Lorentztransformation:
(6.4.12)
schreiben. (6.4.11) zeigt dann, daß das Produkt zweier solcher Matrizen
(L(92) (8) L(g2) (8) •••) (L(gt) (8) L(gr) (8) • • •) = L(g2) L(gr) (8) L(g2) L(gr) (8) • ••
(6.4.13)
ist, und daß dies weiter gleich L(g2 gr) (8) L(g2 gr) (8) •• • ist. Die Zuordnung
ist daher eine Darstellung der abstrakten Gruppe, die von der ursprünglichen, "de-
finierenden" Darstellung 9 -. L(g) verschieden ist. Man nennt sie das Kronecker-
produkt1 der Darstellungen 9 -. L(g), 9 -. L(g) (wo L(g), L(g) so oft vorkommen,
wie der Typ des Tensors angibt) . Die explizite Gestalt dieser Matrizen hängt von
der gewählten Anordnung der Tensorkomponenten zum Spaltenvektor ab; wegen der
hohen Dimensionszahlen, die dabei auftreten, wäre es unhandlich, die Matrizen in
10ft auch als direktes Produkt bezeichnet. Dieser Terminus wird jedoch auch in anderen Bedeu-
tungen verwendet .
148 6. Die Lorentzgruppe und einige ihrer Darstellungen
üblicher Form anzuschreiben und zu multiplizieren, als Ersatz dient die Multiplika-
tionsregel (6.4.13). (Bei der Transformation von Vierertensoren p-ter Stufe würde es
sich etwa um 4P x 4P-Matrizen handeln!)
Es ist für die "definierende" Darstellung 9 - L(g) trivial und gilt in ,Cl, 'co
für die obigen Kroneckerprodukte, daß die Zuordnung zwischen 9 und der darstel-
lenden Matrix umkehrbar eindeutig ist , also ein Isomorphismus zwischen abstrakter
Gruppe und zugeordneter Matrix- bzw. Transformationsgruppe besteht (treue Dar-
stellungen). Der Darstellungsbegriff wird aber etwas weiter gefaßt in dem Sinn, daß
eine Darstellung ein Homomorphismus der abstrakten Gruppe in die Gruppe der
nichtsingulären Transformationen T eines linearen Raumes V ist:
gl g2 - T 9 t 92 = r; T g2 (6.4.15)
9 - Tg mit
e- idv .
9 -1, gl g2 - 1 = 1 . 1. (6.4.16)
Diese Darstellung heißt die triviale Darstellung; sie ist für jede Gruppe möglich.
Auch die Vielfachen eines invarianten Tensors wie Sik bilden einen eindimensionalen
Raum, auf dem die Gruppe wie die Identität wirkt. Man sagt, ein invarianter Tensor
transformiert nach der trivialen Darstellung.
Eine nichttriviale eindimensionale Darstellung von ,C erhält man im Raum der
Pseudoskalare (Komponenten eines Determinantentensors): Die Transformationsge-
setze
fl)mn = (det L t 1
fijmn
(6.4.17)
fl)m n = det L f ijmn
zeigen, daß die Zuordnung 9 - det L(g) eine eindimensionale Darstellung ist, wie
auch unmittelbar nachgerechnet werden kann. Bei Einschränkung auf die Unter-
gruppe ,C+ wird sie trivial. (In gruppentheoretischer Sprechweise ist ,C+ der Kern
des Homomorphismus 9 - det L(g) und damit ein Normalteiler; die Faktorgruppe
,C/,C+ ~ {E ,P} oder {E,T} wird treu dargestellt.)
Eine weitere eindimensionale Darstellung von ,C ist 9 - sign LOo(g); sie wird
trivial bei Einschränkung auf ,Cl. Das Kroneckerprodukt der letzten beiden Darstel-
lungen ist 9 - sign LOo det L(g), eine eindimensionale Darstellung, die für 'co trivial
ist .
Die angeführten Beispiele zeigen, daß der Begriff der Darstellung einer Gruppe die
geeignete mathematische Formulierung für "Größen, die sich unter der Gruppe linear-
homogen verhalten" ist : derartige Größen sind Vektoren aus Darstellungsräumen der
6.5 Direkte Summen 149
Gruppe. Vom systematischen Standpunkt aus wird man sich nun für alle Darstellun-
gen einer Gruppe interessieren, wobei für die Fragestellungen der Quantenmechanik
auch unendlichdimensionale, komplexe Vektorräume (Hilberträume) und zwei zusätz-
liche Verallgemeinerungen (siehe Abschnitt 9.2) zuzulassen sind.
Aufgabe
Gibt es eine eindimensionale Darstellung von (" die für (,~, aber nicht für (,+, (,T,
(,0trivial ist ?
V - 9kv
tk
, V
lIä _
-
T"O'
9 ßV
IIß
, (6.5.3)
V
I. lIä
V
= t" T"O' Ik IIß = .' (T'9 '61 T")
9 k 9 ßv v
tO.
9
iO'kß vIk vIIß . (6.5.4 )
(Die gewohnte Matrixform dieser linearen Transformation erhält man, indem man die
Doppelindizes ux, kß durch einfache Indizes ersetzt, die dim (V') . dim (V") Wert e
annehmen.) Man sieht sofort, daß die zu (6.4.13) analoge Multiplikationsregel
(T'9' 0 T")
9'
(T'92 0 T")
92
= T'9' T'92 0 T" T"
9' 92
(6.5.5)
gilt, die die Darstellungseigenschaft von 9 --+ T; 0 T;' auch formal zu verifizieren
gestattet.
Zur Bildung der direkten Summe ordnet man die Komponenten vii, o"" zu Spalten
(vii, v"O')T an, die nach
(6.5.6)
transformieren. Für die in (6.5.6) auftretenden Blockmatrizen, die man auch symbo-
lisch T; T;'
EB schreibt, gilt offensichtlich als Produktregel
(6.5.7)
woraus die Darstellungseigenschaft von 9 --+ T; EB T;' unmittelbar folgt. Es ist auch
leicht, das Distributivgesetz
Wir kommen nun zum entscheidenden Begriff der Darstellungstheorie, zum Begriff
der irreduziblen Darstellung. Um zu entscheiden, ob sich eine gegebene Darstellung
9 --+ T9 im Vektorraum V als direkte Summe T; EB T;' auffassen läßt , bemerken wir,
daß in (6.5.1) die Vektoren (V ' k, 0) wieder in Vektoren derselben Form übergeführt
werden . Diese Vektoren bilden einen linearen, unter (allen Transformationen) der
Darstellung T;EB T;' invarianten Teilraum. Durch Äquivalenztransformationen geht
die Blockform (6.5.2) zwar verloren, doch existiert auch weiterhin ein invarianter
Teilraum, der aber nicht durch die Vektoren (v'k, 0) gegeben ist.
Notwendig für die Äquivalenz einer Darstellung zu einer direkten Summe anderer
Darstellungen ist die Existenz eines unter der Darstellung invarianten Teilraumes.
6.5 Irreduzible Darstellungen 151
Falls ein (nichttrivialer, d.h. vom ganzen Raum und dem Nullvektor verschiedener)
derartiger Teilraum existiert, heißt die Darstellung reduzibel, im gegenteiligen Fall
irreduzibel .
Eine der wichtigsten Aufgaben der Darstellungstheorie ist die Suche nach allen
inäquivalenten irreduziblen Darstellungen.
In (6.5 .1) bilden auch die Vektoren (O, v"ß) einen invarianten Teilraum, und je-
der Vektor läßt sich eindeutig in eine Summe zweier Vektoren (v'k, 0) und (O, v"ß)
aus den beiden invarianten Teilräumen zerlegen. Reduzible Darstellungen dieser Art
heißen zerfallend. Nicht jede reduzible Darstellung zerfällt in andere Darstellungen,
da hierfür mindestens zwei invariante Teilräume mit den angegebenen Eigenschaften
existieren müssen .
Eine zweite wichtige Aufgabe der Darstellungstheorie ist die Entwicklung von Me-
thoden, mit denen man die Reduzibilität einer vorgelegten Darstellung entscheiden
und sie gegebenenfalls in zwei oder mehrere direkte Summanden zerlegen kann . Vollre-
duzibel nennt man Darstellungen, die bei einem solchem Prozeß des Ausreduzierens in
eine direkte Summe irreduzibler Bestandteile zerfallen": Nach einer geeigneten Äqui-
valenztransformation nehmen dann alle Matrizen Tg der Darstellung eine zu (6.5.6)
analoge Blockform an: .
t; = (
T~
0
Ag)
T~'
T. -
9 -
T'9
( 0
0)
T~'
= T' EB T"
9 9
(6.5.9)
Reduzibel Vollreduzibel
Teilraum der Vektoren (v', 0) Teilraum der Vektoren (v', 0) beide invariant
invariant Teilraum der Vektoren (0, v")
(Ein Beispiel, bei dem Reduzibilität nicht Vollreduzibilität nach sich zieht , werden
wir in Kap . 9 kennenlernen. Auf die funkt ionalanalytischen Verfeinerungen obiger Be-
griffe, die sich bei unendlichdimensionalen Darstellungen als nötig erweisen, können
wir hier nicht eingehen, obwohl wir auch unendlichdimensionale Darstellungen be-
trachten werden; vgl. dazu Neumark (1959) .) Eine häufig auftretende Aufgabe dieser
Art ist die Ausreduktion des Kroneckerprodukts zweier irreduzibler Darstellungen.
Die entsprechende Zerlegung nennt man Clebsch-Gordan-Reihe.
Als erstes Anwendungsbeispiel der allgemeinen Begriffe betrachten wir die aus
dem Transformationsverhalten des elektromagnetischen Feldstärkentensors F fol-
gende Darstellung der (eigentlichen orthochronen) Lorentzgruppe .c~ . Ordnen wir
die Komponenten dieses antisymmetrischen Tensors als "Sechservektor" (E,B) an,
so können wir die Wirkung der Lorentztransformation leicht angeben (wobei wir
die Ortsabhängigkeit der Felder unberücksichtigt lassen) . Bei räumlichen Drehungen
transformieren E und B separat in bekannter Weise, was zur direkten Summendar-
steIlung L R -+ REB R im Raum der Sechservektoren Anlaß gibt. Während Drehungen
also die von den Vektoren der Form (E, 0) und (O, B) gebildeten Teilräume invariant
lassen, werden diese nach (5.8.5) durch Geschwindigkeitstransformationen vermischt.
lGleichwertig: bei denen jeder invariante Teilraum ein invariantes Komplement besitzt - vgl.
etwa Hein (1990), p. 143.
152 6. Die Lorentzgruppe und einige ihrer Darstellungen
Interessanterweise ist aber diese Darstellung nur scheinbar irreduzibel, wenn man zu
komplexen Basisvektoren und komplexen Vektorkomponenten übergeht! Setzen wir
F± = E±iB, (6.5.10)
(6.5.11a)
- , -I .
F_ = ,F_ - + t,V
- 2 - ( F_ v)v X F_ (6.5.11b)
v
geschrieben werden, bei der F ± völlig separat transformiert werden , wie dies natürlich
auch für räumliche Drehungen der Fall ist. Wegen der Produktzerlegung L = LR Lv
nimmt dann auch die Darstellung aller allgemeinen Elemente L E .c~ zugleich Block-
form an . Bei Zugrundelegung des komplexen Zahlenkörpers C (I<omplexijizierung des
zunächst reellen Darstellungsraums) zerfällt also die Sechservektordarstellung in zwei
(zueinander konjugiert-komplexe) dreidimensionale Darstellungen. Sie sind - bereits
für räumliche Drehungen - irreduzibel.
Bemerkenswert ist, daß die Transformationen (6.5.11) komplex-orthogonal sind -
so geht etwa (6.5.11a) mit v ]» = n und, = cos 0 , i,v = sin 0 (wo 0 imaginär) in
(1.3.1) mit F+ statt x und n statt Ot/o über. Daher sind auch die beiden Darstellun-
gen der allgemeinen Lorentztransformationen komplex-orthogonal, und der Ausdruck
(6.5.12)
ist invariant: Real- und Imaginärteil sind gerade die früher diskutierten Invarianten
(5.8.1) des Feldstärkentensors.
Die Matrizen der beiden gefundenen Teildarstellungen gehören jeweils zur kom-
plex-orthogonalen Gruppe SO(3,C). Da in (6.5.11) die identische Transformation nur
für v = 0, d.h. für das Einheitselement in .c~ entsteht und auch SO(3,C) sechspara-
metrig ist (3 komplexe = 6 reelle Parameter), erhalten wir hier einen Isomorphismus
.c~ ~ SO(3, C).
Wie erwähnt sind (6.5.11a, b) zueinander komplex-konjugiert, man erhält (6.5.11b)
aus (6.5.11a) durch komplexe Konjugation. Die beiden Darstellungen sind inäquiva-
lent, wie sich noch herausstellen wird . Allgemein erhält man aus einer Darstellung
g - t Tg durch komplexe Matrizen mittels komplexen Konjugierens eine neue Darstel-
lung 9 - t T;, die zu Tg äquivalent oder inäquivalent sein kann.
Abstrakt gesprochen: zu einer Darstellung in einem komplexen Vektorraum V gehört die
konjugiert-komplexe Darstellung im konjugiert-komplexen Vektorraum V· (siehe Anhang B 3). Ma-
thematisch hat man Gruppendarstellungen in Vektorräumen über verschiedenen Zahlenkörpern zu
unterscheiden : Betrachtet man Darstellungen in Vektorräumen über dem Körper der reellen Zah-
len, dann ist (6.5.10) irreduzibel; bei Zugrundelegung des Körpers der komplexen Zahlen dagegen
reduzibel. In der Physik bezieht man üblicherweise den Reduzibilitätsbegriff auf den Körper C der
komplexen Zahlen. Dies hat zwei anscheinend unabhängige Gründe .
Der erste ist mathematische Bequemlichkeit: die Darstellungstheorie über eist - im wesentlichen
wegen des Fundamentalsatzes der Algebra, d.h. wegen der algebraischen Abgeschlossenheit von C
6.5 Irreduzible Darstellungen 153
- einfacher als üb er dem Körper R der reellen Zahlen, und die Darstellungstheorie üb er R wird am
besten aus jener über C gewonnen.
Der zweite Grund aber ist die mathematische Struktur der Quantenmechanik, die bekanntlich
mit komplexen Hilberträumen arbeitet . Natürlich kann man stets durch Übergang zu Real- und
Imaginärteil zu einer bloß mit R arbeitenden Formulierung gelangen, die aber dann ebenso "nach
komplexen Zahlen schreit" , wie die Manipulation trigonometrischer Funktionen durch Verwendung
der Exponentialfunktion mit komplexen Exponenten vereinfacht wird .
Historisch merkwürdig bleibt , daß die Quantenmechanik bereits in dieser komplexen Form ent-
deckt wurde - es hätte auch and ers sein können , vgl. den pädagogischen Artikel von J ensen und
Hepp, "Klassische Feldtheorie der polarisierten Kathodenstrahlung und ihre Quantelung" Sitz . B.
Heidelb . Akad . Wiss ., Math . Naturw . Kl. 1971/4, pp . 89-122, sowie R.G. Gehrenbeck, Physi cs Today,
31, No.l , 34 (1978) zur Geschicht e der Materiewelleninterferenzexperimente.
Um die Relevanz der betrachteten Komb ination F + = E + iB zu beleuchten , weisen wir darauf
hin, daß die Maxwellsehen Gleichung en im Vakuum , (5.2 .1,2) mit p = 0, j= 0, sich komplex
zusammenfassen lassen als
oder auch
divF _ = 0, (6.5.13b)
wie es der Lorentzinvarianz der Gleichungen und der oben gefunden en Reduzibilität entspricht .
Dabei ist wesentlich , daß man mit E + iB = : F + (oder E - iB = : F _) jeweils allein auskommt :
stünde etwa im Induktionsgesetz das umgekehrte Vorzeichen (was physikalisch verheerende Folgen
hätte) , müßte man E+ iB und E - iB gleichzeitig verwenden , wenn mit diesen Variablen gearb eit et
werden soll , und es tr äte keine Vereinfachung ein, es läge keine "komplexe Struktur" (Anhang B.6)
in den Gleichungen verborg en . Der direkten Entdeckung der Schrödingergleichung in komplexer
Gestalt entspräche eine Entdeckung der Vakuum-Maxwellglei chungen in der Form rot F + =
div F += 0, von der man nachträglich mittels Re F + z; ' E, Im F + =
i*,
B wieder zur reellen Gestalt
zurückgelangt . Dementsprechend gilt für die Vakuumgleichungen wie in der Quantenm echanik ein
komplexes Superpositionsprinzip : mit F +, F+ ist auch cF + + c/F+ Lösung, wo c, c' E C . Das
einzig Neue dab ei sind die Dualitätsrotationen F + -+ eiaF + (o reell). Die Natur der Quellen des
Maxwellfeldes - genauer das experimentell konstatierte Fehlen von magnetischen Ladungen und
Strömen - zerst ört ab er bei den inhomogenen Gleichungen die Invarianz unter Dualit ätsrotationen .
Aufgaben
über ganzC variiert. Ist das Feld gemäß (5.2.13) an seine Quellen gekoppelt,
so muß das Spiegelungsverhalten dem der Quellen (vgl. Aufgabe 2) angepaßt
sein. Wie lautet das entsprechend korrigierte Transformationsverhalten unter
ganz .c? Man diskutiere das Resultat anhand des Örsted-Experimentes durch
Ausführung aktiver Raumspiegelungen bzw. Bewegungsumkehr. Nach welcher
Darstellung transformiert der duale Feldstärkentensor?
4. Man zeige, daß die unter .c~ invarianten Teilräume {E ± iB} auch unter .c+
invariant sind, jedoch bei Raum - und Zeitspiegelungen ineinander transformie-
ren .
5. Man zeige, daß die definierenden Darstellungen von SO(3,R) und .c~ irredu-
zibel sind und auch nach Komplexifizierung irreduzibel bleiben . (Man schließe
nichttriviale Teilräume der Dimensionen 1, 2, 3 aus.)
7. Man zeige: Ist V' C V ein invarianter Teilraum, so kann auch im Quotienten-
raum V IV' in natürlicher Weise eine Darstellung definiert werden. Wie hängen
die Darstellungen in V', V IV' mit den in (6.5.9) auftretenden Matrizen T~, T~'
zusammen?
8. 9 ~ Tg sei eine reelle Darstellung von g, d.h. die Tg sind lineare Operatoren
in einem reellen Vektorraum V . Die Darstellung sei reell-irreduzibel und werde
komplexifiziert, d.h. die Tg werden zu komplex-linearen Operatoren T; auf dem
komplexifizierten Vektorraum VC ausgedehnt. Man zeige, daß die entstehende
komplexe Darstellung entweder irreduzibel ist oder in zwei irreduzible, komplex-
konjugierte Darstellungen zerfällt .
Anleitung: Ist W C VC unter den T; invariant und bedeutet • die komplexe
Konjugation in VC, so ist auch W· und damit W n W· sowie die lineare Hülle
-< W u W· )- invariant. Man folgere nun W n W· = {o}, W EB W· = V C!
v,wEV Ci,ß E C,
Te = idv (6.6.1)
besitzen. (idv ist die identische Abbildung von V auf sich). Durch Wahl einer Basis
{ei} in V kann man bei Bedarf von Tg zu den früher eingeführten Matrizen Tg = (Tgik )
zurückkehren (siehe dazu Abschnitt 3.3), wie dies bei konkreten Anwendungen meist
notwendig ist .
Die Darstellung Tg heißt reduzibel, wenn ein nichttrivialer linearer Teilraum
VI C V existiert, so daß für alle t;
(6.6.2)
(genauer: Tgv E VI für v E Vt} erfüllt ist. VI heißt unter der Darstellung invariant.
Bei irreduziblen Darstellungen sind nur V selbst und {o} invariant.
Zwei Darstellungen 9 ~ Tg , 9 ~ T: in den Räumen V, V' heißen äquivalent,
Tg ~ T:, wenn eine umkehrbar eindeutige lineare Abbildung S von V auf V' mit
Tg = S-IT:S für alle 9 E g existiert (siehe dazu (6.4.8)). Die Äquivalenz kann
wegen S Tg = T: S auch durch das in Abb. 6.3 gezeigte kommutative Diagramm
illustriert werden.
Die (äußere) direkte Summe V = V' EB V" zuieier Vektorräume ist die Menge aller
Paare (v', v") = : v' EB v" , versehen mit der Vektorraumstruktur
Die Vektoren v'EBo" und o'EBv" bilden zwei Teilräume VI und V 2 von V . Jeder Vektor
aus V' EB V" ist eindeutig als Summe eines Vektors VI aus V I und eines Vektors V2
aus V 2 darstellbar:
(6.6.5)
p I2 = PI, Pi = P2 ,
PIP2 = 0, P2PI = 0, (6.6.6)
PI +P2 = idy . (I< omplementäre Projektionen)
Diese Relationen gelten für jeden Vektorraum V, in dem zwei Teilräume VI und V 2
gegeben sind, so daß sich jeder Vektor v E V eindeutig in der Form V = VI + V2
schreiben läßt, wobei VI E VI, V2 E V 2 • V ist dann zur direkten Summe VI EB V 2
6.6 Schursches Lemma 157
isomorph und heißt deren innere direkte Summe. Entsprechendes gilt für mehrere
Summanden.
Es ist zu betonen, daß die Einführung der Projektionsoperatoren P nur möglich ist , wenn die
Zerlegung von V als direkte Summe vorliegt . Die Auszeichnung eines der beiden Teilr äume allein
reicht noch nicht aus , um eine Projektion auf ihn zu definieren . Dies ist nur möglich, wenn in V ein
geeigneter Orthogonalitätsbegriff, d .h. ein Skalarprodukt eingeführt ist; vgI. Abschnitt 7.5.
Ist hingegen ein idempotenter linearer Operator PI : V -+ V , Pr = PI, gegeben , so definiert
PI V = V I einen linearen Teilraum, ebenso P2 : =
id y - PI einen Teilraum V 2; auch P2 ist
idempotent:
und erfüllt
=
PIP2 PI - Pr = PI - PI =0, ebenso
=
PI + P2 idy.
Es ist leicht zu sehen, daß V =
V I \17 V 2 ist . Die Existenz eines (nichttrivialen, d .h. vom Null- und
Einheitsoperator verschiedenen) idempotenten Operators definiert also eine Zerlegung des Raumes
in eine direkte Summe.
Sind in zwei Vektorräumen V' und V" Darstellungen T; und T;' einer Gruppe 9
definiert, so wird die direkte Summe T; EB T;' der Darstellungen als Abbildung von
V' EB V" in sich erklärt, für die
Die Reduzibilität der Darstellung bei Vorhandensein des mit allen Tg kommutieren -
den Operators P' illustriert nochmals das Schursehe Lemma. Bei Vorhandensein eines
idempotenten Operators P, p2 = P , der mit allen Tg kommutiert, zerfällt die Dar-
stellung sogar, da mit P auch idv - P mit Tg vertauscht.
Die Umkehrung des Schursehen Lemmas gilt übrigens im allgemeinen nicht: wenn
die Kommutante einer Darstellung trivial ist, d.h., nur die Vielfachen der Identität
mit allen Tg kommutieren, folgt daraus nur, daß die Darstellung nicht zerfällt, jedoch
nicht, daß sie irreduzibel ist. (Ein Gegenbeispiel ist in Aufgabe 10 angegeben; ein
invarianter Teilraum allein definiert, wie oben erwähnt, noch keine Projektion.)
Als Beispiel zu diesen allgemeinen Überlegungen betrachten wir die einfachsten
Tensordarstellungen der Lorentzgruppe.
Im Raum der Vierertensoren D zweiter Stufe bilden die symmetrischen und anti-
symmetrischen Tensoren lorentzinvariante Teilräume.
158 6. Die Lorentzgruppe und einige ihrer Darstellungen
Die Tensordarstellung 9 - t L(9) 0 L(9) (siehe (6.4.12), aber hier aktiv zu inter-
pretieren) ist folglich reduzibel. Die Projektion auf die beiden Teilräume ist durch die
Zerlegung
'k 1 ( D'mDn-D'nDm
PA'mn:=2" ' k . k)
(6.6.11)
invariante Tensoren sind, die (als Abbildungen) mit den Transformationen L(9 )0L(9)
kommutieren. In den Teilräumen wirken Ps und PA als Identität, während Ps auf
antisymmetrische, PA auf symmetrische Tensoren angewendet Null ergibt. (6.6.9)
bedeutet Ps + PA = id.
Bei Tensoren höherer Stufe sind die durch (5.5.3,5) definierten Operatoren der totalen Syrn-
metrisierung bzw. Antisymmetrisierung wieder idempotent (vgl. Aufgabe 1 zu Abschnitt 5.5), ihre
Summe ergibt jedoch nicht die Identität im betreffenden Tensorraum, da es neben totaler Symmetrie
bzw. Antisymmetrie noch weitere Symmetrietypen gibt - vgl. Boerner (1955).
(6.6.14)
In den Teilräumen - dem Raum der Vielfachen von TJik bzw. dem Raum der spurfreien
symmetrischen Tensoren - entstehen die triviale Darstellung bzw. eine neundimen-
sionale Darstellung, deren Irreduzibilität wir noch zeigen werden.
Im Raum der antisymmetrischen Tensoren F ist eine weitere Zerlegung in unter
der vollen Lorentzgruppe .L invariante Teilräume nicht möglich (siehe Aufgabe 4 zu
Abschnitt 6.5). Das Kroneckerprodukt L(9)0L(9) der Vektordarstellungen der vollen
Lorentzgruppe .L zerfällt daher in drei Anteile
5 ikmn F m n ._
.-
*Fik _
-
Leik
2<' mn
F?" , (6.6.16)
mit allen Transformationen L(g) ® L(g), 9 E .c+, da f iklm (unter .c+) ein invarianter
Tensor ist . Nach dem Schursehen Lemma ist die Darstellung von .c+ im Raum der
antisymmetrischen Tensoren F daher reduzibel. Aus der Herleitung des Lemmas geht
hervor, daß wir zur Suche nach invarianten Teilräumen die Eigenvektoren von 5 (hier:
"Eigentensoren" der *-Operation) zu ermitteln haben. Wegen (5.5 .6) gilt 52 = -id,
für die Eigenwerte folglich S2 = -1, s = ±i und für die gesuchten Tensoren
F ~(F - i *F)2
=2 + ~(F + i *F)
' (6.6.18)
selbstdual antiselbstdual
Die beiden Anteile entsprechen gerade -(E + iB)/2 bzw. -(E - iB)/2. Die früher
angegebenen Überlegungen zeigen, daß die sich ergebenden Teildarstellungen irredu-
zibel und inäquivalent sind.
Fassen wir die Ergebnisse über Tensoren zweiter Stufe zusammen : Das Kronecker-
produkt L(g) ® L(g) zweier (irreduzibler) Vierervektordarstellungen L(g) von c; ist
reduzibel, wobei die CIebsch-Gordan-Zerlegung in irreduzible Anteile durch
Operator in V 0 W mit Matrix t-, DOtß. Die Rechengesetze für 0 können hieraus
leicht abstrahiert werden.
Aufgaben!
Während die Sätze von Aufgaben 1,2 über beliebigen Grundkörpern gelten, da
sie nur Schur I benützen, ist in den folgenden Aufgaben stets C als Grundkörper
vorausgesetzt.
3. Man beweise den zweiten Teil des Schursehen Lemmas durch Zurückführung
auf den ersten Teil: Aus Tg S = S Tg folgt auch Tg (S - s idv ) = (S - s idy) Tg
für alle sEC. Was folgt nun, wenn s so gewählt wird, daß S - s idy singulär
wird?
4. Man zeige, daß für zwei gegebene äquivalente irreduzible Darstellungen die
Äquivalenzabbildung bis auf einen Zahlfaktor =1= 0 eindeutig ist.
Hinweis: S, S' seien zwei mögliche Äquivalenzabbildungen; man betrachte
S-1 S' und verwende das Schursehe Lemma.
Matrizen haben). 3. 55· = -id (quaternionischer Typ, weil hier die Darstel-
lungsdimension durch Verwendung von Quaternionen halbiert werden kann, wie
wir aber nicht näher ausführen wollen).
6. Eine vollreduzible Darstellung sei ein Vielfaches einer irreduziblen (auch iso-
typ ische oder Faktordarstellung genannt), d.h., bei einer Ausreduktion V =
= VI EB V 2 EB . . . EB V h mögen sich alle V jJ als äquivalent zu einem irreduziblen
Darstellungsraum V o erweisen; AjJ : V o -+ V jJ seien fest gewählte Äquivalenz -
abbildungen. Man zeige:
i) Zu jeder Wahl von Verhältnissen a l : a 2 : • • • =F 0 : 0 : .. . gehört ein
invarianter, zu V o äquivalenter irreduzibler Teilraum
ii) Jeder irreduzible invariante Teilraum V' C V läßt sich mit eindeutig be-
stimmten Verhältnissen a l : a 2 : .•• in der Form (6.6.20) schreiben, ist also zu
V o äquivalent.
iii) Jede Ausreduktion hat die Gestalt
V = V~ EB V~ EB . .. EB Vi.
(6.6.21)
'-A'V
V ,jJ'- jJ 0 , für Vo E v.,
wo a PjJ eine nichtsinguläre h x h-Matrix ist; umgekehrt liefert jede solche Matrix
gemäß (6.6.21) eine Ausreduktion.
Hinweise : ad i) A' besitzt eine Inverse, da A'vo = 0 für Vo =F 0 eine nicht-
triviale Zerlegung des Nullvektors bezüglich der V jJ ergäbe. ad ii) Mit SjJ
wie in der Anleitung zu Aufgabe 1 kann man auf die Abbildungen A l l51 ,
AilS2, . . . den Satz von Aufgabe 4 anwenden. ad iii) Zu gegebener Ausre-
duktion V~ EB V~ EB . .. kann die Matrix a nach ii) gebildet werden; wäre sie
singulär, ergäbe die lineare Abhängigkeit ihrer Spalten sofort eine nichttriviale
Zerlegung des Nullvektors bezüglich der V~. Für die Umkehrung beachte man
V jJ = {v = (a- l )PjJ A~ Vo I Vo E Vo} und die Dimensionen.
10. Die Matrizen der Form (~ ~) mit a :I 0 bilden eine Gruppe und zugleich
eine reduzible Darstellung davon . Man zeige, daß nur die Vielfachen der Ein -
heitsmatrix mit allen derartigen Matrizen kommutieren. Für die Untergruppe
mit a = 1 ist die Kommutante nichttrivial, die Darstellung zerfällt aber nicht.
11. Man untersuche die Kommutante einer reellen irreduziblen Darstellung, indem
man zuerst die Kommutante ihrer Komplexifizierung (vgl. Aufgabe 8 von Ab-
schnitt 6.5) studiert.
Anleitung: Ist die Komplexifizierung irreduzibel, so ist die reelle Kommutante
offenbar gleich Ridv (reeller Typ). Zerfällt sie hingegen in zwei konjugiert-
komplexe Teildarstellungen in den Teilräumen W, W*, auf die P, P* projizie-
ren mögen, sind zwei Fälle möglich. a) Die Teildarstellungen sind in äquivalent;
dann ist die reelle Kommutante Ridv + R1, wo 1 durch seine Komplexifizie-
rung 1c := i(P - P*) bestimmt ist und J2 == -idv erfüllt (komplexer Typ).
b) Die Teildarstellungen sind äquivalent, es sei Seine Äquivalenzabbildung wie
in Aufgabe 5; dann ist die reelle Kommutante Ridv + R1 + RJ + R1<, wo 1,
J , 1< durch ihre Komplexifizierungen JC := i(P - P*), JC := PS* P* + P*SP,
K" := i(PS* P* - P*SP) bestimmt sind und 12 == -idv, 1 J +J 1 == 0, I J == K,
J2 == f{2 == ±idv für S*S = ±idw erfüllen; das obere Vorzeichen scheidet aus,
sonst hätten J, K reelle invariante Eigenräume (quaternionisch er Typ).
7 Darstellungstheorie der Drehgruppe
Bevor' wir die irreduziblen Darstellungen der Lorentzgruppe suchen, behandeln wir
das gleiche Problem für die Drehgruppe SO(3,R). Vier Gründe sind dafür ausschlag-
gebend:
a) Die allgemeinen Methoden lassen sich anhand der Drehgruppe einfach erläutern.
b) Die in Abschnitt 6.5 erwähnte Isomorphie zwischen .c~ und der komplexen
Drehgruppe SO(3,C) läßt erwarten, daß analytische Fortsetzungen der Dar-
stellungen von SO(3,R) zu solchen der Lorentzgruppe führen (wobei sich zwar
nicht alle Darstellungen ergeben , die verbleibenden aber leicht ermittelt werden
können) .
c) Die unitären Darstellungen der Drehgruppe spielen in der Quantenmechanik des
Drehimpulses eine wichtige Rolle, so daß sich leicht Querverbindungen zwischen
den hier abstrakt behandelten Problemen zu physikalischen Anwendungen her-
stellen lassen.
d) Die Darstellungen von SO(3,R) werden in der Darstellungstheorie der Poin-
caregruppe in Kapitel 9 benötigt.
Die (endlichdimensionalen) Darstellungen der Drehgruppe SO(3,R) lassen sich
bereits mit elementaren Mitteln klassifizieren und konstruieren. Man kann aber auch
ohne Schwierigkeiten die volle Reduzibilität reduzibler Darstellungen beweisen und
die Reduktion ausführen und schließlich die Resultate von der SO(3,R) auf die
SO(3,C) und auf die (eigentliche orthochrone) Lorentzgruppe .c~ ausdehnen. Dieser
Weg, zu den (endlichdimensionalen) Darstellungen der Drehgruppe und der Lorentz-
gruppe zu gelangen , ist z.B. bei Cartan (1966) zu finden.
Die Verwirklichung des Relativitätsprinzips in der Quantentheorie verlangt es
aber, Darstellungen der Poincaregruppe im Raum der Quantenzustände, also in einem
Hilbertraum, zu betrachten und dort unitäre Darstellungen zu konstruieren (siehe
Abschnitt 9.2). Hierfür sind jedoch tiefliegende funktionalanalytische Hilfsmittel und
die Integrationstheorie auf Gruppen nötig . Es ist nicht möglich, hier die erforderli-
chen Begriffe dafür genau zu definieren, geschweige denn, die fundamentalen Sätze
zu beweisen. Wir werden deshalb einige dieser Sätze zitieren und, was unendlichdi-
mensionale Darstellungen anlangt, mit formalen Analogien zum endlichdimensionalen
Fall operieren, denen ein wohldefinierter Sinn erst mit funktionalanalytischen Kon-
struktionen zugeschrieben werden kann (die formale Analogie sagt, was man gerne
haben möchte, die Konstruktionen zeigen, was man haben kann).
Für die Drehgruppe (wie für jede kompakte topologische Gruppe) ergibt die all-
gemeine Theorie unter anderem, daß jede Darstellung äquivalent zu einer unitären
Darstellung und damit vollreduzibel ist, wobei die irreduziblen Darstellungen endlich-
dimensional sind. Wir werden daher den Begriff der unitären Darstellung einführen
164 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
und die irreduziblen unitären Darstellungen konstruieren. Methodisch neu ist dabei
gegenüber den früheren Kapiteln der systematische Gebrauch von Gruppenelementen
nahe dem Einheitselement, also sogenannter infinitesimaler Transformationen.
Diese Vorgangsweise ist nicht notwendig, man kann die irreduziblen Darstellungen
auch global konstruieren, den Begriff eines vollständigen Systems solcher Darstellun-
gen formulieren und die Vollständigkeit des gefundenen Systems beweisen , ohne vom
Infinitesimalen Gebrauch zu machen. Jedoch ist der Gebrauch der infinitesimalen
Transformationen in Physik und Geometrie nützlich und notwendig. Dabei ergeben
sich als neue Objekte Spinoren, die zu den bisher betrachteten Tensoren hinzutreten
und erst bei nachheriger globaler Betrachtung des Darstellungsproblems eliminiert
werden. Sie erweisen sich jedoch auch für tensorielle Fragestellungen nützlich und
müssen für die quantenmechanische Version des Darstellungsproblems mitbetrachtet
werden .
b) als Matrixgleichung für diese Transformation, wenn sie aktiv ausgeführt wird.
x und x' symbolisieren dann die aus Komponenten in bezug auf eine feste,
orthonormierte Basis des Vektors x bzw. des gedrehten Vektors x' gebildeten
Spaltenvektoren und R die orthogonale Matrix mit det R = +1, die sie verbin-
det.
c) Als Matrixgleichung für die passiv ausgeführte Transformation, bei der nur die
Basisvektoren verdreht, der Punkt aber festgehalten wird. Dann sind x und
x' Spaltenvektoren, die vom Koordinatentripel desselben Vektors bezüglich ur-
sprünglicher und gedrehter Basis gebildet werden und R die Matrix, die zwi-
schen beiden vermittelt.
Die drei verschiedenen Lesarten von (7.1.1) werden üblicherweise nicht durch un-
terschiedliche Schreibung kenntlich gemacht, und wir wollen dies hier der Einfachheit
halber auch unterlassen. Es ist aber zu beachten, daß die Matrizen R in den Versio-
nen b) und c) zueinander invers sind, wenn dieselbe Drehung, die bei b) bei fester
Basis auf alle Vektoren wirkt, bei c) auf diese Basis allein angewendet wird , um die
urigeänderten Vektoren auf die neue Basis zu beziehen.
Die Verwendung der Indexschreibweise
(aktive Transformation) (7.1.2)
7.1 Die Drehgruppe 165
erlaubt es, zwischen den Lesarten b) und c) von (7.1.1) bei Bedarf zu unterscheiden. In
diesem Kapitel werden wir ferner (da wir es stets nur mit dreidimensionalen Größen zu
tun haben) alle Indizes Ji, v, " . = 1,2,3 mit bltv bzw. S'"' hinauf- und hinunterziehen.
Eine aktive Drehung um die Achse a mit Drehwinkel a = lai und Drehsinn
gemäß der Rechtsschraubenregel ist durch
,
= xa x ( ) a xx .
cos o + -2- a 1 - cos o + --- sm o ,
x (7.1.4)
a a
(7.1.5)
gegeben. Der Vorzeichenunterschied zu (1.3.1,2) ist dadurch bedingt, daß hier die Dre-
hungen aktiv aufgefaßt werden, während in Abschnitt 1.3 passive Transformationen
betrachtet wurden.
Für die Matrix Ritv lesen wir ab
(7.1.6)
Die Spur von R - die nicht von der Basis abhängt, auf die sich (7.1.6) bezieht -liefert
den Drehwinkel gemäß
Sp R = 1 + 2 cos o. (7.1.7)
Da eine Drehung um den Winkel a um die Achse 0 = aja und eine Drehung um 211"-
a um die Achse - 0 zum gleichen Ergebnis führen, ist es notwendig, den Drehwinkel
auf 0 ~ a < 11" einzuschränken, um eine eindeutige Zuordnung zwischen Drehung
und Drehvektor zu erreichen. Um alle Drehungen zu erhalten, muß allerdings a = 11"
hinzugenommen werden, wobei in diesem Fall a und -a zur selben Drehung führen .
Jede eigentlich orthogonale Matrix R läßt sich in der Form (7.1.6) schreiben und
liefert eine Drehung um eine geeignete Achse, da aus (7.1.7) und
.
sma- =
alt 1
--f
ItV>' RV>. (7.1.8)
a 2
der Drehwinkel a und die Richtungscosinus alt ja durch die Matrixelemente aus-
gedrückt werden können (und zwar bis auf den erwähnten Fall a = 11" eindeutig,
wobei RTR = 1 reelles a sichert) . Ferner ist a der einzige unabhängige Eigenvektor
von R = R( a) =/:. 1 zum Eigenwert 1. Dies führt zur Bestimmung von a für o = 11",
wo (7.1.8) versagt.
Die anderen beiden Eigenvektoren liegen in der Ebene senkrecht zu a, sind komplex konjugiert,
haben euklidische Länge 0 ("isotrope Vektoren" dieser Ebene ; der Name kommt gerade daher, daß
sie bei der durch R bewirkten Drehung der Ebene ihre Richtung nicht ändern) und gehören zu den
Eigenwerten exp(±iO') . Ihre Betrachtung erscheint zunächst überflüssig, es zeigt sich aber später, daß
es günstig ist, sie zusammen mit a/O' als Basisvektoren zu verwenden. Gruppentheoretisch ist dies
eine Illustration zum Schursehen Lemma: die Drehungen um die feste Achse a bilden eine kommu-
tative Gruppe, die Matrizen R(a) bilden eine Darstellung hiervon, die nach Komplexifizierungdes
166 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
Darstellungsraums wegen der Kommutativität reduzibel sein muß. Die invarianten Teilräume wer-
den gerade je von a und den beiden erwähnten isotropen Vektoren aufgespannt. (Für die Gültigkeit
=
des Schursehen Lemmas ist die Verwendung des Körpers C der komplexen Zahlen nötig .) Cl' 0, 'Ir
bilden offensichtlich Ausnahmen.
Somit besteht eine umkehrbar eindeutige Zuordnung zwischen Drehungen und den
Punkten der Vollkugel 0 $ lai $ n , wobei die Antipodenpunkte an der Oberfläche
miteinander zu identifizieren sind, wie Abb. 7.1 zeigt, um die Uneindeutigkeit im
Falle 0: = 7r zu beseitigen.
e,
e,
{e/,} sei ein orthogonales Rechtssystem von Basisvektoren, {e~} ein dagegen ver-
drehtes. Die Schnittlinie der 1,2-Ebene mit der 1',2'-Ebene ist die Knotenlinie (deren
7.2 Infinitesimale Transformationen 167
Orientierung durch e3 x e; gegeben ist) . Nun wird {ej.l} in {e~} durch drei aufeinan-
derfolgende positive (also mit den orientierten Drehachsen Rechtsschraubungen bil-
dende) Drehungen übergeführt: eine Drehung um e3 um den Winkel a (0 :::; a < 271") ,
die el in die positive Knotenlinie bringt, eine Drehung um die Knotenlinie um den
Winkel ß, und eine Drehung um e; um den Winkel I (0 :::; I < 271") , die die Knoten-
linie in e~ überführt. Formal ist (0 :::; ß < 271")
=: R(a,ß'I) '
(7.1.9)
Diese Parametrisierung der Drehgruppe ist umkehrbar eindeutig bis auf die Fälle, wo
ß = 0 oder 71" und daher die Knotenlinie unbestimmt ist .
Die inverse Matrix zu R(a,ß'I) ist aus (7.1.9) leicht zu entnehmen, doch fallen die
dabei auftretenden Winkel nicht in den oben angegebenen Definitionsbereich. Man
kann aber verifizieren, daß
(7.1.10)
allen Bedingungen genügt.
Eine weitere Parametrisierung der Gruppe, die auch ihre Multiplikationstafel sehr
einfach liefert, werden wir bei der Spinordarstellung kennenlernen.
Aufgabe
Man gebe die Verknüpfung zwischen a und den Eulerschen Winkeln an.
R= 1 +0, (7.2.1)
wobei die Elemente der Matrix 0 klein von erster Ordnung sein sollen, so daß ihre
Quadrate vernachlässigbar sind. Die Orthogonalität
(7.2.2)
1 Hier verwenden wir, soweit angängig, die "Physikerversion" davon, die unendlich kleine Größen
anschreibt, statt Limiten zu betrachten.
168 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
verlangt dann
n+nT =0, (7.2 .3)
n ist eine infinitesimale antisymmetrische Matrix und kann in der Form
=O'A (7.2.4)
geschrieben werden, wo 0' = (Qll Q2,Q3) und A ein Tripel von Matrizen andeutet:
00 0) , 001)
Al :=
(o 1
0 0 -1
0
A2 :=
( 0 0 0
-1 0 0
,
(7.2.6)
bei genügend großem N wird O'/N hinreichend klein, wir können wie oben R(~) :::::!
So kann jede Drehung aus "infinitesimalen Drehungen" erzeugt werden. Man kann
nachrechnen, daß die Aufsummierung der Potenzreihe für exp(O'A) auf (7.1.5)
zurückführt.
Die Drehungen R(70'0) = exp( 70'0A) bilden (bei variablem 7) eine einparamet-
rige Untergruppe, wobei man für 7 = 0 die Einheit, für 7 = 1 die Drehmatrix R(0'0)
erhält. Jede Matrix der Form O'oA ist die Erzeugende einer derartigen einparametri-
gen Untergruppe, wobei Summen und (reelle) Zahlenvielfache von Erzeugenden wie-
der Erzeugende sind. Die Erzeugenden bilden daher einen reellen dreidimensionalen
Vektorraum, in dem z.B. die Erzeugenden für Drehungen um die 1-, 2-, S-Achsen At,
A2 , A3 eine Basis bilden. Multiplikation von Matrizen der Form O'oA führt aus dem
Vektorraum heraus, da das Produkt zweier antisymmetrischer Matrizen im allgemei-
nen nicht antisymmetrisch ist. Hingegen ist der Kommutator
Aufgaben
1. Man zeige für die Matrix nA die Relation (nA)2 = nn T -1, (nA)3 = -nA
(n = OL/O) und summiere die Potenzreihe R(OL) = exp(OLA) = 2:~o p(OLA)k .
Man vergleiche mit der geometrisch ermittelten Formel (7.1.4).
2. Man zeige (mit gleich geringem Aufwand an mathematischer Strenge wie in
(7.2.8)) : Ist exp(11) = R, so ist det R = exp(Sp 11); ist 11 = -11T , so ist RT R = 1,
detR = +1.
3. Man verifiziere (7.2.12) direkt.
5. Man zeige, daß der Vektorraum R 3 mit dem Vektorprodukt (x) als multiplika-
tive Verknüpfung eine Lie-Algebra ist.
wobei
8
t := -8 T9(T)! (7.3.2)
'T T =0
die Erzeugende dieser Untergruppe in der betrachteten Darstellung heißt . Wir wollen
zeigen: Die Erzeugenden aller eindimensionalen Untergruppen bilden einen Vektor-
raum. In diesem Vektorraum kann eine Basis aus drei Erzeugenden tIJ gebildet werden,
1 Im folgenden schreiben wir kürzer SO(3) statt SO(3,R) .
7.3 Lie-Algebt» und Darstellungen der 50(3) 171
die die Drehungen um die drei Achsen in der betreffenden Darstellung erzeugen und
die den Vertauschungsrelationen
(7.3.3)
genügen. Die Erzeugenden bilden also auch eine Lie-Algebra, deren Struktur (bis auf
die triviale Darstellung, in der alle tjJ = 0 sind) isomorph zur Lie-Algebra (7.2.11) ist.
Damit ist das Problem, alle Darstellungen (der unendlich vielen Elemente) der
Lie-Gruppe SO(3) zu finden, auf die Bestimmung der Darstellung der drei Erzeu-
genden der Lie -Algebra (7.3.3) zurückgeführt. Dieses Problem wird in Abschnitt 7.5
gelöst .
Zum Beweis dieser grundlegenden Behauptungen betrachten wir zunächst eine
aktive Drehung, die in bezug auf eine orthogonale Basis ejJ durch die Matrix R(a)
(7.1.6) gegeben ist . In bezug auf eine Basis eil' die aus eil durch die Drehung eil =
= 5jJvev hervorgehe, ist die zuerst betrachtete Drehung durch die Matrix S R(a) S-1
gegeben. Da a in der neuen Basis ö = Sa wird, muß - wie auch anhand von (7.1.4)
verifizierbar -
S R(a) S-1 = R(Sa) (7.3.4)
gelten. Betrachten wir nun R(a) = : Sg(a> und 5 =: 5 h als Darstellungsmatrizen der
abstrakten Gruppenelemente g(a) und h in der definierenden Darstellung 9 -+ 5 g ,
so folgt aus (7.3.4)
(7.3.5)
Gehen wir jetzt von der abstrakten Gruppe zu einer beliebigen Darstellung 9 -+ Tg
in einem Vektorraum V über, so muß nach (7.3.5)
(7.3.6)
t :=
8
-8Tg(TO>
T
I .
T= 0
(7.3.7)
(7.3.8)
wobei
tll := s:e
°ll
Tg(o) I0=0 (7.3.9)
die Erzeugenden von Drehungen um die Koordinatenachsen (in der betreffenden Dar-
stellung) sind. (7.3.7 - 9) zeigen, daß die Erzeugenden t wie behauptet einen Vektor-
raum bilden, der von tI, t 2 , t 3 aufgespannt wird. (In allen treuen Darstellungen ist
dieser Vektorraum dreidimensional. Da die SO(3) einfach ist, d.h. keinen nichttrivia-
len Normalteiler hat, ist nur die triviale Darstellung nicht treu.)
Setzen wir (7.3.7 - 9) in (7.3.6) ein und ersetzen a -+ Ta , T ~ 1, so folgt
(7.3.10)
172 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
Wählen wir auch h nahe der Einheit, d.h. als h(rß) mit r ~ 1, dann gilt
Sh er = er + rß x er. (7.3.12)
(7.3.15)
(7.3.16)
Allgemein heißt ein Tripel v von Operatoren auf V, das der Relation
(7.3.17)
genügt, ein Vektoroperator auf V. Setzen wir für Th (7.3.11) ein, so folgt auch anstelle
von (7.3.17)
[v,ßtJ = ß x v . (7.3.18)
Das Quadrat v 2 := V"VI' eines Vektoroperators ist unter der Darstellung invariant,
da aus (7.3.17)
(7.3.19)
folgt, d.h., v 2 vertauscht mit allen Operatoren Th der Darstellung. Ist die betrachtete
Darstellung im Raum V irreduzibel, so muß nach dem Schursehen Lemma v 2 ein
Vielfaches der Einheit idv sein.
Setzen wir speziell v = t, so erhalten wir den Casimir-Operator
c:=t2, (7.3.20)
Aufgaben
1. Die Relation (7.3.4) kann mittels R(a) = exp(aA) auf SA/LS-l = S/LIIAII
zurückgeführt werden. Man verifiziere die letzte Gleichung aufgrund der De-
finition von A/L und der Eigenschaften ST S = S ST = 1, det S = +1 ohne
Verwendung der anschaulichen Bedeutung von ce.
2. Man verifiziere die Kommutatorrelation
[A, BC] = [A, B]C + B[A, Cl (7.3.21)
und zeige mit ihrer Hilfe, daß aus (7.3.18) [v ,ß t] = 0 folgt. Die infinitesimale
2
t ist die Erzeugende einer einparametrigen Untergruppe in der Darstellung. Die end-
lichen Transformationen dieser Untergruppe sind durch exp(rt) gegeben , wobei die
Mult iplikation in der Untergruppe durch exp(r1t)exp(r2t) = exp((rl + r2)t) erklärt
ist .
Eine beliebige Kurve g(r}, g(O) = e , ist im allgemeinen keine einparametrige Untergruppe von
9, da die Untergruppe bereits durch die Erzeugende, also die Werte von OßA/fJr bei r =0 festgelegt
ist. exp( ri) ist Darstellung jener einparametrigen Untergruppe , die die Kurve g(r) in e berührt, wie
Abb . 7.3 zeigt.
(S
~
K UfVl. in SO(3)
einparametrige Untergruppe
(Dr ehungen um feste Achsel
Abb . 7.3. Kurve und einparametrige Untergruppe in 80(3) im Modell von Abb. 7.1.
174 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
Sind g( T), gl (T) zwei Kurven durch e, so bilden die Produkte g( cr ) gl (T) ebenfalls
eine Kurve durch e. In der Darstellung Tg ergibt sich für infinitesimales T
(7.4.3)
wobei t 1 analog zu (7.4.1) definiert ist. Die Erzeugenden bilden also einen Vektorraum
Lv, der von
a
tA := aß
A
Tg(ß) Iß=o ' A = 1. .. n (7.4.4)
aufgespannt wird und in einer treuen Darstellung n-dimensional ist. (Die Pro-
dukte g(T) gl (T), gebildet aus zwei einparametrigen Untergruppen von g, bilden
im allgemeinen keine Untergruppe, sondern nur eine Kurve durch e. Die Darstel-
lungen exp( Tt) und exp( Ttd der beiden Untergruppen spiegeln dies wider: i.a. ist
exp( Tt) exp( Tt1 ) =1= exp( rt + Ttd.)
Um auch zu zeigen, daß die Erzeugenden bezüglich des Kommutators eine Lie-
Algebra bilden, betrachten wir analog zu (7.3.5) neben einer Kurve g(T) durch e die
Elemente hg(T) h- 1 wo h E 9 beliebig, die wieder eine Kurve durch e bilden . Für
kleine T ist mit (7.4.1)
(7.4.5)
d.h., mit t E Lv ist auch T h t T;:l E Lv eine Erzeugende. Setzen wir hier h = gl (T)
und für kleine T
(7.4.6)
(7.4.7)
ThI t''''
t.1h
'_1
=tT' • tT-• =t'Ad. t ·
1 (7.4 .8)
Setzen wir auch hier h = gl(r) und ben ützen gestrichene Analoga zu (7.4 .6) mit t~ = t~ sowie
(7.4 .7), erhalten wir '
[t;" t;] =tlt, .tl' (7.4.9)
dh. t ---+ t; ist ein Homomorphismus der Lie-Algebra Lv ---+ Lv, . Für die adjungierte Darstellung ist
V' = Lv, Tf. = Adh, t;, =: ad., mit adt,t = [tl,t] (Aufgabe) .
7.4 Lie-Algebren von Lie-Gsuppen 175
(7.4 .10)
er ist unter den Transformationen der adjungierten Darstellung invariant, da bereits der Struktur-
tensor diese Eigenschaft hat (siehe Aufgabe) . Halbeinfache Gruppen sind nun nach einem Satz von
Cartan dadurch charakterisiert, daß det gAB ::fi 0 und ein inverser Tensor gAB existiert. In jeder
Darstellung X A ..... tA ist dann der Casimir-Operator
(7.4 .11)
t A := gAB tn (= Vektoroperator unter der adjungierten Wirkung der Gruppe), (7.4 .12)
1In Abschnitt 7.7 geben wir zu jeder Lie-Gnippe eine (unendlichdirnensionale) treue Darstellung
an .
176 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
Ein Schritt, der bei der Analyse der Struktur von Lie-Algebren vorgenommen
wird, ist auch für die Darstellungstheorie von Bedeutung. Er besteht darin, die Basis
in der Lie-Algebra so zu wählen, daß möglichst viele Operatoren der adjungierten
Darstellung gleichzeitig diagonal werden, wozu man zuerst eine maximale Anzahl
unabhängiger kommutierender Elemente sucht .
Bei der Drehgruppe ist die adjungierte Darstellung, wie oben bemerkt, isomorph
zur definierenden. Die Erzeugenden AI' erfüllen (7.2.12) , woraus folgt, daß nur die
Vielfachen einer Erzeugenden gleichzeitig diagonal werden können. Üblicherweise dia-
gonalisiert man A3. Aus (7.2.5) findet man als Eigenvektoren
(7.4 .14)
Aufgaben
1. Man zeige: Die Erzeugende [t, t l ] gehört zu den infinitesimalen Elementen der
Kurve g~I(..;r)g(yT)gl(..;r)g-I(..;r) durch e.
3. Wie sieht die adjungierte Darstellung einer kommutativen Gruppe aus? Zeige:
Die adjungierte Darstellung der Lie-Algebra ist treu für halbeinfache, irreduzi-
bel für einfache Lie-Gruppen .
Wir beginnen mit einigen Definitionen. Ein Hilbertraum H ist ein komplexer Vek-
torraum (von i.a, unendlicher Dimension), in dem ein Skalarprodukt definiert ist, das
jedem Paar x E H, y E H eine komplexe Zahl (x I y) E C zuordnet, wobei (0', ß E C ,
* bedeutet komplexe Konjugation)
(7.5.2)
(7.5.3)
178 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
gilt, die Operatoren Tg also Skalarprodukte invariant lassen, d.h., unitär sind. Die
unitären Operatoren Tg sind für infinitesimale Transformationen durch
Die Erzeugenden t sind also antihermitische Operatoren, während ±it wegen (7.5.la)
hermitisch sind :
(±itx,y) = (x,±itx) (7.5.6)
und die hermitischen Erzeugenden der zugehörigen einparametrigen unitären Unter-
gruppe der Darstellung heißen.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß der zu A adjungierte (hermitisch konjugierte)
Operator At durch
(Atx,y) (x ,Ay) = (7.5.7)
definiert ist. Hermitische Operatoren A sind selbstadjungiert, At =
A , antihermitische erfüllen At =
=- A, unitäre At = A -1 . Hermitische Operatoren haben reelle, antihermitische imaginäre Ei-
genwerte, unitäre haben Eigenwerte vom Betrag 1. Alle diese Operatoren, allgemeiner alle mit
=
[A , At] 0, besitzen ein vollständiges, d.h. ganz H aufspannendes Orthonormalsystem von Eigen-
vektoren .
=
da mit g' auch s" g'g genau einmal über die Gruppe läuft . Bei Lie-Gruppen ist die Summe in
(7.5.8) durch ein entsprechendes Integral über die Parameter zu ersetzen . Das Volumselement im
Parameterraum ist dabei so zu wählen, daß das Integral gegen die (Rechts-) Verschiebung g' _ g'g
wie oben invariant wird. Derartige rechtsinvariante Integrale können stets angegeben werden, doch
existiert das zu (7.5.8) analoge Integral über die ganze Gruppe i.a. nur für kompakte Gruppen .
Für die Drehgruppe lautet das rechtsinvariante Integral bei Parametrisierung durch die Eulerschen
Winkel (vgl. Abschnitt 7.6)
l 1
2K K 2K
r
Jo da 0 dß 0 d"Ysinß .. .. (7.5.10)
7.5 Unitäre irreduzible Darstellungen von 80(3) 179
Invariante Integration ist ein wichtiges Hilfsmittel der Gruppen- und Darstellungstheorie (siehe z.B.
Chevalley (1946) oder die anderen angegebenen Bücher).
Zur Systematik der bisher eingeftihrten Skalarprodukte ist folgendes zu bemerken . Innere Pro-
dukte ( , ) in Vektorräumen Y sind allgemein durch die Bedingungen definiert:
(7.5.11)
haben, können wir uns bei der Suche nach irreduziblen Darstellungen auf endlichdi-
mensionale, unitäre Darstellungen beschränken.
Die Erzeugenden t ll , die (7.3.3) erfüllen, sind somit antihermitische Operatoren
in einem endlichdimensionalen Hilbertraum H. Die hermitischen Erzeugenden (deren
Verbindung mit den Drehimpulsoperatoren der Quantenmechanik in Abschnitt 7.7
untersucht wird)
J u '- it u - JtIl
r>: >:
(7.5.16)
erfüllen
(J1l' Jvl = i f ll VA 1>. (7.5.17)
und ferner für alle x E H, J.l = 1,2,3
(x,JIl2X) = (Jllx,JIlX) ~ O. (7.5.18)
Nach (7.3.20) ist J2 in irreduziblen Darstellungen ein Vielfaches des Einheitsoperators
(7.5.19)
(7.5.26)
gelten. In der Folge der (nicht normierten) Eigenvektoren LXi, (J_ F x i» ..• zu den
Eigenwerten j - 1, j - 2, . .. muß nach einer Anzahl N von Anwendungen von J_
ein kleinster Eigenwert j' erreicht sein, d.h .,
aber
(7.5.28)
(7.5.25,27) ergeben dann
\
/\=J
,2 + J=J
' '/2 -J,-t j - j'+ 1 = N, (7.5.29)
oder (j + j')(j - j' + 1) = 0, also j' = - j und daraus 2j + 1 = N = natürliche Zahl.
Für j und ,\ erhalten wir als mögliche Werte
(7.5.35)
182 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
mit
Ip±(mW = j(j + 1) =f m - m
2
• (7.5.36)
(7.5.37)
J 1
' .
j-I 0 1 0
(Janm) = (J2 nm) = ·j(j+I),
0 -j + 1 0 1
-J 1
o p+(j - 1)
o p+(j - 2) o
o
o
o
p-(j) o o
p_(j - 1) o (7.5.38)
o p_(-j + 1) 0
C 0)
j dreidimensionale Darstellung; es wird
J3 = ('0 00 00)
o
J 1 =..j21 1 01 1 J, ~~ ( -! D 1
0
f
0 -1 2 0 1 0 -1
J2 = 0 2 000) (7.5.39)
0 0 2
Die Darstellung stimmt bis auf eine Äquivalenztransformation mit der definie-
renden (= adjungierten) überein: J3 ist die diagonalisierte Form von iA3 , (7.2.5).
Dies folgt auch daraus , daß es, bis auf Äquivalenz, nur eine dreid imensionale
irreduzible Darstellung der 80(3) gibt, wie wir oben gesehen haben.
J = 2 .. . fünfdimensionale Darstellung, die sich als äqui valent mit der Darstellung
im Raum der spurlosen, symmetrischen Tensoren Tr" (nicht Tensorfeld er!) er-
weist: Diese Tensoren bilden nämlich einen invarianten Teilraum unter der Pro-
duktdarstellung 9 -+ Rg 0 R g • Die Erzeugenden t von Rg 0 R g ergeben sich
aus
(1 + Ta A) 0 (1 + TaA) ~ 1 01 + Ta (1 0 A +A 0 1) = 1 0 1 + Ta t.
Daraus folgt
2
t = (1 0 All + A1l 01)(1 0 All + A1l 01) = A 0 1 + 1 0 A 2
2
+ 2AIl 0 All'
(7.5.40)
In der definierenden Darstellung 9 -+ Rg ist j(j + 1) = 2, A 2 = - 2 · 1, so daß
nur All 0 All zu berechnen ist :
oder symbolisch
t 2 • T = -2(2 + l )T = -j(j + 1)T .
Im fünfdimensionalen Raum der spurlosen, symm et rischen Tensoren ist t 2
tatsächlich ein Vielfaches der Einheitsmatrix mit dem j = 2 entsprechenden
Faktor; diese Darstellung muß daher eine irreduzibl e Darstellung mit Gewicht
j = 2 sein .
Allgemein stellt sich heraus, daß die Darstellungen mit gan zzahlig em Gewicht
gerade jene sind , die man dur ch Ausreduktion der Tensordarstellungen erhält
(dies wird sich später aus der Spinoralgebra ergeben).
184 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
a2 =
0
( i
-i)
0 (7.5.42)
(7.5.43)
noch die "ClifJord-Algebra "-Relationen zur Metrik c"v (Anti kommutator-Relationen; vgl.
(9.1.17))
{O'",O'v} := O'"O'v + O'vO'" = 2c"v id, (7.5.44)
aus denen sich zusammen mit (7.5.43)
(7.5.45)
Diese Darstellung heißt Spinordarstellung von SO(3). Sie ist - ebenso wie alle
anderen Darstellungen mit halbzahligem Gewicht - nicht aus Tensordarstel-
lungen gewinnbar; mithin ein wesentlich neues Resultat der Darstellungstheo-
rie, welches für beliebige Drehgruppen SO(n,C) erstmals von E. Cartan 1913
erhalten wurde. Später wurde sie unabhängig davon bei der Aufstellung der
quantenmechanischen Theorie des spinnenden Elektrons (Pauli, Dirac) wieder-
entdeckt, wonach sie obigen Namen erhielt. Mit ihr werden wir uns im nächsten
Abschnitt eingehend befassen. Vorausgeschickt sei die Erinnerung, daß bisher
aus der angenommenen Existenz einer Darstellung nur notwendige Eigenschaf-
ten hergeleitet wurden und der Nachweis, daß die gefundene Matrixdarstellung
der Lie-Algebra zu Darstellungen der ganzen Gruppe SO(3) - nicht nur der
infinitesimalen Umgebung des Einselements - führt , noch fehlt; er kann für
ganzzahliges j erbracht werden, für halbzahliges j jedoch nicht. Dennoch sind
halbzahlige i, insbesondere j = t,
von großer Bedeutung, wie sich zeigen wird .
Abschließend betrachten wir reduzible Darstellungen und ihre Ausreduktion. H sei
also jetzt ein Hilbertraum, in dem SO(3,R) über eine reduzible Darstellung g -+ Tg
wirkt. Wie kann man systematisch invariante irreduzible Teilräume ermitteln und die
Darstellung ausreduzieren? Gesucht ist also eine Zerlegung
Vielfaches von idH sein, man wird also die Eigenräume von H 2 ermitteln, d.h. J2
diagonalisieren. Um eine Anhäufung von Indizes zu vermeiden und die Analogie zur
Quantenmechanik zu unterstreichen, gehen wir zu der dort vielfach üblichen Dirac-
Schreibweise über, bezeichnen also Vektoren aus Hals Ij,m, . .. ), wobei i, m, .. .
die zur Kennzeichnung der Vektoren benötigten Indizes sind. So sucht man zuerst
Vektoren Ij, ... ) mit
J2Ij,··.)=j(j+l)lj, . . . ) (7.5.46)
(die möglichen Eigenwerte sind ja bekannt). In dem von ihnen gebildeten Eigenraum
H, sucht man nun die Eigenvektoren von J3
J3 1j, m, ... ) =mlj,m, ... ) (7.5.47)
(in einer reduziblen Darstellung können zu m mehrere unabhängige Eigenvektoren
existieren, wie durch . . . angedeutet wurde). Man wählt dazu einen Eigenvektor, etwa
zum höchsten Eigenwert m = j:
J3 I j , j , l ) =jlj,j,I), (7.5.48)
und konstruiert wie früher mittels J _ und der angegebenen Phasenkonvention rekur-
siv die Vektoren
und die zum euklidischen metrischen Tensor 81111 proportionalen Tensoren mittels Ps,
PSaß1111 .-
'- 3"1 U.aß.U Il II, (7551)
••
Da 101 = Pss + PA + PoS, ist damit eine vollständige Ausreduktion erzielt: Pss , PA,
PoS projizieren auf irreduzible Teilräume zu den Gewichten 2, 1, 0 (diese Darstellungen
können nur einfach auftreten, wie der Dimensionsvergleich 9 = 5 + 3 + 1 lehrt). Wi r
verzichten hier auf die Konstruktion einer kanonischen Basis in jedem Hj .
Aufgaben
Die Exponentialfunktion ist für die in Abschnitt 7.5 gefundenen Matrizen J aus-
zuwerten. Dies kann im Prinzip nach der Sylvestersehen Formel (Smirnow (1955)) für
Funktionen einer Matrix geschehen, da die Eigenwerte von -io J bekannt sind : sie
unterscheiden sich aus Drehinvarianzgründen von jenen von J3 nur um den Faktor
- ilol . Allerdings ist dieser Weg nur für die niedrigsten Gewicht e j = 0, 1/2, 1 prak-
tisch gangbar" , Der Fall j = 0 ist trivial, j = 1 wurde in Aufgabe 1 zu Abschnitt 7.2
behandelt und führt zur (definierenden) Darstellung Rg • Für j = 1/2 ist
1 1
oJ = 20 U = 2 Q
/t (7 /t ,
"") = 0: - ln3
cos"2 . sm. "2
0: -z'( nl -
'
ln2
) sm"2
. 0:) .
U( ~ (7.6.4)
( '( ' ) . 0: 0: . . 0:
-z nl + ln2 sm"2 cos "2 + ln3 sm "2
Damit sind die Darstellungsmatrizen endlicher Drehungen in der Spinordar-
stellung gefunden. Sie sind nach Konstruktion unitär, und ihre Determinante ist
det U(a) = detexp(-iau/2) = exp(Sp(-iau/2)) = 1, da Spul' = O. (Aus der
Unitarität utn = 1 folgt nur [det VI = 1).
An der "Darstellung" U(a) ist aber folgendes bem erkenswert: Setzt man zwei
Drehungen um den Winkel z um eine Achse n zusammen, so ergibt sich eine Drehun g
um 27r , also das Einheitselement der Gruppe SO(3). Hingegen ist
U(7rn) U(7rn) = U(27rn) = -1. (7.6.5)
Obwohl die U(a) die Darstellungseigenschaften erfüllen, wenn man endlich e, ab er
hinreichend kleine Drehungen zusammensetzt, ist dies nicht mehr der Fall, wenn zu
große Drehungen betrachtet werden. Die Matrizen U(a) bilden nur dann eine Gruppe,
wenn man den zugrundeliegenden Bereich 0 ~ [o] ~ 7r auf 0 ~ [o] ~ 27r erweit ert,
wodurch die Menge der Drehungen, SO(3) , doppelt überdeckt wird. (Die Situation ist
ähnlich wie in der Funktionentheorie, wo die Funktion w = Z l /2 nur auf einer die
komplexe Ebene doppelt überdeckenden Riemannschen Fläche eindeutig ist.) Jeder
Drehung g(a) sind also zwei unitäre Matrizen U(a) und U( -a) (= U(a + 27ra/0:))
zugeordnet, die Darstellung heißt daher zweiwertig oder zweideutig. Obwohl wir bei
strikter Verfolgung unseres Programms, alle Darstellungen im engen Sinn zu finden,
diese Situation ausschließen müßten, sind derartige "Darstellungen" sowohl mathe-
matisch wie physikalisch bedeutungsvoll. Ersteres werden wir gleich sehen, letzteres
in Abschnitt 9.2 im Hinblick auf die Quantenmechanik begründen. Allgemeines über
mehrwertige Darstellungen besprechen wir in Abschnitt 7.10.
In der modernen Math ematik sind übrigens die Ausdrü cke "mehrdeutige Funkti on" , "mehr-
deutige Darstellung" verpönt und durch "Funktion auf einem Überlagerungsraum" , "Darstellung
einer Überlagerungsgruppe" (oder einer anderen zentralen Erweiterung der Gruppe) , "projektive
Darst ellung", "Strahldarstellung", zu ersetzen (vgl. Abschnitte 7.10 und 9.2).
Variiert a über 0 ~ [o] ~ 27r, so durchläuft U( o) die Gruppe SU(2) aller un itären
unimodularen (det = 1) Matrizen. Denn für jede komplexe 2 x 2-Ma trix
188 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
verlangt die Unitarität c = -)"b* , d = )..a*, lal 2 + IW = 1, 1)..1 = 1 und die Unimodu-
larität ).. = 1, d.h.
U=( :* ) a
-b*
mit (7.6.6)
Hieraus folgt I Rea I :::; 1, so daß genau ein o, 0 :::; o :::; 211", existiert, für welches
Re a = cos a/2 ist . Ein eindeutig bestimmtes n ergibt sich aus Im a = -n3 sin a/2 ,
Re b = -n2 sin a/2, Im b = -nI sin a/2.
Deutet man Rea, Ima , Reb , 1mb als kartesische Koordinaten im R4, so sieht man aus (7.6.6),
daß die Gruppenmannigfaltigkeit der SU(2) die Einheitssphäre 53 des R 4 ist . Da UE SU(2) und
- U zur selben Drehung gehören, kann man die Mannigfaltigkeit SO(3) als 53 mit identifizierten
Gegenpunkten ansehen. Durch die Einschränkung 0 $ [o] $ 7f' kann die Identifizierung wegfallen
bis auf jene der Gegenpunkte der Randkugel [o] = 7f' (Abb . 7.4). Stereographische Projektion der
entstehenden Halb-5 3 führt auf das frühere Modell, Abb. 7.1, zurück.
Im "
Die in Abb . 7.4 eingezeichnete Kurve ger), die auf 53 = SU(2) von Q = 0 nach Q = 27f' führt,
wird bei der zu SO(3) führenden Identifikation von Gegenpunkten zu einer geschlossenen Kurve in
SO(3), die sich in SO(3) nicht stetig auf e zusammenziehen läßt , im Gegensatz zur Kurve g'( r).
Wenn derartige Kurven existieren, heißt die Mannigfaltigkeit mehrfach zusammenhängend. Hier gibt
es zwei Klassen von geschlossenen Linien, wobei die Linien einer Klasse jeweils innerhalb SO(3) stetig
ineinander deformierbar sind: die vom Typ g'(r), stetig auf e zusammenziehbar , und die vom Typ
g(r}; SO(3) heißt deshalb zweifach zusammenhängend. (Siehe Boerner (1955) wegen der Details :
die Weglassung einer Raumdimension ermöglicht zwar eine bildliehe Darstellung, doch ändern sich
gerade topologische Verhältnisse oft sehr, wenn die Dimensionen geändert werden.) Durch Übergang
zur 53 = SU(2) (Aufhebung der Identifizierung) wird erreicht, daß jede geschlossene Kurve auf einen
Punkt zusammenziehbar wird: 53 = SU(2) ist einfach zusammenhängend und heißt die universelle
Überlagerungsgruppe für SO(3) .
Allgemein versteht man unter einer Überlagerungsgruppe einer Lie-Gruppe (; eine Gruppe (;'
zusammen mit einem stetigen (Überlagerungs-)homomorphismus (;' ..... (;, bei dem jedes g E (;
7.6 SU(2) 189
ein diskretes Urbild hat. Ist 9 = ge zusammenhängend , so existiert unter den zusammenhängen-
den Überlagerungsgruppen von ge eine (bis auf Isomorphie eindeutig bestimmte) einf ach zusam-
9 ge
menhängende, die universelle Überlagerungsgruppe = (s. Dieudonne (1976), Chevalley (1946».
Im Beispiel 9 = SO(3) haben wir 9 konkret als die Matrixgruppe SU(2) angegeben. Es gibt aber
Beispiele konkreter Matrixgruppen 9 = ge, für die 9 keine endlichdimensionale treue Matrixdar-
stellung hat, so daß hier die abstrakte Definition einer Lie-Gruppe wesentlich ist . Für SO(3) ist die
universelle Überlagerungsgruppe offenbar kompakt; allgemein muß es nicht der Fall sein , daß die
universelle Überlagerungsgruppe einer kompakten Gruppe wieder kompakt ist ; es trifft aber nach
einem Satz von Weyl für alle halbeinfachen kompakten Gruppen zu (s. Helgason (1962) .
Eine Lie-Gruppe und ihre universelle Überlagerungsgruppe haben dieselbe Lie-Algebra und
sind in einer genügend kleinen Umgebung des Einheitselementes isomorph ("lokale Isomorphie") .
Im großen hingegen liegt eine Homomorphie SU(2)--SO(3) vor, wobei der aus Z2 := {I, -I}
bestehende diskrete Normalteiler von SU(2) auf das Einheitselement von SO(3) abgebildet wird:
SO(3) ~ SU(2)/ Z2. Eine Lie-Algebra bestimmt die Komponente der Einheit ge der zugehörigen Lie-
Gruppen also nicht eindeutig, außer man verlangt, daß die Lie-Gruppe ge einfach zusammenhängend
ist . Die anderen Möglichkeiten ergeben sich dann wie hier durch Quotientenbildung nach eventuell
vorhandenen diskreten Normalteilern, wodurch , topologisch gesehen, Identifizierungen entstehen,
die mit der Gruppenstruktur verträglich sind .
Nach einem "Monodromieargument" hat eine zusammenhängende, einfach zusammenhängende
9
Lie-Gruppe 9 = ge = keine (stetigen) diskret- mehrdeutigen Darstellungen . (Denn angenommen,
einem Element 9 E ge entsprächen zwei Operatoren Tg # T;. ge ist zusammenhängend, der Raum
der Darstellungsoperatoren daher ebenfalls, d.h. , es gibt eine Kurve in diesem Raum, die Tg mit T;
verbindet und dazu eine geschlossene Kurve durch 9 in ge, die ihr entspricht . Letztere läßt sich aber
bei einfach zusammenhängendem ge stets auf 9 zusammenziehen, während ihr stetiges Bild stets von
Tg nach T; # Tg führen muß - ein Widerspruch .) Es gibt aber Beispiele mehrfach zusammenhängen-
der Gruppen, von denen man zeigen kann, daß auch sie keine mehrwertigen endlichdimensionalen
Darstellungen haben können (s. Cartan (1966); die dort gegebene Argumentation versagt tatsächlich
für unendlichdimensionale Darstellungen!) .
Die Spinordarstellung g(o:) -- (±)U(o:) liefert die kompakteste Form der Multiplikationstafel
für die Drehgruppe: Aus
(7.6.7)
kann , nachdem die linke Seite ausmultipliziert und mittels (7.5.45) auf die Gestalt der rechten Seite
gebracht wurde, 0:3 = 0<3ll3 abgelesen werden.
1843 entdeckte Hamilton (und vor ihm Gauß 1819) die Quaternionen (-iO'), als er " Zahlen"
suchte, deren Multiplikation räumlichen Drehungen ebenso entspricht wie ebenen Drehungen die
Multiplikation komplexer Zahlen . Er ging also von einem Ansatz a . 1 - i a 0' für die "hyperkom-
plexe" Zahl, die einer Drehung entsprechen soll, aus und fand die Regeln (7.5.45) für 0' - ohne
allerdings eine Matrixdarstellung dafür zu verwenden . (coso</2, sino</2 n p werden auch manchmal
als Euler-Rodrigues-Parameter bezeichnet, a, b in (7.6.6) als Cayley-Klein-Parameter.) Das Auftre-
ten halber Winkel läßt sich geometrisch gemäß Abb. 7.5a verstehen : Jede Drehung um einen Winkel
0< um die Achse II kann durch zwei Spiegelungen an zwei Ebenen ersetzt werden, die sich entlang der
Achse schneiden und den Winkel 0</2 einschließen; eine von ihnen kann ansonsten beliebig gewählt
werden . Um zwei Drehungen um die Achsen n j , n2 mit Drehwinkeln 0<1, 0<2 zusammenzusetzen , er-
setzt man jede von ihnen durch zwei Spiegelungen, wobei jeweils eine der beteiligten Ebenen als die
von n j , ll2 aufgespannte Ebene gewählt wird - so daß sich bei Zusammensetzung die Spiegelungen
an dieser Ebene aufheben und nur zwei Spiegelungen, also eine Drehung, resultieren . Die resultie-
rende Drehachse ist die Schnittlinie der anderen beiden Ebenen . (Abb . 7.5b zeigt die Spuren dieser
Ebenen auf der Einheitskugel. Die aus (7.6.7), (7.5.45) resultierenden Formeln für 0<3, ns spiegeln
die sphärische Trigonometrie dieser Figur wider.)
190 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
n,
Zum Abschluß dieser geometrischen Betrachtungen sei noch folgendes bemerkt . Die Gleichung
U(aJ) U(a2) = U(a3) kann wegen SU(2)= S3 auch so gelesen werden: die Drehung g(aJ) trans-
formiert mittels U(al) den Punkt U(a2) E S3. Da hierbei die kartesischen Koordinaten Rea2,
Im a2, . . . linear in die kartesischen Koordinaten Re a3, Im a3, . . . transformiert werden, handelt es
sich bei dieser Transformation von S3 in sich um eine (spezielle) vierdimensionale Drehung. Führt
man nun im ganzen vierdimensionalen Raum durch
Koordinaten ein und setzt dX4 dx I dX2dX3 = r 3 dr dV, so ist dV das gegen vierdimensionale Dre-
hungen invariante Oberflä chenelement von S3. dV ist daher auch das in Abschnitt 7.5 erwä hnte
invariante Volumsel ement der Gruppe SO(3) . Drückt man a, b statt durch a durch die Eulerschen
Winkel o , ß, r aus, so erhält man nach einiger Rechnung (7.5 .10). Die obig e Argumentation zeigt
(da U(aJ) links von U(a2) steht) die Linksinvarianz von (7.5 .10) ; man könnte aber ebenso durch
Vertauschung von al, a2 die Rechtsinvarianz beweisen . (Für kompakte Gruppen gilt allgemein , daß
rechts- (Iinks-) invariante Integrale auch links- (recht s-) invariant sind.)
Die ebe n betrachtet en " Recht st ransla tionen" U -+ U U(a) und "Linkstra nslat ionen" U -+
-+ U(a) U der S3 sind keineswegs die allgemeinsten vierdimensionalen Drehungen. Letztere bild en
ja die sechsp arametrige Lie-Gruppe SO( 4) , während die ersteren jeweils nur eine dr eipar ametrige
Gruppe (SU(2» bild en . Betrachtet man ab er die Menge d er Transformationen U -+ U(a) U U- 1 (ß ),
wo 0: , ß unabhängig voneinander über 0 ~ [o] ~ 27l", 0 ~ IßI ~ 27l" varii eren, so erhält man eine
sechsparametrige Gruppe von Transformationen , deren Elemente den Paaren (g(a) ,g(ß» des di-
rekten Produkts SU(2) x SU(2) zugeordnet werd en könn en , wobei die Darstellungseigenschaft gilt .
Es handelt sich hier also um eine sechsparametrige Unt ergruppe von SO( 4) , wobei die identische
Tr ansformat ion U-+ U nur von den Paaren (1,1) und (-1, -1) geliefert wird (siehe Aufgaben).
SU(2) x SU(2) und SO( 4) haben dah er dieselb e Lie-Algebra und sind so wie SU(2) , SO(3) zueinan-
der lokal isomorph . SO (4) ist zusammenhängend, ab er wie SO(3) nicht einfach zusammenhängend,
während dies für SU(2) x SU(2) zutrifft: SU(2) x SU(2) ist dah er die universelle Üb erlagerungs-
gruppe von SO( 4) , und die Quotientenbildung nach dem eben gefundenen diskreten Normaltei-
ler Z2 = {(1 ,1) ,(-1,-1)} liefert die Isomorphie SO(4)~SU(2) xS U(2)/Z2' SU(2) xSU(2) hat
noch die weiteren diskreten Normalteiler Z2 = {(1 ,1) ,(-1 ,1)} , zq = {(1 ,1),(1 ,-1)} , und
V4 = {(1 ,1) ,(-1 ,1),(1 ,-1),(-1,-1)} , mit denen man die Quo ti enten SU(2 ) xS U(2)/Z2 ~
~ SO(3) x SU(2) , SU(2) x SU(2)/Zq ~ SU(2) x SO(3) und SU(2) x SU(2)/V4 ~ SO(3) x SO(3) ~
~ SO(4)/{E, -E} bilden kann (E ist die 4 x 4-E inh eitsmatrix.) Lokal sind alle diese Gruppen
isomorph.
7.6 SU(2) 191
Bei den Anwendungen der Gruppentheorie in der Elementarteilchenphysik spielt meist nur die
Lie-Algebra der vorkommenden Gruppen eine Rolle. Betrachtungen im großen sind nur nötig , wenn
man die GruppenmannigfaItgkeit selbst benützen will (dies geschieht, wie bereis erwähnt, bei ge-
wissen kosmologischen Modellen - vgl. auch Oesväth & Schücking, Ann. Phys. 55, 166 (1969» .
Die Zuordnung g(a) - t U(a) kann noch anders beschrieben werden; diese andere
Beschreibung (von Hamilton in quaternionischer Form gefunden) wird sich bei der
Entwicklung einer systematischen Spinoralgebra (Kap. 8) als nützlich erweisen. Man
ordnet dabei jedem Vektor x die 2 x 2-Matrix
X= XtT (7.6.9)
zu. Da x reell und die al' hermitisch und spurlos sind, gilt
x s xt , SpX = o. (7.6.10)
Umgekehrt läßt sich jede spurlose hermitische Matrix X in der Form X = x a mit
reellem x schreiben: x kann aus X mittels
1
x = -SpXu (7.6.11)
2
zurückgewonnen werden, da aus (7.5.45)
(7.6.12)
(7.6.13)
X,2 . 1 = X,2 = U X U- I U X U- I = U X2 U- I = x 2 . 1
oder
_X,2 = det X' = det U det X det Ut = det X = _x 2
orthogonal sein muß. Die Homomorphieeigenschaft dieser Zuordnung ist leicht zu
sehen. Da U = + 1 die Identität x' = x liefert und SU(2) zusammenhängend ist ,
können dabei nur eigentlich-orthogonale Transformationen
(7.6.15)
192 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
R/LV = 2"1 Sp a /L U ov U
t = 2"1 Sp a /L U a v U-1 . (7.6.17)
Umgekehrt kann auch U durch R explizit ausgedrückt werden. Für jede 2 x 2-Matrix M gilt nämli ch
Spurbildung liefert
2(Sp U)2 = 2(1 + Sp R),
also ist
(7.6.19)
Die Übereinstimmung mit der vorher angegebenen Form der U(a) kann, insbesondere für infini-
tesimale Drehungen , leicht nachgewiesen werden. Zu beachten ist die (aus topologischen Gründen
notwendige) Sonderstellung von 180°-Drehungen, wo (7.6.19) die Gestalt 0:0 annimmt und auf
(7.6.3) zurückgegriffen werden muß, um eine Abbildung von SU(2) auf SO(3) zu erhalten . «7 .6.19)
kann auch aus (7.6.3), (7.1.7), (7.1.8), (7.5.45) gewonnen werden.)
Die Vektoren des zweidimensionalen Darstellungsraumes. auf die die U(o:) wirken,
nannt man Spinoren. Definitionsgemäß transformiert ein Spinor u unter Drehungen
R(o:) nach
u --+ u' = U(o:)u. (7.6.20)
Das unter diesen Transformationen invariante Skalarprodukt im Sinn der unitären
Geometrie ist
(7.6.21)
wenn u durch die Komponenten UA = (U1, U2) bezüglich einer kanonischen Basis
(7.5.48,49) gegeben ist. Da die U(o:) unimodular sind (det U = 1), gibt es analog zu
dem in (5.5.6,7) eingeführten e-Tensor einen e-Spinor, der wegen der Zweidimensio-
nalität des Spinorraumes nur von zweiter Stufe ist und für je zwei Spineren u, v eine
invariante Bilinearform (vgl. (7.5.14b))
(7.6.22)
Wir illustrieren dies zuerst an einem einfachen Beispiel, der Ausreduktion der
Darstellung g(a) --+ U(a) 0 U(a). Sind u, v durch Komponenten (Ut, U2), (Vb V2)
gegeben, so sind (Ut Vb UtV2, U2Vb U2V2) Komponenten von U 0 v . Ist weiter u' = U U,
v' = U v, so wird
U~ v~ a2 ab ab b2 Ut Vt
u~ v~ -ab" lal 2 -lW a"b Ut V2
= (7.6.23)
u~ v~ -ab" -lW lal 2 a*b U2 Vt
u~ v~ b*2 -a*b* -a*b* a*2 U2 V2
wenn U durch (7.6.6) gegeben ist. Wir lesen sofort ab, daß für den antisymmetrischen
Anteil U[A VB] (vgl. (5.5.3))
(7.6.24)
gilt, wie in (7.6.22) behauptet. Die antisymmetrischen Spinoren zweiter Stufe trans-
formieren also nach der trivialen Darstellung. Im Teilraum des symmetrischen
Anteils U(A VB) (siehe (5.5.5)) wählen wir die Basis so, daß seine Komponenten
(Ut Vi> (Ut V2 + U2 vt)/V2, U2 V2) lauten. Dann schreibt sich (7.6.23)
Komponenten, der Raum ist also (p + l)-dimensional. Nun untersuchen wir die Ei-
genwerte der Erzeugenden J3 in diesem Raum. Im Raum aller Spinoren p-ter Stufe
hat eine infinitesimale Drehung um die 3-Achse die Form
zr
~ 1 ® .. . ® 1 - "2(0"3 ® 1 ® . . . ® 1 + .. .+ 1 ® . . . ® 1 ® 0"3) (7.6.26)
1
J3 = 2(0"3 ® .. . ® 1 +...+ 1 ® ... ® 0"3)'
Ist u± ein Eigenspinor von J3 (in der zweidimensionalen Spinordarstellung) zum Ei-
genwert ±1/2, so gehört u± ® u± ® .. . ® u± zum Teilraum der total symmetri-
schen Spinoren p-ter Stufe und ist Eigenspinor von J3 zum Eigenwert ±p/2. Wegen
der bekannten Gestalt des Eigenwertspektrums von J3 folgt, daß auch die Eigen-
werte p/2 -1, . .. ,-p/2 + 1 und zugehörige Eigenspinoren vorkommen müssen (man
überlegt sich übrigens leicht , daß utA ut ... u C) mit PI Faktoren u+, P2 Faktoren
u- Eigenspinor zum Eigenwert (PI - P2)/2 ist) . Daraus folgt, daß die Dimension
der Teildarstellung im Raum der total symmetrischen Spinoren mindestens gleich
2(p/2) + 1 = P + 1 sein muß. Nach Obigem kann sie aber auch nicht größer sein; es
handelt sich also tatsächlich um eine irreduzible Darstellung zum Gewicht j = p/2.
Für geradzahliges P, also ganzzahliges i . ist diese Darstellung eindeutig, für halbzah-
liges j zweideutig.
Wir wollen abschließend diese Realisierung der irreduziblen Darstellung zum Ge-
wicht j benützen, um eine explizite Form der Darstellungsmatrizen endlicher Drehun-
gen für jedes j zu konstruieren (bisher wurden sie nur für j = 0, 1/2, 1 angegeben) .
Die symmetrischen Spineren p-ter Stufe (p = 2j) , transformieren wie UA UB . .. Ucj
die unabhängigen Komponenten hiervon sind die P + 1 Monome
(7.6.27)
Sie werden bei Drehung in die entsprechenden, aus den Komponenten von
u'=U(a)u,
u~= aUI + bU2
(7.6.28)
u~ = -b* UI + a* U2,
=,
auch
1 * * .. ·uCUAUB
,uAuB * _ 1 (*
... UC-' UAUA )1' 1 ( u ,u )1' (7.6.29)
p. p. p.
invariant und liefert ein geeigenetes Normquadrat im Raum der symmetrischen Spi-
noren. Um es durch obige Monome auszudrücken, verwenden wir den binomischen
7.6 Darstellungen endlicher Drehungen 195
Hieraus ist die Normierung der Monome (bis auf Phasenfaktoren) direkt abzulesen.
Die Elemente für die Darstellungsmatrizen von Drehungen erhält man, indem man
(UDPI (U~)P2 (a UI + bU2)PI (-b* UI + a* U2)P2
Jp'!P2 1 JPI!P2!
entwickelt und die Koeffizienten von (Ut}ql (U2)Q2 / Jqt! q2! abliest. Gehen wir zu der
bei der Definition der kanonischen Basis eingeführten Numerierung über, indem wir
PI = j + m, P2 = j - m setzen, so ergibt sich bei diesem Koeffizientenvergleich für
die Matrixelemente (m, n = -j, ... ,+j):
(7.6.30)
(hier ist über ganzzahliges f von 0 bis j - m zu summieren, aber es sind alle f- Werte,
die zu Faktoriellen negativer Zahlen führen, wegzulassen). Der Index (j) an den Ele-
menten D~~( o ) soll andeuten, daß es sich um die Matrixelemente einer irreduziblen
Darstellung zum Gewicht j handelt. D(i) werden wir nicht nur als Bezeichnung für
die Matrix mit den Elementen (7.6.30), sondern auch als Symbol für die (Äquiva-
lenzklasse der) irreduziblen Darstellungen zum Gewicht j verwenden. Man überzeugt
sich leicht, daß (7.6.30) für j = 1/2 und j = 1 die früheren Resultate reproduziert.
Die getroffene Phasenwahl bei der Normierung der Monome (7.6.27) liefert die
Drehmatrizen D(i) bezüglich einer kanonischen Basis, wie man zeigen kann. Wird
eine gegebene Darstellung 9 - t Tg im Raum H wie in Abschnitt 7.5 angegeben ausre-
duziert, H = L: EBH j a , und in jedem Teilraum H j a die kanonische Basis { Ij m 0: ) }
konstruiert, so transformieren diese Vektoren nach
(7.6.31)
n
Aufgaben
1. Man drücke die Spinordarstellung einer Drehung durch ihre Eulerschen Winkel
aus, indem man die Drehung in drei Drehungen um die Achsen zerlegt , für jede
der Drehungen die Spinordarstellung berechnet und das Produkt bildet. (Ver-
gleich mit (7.6.4) muß mit der Lösung der Aufgabe zu Abschnitt 7.1 konsistent
sein. )
196 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
2. Mit dem Resultat von Aufgabe 1 bilde man (7.6.8) und drücke dV durch die
Eulerschen Winkel aus.
Anleitung: Für a, b ergibt sich als Lösung von Aufgab e 1
a = exp(-i(a + ,)/2)cosß/2, b = -iexp(-i(a -,)/2)sin ß/2; zur Vereinfa-
chung der Rechnung verwendet man zweckmäßigerweise den Kalkül der äußeren
Differentialformen und die Relation lal 2 + IW = 1. Dann ergibt sich
dxs dx; dX2dx3 = -1/4d(ra) d(ra*) d(rb) d(rb*) = r 3drdV ,
. dV = -1/2(a da* d(b db*) + b db* d(a da*)) = ... = 1/8 sin ß da dß d, .
3. Man zeige, daß die Mengen der Transformationen V -+ V (o) V und V V (ß) nur
die diskreten Transformationen V -+ ± V gemeinsam hab en.
Anleitung: Man setze zuerst V = 1 und verwende dann das Schursehe Lemma.
Beide Mengen zusammen bilden daher tatsächlich eine Gruppe mit nicht weni-
ger als sechs Parametern.
4. Man zeige, daß bei der Transformation V -+ V(a) V V-I(ß) die Identität nur
durch V(a) = 1 = V(ß) und V(a) = -1 = V(ß) zustande kommt.
Anleitung: Man argumentiere ähnlich wie bei Aufgabe 3.
8. Schränkt man im vorigen Beispiel V auf relle unimodulare Matrizen und x auf
Xl = reell, X3 = reell, X2 = rein imaginär ein, so wird X = reell , X' = reell. Man
zeige, daß so ein Isomorphismus SL(2, R)/ Z2 ~ SOe(2, 1) entsteht .
Dabei kann <I>'(x') als dasselbe Feld wie <I>(x), jedoch bezogen auf neue Koor-
dinaten x' aufgefaßt werden (passive Transformation), od er <I>' definiert ein neues
Skalarfeld, das in x den Wert annimmt , den <I> im Punkt R-1x annimmt (aktive
Transformation) .
Die komplexwertigen skalaren Felder auf R 3 bilden einen unendlichdimensionalen
Vektorraum H = H(R ) , wenn man Addition und Zahlenmultiplikation punktweise
3
definiert. Jede Drehung R ordnet dem Feld <I> das durch (7.7.1) gegebene Feld <I>' zu .
Diese Zuordnung bewirkt eine lineare Transformation von H in sich:
(7.7.6)
zu einem Hilbertraum gemacht wird (um die Existenz dieser Integrale zu gewährlei-
J
sten, sind nur Felder <I> mit iPx 1<I> 2 1 < 00 zuzulassen), denn es gilt
Hier wurde R;lX = y als neue Variable eingeführt und die Drehinvarianz iPx = d1J
des euklidischen Volumselements benützt.
Die irreduziblen Darstellungen der Drehgruppe sind - dem in Abschni tt 7.5 zi-
tierten Theorem zufolge - endlichdimensional. Tg muß daher reduzibel sein. Das in
Abschnitt 7.5 angegebene Verfahren zur Ausreduktion von Darstellungen der Dreh-
gruppe erfordert die Kenntnis der Erzeugenden J . Es ist
(<Il, W)r = l~o 1:: sin BdB dcp <Il* W = : J dfH>*w, (7.7.9)
(1 B oB 1
(7.7 .10)
2
2 O. 0 0 )
L = - sin sm BoB + sin 2 B Ocp2 .
L2 ist nichts anderes als _r 2 X (winkelabhängiger Teil des Laplace-Operators ~ :=
:= 0"0,,,). Die Lösungen von L 3<Il = m<Il haben die Form j(B) exp(imcp), wo m
ganzzahlig sein muß, damit eine eindeutige Funktion auf der Kugel resultiert. Die
Lösungen von L+<Il = 0, L 3<Il = j<Il sind const'(sinB)i exp(ijcp), wobei also das
Gewicht j = f = 0,1,2, . .. ganzzahlig sein muß. Die Konstante ergibt sich aus der
Normierungsbedingung bezüglich des Skalarprodukts (7.7.9):
1 = Iconst .1 2211" r (sin B)U sin BdB = Iconst.12411" 1.3.52.4.6... ..(2f. 2f+ 1) .
Jo
Jedes ganzzahlige Gewicht f kommt genau einmal vor, wobei die kanonische Basis im
+
irreduziblen Teilraum H l r durch die 2f 1 Funktionen Y im (B , cp) « -1)l . .. konven-
tionelle Phase)
gegeben ist . Die Funktionen Yim(f), cp) sind die Kugelftächenfunktionen, die als Eigen-
funktionen der hermitischen Operatoren L 3 , L2 ein vollständiges Orthonormalsystem
J
in H, bilden:
(Yim,Yilm/) = dnY;m Yilml =CUlcmml. (7.7.12)
Der Zerlegung
L EBH
00
a, = ir (7.7.13)
i=O
des Hilbertraums H, in die von den Y im mit jeweils festem i aufgespannten Teilräume
H i r entspricht die eindeutige Zerlegbarkeit
°,
00 i
J
(7.7.15)
(P,<!>)( 0,,,) ~ dfl' Y;m (0',,,') Y'm(0,,,)] <!>( 0', ,,'),
d.h. die eines linearen Integraloperators mit dem entarteten Kern [. . . l, (vgl. Riesz-
Nagy (1965)).
Der sich hier andeutende Zusammenhang zwischen Gruppentheorie und Theorie der "speziellen
Funktionen der mathematischen Physik" kann weit ausgebaut werden (siehe z.B. Talman & Wigner
(1968» . Wir deuten hier noch eine vom gruppentheoretischen Standpunkt aus sehr natürliche Herlei-
tung des Additionstheorems für Kugelfunktionen an . Schreiben wir 0 = (sin 0 cos 'P, sin 0 sin 'P, cos 0)
anstatt (0, 'P) als Argument der Ytm , so ist nach (7.6.31)
(7.7.16)
Eine genauere Untersuchung der D~tJ. (siehe z.B. Edmonds (1964), der aber die passive Interpretation
benützt) zeigt ihren Zusammenhang mit den sogenannten Jacobi-Polynomen, die sich für m = 0 auf
Legendre-Polynome reduzieren, so daß sich D~t6 durch Kugelfunktionen ausdrücken läßt, was zum
Additionstheorem führt . Man kann auch mittels (7.7.16) und der Unitarität der D(i) die Relation
=
(n' Rglo)
t t
L Ytm(nDYtm(o;) =L Ytm(nI)Y lm(02) (7.7.17)
m=-t m=-t
verifizieren, die geometrisch klar ist : der Integralkern des Projektionsoperators auf Htr darf nicht da-
von abhängen, welches spezielle Orthogonalsystem in Hir zu seiner Konstruktion benützt wird. Sind
nj , 02 gegeben, wird g so gewählt, daB für n~ der Winkel O~ = 0 wird: es ist nämlich Ytm(O, cp) oc 6om ,
200 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
wie man aus (7.7.11) entnehmen kann. Die Bestimmung des Proportionalitätsfaktors und die Be-
stimmung von n~ seien als Aufgabe überlassen .
Wir wenden uns nun wieder dem ursprünglich betrachteten Raum H = H(R3 )
der auf R 3 definierten Felder zu. In H bilden z.B, die Funktionen, die außerhalb
einer Kugel r = rl verschwinden, einen invarianten Teilraum HI, der unendlichdi-
mensional ist. In H 1 bilden die außerhalb r = r2 < rl verschwindenden Funktionen
wieder einen Teilraum H 2 C H 1 C H usw. Man erhält so eine unendliche Folge
invarianter Teilräume, von denen keiner irreduzibel ist - ein Phänomen, das bei end-
lichdimensionalen Darstellungen nicht auftreten kann. Die unitären Darstellungen im
Raum H sind somit im bisherigen Sinn nicht vollreduzibel'. Die Projektionsoperato-
ren Pi erlauben es, H in H = L:EBH i , H i = PiH zu zerlegen, wobei in jedem He
wieder das gleiche Phänomen auftritt: die irreduzible Darstellung D(l) kommt in He
kontinuierlich-unendlich oft vor. Man sagt, daß H i das direkte Integral der (zuein-
ander isomorphen) irreduziblen Räume Her ist . Da das Skalarprodukt in He oder H
durch (7.7.6) gegeben ist, gilt
(7.7.18)
He wird daher genauer als das direkte Integral "nach dem Maß r 2 dr" bezeichnet.
(Genaueres siehe z.B. Neumark (1959).)
Wir wollen die Situation, die in diesem Abschnitt behandelt wurde, noch einmal in etwas allge-
meineren Worten beschreiben . Wir gingen aus von einer Mannigfaltigkeit M, auf der eine gegebene
Lie-Gruppe 9 als Transformationsgruppe realisiert ist (in unserem Beispiel war 9 = 80(3), M der
dreidimensionale euklidische Raum R3 , oder auch eine der Kugeln r = const ., d.h. nicht notwen-
digerweise ein linearer Raum : es kann sich also durchaus um nichtIineare Realisierungen handeln!) .
Wir betrachten den Raum H(M) der auf M definierten Funktionen <I>(p), P E M . Ist 9 E 9, so sei
g(p) der unter der Realisierung von 9 auf M transformierte Punkt, in den P übergeht (e(p) = p
für alle p E M) . Die Zuordnung <I> -lo Tg<l> = =
<1>', wo <I>'(p) <I>(g-l(p)), definiert eine Darstellung
von 9 im Raum H(M) . Diese Zuordnung ist unitär, wenn auf M ein unter den Transformatio-
nen p -lo g(p) invariantes Integral bzw. invariantes Maß du existiert (oben J d3x . . . bzw. J dO . . .):
=
(<1>,111) Jdll <1>* 111 ist dann ein invariantes Skalarprodukt. Die Erzeugenden der Darstellung sind
lineare Differentialoperatoren auf M .
Besonders wichtig ist der Fall, wo 9 auf M transitiv wirkt, d.h., daß mittels der Gruppe jeder
Punkt von M in jeden übergeführt werden kann (dies war beim Beispiel der Kugeln der Fall, nicht
jedoch beim Beispiel des ganzen euklidischen Raums, wo auch Komplikationen auftraten, was die
Reduzibilitätsverhältnisse anlangt) . Im Fall der Transitivität sind alle p E M gleichberechtigt, was
9 anlangt. Wählt man einen beliebigen Punkt Po E M (z.B. den Nordpol der Kugel), so bilden alle
9 E 9, die Po festIassen, eine Untergruppe H po (Isotropiegruppe von Po oder stabile Untergruppe
zu Po; Isotropiegruppen anderer Punkte sind zu 1t po konjugiert; im Beispiel des Nordpols auf der
Kugel ist 1tpo die ebene Drehgruppe 80(2) der Äquatorebene). Die Punkte p E M können nun
umkehrbar eindeutig den Nebenklassen 9/1t po zugeordnet werden: p gehört zu der Nebenklasse,
in der jene 9 E 9 liegen, die Po in p überführen - ein solches 9 existiert sicher , da Transitivität
vorausgesetzt wurde. (In obigem Beispiel ergibt sich daher die Zuordnung S2 .... 80(3)/80(2) ;
ebenso S3 .... 80(4)/80(3) usw.) Die möglichen Räume M können so durch die Untergruppen von
9 klassifiziert werden ("homogene Räume" von 9) .
1 Dies liegt aber hier nur an unseren für den unendlichdimensionalen Fall reichlich unpräzisen
Definitionen!
7.7 Darstellungen in Funktionenräumen 201
Offensichtlich gehört 9 selbst zu diesen homogenen Räumen : auf M = 9 wirkt 9 als transitive
Transformationsgruppe durch die Rechts- und Linksmultiplikation: Ist p E 9 = =
M , so sei g(p)
= »s:' oder gp. Die so erklärte Wirkung von 9 auf sich selbst ist ein/ach transitiv, die Isotro-
piegruppe eines Punktes besteht nur aus e. Die nach obiger Vorschrift konstruierte Darstellung Tg
im Raum H(g) heißt die regulär e (Rechts- oder Links-) Darstellung von g. Sie ist treu und steht
für jede abstrakt gegebene Lie-Gruppe zur Verfügung; somit kann die Li e-Alq ebra einer Lie-Gruppe
stets als die Lie-Algebra der Erzeugend en der regulären Darstellung ermittelt werden , d.h. dur ch Be-
rechnung der Kommutatoren von linearen Differentialoperatoren. Die reguläre Darstellung kann für
kompakte 9 unitär gemacht werden, indem man das in 7.5 erwähnte (Iinks- oder rechts-) invari ante
Integral auf 9 benützt .
Für die Gruppe 9 = SO(3), oder besser für SU(2) lassen sich diese Verhältnisse wegen
SU(2) ..... 53 gut veranschaulichen. p --+ gp bzw. vs:' sind die in Abschnitt 7.6 betrachteten Links-
bzw. Rechtstranslationen der Sphäre 53. Wird die Gruppe z.B. mittels Eulerscher Wink el parame-
t risiert , so ist das (hier beidseitig) invariante Maß durch (7.5 .10) gegeben; vgl. auch Aufgab e 2 zu
Abschnitt 7.6. Funktionen auf SU(2) sind dann Funktionen /(o , ß, r) (Funktionen auf SU(2) und auf
50(3) unterscheiden sich nur durch ihre Periodizitätseigenschaften in Cl , ß, r) , und die Erzeugenden
für Links- bzw. Rechtstranslationen können aus der "Multiplikationstafel" (7.6.7) leicht gewonnen
werden. Dies ermöglicht , die reguläre Darstellung nach dem bekannten Verfahren auszur eduzi eren .
Wir betrachten nun die Matrixelemente Dmn(g) einer endlichdimensionalen irreduziblen Dar-
stellung der Gruppe 9 als Funktionen auf g j 9 --+ Tg sei etwa die reguläre Rechtsdarstellung. Dann
ist
(Tg , Dmn)(g) = Dmn(ggd = Dmk(g) Dkn(gd
(7.7 .19)
Tg , D m n = Dkn(gd Dmk .
Dies bedeutet , daß für jedes feste m die Funktionen Dmn(g) einen invarianten irreduziblen Teilraum
von H(g) aufspannen , in dem T g wie die irreduzible Darst ellung D wirkt . Da m soviele Werte
annehmen kann , wie die Dimension der Darstellung ang ibt , folgt: die irreduzible Darstellung D
kommt in der regulären Darstellung so oft vor, wie ihre Dimension betr ägt . (Man beachte die
Dopp elrolle der Dm n - sie tr eten sowohl als Darstellungsmatr izen als auch als Basisvektoren in
irreduzibl en invarianten Teilräum en der regulären Darstellu ng auf ; diese Rolle spielen sie auch in
der quantenm echanisch en Beschreibung des symmetris chen Kreisels, dessen Konfigurationsraum j a
dur ch die Euler-Wink el (Cl , ß, r ) beschrieben wird und dah er SO(3) ist.) Indem man die D~~ für die
Drehgruppe analog zu den Kugelfunktionen Y l m durch Lösen von Differenti algleichungen (hier in
den Vari ablen a , ß, r ) ermit telt , hat man dadurch ein neues , verallgemeinerungsfähiges Verfahr en
zu ihrer Bestimmung gefund en (s. Gelfand-Minlos-Shapiro (1963)) .
Für kompakte Gruppen 9 wie SU(2) gilt folgendes: durchläuft D alle irreduziblen endlichdimen-
sional en Darstellungen , so bilden die Dmn(g) ein vollständiges System von Funktionen aufg (so wie
2
die Y l m ein vollständiges System in H(5 ) bilden ; d.h., jedes / E H(9) kann nach ihnen entwickelt
werden). Dies ist der berühmte Satz von Peter und Weyl (s. Neum ark (1959)). Aus ihm folgt die
volle Reduzibilität der regulären Darstellung kompakter Gruppen und die Endlichdimensionalität
aller irreduziblen Darstellung en. Die Kompaktheit ist hierb ei eine wesentlich e Voraussetzung.
Aufgaben
1. Man führe die Details zum Additionstheorem der Kugelfunktionen aus.
3. Man zeige: der " Ortsoperator" X, definiert durch (X <I> )(x) = x <I>(x) , und der
"Impulsoperator" P , definiert durch (P <I>)(x) = I/i V<I>(x) oder
(exp(-iaP)If»(x) = If>(x- a) , sind Vektoroperatoren.
202 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
4. Man berechne die Erzeugenden der regulären Rechts- und Linksdarstellung der
Drehgruppe in den Koordinaten (0., ß, ,).
Dadurch entsteht ein neues Vektorfeld, das mit dem ursprünglichen verglichen werden
kann. Wenn sich die beiden Bilder decken , so ist das Vektorfeld drehinvariant.
Formal wurde das Verhalten von Vektor- und Tensorfeld ern bereits in (3.4.10)
und (5.6.2) angegeben. Es ist
(wobei sowohl die früher verwendete passive, als auch die hier im weiteren zugrunde
gelegte aktive Interpretation der Drehungen möglich ist) .
Allgemein wollen wir "Felder v zur Darstellung DU der Drehgruppe betrachten,
wobei 9 ----t D g eine endlichdimensionale Darstellung in eine m Vektorraum V bedeu-
tet. Jedem Punkt x des dreidimensionalen euklidischen Raumes R3 ist ein Element
7.8 Teilchen mit Spin 203
v(x) E V zugeordnet (V kann der Raum der Spinoren, Vektoren, Tensoren ... sein).
Eine Drehung R führt v in v' über, wobei das Transformationsverhalten
(7.8.2)
auch in dem kommutativen Diagramm der Abb. 7.7 veranschaulicht werden kann.
v v'
J i:
so ist
(v, w) = d3x v;(x) w,,(x). (7.8.4)
u=-tJ
Indem man x als "kontinuierlichen Index" interpretiert, kann man sich plausibel
machen, daß die Darstellung 9 - t oTg das Tensorprodukt der Darstellung D in V mit
der im vorigen Abschnitt betrachteten Darstellung Tg im Raum H(R3 ) der skalaren
Felder ist:
oTg = o, r;
0 H(V, R ) = V 0 H(R ) .
3 3
(7.8.5)
Um diese Darstellung auszureduzieren, bestimmen wir die Gestalt der Erzeugen-
den J. Dazu bezeichnen wir die hermitischen Erzeugenden von D g mit 5 , die von Tg
wie in (7.7.8) mit L. Dann ist
wofür man meist kurz J = L + 5 schreibt ("L wirkt auf x, 5 auf diskrete Indizes") .
In der Quantenmechanik ist J der Operator des Gesamtdrehimpulses, der sich aus
204 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
[L,5) =0
(7.8.7)
[LI" Lv) = ifl'v>' L>.,
Die distributive Eigenschaft (6.5.8) des Tensorproduktes erlaubt es, zur Ausreduk-
tion von oTg = D g 0 T g zuerst D g und T g einzeln auszureduzieren. Dabei wollen wir
uns bei Tg auf den Raum H(5 2) der Funktionen auf der Einheitskugel beschränken.
Dann ist Tg = I: Ef7D~t), während wir aus D g irgendeinen der darin vorkommen-
den irreduziblen Bestandteile D~s) herausgreifen. Somit bleibt das Tensorprodukt
DU) 0 D(i') zweier irreduzibler Darstellungen auszureduzieren (der Allgemeinheit hal-
ber betrachten wir anstelle des ganzzahligen e die Gewichte j' = 0, 1/2, 1 ... im
zweiten Faktor) . Die Lösung dieses Problems ist die Clebsch-Üordan-Reihe:
DU) 0 DU') = DU+i') Ef7 DU+i'-l) Ef7 ' " Ef7 D(Ij-j'l+l) Ef7 D(Ij-i'Il, (7.8.8)
wie in Kap . 8 mit Hilfe der Spinoralgebra gezeigt wird. Es ist daher
Die einzelnen Gewichte treten hier mehrfach auf, und zwar jedes Gewicht j :2 s + m
(2s + 1)-mal (m :2 0 ganz}; jedes Gewicht j = s - m (2j + 1)-mal (0 < m ::; s, ganz) .
Zur Konstruktion einer kanonischen Basis in jedem der Teilräume sind die Glei-
chungen (7.5.48) mit J = L+5 zu lösen (dieses Problem ist in der Quantenmechanik
als Drehimpulsaddition bekannt) . Da Gewichte mehrfach auftreten, bilden die Ei-
genvektoren Ii.i, ...) jeweils einen eindimensionalen Raum, in welchem man eine
Basis z.B. dadurch auszeichnet, daß man noch die mit J kommutierenden Opera-
toren L 2 und 52 diagonalisiert. Durch die Wahl dieser Eigenvektoren Jj,j, e, s) ist
die Entartung aufgehoben, da damit angegeben wird, aus welchem der Produkte
D(s) 0 D(l) die betreffende D(j) stammt. Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen,
e
daß bei der Darstellung T die kanonische Basis I m) für den irreduziblen Anteil D(l)
von den Kugelfunktionen {Y l m } gebildet wird . Ist in D(s) ebenfalls eine kanonische
Basis {vu , (J = -s, ... ,s} gewählt, so wird der Darstellungsraum D(s) 0 D(l) von
den Tensorprodukten V u 0 Y t >. aufgespannt. Diese sind Eigenvektoren von L 2, L 3 , 52,
e
53, die man in Dirac-Schreibweise I As (J) schreibt und die ein Orthonormalsystem
bilden. Aus den IfA s (J) sind nun für jedes gemäß (7.8.9) in D(s) 0 D(l) enthaltene
DU) die kanonischen Basisvektoren Ij m f s) zu konstruieren:
die man auch als Clebsch-Gordan-Koeffizienien bezeichnet. Ihre Berechnung und Ta-
bellierung findet man z.B. bei Edmonds (1964).
Die kanonischen Basisvektoren sind also für den Raum der Felder zur Darstellung
D(s)
Als konkretes Beispiel betrachten wir den Raum der Vektorfelder, d.h. , wir wählen
als endlichdimensionale Darstellung D die irreduzible Darstellung D(l). Die Basisvek-
toren Ij m el) heißen auch Vektorkugelfunktionen V jtm(0, <p) (j = e + 1, f, e - 1); es
gilt nach (7.8.12)
V(O,<p) = LVj(O,<p)
j=O
j+l
Vj(O,cp) = L Vjl(O,<p)
l=j-l (7.8.15)
j
Vjl(O,<p) = L CjlmVjlm(O,<p)
m=-j
ejlm = J df2Vjtm(O,cp)v(O,<p).
(Betrachtet man die r-Abhängigkeit von v, so werden die ejlm Funktionen von r.) Zu
j = 0 gibt es nur eine Vektorkugelfunktion V OlO , die nach der trivialen Darstellung
transformieren muß, d.h . ein invariantes Vektorfeld ist . Anschaulich ist klar (vgl. Abb .
7.8), daß ein derartiges Vektorfeld stets die Form v(x) = f(r) x/r haben muß, und
dies ergibt sich auch aus (7.8.15). Es ist also zu beachten, daß x als Vektor nach D(l),
als Vektorfeld nach D(O) transformiert!
206 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
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Abb. 7.8. Invariantes Vektorfeld
Achtung auf Druckfehler!), bereits durch die Darstellung Do bestimmt, die bei Einschränkung auf
die Isotropiegruppe 1l po C 9 eines Punktes Po EMin der Faser V po entsteht. Man sagt, die Dar-
stellung von 9 im Bündel wird durch die Darstellung Do der Untergruppe 1l po C 9 induziert. Diese
induzierten Darstellungen sind, wie wir an obigen Beispielen gesehen haben, keineswegs irreduzibel.
Am übersichtlichsten ist der Fall, wo Do eine irreduzible Darstellung von 1l po ist (im Beispiel der
Vektorfelder v(lJ, 'P) etwa nicht der Fall!). Die Frage nach der Ausreduktion wird unter geeigne-
ten Voraussetzungen - z.B. für kompakte Gruppen - duch das Frobeniussche Reziprozitätstheorem
beantwortet . Dirr sei eine irreduzible Darstellung von g, aus der bei Einschränkung auf 1l po eine
Darstellung von 1l po entsteht (die durch Dirr subduzierte Darstellung). Dann kommt Dirr in der
durch Do induzierten Darstellung ebenso oft vor, wie Do in der durch Dirr subduzierten Darstellung
vorkommt. (Vgl. Hermann (1966), Mackey (1968), Loebl (1968).) Ist Do reduzibel, so ist es zuvor
in irreduzible Bestandteile zu zerlegen.
In der Gruppentheorie macht man von der Möglichkeit, Darstellungen durch Darstellungen von
Untergruppen induzieren zu können , vor allem bei nicht-kompakten Gruppen Gebrauch, wobei als
Untergruppe oft eine maximale kompakte Untergruppe gewählt wird. Wir werden das Verfahren bei
der Poincaregruppe kennenlernen (Kap . 9), wo die Darstellungen der Lorentztransformationen durch
Darstellungen der sogenannten "kleinen Gruppen" induziert werden. Nachtmann hat das Verfahren
benützt, um eine Feldtheorie auf beliebigen Räumen M = g/1l (homogene Räume der Gruppe g)
zu entwickeln (0. Nachtmann, Comm . Math. Phys . 6, 1 (1967» , sobald die adjungierte Darstellung
von 9 bei Einschränkung auf 1l zerfällt ("reduktive Struktur").
Es hat sich aber auch bei der Drehgruppe als nützlich erwiesen, die von irreduziblen Darstel-
lungen einer Untergruppe induzierten Darstellungen zu betrachten . Als nichttriviale Untergruppe
kommt hier nur die Gruppe SO(2) der ebenen Drehungen infrage, und es wird M = SO(3)/SO(2) =
= 8 2 (vgl. den vorigen Abschnitt). Die irreduziblen Darstellungen der kommutativen Gruppe SO(2)
sind nach dem Schursehen Lemma eindimensional, und, wie man leicht einsieht, von der Form
0' -+ eü a (s =ganz- oder halbzahlig für ein- oder zweideutige Darstellungen). Die Querschnitte der
zugehörigen Vektorbündel sind daher komplexe Funktionen auf 8 2 , die aber anders transformieren
als die in Abschnitt 7.7 betrachteten skalaren Funktionen: Bei einer SO(2)-Drehung um die 3-Achse
um den Winkel 0' nehmen sie zusätzlich zu (7.7.1) noch den Faktor eisa auf.
Als besonders wirkungsvoll erweist sich hier ein Formalismus, der sich aus der allgemeinen
Theorie (vgl. Hermann (1966)) ergibt, wobei den eben erwähnten Funktionen auf 8 2 Funktionen
auf SO(3) zugeordnet werden, die Eigenfunktionen der durch die Untergruppe SO(2) bewirkten
Rechtstranslationen (vgl. Abschnitt 7.6) sind . Der Eigenwert der Erzeugenden J3 (rechts) ist da-
bei S j um halbzahlige s zu ermöglichen, ist SO(3) durch SU(2) = 8 3 zu ersetzen. Wählt man als
Koordinaten auf SO(3) die Eulerwinkel, so sind die SO(2)-Rechtstranslalionen durch 'Y -+ 'Y + r
gegeben, die Eigenfunktionen haben also die Form ei'Y s f(O',ß) und sind daher durch f(O',ß) bereits
gegeben. Da man 0', ß als Koordin aten 'P, IJ auf 8 2 auffassen kann, sind auch die / Funktionen
auf 8 2 • Die Funktionen eh' /(O',ß) werden gelegentlich (vgl. Goldberg et al. , J . Math . Phys . 8,
2155 (1967), Penrose-Rindler (1984» als Funktionen auf 8 2 mit Spingewicht s bezeichnet; wegen
einer geometrischen Veranschaulichung siehe auch Gelfand-Minlos-Shapiro (1963) , p.lO\. Diejenigen
Funktionen /(0, 'P) auf 8 2 , die zu einer kanonischen Basis für die irreduzible Darstellung D(j) im
Raum der Funktionen mit Spingewicht s führen, heißen spingewichtige Kugel/unktionen .Yjm(lJ, 'P)
(jedes j = [s], Isl+l, Isl+2, . . . kommt nach dem zitierten Reziprozitätsatz einmal vor: diese Funktio-
nen sind von den vorher erwähnten Spinor-Kugelfunktionen zu unterscheid en!). Man erhält sie durch
Diagonalisieren der Erzeugenden J2 (links), J3 (links) von Linkstranslationen, die ja mit den Rechts-
translationen - insbesondere also mit h (rechts) - kommutieren; oder auch durch ihre Verwandt-
schaft mit den D~~ (7.6.30), die sich aus einer zu (7.7.19) analogen Betrachtung für Linkstranslatio-
nen ergibt. Das Bemerkenswerte an dieser Konstruktion wird durch die Tatsache geliefert, daß die
(mit J (links) kommutierenden) Operatoren J± (rechts) den Eigenwert s von Jz (rechts) hebenund
senken. Durch Übergang zu 8 2 erhält man so zwei Operatoren (in Goldberg et al., l.c., mit 5, ~ be-
zeichnet), die das Spingewicht s heben und senken. Durch fortgesetztes Anwenden dieser Operatoren
kann man daher aus skalaren Feldern solche mit ganzzahligem Spingewicht erhalten und umgekehrt
zu jeder Funktion ganzzahligen Spingewichts ein skalares " Potential" konstruieren . Der resultierende
Formalismus zur Separation von vektoriellen und tensoriellen Feldgleichungen in Kugelkoordinaten
208 7. Darstellungstheorie der Drehgrupp e
unter Heranziehung von Radial- und Tangentialkomponenten statt der z , y, z-Komponenten ist einfa-
cher als der Formalismus der vektoriellen und tensoriellen Kugelfunktionen (bereits die Formeln , mit
denen man die Yjlm(O,ep) durch Anwendung von L, x/r, rV aus den Yl m gewinnt - vgl. Edmonds
(1964) - und auch ihre Beziehung zu den Debye-Potentialen für Vektorfelder (s. Born & Wolf (1970»
sind komplizierter; bei Tensorkugelfunktionen ist die Situation noch weit verwickelter, d.h., eine
noch häufigere Anwendung der Clebsch-Gordan-Zerlegung wird nötig) . Vgl. dazu auch M. Carmeli ,
J . Math . Phys . 10, 1699 (1969). Die Vereinfachungen entsprechen etwa denen, die sich in der Analyse
der Streumatrix bei Verwendung der "Helizitätsbasis" ergeben (Jacob & Wick, Ann . Phys . (N.Y.)
7, 404 (1959); vgl. auch Halpern (1968), Appendix 2 wegen des Zusammenhanges mit induzierten
Darstellungen von SO(3».
Wir müssen uns hier mit diesen Andeutungen begnügen und wegen der det aillierten Ausführung
auf die zitierte Literatur verweisen.
Px = -x, p2 = 1 (7.9.1)
Für das hier gestellte Problem fehlen also nur noch die irreduziblen Darstellungen
von Z2. Sie sind eindimensional, da Z2 abelsch ist. Wegen p 2 = 1 ist P eine Zahl
mit Quadrat 1 zuzuordnen, man erhält also zwei Möglichkeiten 1 - t 1, P - t 1 und
1 - t 1, P - t -1. Dies führt zu den irreduziblen Darstellungen
R -t D(l)(R), RP -t D(l)(R) (7.9.2a)
R -t D(l)(R), RP -t -D(l)(R). (7.9.2b)
(Wir betrachten hier nur ganzzahlige Gewichte l, da bei den zweideutigen Darstel-
lungen die Situation komplizierter ist ; siehe unten.) Die durch (7.9.2a) definierte
Darstellung von 0(3) soll mit D(l,+), (7.9.2b) mit D(l.-) bezeichnet werden (positive
und negative Parität).
Reduzible Darstellungen von 0(3) werden nach dem gleichen Verfahren wie bei
80(3) ausreduziert, nur muß hier auch der P zugeordnete Darstellungsoperator dia-
gonalisiert werden , wobei sich wegen p2 = 1 stets die Eigenwerte ±1 ergeben. Kom-
men bei der Ausreduktion beide Paritäten vor, so enthält der Darstellungsraum auch
Vektoren nicht definierter Parität.
Wir betrachten nun insbesondere Tensordarstellungen. Da Tensoren Darstellungs-
räume auch für die volle lineare Gruppe bilden (vgl. Abschnitt 5.4, wobei auf die
Dimension n = 3 zu spezialisieren ist), ist ein Drehspiegelungsverhalten automatisch
erklärt. Ist MI-'" eine orthogonale Matrix (Drehung oder Drehspiegelung), so trans-
formieren eigentliche Tensoren nach
Insbesondere transformiert ein eigentlicher Tensor p-ter Stufe unter der Raumspiege-
lung nach T' = (-l)PT, eine solche Darstellung zerfällt also für gerades bzw. unge-
rades p in irreduzible Bestandteile D(l,+) bzw. D(l,-). Pseudotensoren transformieren
definitionsgemäß nach
(7.9.3b)
ein Pseudotensor p-ter Stufe unter Raumspiegelung also nach T' = (-l)P+lT j solche
Tensordarstellungen zerfallen für gerades bzw. ungerades p in irreduzible Bestandteile
D(l,-) bzw. D(l,+) .
Die eigentlichen Tensoren 1. Stufe von 0(3) nennt man polare Vektoren (Darstel-
lung D(l.-»), die Pseudotensoren 1. Stufe axiale Vektoren (Darstellung D(l,+»). Von
diesem Transformationsverhalten haben wir bereits in Kap . 1 Gebrauch gemacht. Der
€- Tensor! cl-'''>' ist ein invarianter Pseudotensor 3. Stufe und transformiert daher nach
D(O,+) . Überschiebungen und Kontraktionen mit c.. . ändern nichts am Paritätsver-
halten. Bilden wir z.B. das Tensorprodukt zweier polarer Vektoren x , y , so erhalten
wir einen eigentlichen Tensor 2. Stufe X I-'y". Überschiebung mit cl-'''>' liefert den Pseu-
dovektor (axialen Vektor) z:
also das Vektorprodukt z = x x y, das nach D(l.+) transformiert. Allgemein ist das
Paritätsverhalten von Produktdarstellungen offensichtlich.
Wir betrachten nun Darstellungen im Raum der (eigentlichen) skalaren Felder
über R3 bzw. S2. Der Raumspiegelung entspricht die unitäre Transformation lf> -+ lf>',
wo lf>'(x) = lf>(-x), deren Eigenfunktionen die geraden bzw. ungeraden Funktionen
sind:
lf>( -x) = lf>(x) bzw. lf>(-x) = -lf>(x) .
Es haben also nur gerade oder ungerade Funktionen definierte Parität. Der Raum der
Felder zerfällt gemäß der Zerlegung
1 1
lf>(x) = 2" [lf>(x) + lf>( -x)] + 2" [lf>(x) -lf>( -x)] (7.9.4)
der Polarkoordinaten. Die Ausreduktion der betrachteten Darstellung ergibt sich da-
her aus dem Verhalten der Kugelfunktionen unter dieser Transformation. Da P mit
allen Erzeugenden, also auch mit den Leiteroperatoren L± kommutiert, genügt es
nach (7.7.11), das Verhalten von Y a zu betrachten. Daraus ergibt sich sofort
(7.9.6)
die Y t m transformieren also für gerades bzw. ungerades f nach D(t,+) bzw. D(t,-) .
In der Entwicklung einer geraden bzw. ungeraden Funktion nach Kugelfunktionen
fehlen daher die Terme mit ungeradem bzw. geradem f.
Ganz analog können Darstellungen im Raum von Feldern anderen Transforma-
tionscharakters bezüglich ihres Paritätsverhaltens analysiert werden. Wegen einer
Anwendung auf elektromagnetische Multipolstrahlung sei auf Blatt-Weißkopf (1952)
oder Jackson (1983) verwiesen.
Wir kommen nun noch auf die Besonderheit bei den zweiwertigen Darstellun-
gen zurück. Hier ist ja einer Drehung R bereits ±D(j)(R) zugeordnet, und diese
Darstellungen sind eindeutige Darstellungen der Überlagerungsgruppe SU(2) von
SO(3) ~ SU(2)/ Z2. Wir benötigen offenbar eine entsprechende Überlagerungsgruppe
von 0(3), die wie 0(3) aus zwei getrennten Stücken besteht, von denen eines SU(2)
ist. Da p 2 = 1 gilt und der identischen Drehung in SU(2) die Matrizen ±1 zuge-
ordnet sind, ist eine Möglichkeit P -+ ±i·1. Die 2 x 2-Matrix i ·1 ist unitär mit
Determinante -1, und jede unitäre 2 x 2-Matrix mit Determinante -1 läßt sich
als Produkt iU schreiben, wo U E SU(2). Eine geeignete Überlagerungsgruppe von
0(3) ist daher die Gruppe S±U(2) der unitären 2 x 2-Matrizen mit Determinante ±1 :
0(3) = S±U(2)/Z2; S±U(2) ist kompakt und besteht aus den zwei Stücken SU(2) und
iSU(2) .
Wir geben nun einige Darstellungen der Gruppe S±U(2) an. Neben der definie-
renden Darstellung A -+ A für A E S±U(2) ist A -+ det A . A eine dazu in äquivalente
7.9 0(3) 211
Darstellung (s. Aufgabe), das Produkt der definierenden mit der nichttrivialen ein-
dimensionalen Darstellung A -+ det A, nach der Pseudoskalare transformieren. Man
hat daher auch zwei Arten von Spinoren. Weitere Darstellungen ergeben sich durch
Bildung von Tensorprodukten, und wie schon bei SU(2) liefert vollständige Symme-
trisierung der zugehörigen Spineren höherer Stufe irreduzible Darstellungen. Zu jeder
der Darstellungen DU) von SU(2) erhält man so zwei inäquivalente Darstellungen für
S:l:U(2):
(7.9.7a)
und
(7.9.7b)
Für ganzzahliges gerades bzw. ungerades j ist (7.9.7a) offenbar die vorher mit DU,+)
bzw. DU,-) bezeichnete Darstellung, (7.9 .7b) gibt das Umgekehrte. Die in den früheren
Abschnitten eingeführten invarianten unitären Skalarprodukte bleiben auch unter
den auf 0(3) erweiterten Darstellungen invariant. Die erhaltenen Darstellungen sind
somit unitär. Im nächsten Abschnitt untersuchen wir, ob noch weitere mehrwertige
Darstellungen von SO(3) und 0(3) existieren.
Die in (7.9.7a, b) angegebenen Darstellungen sind (bis auf Äquivalenz) alle irre-
duzibl en Darstellungen der Überlagerungsgruppe S:I: U(2). Da S:I: U(2) nicht wie 0(3)
die Struktur eines direkten Produktes hat, können wir uns dabei nicht auf den ein-
gangs zitierten Satz berufen . Wir zitieren daher noch zwei Sätze, die auf die vor-
liegende Situation anwendbar sind und auch bei der Auffindung der Darstellungen
der vollständigen Lorentzgruppe von Nutzen sein werden. Sie beziehen sich auf die
Situation, daß eine Gruppe 9 eine Untergruppe 91 mit einer einzigen Nebenklasse 92
besitzt: 9 = 91 U 92. (91 ist also eine Untergruppe von Index 2 und daher Normal-
teiler .) Die Sätze lauten nun :
1. Wenn eine irreduzible Darstellung von 9 eine irreduzible Darstellung von 91
subdu ziert, dann existiert noch genau eine weitere, inäquivalente irreduzible
Darstellung von 9, die dieselbe Darstellung von 91 subduziert (wenn bei der
ersten 9 -+ Tg für gE 92, so ist bei der zweiten 9 -+ -Tg ) .
Aus diesem Satz folgt, daß (7.9.7a, b) die einzigen Erweiterungen von DU) auf S:I: U(2)
sind.
2. Wenn eine irreduzible Darstellung von 9 eine reduzible Darstellung von 91 sub-
duziert, dann zerfällt letztere in zwei irreduzible, inäquivalente Darstellungen
gleicher Dimension, die die irreduzible Darstellung von 9 bis auf Äquivalenz
eindeutig bestimmen.
Da für 91 = 8U(2) die irreduziblen Darstellungen durch ihre Dimension bis auf
Äquivalenz eindeutig gekennzeichnet sind, kann dieser Fall für 8:1: U(2) ~icht eintreten.
Die oben angegebenen Darstellungen sind daher tatsächlich bis auf Aquivalenz alle
irreduziblen. Wegen der Beweise zu obigen Sätzen siehe Aufgabe 6 und Abschnitt
8.5 (Achtung: in den meisten älteren Büchern wie Cartan (1966), Boerner (1955)
212 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
steht noch "induziert" statt "subduziert"j vgl. die entsprechende Änderung in der
englischen Neuauflage Boerner (l970)) .
Aufgaben
1. Man bestimme das Spiegelungsverhalten der Vektorkugelfunktionen Y jim ((), ep)!
2. Für S±U(2) zeige man die Inäquivalenz der definierenden Darstellung und der
Darstellung A -+ det A·A (A E S±U(2)). (Hinweis: Man benütze das Schursehe
Lemma.)
5. 9 sei isomorph zum direkten Produkt der Untergruppen 9t, 92. Man zeige:
1) Jede irreduzible Darstellung von 9 ist (äquivalent zum) Tensorprodukt einer
irreduziblen Darstellung von 9t mit einer ebensolchen von 92, und jedes solche
Tensorprodukt ist irreduzibel.
2) Sind sämtliche Darstellungen von 91l 92 vollreduzibel, so sind alle Darstel-
lungen von 9 vollreduzibel.
Anleiiutiq: (Vgl. dazu Aufgaben 6, 7, 8 von Abschnitt 6.6):
ad 1) Tg : V -+ V sei irreduzible Darstellung von 9 , die aber unter 92 allein
reduzibel sein wird; V 2 sei ein 92-irreduzibl er Teilraum. Bildet man Teilräum e
Tg V 2 mit 9 E 9t, so sieht man, daß sie alle zu V 2 äquivalente Darstellungen von
92 tragen und V isotypische direkte Summe von einigen von ihnen sein muß.
In diesem Fall hat V die Struktur v, (8) V 2, wo T g2 durch idv) (8) 2Tg2 gegeben
ist (2Tg2 ist die irreduzible Darstellung von 92 in V 2). Die T g) wirken darin wie
tTg) (8) idv2 , da sie mit den T g2 kommutieren; tTg) sind lineare nichtsinguläre
Abbildungen V t -+ Vt, die offensichtlich eine Darstellung von 9t bilden . Die
Irreduzibilität von tTg) ist notwendig und auch hinreichend für die Irreduzibi-
lität von V t (8) V 2 unter 9 ; mit 9 = 9t92 wird t; = T g)Tg2, und dies wirkt in
v, ® V 2 wie (tTg) ® idv2)(idv) ® 2Tg2) = .t; ® 2Tg2'
ad 2) Ist V reduzibel , so reduziere man innerhalb jeder isotypischen Kompo-
nente -V, ® V 2 zu 92 den Raum V. bezüglich 9t aus.
0 Tgo)
g2 -+ ( 1 0
zu einer Gruppe wird, wobei die Elemente (e, a) einen zu A isomorphen zentralen l
Normalteiler bilden, dessen Faktorgruppe zu 9 isomorph ist, ohne daß allerdings
9 x A notwendigerweise eine zu 9 isomorphe Untergruppe enthielte wie bei einem
semidirekten Produkt. Man schreibt diese Gruppe 9 x", A und nennt sie zentrale
Erweiterung von 9 durch A mit Erweiterungskozykel w.
Der Sinn dieser umständlich aussehenden Begriffsbildung - die für beliebige abel -
sehe Gruppen A funktioniert, in der w (7.10.2a) erfüllende Werte annimmt - ist, daß
die Zuordnung (g, a) t-t aTg nunmehr eine gewöhnliche Darstellung dieser Gruppe
ist (Aufgabe) und umgekehrt jede gewöhnliche Darstellung von ihr eine mehrwertige
Darstellung von 9 liefert. (Man sagt, die mehrwertige Darstellung von 9 wurde zu
einer Darstellung von 9 x, A geliftet.)
Im Fall, wo A allgemein, also nicht in C enthalten ist, muß hier rechts d(a)Tg und in (7.10.1)
d(w(g, h)) stehen, wo d eine eindimensionale Darstellung von A ist - dies träfe etwa nach Schur II
bei irreduziblen Darstellungen von 9 Xw A zu; d(w) erfüllt wie w selbst die Kozykelrelation .
(7.10.4)
verbunden (Aufgabe), und die Gruppen 9 x",A , 9 x""A sind als Erweiterungen durch
A isomorph genau dann, wenn (7.10.5) gilt (Aufgabe).
Manchmal kann durch Äquivalenz erreicht werden, daß w' Werte nur mehr in einer
echten Untergruppe A' C A annimmt; man ist natürlich bestrebt, A' möglichst klein
zu machen. (Erweiterungen, die zu w' == 1 (direktes Produkt) äquivalent sind, heißen
trivial; kann w'( ., .) E A' c A erreicht werden, ist 9 x, A isomorph zur trivialen
Erweiterung von 9 x""A' durch A.) Zur Auffindung aller mehrwertigen Darstellungen
sind also zunächst alle im Sinn von (7.10.5) inäquivalenten Lösungen von (7.10.2) zu
bestimmen, wobei der vorgegebene Wertebereich A für Ag jeweils zu beachten ist .
Als Beispiel betrachten wir die Vierergruppe V4 ::' {E, P, T, PT} C L. Für sie ist die Zuordnung
E ..... 1, P ..... 0'1, T ..... 0'2, PT ..... 0'3 wegen (7.5.45) eine zweidimensionale Strahldarstellung mit
Kozykelwerten in {I, i, -1, -i} ::' Z4. Wie wir wissen, wirken die lT auf C 2 irreduzibel, es ist also
nicht möglich, durch Äquivalenz zum Kozykel w' == 1 zu gelangen, denn eine gewöhnliche Darstellung
der Abelschen Gruppe V4 auf C 2 ist nach Schur II stets reduzibel - eine unter Äquivalenz invariante
Eigenschaft.
1 D.h., diese Elemente kommutieren mit allen Gruppenelementen, sie liegen im Zentrum der
Gruppe.
7.10 Mehrwertige Darstellungen 215
Ist 9 eine Lie-Gruppe, kommen noch Stetigkeitsforderungen hinzu, die bei gewöhn-
lichen Darstellungen einfach verlangen, daß Tg von 9 stetig abhängt. Bei mehrwertigen
Darstellungen wäre es zu einengend, wenn auch naheliegend, zu verlangen, daß die
Tg und die w(g, h) stetig auf ganz 9 sind, da man ja von stetigen zu unstetigen Tg ,
w(g, h) durch unstetige Äquivalenzen (7.10.4,5), d.h. unstetige Wahl von >"g gelangen
kann. Es stellt sich heraus, daß es sachgemäß ist, die Stetigkeit von T g , w(g, h) nur
in Umgebungen auf 9 zu verlangen , die zusammen ganz 9 überdecken und für die in
den Durchschnitten stetige Umrechnungen (7.10.4,5) existieren.
Man kann die dahinterstehende Erweiterungsgruppe auch ohne ein derartiges Stückelungsver-
fahren konstruieren; vgl. Simms (1968). Als Beispiel diene SO(3) , A = Z2 = {1, -1}: würde man
=
w(I ,I) 1 und Stetigkeit auf ganz SO(3) verlangen, wäre ja w == 1 und die zentrale Erweiterung
SU(2) ausgeschlossen.
Man untersucht nun zuerst die Situation für die Komponente der Einheit ge' Zu
ihr existiert stets eine eindeutig bestimmte zusammenhängende und einfach zusam-
menhängende Lie-Gruppe ge, aus der alle zusammenhängenen Überlagerungsgrupp en
( = Erweiterungen von Oe mit diskreten A) durch Quotientenbildung nach zentralen
Normalteilern gewonnen werden können - die universelle Überlagerungsgruppe (vgl.
Chevalley (1946), Dieudonne (1976)). Nun gilt, daß jede (stetige) komplexe oder
unitäre Strahldarstellung (A = CX oder U(1)) einer zusammenhängenden, einfach
zusammenhängenden Lie-Gruppe in einem endlichdimensionalen komplexen Vektor-
raum V äquivalent zu einer gewöhnlichen ist, weil etwa
(7.10.6)
alles leistet - ein Monodromieargument wie in Abschnitt 7.6 (das uns dort gezeigt
hat, daß für A = diskret eine gewöhnliche Darstellung vorliegt) ergibt , daß man mit
den verschiedenen Zweigen der Wurzel nicht durcheinandeE.geraten kann. Dies zeigt
den Sinn, neben Darstellungen von 9 = ge auch solche von ge zu betrachten. Für 9 =
= Oe = SO(3) ist ge ~ SU(2) zweiblättrige Überlagerung, und die endlichdimensio-
nalen komplexen oder unitären Strahldarstellungen von SO(3) sind damit erledigt.
Bei unendlichdimensionalen unitären mehrwertigen Darstellungen, bei denen
gemäß (7.10.1) A aus Phasenfaktoren besteht (A ~ U(1)), kann für kompaktes
o = Oe stets zu einer Darstellung einer kompakten zusammenhängenden Überlage-
rungsgruppe geliftet werden (V. Bargmann, Ann. Math . 59, 1 (1954)). Dies erledigt
auch den unendlichdimensionalen unitären Fall für SO(3) und zeigt, daß für SO(3)
in beiden Fällen von A = CX oder A = U(1) auf A' ~ Zz, d.h. von komplexen
oder unitären Strahldarstellungen auf zweiwertige, eingeschränkt werden kann. (Ein
anderes Argument dazu wird in Abschnitt 9.2 angegeben werden.)
Betrachten wir nun 0(3): Seien R,S E SO(3) , P die Raumspiegelung, und eine
mehrwertige Darstellung mit A = CX oder A = U(1) C CX liege vor. Wir zei-
gen zunächst, daß die Werte w(R,S), w(P,R), w(P,P) bereits den ganzen Kozy-
kel w(., .) auf 0(3) bestimmen, d.h. auch die Werte w(R, P), w(PR, S), w(S, PR)
und w(PR, PS) festlegen. Zur übersichtlicheren Manipulation der Kozykelbedingung
arbeiten wir lieber mit den Darstellungsoperatoren und deren Assoziativität. Da
216 7. Darstellungstheorie der Drehgruppe
auf zwei Arten im Sinn der angedeuteten Klammerungen aus , erhalten wir nach
Wegkürzen von w(R, S)TRS
i(R) i(S) = 'Y(RS).
Die Zuordnung R ---+ 'Y(R) ist also eine eindimensionale Darstellung von SO(3) - und
die einzige solche ist 'Y(R) = 1. (7.10.7) geht damit über in
w(PR,PS) = w(P,P)w(R,S).
w(P, R) w(P, S)
Schließlich erlauben die Kozykelrelationen zu TpTRTS und TRTSTp auch die Berech-
nung von
p R S ) = w(R, S) w(P, RS)
w( , w(P,R)
= w(R , S) w(P, RS)
w(R , PS) w(P, S ) '
Was kann noch durch die Umnormierung (7.10.5) erreicht werd en? Für w(R , S) kann
der Wertebereich {I , -I} erreicht werden, wie wir schon wissen, und die verbleibende
Freiheit der AR liegt wieder im Bereich {I , -I}. Wählen wir ferner als Ap einen
Wert von (w(P,P)t 1 / 2 , ist w'(P,P) = 1 erreicht und mit APR = Apw(P,R) auch
w'(P, R) = 1. (Bei diesem Schritt war wichtig, daß in A = C X oder A = U(l)
Quadratwurzeln gezogen werden können!) Je nachdem, ob w(R, S) noch auf den Wert
1 eingeschränkt werden kann oder nicht , erhalten wir somit entweder die Gruppe
SO(3) x {I , P} ~ 0(3) selbst oder SU(2) x {I , P} als relevant e zentrale Erweit erung.
Von beiden sind die Darstellungen nach dem Satz am Beginn von Abschni tt 7.9
bekannt, und damit auch die komplexen und unitären Strahldarstellungen von 0(3).
Begrifflich von diesen zu unterscheiden sind aprior i zweideutige Darstellungen, wo
also von vornherein A ~ Z2 = {I , -I} und damit auch Ap E {I, -I} verlangt wird.
Hier ist w(P, P) = +1 oder -1, kann aber im letzteren Fall nicht auf w'(P, P) = +1
gebracht werden, da A ~{1, -I}! w'(P, R) = 1 ist hingegen erreichbar , und man
verifiziert, daß im Fall, wo w(R, S) = 1 nicht err eichbar ist, die gesuchte Erweite-
rungsgruppe zur im vorigen Abschnitt betrachteten Gruppe S±U(2) isomorph ist.
7.10 Mehrwertige Darstellungen 217
Sie ist für einen geometrischen Aufbau der Spinortheorie relevant (Cartan (1966)) ,
liefert (vgl. Abschnitt 7.9) die Fundamentaldarstellungen für 0(3) und ist nicht iso-
morph zur vorher gefundenen Gruppe SU(2) x Z2' Die beiden sind die einzigen
Überlagerungsgruppen von 0(3), welche die Komponente der Einheit SO(3) durch
eine zusammenhängende Untergruppe (~ SU(2)) überlagern. Obwohl nicht isomorph,
sind sie jedoch für die Zwecke der Quantenmechanik gleichwertig, weil ihre trivialen
Erweiterungen mit U(I) oder C X isomorph sind . Man darf aber nicht Spinoren mit
unterschiedlichen Phasenkonventionen bezüglich ihres Spiegelungsverhaltens mischen
(superponieren)!
Aufgaben
3. Man zeige, daß (g,a) --+ aTg Darstellung der (7.10.3) definierten Gruppe ist.
4. Man deduziere (7.10.5) aus T;T~ =w'(g,h)T;h und (7.10.4).
5. Man zeige, daß (g, a) --+ (g, -\;l a ) ein Isomorphismus zwischen den durch w, w'
definierten Erweiterungsgruppen ist, falls (7.10.5) gilt.
1 Beweise findet man in Hein (1990), Samelson (1990), Tits (1983). Die reelle Lorentzgruppe .c~
ist sogar einfach, d.h . ohne nichttrivialen Normalteiler . Dies trifft aber nieht für die im folgenden
verwendete Komplexifizierung SO(4 ,C) und die kompakte reelle Form SO(4,R) zu. Die höheren
komplexen Drehgruppen sind einfach.
2Vgl. aber die Bemerkungen in H. Joos , Fortsehr . d. Physik 10,65 (1962).
8.1 Lie-Algebra von .c~ 219
N = ( 0 -e~) (8.1.2)
I' -eI' 0 '
wobei AI' durch (7.2.5) definiert und ef.' Einheitsvektoren in den drei Koordinaten-
richtungen bedeuten.
Aus (8.1.2) folgen die Vertauschungsrelationen
M± = ~(M±iN) (8.1.4)
genügen . Die Lie-Algebra L zerfällt daher in die direkte Summe zweier dreid imensio-
naler Lie-Algebren L +, L- , die von M+ und M- aufgespannt werden (L = L + EB L-
als Vektorraum; die Elemente von L + kommutieren mit jenen von L-). Sowohl L +
als auch L- hat die Struktur der Lie-Algebra der Drehgruppe. Mit Hilfe der in Ab-
schnitt 7.7 besprochenen regulären Darstellung sieht man leicht allgemein ein, daß
die Lie-Algebra L des direkten Produkts 9 = 91 X 92 zweier Lie-Gruppen 9}, 92 die
direkte Summe LI EB L 2 der Lie-Algebren dieser Gruppen ist.
Bevor wir jedoch Schlüsse über die lokale Struktur von .c~ ziehen , müssen wir noch
die Realitätsverhältnisse studieren. Die Lie-Algebra der reellen Lorentzgruppe besteht
aus den reellen Linearkombinationen der M, N; die Aufspaltung (8.1.5) gelingt jedoch
nur unter Verwendung von i in (8.1.4), also nur bei Verwendung von Koeffizienten,
wie sie in der Lie-Algebra der komplexen Lorentzgruppe auftreten würden. (8.1.5)
zeigt also nur, daß die komplexe Lorentzgruppe (die mit der komplexen Drehgruppe
SO(4,C) in vier Dimensionen übereinstimmt, da im Komplexen die Signatur bedeu-
tungslos ist) lokal isomorph zum Produkt zweier komplexer Drehgruppen SO(3 ,C) ist.
220 8. Darstellungstheorie der Lorentzgruppe
Die reellen Linearkombinationen von M± bilden die Lie-Algebra von SO(4,R), deren
lokale Isomorphie zu SO(3, R) x SO(3, R) wir bereits in Abschnitt 7 gesehen haben.
(Dementsprechend ist SO(4,R) sowie SO(4,C) nicht einfach (= frei von nichttrivialen
Normalteilern), während .c~ sogar einfach ist.)
Obwohl die Produktzerlegung der Lorentzgruppe also nur im Komplexen gilt ,
ist sie doch für unser Problem von Nutzen, da jede Darstellung der reellen Gruppe
durch analytische Fortsetzung in den Parametern eine (analytische) Darstellung der
komplexen Gruppe SO(4,C) liefert, wobei sich die Reduzibilitätsverhältnisse nicht
ändern. Durch Einschränkung von SO(4,C) auf SO(4,R) entsteht so zu jeder ir-
reduziblen Darstellung von .c~ eine irreduzible Darstellung von SO(4,R) (lokal ~
~ SO(3, R) x SO(3, R)). Nach dem in Abschnitt 7.9 zitierten Satz über die irredu-
ziblen Darstellungen eines direkten Produktes (bzw. dem entsprechenden Satz über
Darstellungen der direkten Summe zweier Lie-Algebren) finden wir damit die gesuch-
ten Darstellungen aus den Kroneckerprodukten der irreduziblen Darstellungen der
beiden Faktoren SO(3,R) auf dem Umweg über das Komplexe.
Damit ist das Problem, die irreduziblen (endlichdimensionalen) Darstellungen von
.c~ zu klassifizieren, gelöst: Sie sind durch zwei ganzzahlige oder halbzahlige Indizes
i , j' zu kennzeichnen, also durch die Gewichte der irreduziblen Darstellungen der
beiden Drehgruppen. Wir bezeichnen diese Darstellungen von .c~ mit DU,i'); sie sind
(2j + 1)(2j' + l)-dimensional. Aus den Casimiroperatoren (M±)2 = (M2 - N 2±
±2iMN)j4 der beiden Drehgruppen mit den Werten -j(j + 1), -j'(j' + 1) für D(j,j')
ergeben sich die entsprechenden Werte der Casimiroperatoren
MN (8.1.6)
Gegensatz zum Drehwinkel kein additiver Parameter ist . Letzteres folgt aus dem re-
lativistischen Geschwindigkeitsadditionstheorem, und die Überlegungen in Abschnitt
2.1 zeigen, daß stattdessen die Größe ar tgh v additiv ist (Formel (2.1.8); in der Theo-
rie der Lie-Gruppen nennt man dies auch einen kanonischen Parameter für eine ein-
parametrige Untergruppe). Deshalb ist für endliches (v, o) die Matrix D(j)( a ± iv)
wohl Darstellungsmatrix einer Lorentztransformation, aber nicht die, die zu L(v, o )
gehört. Um letztere zu finden, benützen wir die Zerlegung (1.5.13) sowie den additiven
Parameter ar tgh v und finden
v (8.1.9)
u := artgh v · -
v
(-i/ul ist gerade der in (2.1.6) auftretende imaginäre Winkel rp).
Die so erhaltenen Darstellungen subduzieren Darstellungen jeder Untergruppe
von .c~, doch ändern sich dabei die Reduzibilitätsverhältnisse. Wenn wir uns speziell
für Darstellungen der Drehgruppe interessieren, also eine Einschränkung von .c~ auf
SO(3) vornehmen, so erhält man
(8.1.10)
analytische Funktion von a+ iv ist. Man kann leicht einsehen (vgl. Cartan (1966)) , daß alle stetigen
Darstellungen einer komplexen Lie-Gruppe 9 zu analytischen Darstellungen von 9 x 9 fortgesetzt
werden können und so mit Hilfe des zitierten Satzes über direkte Produkte aus den analytischen
Darstellungen herleitbar sind . Wesentlich neu ist also nur das Auftreten der komplex-konjugierten
Darstellungen.
Das oben benützte Verfahren, zu einer komplexen Lie-Algebra und hierauf zu einer ander en
reellen Form der Algebra überzugehen, die zu einer kompakten Gruppe gehört, läßt sich auf jede
halbeinfache Lie-Gruppe anwenden. Aus der Unitäräquivalenz der Darstellungen der kompakten
Gruppe schließt man so auf die volle Reduzibilität der endlichdimensionalen Darstellungen halbein-
facher Gruppen (»unitärer Trick" von H. Weyl; vgl. Hein (1990)). Die allgemein für ivi' =halbzahlig
entstehenden zweiwertigen Darstellungen von ,C~ sind bereits alle endlichdimensionalen mehrwerti-
gen Darstellungen (siehe den entsprechenden allgemeinen Satz in Abschnitt 7.10).
Aufgaben
1. Man zeige, daß die adjungierte Darstellung von .c~ mit jener im Raum der
antisymmetrischen Tensoren Fik = (E, B) übereinstimmt, die in Abschnitt 6.5
betrachtet wurde, und daß die Zerlegung (8.1.4,5) der dort ausgeführten Aus-
reduktion dieser Darstellung entspricht. (Wegen der Verwendung komplexer
Zahlen siehe die Bemerkungen zum Schursehen Lemma in Abschnitt 6.6.) Man
zeige die Halbeinfachheit der Algebra (vgl. Abschnitt 7.4).
Man zeige, daß exp(;; F s) die Matrix einer Lorentztransformation ist . (Für die
weitere Integration unter Benützung gruppentheoretischer Mittel der folgenden
Abschnitte siehe H.V.R. Pietschmann, Sitz. Ber. Österr. Ak. Wiss. Abt. 11 171,
189 (1962).)
(8.2.1)
Wie bei der Drehgruppe läßt sich die Spinordarstellung auch noch anders be-
schreiben. Die aus einem Vierervektor xi gebildete 2 X 2-Matrix
(8.2.2)
(wobei {O"d = {I, 0"1l 0"2, 0"3}) ist für reelles xi hermitisch. X ist aber nicht spurfre i,
vielmehr gilt Sp X = 2 x O• Führen wir neben a, noch die Matrizen a i durch
(8.2.3)
Dabei liefern genau die hermitischen 2 x 2-Matrizen X reelle x' , Von den Relationen
(7.6.13) hat nur die zweite eine für hier wesentliche Verallgemeinerung:
(8.2.5)
Bilden wir nun mit einer beliebigen komplexen unimodularen 2 x 2-Matrix A die Matrix
Durch (8.2.6) ist somit eine Lorentztransformation definiert, für deren Koeffizienten
L ik wir mittels (8.2.4) sofort
t .
c,. = 2"SpAO"kA
1
a' (8.2.8)
finden. Aus L Oo = ~ Sp A At> 0 folgt, daß auf diese Weise nur orthochrone Lorentz-
transformationen zustande kommen. Auch sieht man unschwer, daß durch (8.2.6)
keine Raumspiegelungen beschrieben werden können (Aufgabe).
Wir haben somit gesehen, daß jeder Matrix A aus SL(2,C) (der Gruppe der kom-
plexen, unimodularen 2 x 2-Matrizen) eine Lorentztransformation aus .c~ zugeordnet
werden kann. (8.2.1) zeigt auch das Umgekehrte, wobei allerdings aus dem Faktor
exp( -iOCT /2) wie bei der Drehgruppe eine Zweideutigkeit resultiert, die auch direkt
aus (8.2.6) abzulesen ist: A und -A führen zur selben Transformation X - t X' (mit-
tels des Schursehen Lemmas kann man leicht sehen, daß nur A und - A zu dieser
Transformation führen; Aufgabe). Man kann auch analog zu (7.6.19) eine explizite
Formel angeben, die ±A durch die zugehörigen Lik ausdrückt (Aufgaben).
224 8. Darstellungstheorie der Lorentzgruppe
Wir benützen nun die Beziehung von .c~ zu SL(2,C), um zu zeigen, daß jede
unitäre endlichdimensionale Darstellung von .c~ direkt in eine Summe von trivialen
Darstellungen zerfällt! . Dazu fassen wir die Darstellung als Darstellung von SL(2,C)
1 Allgemein haben zusammenhängende, halbeinfache, nicht kompakte Lie-Gruppen keine treuen
endlichdimensionalen unitären Darstellungen.
8.2 Die Spinordarstellung 225
(de r Ausnahmefall der isotropen Drehungen, w 2 = 0, kann durch eine Ste t igkeit sbe-
t rachtung berücksichtigt werd en) . Dann gilt
(8.2.13)
für beliebige komplexe Wb W2 bei festgehaltenem n . (Für reelles n besteht diese Un-
tergruppe mit einem komplexen , also zwei reellen Parametern ger ade aus Geschwin-
digk eitstransformationen in der Richtung n und Drehungen um die Richtung n.) In
einer unitären Darstellung A(w,n) - t U(w,n) müssen die U(w, n ) zu fest em n die
(8.2.13) entsprechende Relation erfüllen; insbesondere kommutieren sie und be sit zen
daher ein gemeinsames vollständiges System von Eigenvektoren (hi er geht die End-
lichdimensionalität der Darst ellung ein!). Ist v ein solcher, so ist U(w, n)v = u (w, n)v,
und die Eigenwerte u müss en ebenfalls u( WI) u( W2) = u( WI + W2) erfüllen. Die Lösun-
gen dies er Funktionalgleichung hab en die Form u(w) = exp(aw) , a E C. Sollen die
U(w) unitär sein, muß lu(w)1 = 1 für alle komplexen w gelten ; daraus folgt abe r
a = 0, u(w) = 1. Die U(w, n) sind som it Einheitsoperatoren , und die Übe rlegung
kann für jedes weitere, feste n wiederholt werden; somit sind alle Darstellungsoper a-
toren U (w , n) Einheitsop eratoren.
Völlig analog ist die Darst ellung mit j = 0, j' = 1/2, deren Matrizen von de r
Form exp[- i(a + iv ) 0'/2J sind. Wegen
(8.2.1 4)
ist
d .h.
(72 A - 1T (72- I = A für A E 8L(2 , Cl,
während A -t A* dazu inäquivalent ist und nur bei Einschränkung auf SU(2 ) wieder
zur definierenden äquivalent wird , da nur dann A* = (A tf = A- I Taufgrund de r
Unitarität .
Die Relation (8.2 .14) kann auch in der Form
(8.2.17)
226 8. Darstellungstheorie der Lorentzgruppe
geschrieben werden. Dies zeigt, daß man auf die konjugiert-komplexe Darstellung
stößt, wenn man statt mit den 2 x 2-Matrizen X = Xi(Timit
X = X (Ti
~ i-
(8.2.18)
arbeitet.
Die zuletzt erwähnten Tatsachen werden wir in den nächsten Abschnitten zu einer
systematischen Spinoralgebra ausbauen.
Aufgaben
(8.2.19)
(8.2.20)
wobei sich der Nenner N = 2 Sp At aus (8.2.22) und der Bedingung det A = 1
zu
N = ±Vdet o, (Ti iT k (8.2 .23)
ergibt. Die Formel (8.2.22) muß wieder aus topologischen Gründen für gewisse
L versagen - für welche?
!
5. Jede 2 x 2-Matrix M kann in der Form M = m l (Tl mit m l = Sp M iT l dargestellt
werden . Wir werden später derartige Zerlegungen für die Fälle M = (Ti iTi (Tk ,
8.2 Die Spinordarstellung 227
a, aj O'k a m O'n, . • . benötigen, bzw. die Werte der Spuren t Sp a, aj O'k al, • • • Sie
können alle rekursiv mittels
(8.2.24)
2"1 SP a, O'j
- -
O'k O'l = "lij "lkl + "ljk nu - "lik "ljl +Uijkl
.
· (8.2.25)
wie man einsieht , wenn man den ersten Term mittels dreimaliger Anwen-
dung von (8.2.19) auf die Gestalt des zweiten bringt. Die Spur ergibt sich
dann mittels (8.2.20).
t
b) Für den in i, k antisymmetrischen Teil Sp( a, aj O'k al - O'k aj a, al) zeige
man mittels der zyklischen Vertauschbarkeit unter der Spur und der Re-
lationen (8.2.19,20) die totale Antisymmetrie und somit Proportionalität
zu fijkl. Hierauf bestimme man den Proportionalitätsfaktor.
Anleitung zu b) : Ist A = a
( c
b)
d = al al . + a3 a3 + a4 ' 1
+ a2 za2 .
eme
reelle unimodulare Matrix, so betrachte man die (reellen) a, als Koordina-
ten im euklidischen R4. det A = 1 ist die Gleichung eines Hyperboloids,
(a2)2 + (a4)2 = 1 + (at}2 + (a3?' Zu jedem Paar (al, a3) E R 2 gehört ein
Kreis SI . Das Hyperboloid hat also die Topologie R 2 x SI. (Bei der Sphäre 53:
(at}2 +(a2)2 +(a3)2 +(a4)2 = 1 oder (a2)2 +(a4)2 = 1- (al? - (a3)2 könnte man
nicht so schließen, da zu den Paaren (aI, a3) E R 2 mit (at}2 + (a3)2 = 1 kein
Kreis, sondern nur ein Punkt gehört!) Insbesondere ist SL(2,R) unendlichfach
zusammenhängend. Da SL(2,R) die Komponente der Einheit von SO(2 ,1) dop-
pelt überdeckt und sich unter a) höchstens zweideutige Darstellungen ergeben,
hat SL(2,R) trotz unendlichfachen Zusammenhangs nur eindeutige Darstellun-
gen. (Das bei a) zu verwendende Komplexifizierungsargument sowie diese Aus-
sage selbst werden bei unendlichdimensionalen Darstellungen falsch, wie von Y.
Ne'eman betont wurde.)
10. Man zeige folgende Beziehung zwischen dem Vierervektor xi und der zugeord-
neten Matrix X:
8.3 Spinoralgebra!
Wie bei der Drehgruppe nennen wir die Vektoren eines Darstellungsraums, auf dem
L:~ wie D(1/2,O) wirkt, Spinoren (erster Stufe) . Der Spinorraum ist komplex und zwei-
dimensional. Ist A die einer Lorentztransformation L E L:~ zugeordnete SL(2,C)-
Matrix, so transformiert ein Spinor Wunter L definitionsgemäß nach
(8.3.2)
Die so eingeführten Spinoren könnte man als kontravariante bezeichnen und daneben
kovariante Spinoren <I> betrachten, die bei L mit A transformiert werden:
Wegen (8.2.16) vermittelt jedoch U2 eine Abbildung zwischen ko- und kontravarianten
Spinoren, die unter den Transformationen~A, Ä erhalten bleibt: Ist w' = A W, so gilt
für <I> = U2W, <I>' = U2W' die Relation <I>' = A <I>, wie sofort aus (8.2.16) folgt. Man wird
dazu geführt, wie bei Vierervektoren nur von ko- und kontravarianten Komponenten
desselben Spinars zu reden und schreibt
(der Faktor i bewirkt, daß die Umrechnungsmatrix e reell wird). Die fAB sind Kom-
ponenten eines invarianten antisymmetrischen Spinors 2. Stufe: ein derartiger Spinor
muß wegen det A = 1 in völliger Analogie zum f- Tensor von Abschnitt 5.5 existieren .
Da er aber von 2. Stufe ist, definiert er eine invariante Bilinearform
(8.3.4)
die man als invariantes Skalarprodukt im Sinn der symplektischen Geometrie für den
Spinorraum auffassen kann. Dies bedeutet, daß die bereits in (7.6.22) eingeführte
drehinvariante Bilinearform auch lorentzinvariant ist (die Sesquilinearform (7.6.21)
hingegen nicht - .c~ hat ja keine irreduziblen unitären zweidimensionalen Darstel-
lungen). Im Sinn dieser symplektischen Geometrie ist jeder Spinor auf sich selbst
orthogonal, je zwei orthogonale Spinoren sind proportional und umgekehrt.
Die Antisymmetrie der Spinormetrik fAB ist beim Indextransport zu beach-
ten, d.h., es kommt auf die Indexreihenfolge an. Die kovarianten Komponenten
fAB der Spinormetrik sind nach der Definition (8.3.3) so zu wählen, daß sie mit
fAB = fAC fBD fCD verträglich sind. Daraus folgt
f
BD cB
fCD=Vc, (fCD) = (f T)-I = f, (8.3.5)
(8.3.6)
(der Proportionalitätsfaktor folgt durch Überschiehen mit fAB) . Für beliebige <I> AB
gilt daher
<I>AB - <I>BA = <I>cc fAB = fAB fCD <I>CD. (8.3.8)
Daraus folgt die zu (5.5.ge) analoge Relation
CD ;: C;: D cD;: C
fAB f = VA VB - VA VB . (8.3.9)
230 8. Darstellungstheorie der Lorentzgruppe
Eine weitere Vereinfachung besteht darin, daß alle Kontraktionen an total symmetri-
schen Spineren verschwinden. Tatsächlich haben wir schon bei der Drehgruppe ge-
sehen, daß totale Symmetrie Irreduzibilität bedeutet, derartige Spinoren p-ter Stufe
transformieren also nach D(p/2,O) .
Nicht total symmetrische Spinoren höherer Stufe können mittels (8.3.9) durch
systematisches Symmetrisieren und Antisymmetrisieren ausreduziert werden. So ist
z.B.
1 E
eIlAB = eIl(AB) + eIl[AB) = eIl(AB) + 2" eIlE fAB (8.3.10)
die Ausreduktion von D(1/2) 18) D(1/2) = D(l) $ D(O) für die Drehgruppe und entspre-
chend von D(1/2,O) 18) D(1/2,O) für die Lorentzgruppe (fAB transformiert als invarianter
Spinor nach der trivialen Darstellung) . Analog haben wir im allgemeinen Fall
(8.3.11)
wobei der total symmetrische Anteil nach D(p/2,O) transformiert und ausführlich ge-
schrieben
(8.3.12)
lautet (11"(1) ••• 1I"(p) deutet eine Permutation der Subindizes 1 . •• p an, und es ist
über alle p! derartigen Permutationen 11" zu summieren). Der Rest kann als Summe
von p! ~ 1 Termen der Form
(8.3.14)
ist jede der Differenzen { } in (8.3.13) eine Summe von Ausdrücken eIl...B ... J ... -
-eIl...J ... B ... = fBJeIl ... E ...E (nach (8.3.9)). Wegen der Invarianz von f .. ist damit
effektiv die Stufe des Restes um 2 erniedrigt. Es ist übrigens zu beachten, daß -
selbst ohne Symmetrien in eIlA I ... Ap - Relationen zwischen den Spinoren eIl... E ...E ...
bestehen, die aus (8.3.9) folgen, wie z.B.
(8.3.15)
Diese Tatsache und die etwaigen Symmetrien von eIl Al ... Ap sind bei der Diskussion der
Vielfachheit der irreduziblen Bestandteile zu berücksichtigen.
Als Beispiel betrachten wir einen nach DUt}18) D(i2) transformierenden Spinor , der
also 2jl + 2j2 Indizes hat:
eIl ~l..:.:.;3 , (8.3.16)
2il 2i2
8.3 Spinoralgebra 231
Folglich gilt
D(iJl ® D(h) = D(iI+i2) EB (D(iI-l/2) ® D(h- l/ 2)) =
= D(il+h) EB D(il+h- l) EB (D(il -l) ® D(h- l)) = . .. (8.3.19)
= D(il+h) EIl D(i!+i2- l) EB ... EB D<li!-hll,
Einen völlig analogen Formalismus können wir für die nach der konjugiert-
komplexen Darstellung D(O,l/2) transformierenden konjugierten Spinoren entwickeln.
1 R. Penrose hat versucht, aus der Tatsache, daß es sich um ein kombinatorisches Problem handelt,
weitreichende Konsequenzen zu ziehen - siehe seinen Artikel in Klauder (1972).
232 8. Darstellungstheorie der Lorentzgruppe
Es ist üblich, diese Spinoren mit gepunkteten (oder auch gestrichenen) Indizes zu
schreiben. Ein derartiger Spinor (1. Stufe) transformiert also definitionsgemäß unter
L:~ nach
iIld = Ajk iIlk , Ajk:= (AJKr. (8.3.21)
Wir bemerken, daß für einen nach D(1/2,O) transformierenden Spinor q> A die
komplex-konjugierte Größe q>A nach D(O,I/2) transformiert und daher deutlicher q>A zu
schreiben ist. Für die komplexijizierte Lorentzgruppe SO(4,C) sind aber die Darstel-
lungsräume von D(1/2.0) und D(o.I/2) als unabhängig zu betrachten (komplexe Konju-
gation und komplexe Lorentztransformation kommutieren nicht).
Die invariante symplektische Metrik f.Äß wählen wir, indem wir die numerische
Gleichheit qß = fAB fordern. Mit ihrer Hilfe können wir die oben angestellten Über-
legungen wörtlich für gepunktete Spinoren wiederholen, insbesondere transformieren
total symmetrische gepunktete Spinoren p-ter Stufe nach D(O,p/2).
Als Objekte, die nach der irreduziblen Darstellung D(j,jl) transformieren, können
wir somit Kroneckerprodukte von Spinoren mit 2j ungepunkteten und 2j' gepunkte-
ten Indizes nehmen, d.h. Spinoren der Form
q> .. . (8.3.22)
AB".lXY."Z
Aufgabe
Man gebe die (8.3.10) entsprechende Zerlegung für einen Spinor 3. Stufe q> ABC an,
der in A, B symmetrisch ist .
(8.4.1 )
1 ( a, )AB ,
J2 1 (-iT)
a, AB .=
• i
0" AB = J2 0" AB (8.4.2)
(8.4.3)
Wegen (8.2.17) ist dabei die Schreibweise O"jAX, O"iA X mit den Indextransportregeln
verträglich. Da x i beliebig ist, folgt aus (8.4.3)
,..i , ,.. AX _ ci
VAX vk - vk (8.4.4a)
BY _ cY
x.
i cB
0" AX a, - vA V (8.4.4b)
(und die dazu konjugiert-komplexe), die sich aus der Bemerkung ergibt, daß die linke
Seite wegen (8.3.4) in A, B antisymmetrisch und daher zu tAB proportional ist .
(8.4.5) sind übrigens genau die Relationen (8.2.19) in der jetzigen Schreibweise. Weite r
benötigen wir später noch die Umschreibung von (8.2.24,25):
,A X
0"1
k .
0" BX O"m
BY _
-
~2 (Ck,.. AY
Vi Vm
+ vckm O"I.AY _ TJ ' ,..kAY
Im v
+;• .» n,.. Al')
" I m Vn (8.4.6)
cn + ck cn + Z.ti kmn) •
a;
AX k
0" BX O"m
BY n
0" Al' = 2"1 (Ck
Vj Vm v m Vi - TJim TJ
kn (8.4.7)
Aus (8.4.6) ergibt sich durch Multiplikation mit (TmGY unter Verwendung von (8.4.4b)
(8.4.8)
Es ist möglich (vgl. Schmutzer (1968)), aus dieser Gleichung (und ihrer komplex-konjugierten) al-
lein alle obenstehenden herzuleiten, ohne von einer speziellen Realisierung der u;AX Gebrauch zu
234 8. Darstellungstheorie der Lorentzgruppe
machen . Es kommt also in diesem Formalismus nur darauf an , daß die /Ti AX hermitische Lösun-
gen der Gleichung (8.4.8) sind, wobei die Indextransportregeln für Vektor- und Spinorindizes gel-
ten. Der symmetrische Teil von (8.4 .8) folgt , wie oben gezeigt , aus der Äquivalenz der Darstellung
D(1/2,l/2) mit der Vierervektordarstellung; der antisymmetrische Teil ist , wie sich noch herausstel-
len wird, der Ausdruck dafür , daß die Darstellung D(l ,O) zur Darstellung im Raum der selbstdualen
antisymmetrischen Tensoren 2. Stufe äquivalent ist . Nach D(l ,O) transformieren symmetrische Spi-
noren eIlAB = eIlBA, das Transformationsgesetz ist bei Verwendung gemischter Komponent en eIlIJ
(eIlJJ=O):
eIlllJ AlK AJL eIlKL= (8.4.9)
= = =
oder in Matrixschreibweise eIl' A eIl A -1 (Sp eIl 0 - Sp eIl' 0). Wir haben bereits gesehen , daß
dies komplexe Drehungen des komplexen Vektors F =!
Sp eIl tr beschreibt (vgl. (8.2.10) und Aufgab e
= =
7 von Abschnitt 7.6), wobei E Re F , B Im F als Komponenten eines (reellen) antisymmetrischen
Tensors aufgefaßt werden können (vgl. (6.6.18». Mittels (5.2 .20), (5.7.1) sieht man leicht, daß dies
in vierdimensionaler Schreibweise als
(8.4 .10)
geschrieben werden kann, d.h., eIl bestimmt einen selbstdualen antisymmetrischen Tensor fik . Um-
gekehrt findet man leicht
'*'
ß"
= (E )0, + I. B )0, )/T)o, = '12 Fik a, - = 2"'
/TI.: * a; - = 4'1 fik a, -
-i Fik
/TI.: /TI.: • (8.4 .11)
(8.4.10,11) sind das (8.2.4) entsprechende Formelpaar für D(1,O) , das sich mit (8.4 .2) auch schreibt
(8.4 .12)
Daraus ist zu sehen , daß der antisymmetrische Teil von (8.4.8) gerad e die Selbstdualität von f i l.:
zum Ausdruck bringt.
Völlig analog zu (8.4.3) kann nun jedem Tensor ein äquival enter Spinor zugeordnet
werden:
T ik ... --+ T AXB1'... = T ik "·u I.AX o kBY .. • , (8.4 .13)
und umgekehrt jedem Spinor mit gleich vielen gepunkteten und ungepunkteten Indi-
zes ein äquivalenter Tensor
ergibt: hat «I> A ' " BX ...l' einen Überschuß an Indizes einer Art, so gleiche man ihn erst
durch Hinzufügen von Faktoren fCD ... bzw. ftÜ ... aus und verwende danach (8.4.14).
Da f .. invariant ist, ändert sich dadurch nichts an der Darstellung.
Für die Ausreduktion von Tensordarstellungen ergibt sich nun folgendes Ver-
fahren: Man bildet gemäß (8.4.13) einen äquivalenten Spinor, den man wie in
Abschnitt 3 ausreduziert; dann übersetzt man die irreduziblen Bestandteile einzeln
mittels (8.4.14) wieder in den Tensorformalismus zurück.
8.4 Spinoren und Tensoren 235
Als Beispiel betrachten wir einen Tensor 2. Stufe D i k ; der äquivalente Spinor wird
durch Symmetrisieren ausreduziert:
DC Z
c ,Z _ Dik
-
Z c . _ Dik TJik ·
O"iC O"k Z - (8.4.18)
Der erste Term liefert bei Rückübersetzung einen symmetrischen spurfreien Tensor,
auf den der Projektionsoperator
O"m
(A
(X
B)
o;
i X k Y
Y) 0" A 0" B = 2"1 (8mi 8nk + 8ni 8mk) - 1
4TJ
ik
TJmn (8.4.19)
projiziert (diese Formel folgt aus (8.4.7)). Entsprechend ist für den Projektionsope-
rator auf D(I,O)
nach (8.4.7), dies liefert den selbstdualen antisymmetrischen Anteil von D i k • Analog
ist der D(O,ILAnteil in den Tensorformalismus zu übersetzen.
(8.4.17) zeigt gleichzeitig, daß fAB fXY das Spinoräquivalent des metrischen Ten-
sors ist. Aus (8.4.7) kann auch das Spinoräquivalent des e-Tensors berechnet werden ,
es ergibt sich
(8.4.21 )
Wie zu erwarten war, lassen sich sowohl TJ.. als auch f .. .. durch den e-Spinor
ausdrücken; es ist aber zu beachten, daß sich e.. nicht etwa durch TJ. . ausdrücken läßt.
Wird ein Spinor mittels (8.4.14) in einen äquivalenten Tensor übersetzt, so ist
letzterer im allgemeinen nicht reell . So wie zu reellen Vierervektoren xi hermitische
Matrizen X = X iO"i gehören, gehören zu reellen Tensoren T i k ... hermitische Spineren
T AB ... XY... , d.h -,
T AB ... XY... = (TXy...AB .. ·r (8.4.22)
Die nach DU,j/) mit geradem j + j' transformierenden Spinoren können nur für
j = j' hermitisch sein . Für j :f: i' können nur nach der reduziblen Darstellung D(i,i') EB
236 8. Darste11ungstheorie der Lorentzgruppe
(8.4.23)
= =
Aus ki k, 0 folgt nämlich det K AX 0 und damit für K AX die Gestalt K:A jCx, wobei ein komplexer
Faktor in K:A unbestimmt bleibt - die oben erwähnten totalisotropen Räume durch k sind so bereits
festgelegt. Ist k reell, folgt aus der Hermitizität von KAX dann weiter durch Umnormieren von K:A
die Gestalt (8.4.23),wobei eine Phase offenbleibt.
Die reellen, zukunftsgerichteten lichtartigen Vektoren liefern daher eine Veranschaulichung der
Spineren bis auf eine Phase . Die in ihr enthaltene Information kann bis auf ein Vorzeichen ebenfalls
=
veranschaulicht werden, wenn man zusätzlich den Spinor ~AB K:A K:B bzw. den ihm gemäß (8.4.12)
=
entsprechenden reellen Tensor Re ! ij Fij bildet , der
Fij Fij = 0, Fij ki = 0, (8.4.24)
entierte Vierervektorbasis konstruieren. Man bildet dazu die reellen Vektoren ki := (TiA X K:A K:* X ,
(i := (TiA X AA A*X und den komplexen Vektor mi := (Ti A X K:A A* x , die k2 = l2 = m 2 = km =
= l m = 0, k l = -m rn" = 1 erfüllen. Dann ist eo := (k + l)//2 zukunftsgerichtet und bildet zu-
sammen mit e3 := (k -l)//2, el := (m + m*)//2, e2 := (m - m*)/i/2 eine Vektorbasis mit den
Skalarprodukten ea es = 1Iab und dem "Spatprodukt" fijkl e~ e{ e~ e~ =
+ 1. Dieselbe Vektorbasis
entsteht auch , wenn man von (_K: A, _AA) ausgeht . Umgekehrt legt eine raum- und zeitorientierte
orthonormale Vektorbasis eine Spinorbasis bis aufs Vorzeichen fest, was die Zweiwertigkeit der Spi-
nordarsteIlung ausdrückt und nur durch zu Abb. 7.4 analoge Homotopiebetrachtungen in der Menge
der Vektorbasen (~ .c~) oder auch der Nullflaggen (~ SO(3)) zu beheben ist.
Rechentechnisch erweist sich die Verwendung von Spinoren statt Tensoren stets dann günstig,
wenn es sich um Situationen handelt, wo lichtartige Vektoren eine große Rolle spielen. Sie sind ja
nach (8.4.23) gewissermaßen die Quadratwurzel aus lichtartigen Vektoren. Die im letzten Abschnitt
gegebene Klassifikation von symmetrischen Spinoren einer Indexart überträgt sich auf die zugehöri-
gen Tensoren, wobei den Hauptspinoren nun lichtartige Hauptrichtungen entsprechen . So ergibt sich
etwa, daß zum Feldtensor r», dem ja ein symmetrischer Spinor ~ AB entspricht, im allgemeinen
8.4 Spinoren und Tensoren 237
zwei Hauptrichtungen gehören, die aber in besonderen Fällen (nämlich, wenn (8.4.24) gilt , also cI> AB
die Produktform KA KB hat) zusammenfallen können. Dies ist etwa beim Feld einer ebenen elek-
tromagnetischen Welle der Fall {vgl. (5.5.21)) oder beim zu l/r proportionalen Feldanteil in der
Fernzone eines strahlenden Systems, nicht jedoch beim Coulombfeld .
Für begriffliche Zwecke ist es günstig, den Inhalt dieses und der zwei vorhergehenden Abschnitte
auch abstrakt, also nicht nur in Matrixform (vgl. Abschnitt 8.2) zu fassen. Dazu werden zwei
komplex-zweidimensionale Spinorräume S bzw. S mit antisymmetrischen (0,2) - Spinoren ( bzw. (
betrachtet, auf denen Transformationen A bzw. A wirken, welche ( bzw. ( invariant lassen . S 18> Sist
dann komplex-vierdimensional mit (18)( als symmetrischer Bilinearform, die unt er Transformationen
A 18> A invariant bleibt ..Nimmt man S= S' als den zu S komplex-konjugierten Raum (vgl. Anhang
B) und ( = (. sowie A = A', so hat S 18> S = S 18> S' eine Realitätsstruktur - die hermitischen
Spinoren. Für sie ist auch (18) (. reellwertig und die zugehörige quadratische Form hat diagonalisiert
die Gestalt diag{l , -l ,-l,-I). Man kann daher eine invertierbare lineare Abbildung u auf den
Minkowskivektorraum y4 wählen . Sei {eil eine orthonormale Basis in y4 und {ßA} eine normierte
Basis in S, {ßk } die konjugierte in S' , so kann man das Bild von ßA18>ßk unter u nach ej entwickeln :
u(ßA 18> ßk) = O'~k ej . Man gelangt so wieder zur obigen Komponentenversion und sieht aber, daß
u
die O'~k' . . . Komponenten eines Vektorspinors E y4 18> S18> S· sind, der unter Lorentztransforma-
tionen numerisch invariant ist . Der Leser mag übungshalber selbst einige der obigen Formeln unter
diesem Gesichtspunkt interpretieren.
(8.4.25)
Die bei den D(O,OLBestandteile entsprechen den beiden Invarianten des Feldtensors.
Die D(I,ILAnteile entsprechen symmetrischen spurfreien Tensoren 2. Stufe, die sich
hier als identisch erweisen (dies wäre nicht der Fall, würde man pik G'?" betrachten,
wofür ebenfalls (8.4.25) gilt) . Dieser Anteil muß die Form
(8.4.26)
haben und stimmt also mit dem Energie-Impulstensor (5.9.12) überein. Die rest li-
chen Anteile sind physikalisch nicht bedeutend, wir diskutieren sie daher nicht weiter,
sondern betrachten lieber die Ausreduktion von T ik bei Einschränkung auf die Dreh-
gruppe: D(l ,l) = D(2) Ef) D(l) Ef) D(O). Nach D(O) transformiert TOo, die Energiedichte,
nach D(l) der Poynting-Vektor TOo , nach D(2) der Scherungsteil des Maxwellsehen
Spannungstensors.
Im Hinblick auf Abschnitt 7.8 müssen wir darauf hinweisen, daß wir in obigem
Beispiel die x-Abhängigkeit des Feldtensors nicht berücksichtigt haben. Wenn dies -
wie in (5.6.2) - geschieht, erhalten wir eine (unendlichdimensionale) Darstellung im
Raum von Tensorfeldern. Es stellt sich heraus, daß es sinnvoller ist, diese Darstel-
lung vom Standpunkt der Poincaregruppe aus zu analysieren und nicht von dem der
homogenen Lorentzgruppe. Dies wird in Kap . 9 geschehen.
238 8. Darstellungstheorie der Lorentzgruppe
Aufgaben
1. Man beweise (8.4.21)!
Stücken besteht (Formel (6.3.3)). Wir befinden uns daher gegenüber Abschnitt 7.9
in einer neuen Situation und versuchen, in zwei Schritten vorzugehen. Ein Schritt,
der Übergang von .c~ zu .c+ oder auch der von .cl zu .C, kann dabei wie bei der
Drehgruppe vollzogen werden, da .c+ bzw. .c die Struktur eines direkten Produktes
haben:
PNP- 1 =-N
(8.5.4)
PMp-l = M
(d.h. , M bzw. N ist axialer bzw. polarer Vektoroperator), woraus für die in (8.1.4)
eingeführten Größen M± folgt
In den Darstellungen DU,i') ist nun M+ durch DU) 0 idy , M - durch id j 0 DU') dar-
gestellt. Gäbe es in diesem Darstellungsraum auch einen P darstellenden Operator,
so würde aus (8.5.5) die Äquivalenz der Darstellungen DU) und DU') folgen, was nur
für j = j' möglich ist .
240 8. Darstellungstheorie der Lorentzgruppe
Der offenbar einfachere Fall j = j' entspricht, wie wir bereits gesehen haben,
gewissen reellen, auch unter .c~ irreduziblen Tensordarstellungen. Wir betrachten
daher zuerst allgemein Tensordarstellungen von .c. Tensoren transformieren unter .c
nach
T'k ... = d(L) .u;
L\ ... T?" ..., (8.5.6)
wobei L -t d(L) eine der vier einzigen eindimensionalen Darstellungen von .c sein
kann:
d(L) = 1 eigentliche Tensoren
d(L) = sign det L Pseudotensoren
(8.5.7)
d(L) = sign L oO
Zeit-Pseudotensoren
d(L) = sign LOo sign det L Raum-Pseudotensoren.
Wird nur .cl betrachtet, treten nur die ersten beiden Tensorklassen auf. Die Aus-
reduktion erfolgt durch Symmetrisieren, Antisymmetrisieren und Kontrahieren mit
"lik, während die *-Operation dazu nicht mehr herangezogen werden darf, da sie nur
unter .c+ invariant ist.
Wir führen hier einige Beispiele zu diesen Tensorklassen an, deren physikalische
Diskussion bereits in den Aufgaben zu Abschnitt 6.5 durchzuführen war:
Xi, 8i eigentliche Vierervektoren
ds (Eigenzeit) Zeit- Pseudoskalar
u i
= dx / ds (Vierergeschwindigkeit )
i Zeit-Pseudovektor
bi = du i [ds (Viererbeschleunigung) eigentlicher Vektor
ji (Viererstrom) Zeit- Pseudovektor
Ai (Viererpotential bei Lorenz-Eichung) Zeit- Pseudovektor
C:ikmn Pseudotensor
F ik (elektromagnetischer Feldtensor) Zeit-Pseudotensor
*Fik Raum- Pseudotensor.
Wir weisen darauf hin, daß sich das Transformationsverhalten der Feldstärken nur
aus der Art der Kopplung an ihre Quellen ergibt; ferner sei an die Bemerkung nach
(5.5.14) erinnert.
Für Tensoren, die unter .c~ nach D(i,i') transformieren, sind die durch (8.5.6,7)
gegebenen vier Darstellungen äquivalent und die einzigen, zu denen sich D(i,i') als
Darstellung von .c ausdehnen läßt . Dies folgt durch zweimalige Anwendung von Satz 1
am Ende von Abschnitt 7.9.
Bei .cLirreduziblen Tensoren , die unter .c~ reduzibel sind, ist die Darstellung
mit jener der entsprechenden Pseudotensoren äquivalent. Das muß nach Satz 2 von
Abschnitt 7.9 so sein, wobei die Darstellung in zwei inäquivalente irreduzible Dar-
stellungen gleicher Dimension von .c~ zerfällt. Als Beispiel mag der Feldtensor Fik
dienen, der nach D(I,O) $ D(O,I) transformiert. Der Pseudotensor *Fik ist hiezu äqui-
valent, die *-Operation vermittelt die Abbildung . Die .c~ -irreduziblen Anteile sind
Fik ± i*Fiki unter Raumspiegelungen gehen sie ineinander über .
8.5 Darstellungen der vollen Lorentzgruppe 241
Allgemein sind die .cLirreduziblen, aber .c~ -reduziblen Darstellungen von der
Struktur
DCi,j/)(L)
L ) P-t (8.5.8)
wenn L E .c~ ( 0
d.h. äquivalent zu dieser Darstellung. Mit dieser Behauptung ergibt sich ein vollstän-
diger Überblick über die irreduziblen (endlichdimensionalen) Darstellungen von .cf
und auch von .c. Nur bei den zweideutigen Darstellungen ist noch eine gesonderte
Betrachtung nötig (s.u .).
Zum Beweis ist zunächst die Darst ellungseigenschaft von (8.5.8) zu verifizieren , wobei es insbe-
sondere auf die Relation (8.5.2) ankommt ; der Übergang v .... - v bedeutet aber für den komplexen
Parameter 0: - iv den Übergang zum Komplex-Konjugierten, daher den Übergang DU,i'l .... DU' ,n .
Um zu zeigen, daß in der zur Rede stehenden Situation tatsächlich (8.5.8) bis auf Äquivalenz die
einzige Möglichkeit ist, kann man sich auf Satz 2 von Abschnitt 7.9 stützen. Die dort erwähnten
irreduziblen Darstellungen von 91 müssen hier DU,j') und D(l ,l') sein, wobei nur mehr f.' = j , f. = j'
als einzige Möglichkeit zu erweisen ist .
Hierfür müssen wir effektiv einen Teil des Beweises für diesen Satz ausführen . Sei also 9 =
= 91 U 92, wo 91 Untergruppe von 9 mit nur einer Nebenklasse, also Normalteiler ist . 9 .... Tg
sei eine irreduzible Darstellung von 9 im Raum V, die eine reduzible Darstellung von 91 in V
subduziert. Ist V' C V ein unter 91 invarianter irreduzibler Teilraum: Tg , V' = V' für 91 E 91 , so
bilden wir V" = Tg • V' C V mit 92 E 92 ' Dieser Teilraum V" ist ebenfalls unter 91 invariant und
irreduzibel : Tg , V" = Tg• Tg; , g, g. V' = V" , da 9;1 9192 E 91 wegen der Normalteilereigenschaft .
V" hängt auch nicht von der speziellen Wahl von 92 E 92 ab , denn für h 2 E 92 gilt h 2 = 92 h l mit
= =
geeignetem h l E 91, also Th•V' Tg • Th, V' V" . Deshalb führen die Tg für alle 9 E 9 nicht aus
der linearen Hülle -< V', V" r heraus , letztere muß also mit V übereinstimmen, da Tg irreduzib el
für 9 E 9 , aber reduzibel für 9 E 91 sein sollte . Der Durchschnitt V' n V" ist unter 91 invariant
und besteht, da V ' unter 91 irreduzibel , nur aus dem Nullvektor (der Fall V' n V" =
V' würde
V' = V", Tg V' = V' für alle 9 E 9 bedeuten, entgegen den Voraussetzungen) . Zusammen ergibt
dies V = V' EEl V" , wobei also Tg für 9 E 91 in die direkte Summe T; EEl T;' von zwei Darstellung en
in V' und V" zerfallt, während die Tg für 9 E 92 diese beiden Räume vertauschen . Die Darstellung
T" von 91 in V" ist dabei äquivalent zu der in V, durch 91 .... Tg.'_, g, g. definierten, zu 91 .... Tg' ,
"konj ugierten" Darstellung (deren Äquivalenzklasse wieder nicht vom speziellen 92 E 92 abh ängt) .
- Angewendet auf unseren Fall bedeutet dies, daß der zweite Bestandteil D(l ,l')(L) äquivalent zu
DU,i')(P-1 L P), d.h . zu DU' ,n(L) sein muß. Damit ist alles gezeigt.
Bei mehrwertigen Darstellungen von .cf zeigt eine zu den Rechnungen im Anschluß
an (7.10.7) analoge! Betrachtung, daß für L E .c~
(8.5.9)
gelten muß und unter Benützung dieser Relation alle Werte w( ., .) durch w(L, L'),
w(L, P), w(P,P) ausdrückbar sind (L' E .c~) . Ebenso ist durch Umnormieren gemäß
(7.10.5) erreichbar, daß w(L, L') = ±1, w(L, P) = 1.
Für A = CX (projektive Darstellungen) kann auch w(P, P) = 1 erreicht werden.
Die zugehörige (zweiblättrige) Überlagerungsgruppe kann man treu darstellen, indem
man von der Spinordarstellung D(l/2,O) von .c~ zu D(1/2,O) EB D(O,1/2) übergeht und der
Raumspiegelung ±(8.5.8) zuordnet. Die Elemente dieses Darstellungsraumes heißen
1 Ausführlicher für ganz P in Abschnitt 9.6 beschrieben!
242 8. Darstellungstheorie der Lorentzgruppe
Bispinoren, sie werden uns in Abschnitt 9.1 wieder begegnen. Die höheren irreduziblen
Darstellungen sind wie in (8.5.8) zu bilden.
Für apriori zweiwertige Darstellungen, wo von vornherein A = {I, -I} festgelegt
ist, ist entweder w(P, P) = +1 oder -1. Wir erhalten daher zu .c~ genau zwei nicht
isomorphe Überlagerungsgruppen, welche .c~ durch eine zusammenhängende Unter-
gruppe (~ SL(2, C)) überlagern. Die w(P, P) = -1 entsprechende Möglichkeit kann
im Bispinorraum treu dargestellt werden , indem man L E .c~ wie vorher und P als
(8.5.10)
darstellt (analog für höheres halbzahliges j). Dementsprechend gibt es also für .cl
zwei Arten von Bispinoren bezüglich ihres Spiegelungsverhaltens. Wieder ist zu be-
tonen, daß diese für A = {I, -I} vorhandene Unterscheidung für A = CX und damit
für die Beschreibung quantenmechanischer Zustände irrelevant ist ; man darf nur bei
Superpositionen die zu w(P, P) = +1 bzw. -1 führenden Phasenkonventionen nicht
mischen . Ihre Bedeutung liegt in der geometrischen Spinortheorie.
Wir verzichten hier darauf, diese Analyse auch für ganz .c durchzuführen, zumal
die Darstellung der Zeitumkehroperation in der Quantenmechanik eine weitere Kom-
plikation mit sich bringt (siehe Abschnitt 9.2). Was apriori zweiwertige Darstellungen
anlangt, treten dabei sogar acht nichtisomorphe zweiblättrige Überlagerungsgruppen
von .c auf, wobei vier davon im Bispinorraum treu darstellbar sind - vgl. (9.1.27) .
Wieder kann für die Zwecke der Quantenmechanik eine von ihnen als Phasenkonven-
tion gewählt werden. (Siehe z.B. Cornwell (1985).)
Zum Schluß dieses Abschnittes muß noch betont werden , daß es eine experimen-
telle Frage ist, ob die Raum- und/oder Zeitspiegelung eine Symmetrie der Natur-
gesetze ist ; aus der Invarianz unter .c~ allein folgt dies nicht, sondern ist eigens zu
überprüfen. Obwohl dies im Prinzip klar war, waren sich die Physiker - wohl un-
ter dem Eindruck der Spiegelungsinvarianz der Elektrodynamik - nicht stets dessen
bewußt. Es war das Verdienst von Yang und Lee, zur Auflösung einer gewissen Para-
doxie im Bereich der Elementarteilchenphysik (das sogenannte" T - () -puzzle") eine
mögliche P- Verletzung ins Auge zu fassen und Experimente vorzuschlagen, die 1957
die P-Verletzung im Bereich der schwachen Wechselwirkungen erwiesen". Dabei blieb
allerdings noch die Kombination von P-Operation und Ladungskonjugation eine In-
varianzoperation (d.h . es war weiterhin unmöglich, dem "Mann hinterm Mond" ein
lokales Experiment anzugeben, um ihm zu sagen, was rechts und links ist, ohne daß
er dazu wissen müßte, welche Teilchen wir z.B. Elektronen, welche Positronen nennen
anstatt umgekehrt). 1964 "fiel" auch diese Symmetrie (vgl. Kabir (1968)).
Welchen Sinn hat es nun, die Darstellung der vollen Gruppe mit Spiegelungen zu
suchen, wenn die Naturgesetze nicht spiegelungsinvariant sind? Die Antwort darauf
ist, daß es erstens wesentliche Teilbereiche der Physik gibt , wo die Spiegelungsinvari-
anz erfüllt ist, und daß es zweitens gerade in einem spiegelungsinvarinten Formalismus
möglich ist , die Brechung dieser Invarianz besonders augenfällig zu beschreiben.
iSiehe z.B. KäUen (1965), Nachtmann (1986).
8.5 Darstellungen der vollen Lorentzgruppe 243
Aufgaben
1. Man beende den Beweis von Satz 2, Abschnitt 7.9, nach den im vorliegenden
Abschnitt gemachten Schritten, indem noch gezeigt wird:
1) Die Darstellungen von 91 in V', V" sind inäquivalent.
2) Jede andere Darstellung von 9 in V, die zu denselben Darstellungen von 91
in V', V" führt, ist zur ursprünglichen äquivalent.
Anleitung: ad 1) Gäbe es eine Äquivalenzabbildung A: V' - t V", d.h. A T~J =
= T~: A für gl E 9t, so wären auch die Teilräume V( a) := {v = v' + a A v' I
Iv' E V'} C V für jedes a E C unter 91 invariant. Man kann dann zwei Werte
für a angeben, für die V(a) auch unter 9 invariant ist im Widerspruch zu den
Voraussetzungen. Dazu ist die Wirkung von Tg auf V (a) zu untersuchen. Da V"
nicht vom speziellen g2 E 92 abhängt und auch g:;1 E 92 ist, gilt Tg2V" = V' ,
Tg2 definiert also 2 Abbildungen U: V' - t V", W: V" - t V', Tg~1 die
Abbildungen W-l : V' - t V" , U- 1 : V" - t V', und es ist 1~2(v' + a A v') =
= Uv' + a W A v' für v' E V'. Ersetzt man in A T~J = T~: A das Element gl E 91
durch g:;l gl g2 E 9t, so erhält man unter Berücksichtigung der Definition von
T', T", daß WAU-lA mit den T~J kommutiert. Das Schursehe Lemma ergibt
dann U = AAWA, und für a = ±J>: wird tatsächlich Tg2V(a) = V(a).
ad 2) Sei 9 - t D g eine weitere Darstellung von 9 in V , wobei DgJ in V' bzw .
V" mit T~J bzw. T~: übereinstimme, wenn gl E 91 . Für g2 E 92 definiert Dg2
Abbildungen R: V' - t V", 5: V" - t V' (wie vorher TgJ. Mit s, - t g:;l s, g2 E
E 91 ergibt sich R- 1 T~: R = U- 1 T~: U, also R = -unach Schur, ebenso
5 = sW. Die Zahlen r ; s hängen nur von D, nicht vom speziellen g2 E 92
ab, wie man durch die Ersetzung g2 - t h 2 = h 1g2 mit h 1 E 91 sieht. Mit
g2 - t g:;1 E 92 folgt dann aber s = l/r, und deshalb ist A: ridy, Ef) idv» eine
Äquivalenztransformation: Tg A = A D, für alle 9 E 91 und 9 E 92.
2. 9 sei Gruppe mit Untergruppe 91 vom Index 2, und alle Darstellungen von 91
seien vollreduzibel. Man zeige die Vollreduzibilität der Darstellungen von 9 . -
Folgerung: Die Darstellungen von L sind vollreduzibel.
Anleitung: 9 -t D(g) = (Dl~g) ~~~)) sei die betrachtete reduzible Dar -
stellung von 9, und es sei bereits I«g) = 0 für gE 91 erreicht. Sei g2 E 92 fix,
gl E 91, dann ist g:;1 gl g2 E 9t, gi E 91, und aus der Darstellungseigenschaft
von D(g) folgen die Relationen D1(gdI«g2) = I«g2)D:;I(g2)D 2(gl)D2(g2)
und D1(g2) I«g2) + I«g2) D2(gz) = O. Das genügt, um zu verifizieren,
Unsere Analyse der Darstellungen von E ist aber deshalb für P nicht bedeu-
tungslos. Wir haben in den Vektor- und Tensorfeldern Objekte kennengelernt, die
ein nichttriviales Transformationsverhalten aufweisen (vgl. (3.4.10), (5.6.1,2)) . Ana-
log sind Spinorfelder zu definieren. Im Raum der Felder eines bestimmten Typs ergibt
sich dann wie bei der Drehgruppe eine unendlichdimensionale Dars tellung von L (bzw .
ISiehe Lehrbücher der Elementarteilchenphysik, wie Källen (1965), Bjerken-Drell (1966, 1967),
Gasiorowicz (1966), Rollnik (1971), Nachtmann (1986), aber auch insbesondere Str eater-Wightman
(1969).
9.1 Felder 245
(9.1.3)
invariante Teilräume im Raum der Felder eines bestimmten Typs. Ebenso wird durch
die freien Maxwell-Gleichungen
(9.1.4)
(9.1.5)
(9.1.6)
1 Wegen ihrer Bedeutung für die Teilchenphysik siehe z.B. Bjerken-Drell (1966) oder Källen
=
(1965). K. melh ist die reziproke Comptonwellenlänge des durch (9.1.3) beschriebenen Teilchens,
vgl. Abschnitt 4.3.
21m letzteren Fall tragen A; und das durch Umeiehung A; -+ A; + 0; A mit DA = 0 (vgl.
Abschnitt 5.2) daraus hervorgehende Feld dieselbe physikalische Information, ohne daß es möglich
ist , durch eine kovariante Bedingung die Eichung eindeutig festzulegen. Sinnvollerweise ist daher
hier als Darstellungsraum der Raum der Eich-Aquivalenzklassen anzusehen. Siehe Abschnitt 9.5.
246 9. Darstellungstheorie der Poincetegruppe
8AX 8
Al'
= 2"1 Dxl' 0 8AX 8
BX
= 2"1 DAB o. (9.1.7)
Der einfachste Fall einer spinoriellen Feldgleichung ist die W eyl-Gleichung
8AX i{>A =0 bzw. 8AX wX = 0 (9.1.8a, b)
für ein D(1/2,oL bzw. D(O,1/2LSpin orfeld. Sie ist offensichtl ich pr
-kovariant, aber nicht
pLkovari ant , weshalb sie ursprünglich verworfen und später - nach der Entd eckung
der Paritäts verlet zung bei den "schwachen Wechse1wirkung en" - zur Beschreibung
freier Neutrinos bzw. Antineutrinos verwendet wurde. Aus (9.1.7) folgt , daß jede
Komponente des Weyl-Feldes der Wellengleichung (9.1.2) genügt.
Schreibt man die Weyl-Gleichung in der wegen (8.3.7) äquivalente n Form q/. =
<I>BI 0, könnte
X
man auf die Idee kommen, auch die Gleichung O(A <I> B) = 0 zu betr achten . Sie hat aber wie
die Killinggleichung (5.9.29) ziemlich restr iktiv e Int egtrabilitätsb edingun gen , die als Lösung nur
<I>B(X) = a» + XiuiBxb x mit mit konstanten Spiner en «e, bX zulassen - und diese Lösungen
genügen nicht den üblichen (P-invarianten!) Randbeding ungen physikalischer Felder im räumlich
Unendlichen. Diese Gleichung ("Tw istorgleichung") und ihre Lösungen sind aber dennoch - ebenso
wie die Killing-Gleichung - geomet risch bedeutungsvoll; vgl. Penrose-Rind ler (1986). Trotzdem wird
evident , daß Kovarianz allein kein Kriterium für sinnvolle Wellengleichungen ist, welche Ausbrei-
tungsvorgän ge beschreiben sollen , die im Einkl ang mit dem Relat ivitätspr inzip un d der Forderung
=
nach Signalgeschwindigkeiten ::; c 1 stehen.
Wenn wir statt der Weyl-Gleichung (9.1.8a) eine Gleichung suchen, die wie (9.1.3)
auch einen Term ohne 1. Ableitung ent hält , so muß dieser Term ein gepunkteter Spi-
nor sein. Als solcher kommt i{>~ nicht infrage, da komplexe Konju gation keine lineare
Oper ation ist . Das zwingt uns , einen unabhängigen zweiten Spinor Wx einzuführen,
für den ab er dann ebenfalls eine Feldgleichung anzugebe n ist. Das einfachste geschlos-
sene Syst em dieser Art ist
K;
8 . i{> A - - W o
AX - iV2 x
(9.1.9)
8 AX w·X = ~i{>
iV2
A
(die Gleichheit der konstanten Faktoren rechts ist durch geeignet e Normi erung von
i{>A,Wx erreichbar, ihre Bezeichnung späteren Zwecken angepaßt) . Einsetzen der
rechten Seit e einer dieser Gleichungen in die linke der anderen gibt mit (9.1.7) die
Verträglichkeits bedingungen
(0 + K;2 ) i{> A = 0= (0 + K;2) Wx . (9.1.10)
Jede Komponente des Bispinors (Dirac-Spinors)
(9.1.11)
muß also der Klein-Gordon-Gleichung (9.1.3) genügen. (9.1.9) ist nichts and eres als
die Dirac-Gleichung, die man meist direkt für die vierkomponentige Feldgröße t/J( x)
in der Form
(9.1.12)
9.1 Dirac-Gleichung 247
schreibt. Dabei sind die ,l 4 x 4-Matrizen ("Dirac-Matrizen"), die sich aus (9.1.9)
und (8.4.2) zu
(i,k ßk + 1\;) (-hk ßk + 1\;) = ,k ,1 ßkßI+ 1\;2 = ~ (,k ,1 + ,1 ,k) ßkßI+ 1\;2 = 0 + 1\;2 ,
(9.1.15)
was nochmals (9.1.10) in der neuen Schreibweise liefert.
Dirac ist bekanntlich (siehe die zitierten Lehrbücher der Teilchenphysik) von
dem durch physikalische Gründe motivierten Versuch einer Zerlegung des Opera-
tors 0 + 1\;2 in Linearfaktoren ausgegangen ((9 .1.15) von rechts nach links gelesen),
um zu einer relativistischen Wellengleichung für Elektronen zu gelangen, welche die
richtige Feinstruktur für die Energieniveaus des Wasserstoffatoms liefert. Der ent-
scheidende physikalische Grund, der uns zwingt, freie Elektronen durch (9.1.9,12)
und nicht durch (9.1.3) zu beschreiben, stellte sich dabei erst heraus: es waren nicht
die Gründe der Diracschen Argumentation, sondern die Tatsache, daß Elektronen den
Spin fi/2 haben, was durch skalare Wellenfunktionen nicht beschrieben werden kann.
Die Dirac-Gleichung ist - im Gegensatz zur Weyl-Gleichung - auch unter Spiege-
lungen kovariant; denn der Bispinor 1/J transformiert unter .c~ nach D(1/2.0) EB D(o.1/2),
und diese reduzible Darstellung kann (vgl. (8.5.8,9)) zu einer irreduziblen Darstel-
lung von L ausgedehnt werden, von der wir unten zeigen werden, daß (9.1.12) dabei
forminvariant bleibt.
Ganz entsprechend können mittels der Operatoren ßA X und , k ßk auch kovariante
Feldgleichungen für Spinorfelder höherer Stufe aufgestellt werden. Wir wollen dies
aber hier nicht systematisch weiterverfolgen, da die zugehörigen Felder der quanten-
mechanischen Beschreibung von Teilchen dienen und die quantenmechanische Wahr-
scheinlichkeitsinterpretation noch eine weitere Beschränkung auferlegt: die Unita-
rität der Darstellungen. Wir wollen dies im folgenden Abschnitt kurz erläutern und
dann nach Studium der infinitesimalen Struktur der Poincaregruppe deren irredu-
zible unitäre Darstellungen aufstellen. Schließlich kehren wir zur feldtheoretischen
Beschreibung von Teilchen zurück, wobei die Felder Differentialgleichungen im Kon-
figurationsraum erfüllen.
Anhang: Bispinoren
Üblicherweise wird die Bispinordarstellung von L ohne Verwendung der 0(1/2 ,0) , 0(0,1/2) direkt mit
Hilfe der Algebra der 1'k-Matrizen gewonnen (man sagt dann auch meist "Spinor" statt Bispinor
und nennt die zweikomponentigen auch "Semispinoren"). Eine assoziative Algebra mit Einselement
e, deren Elemente aus allen Linearkombinationen von Potenzprodukten
(9.1.16)
1 E ist die 4 x 4-Einheitsmatrix, deren Vielfache wie K.E im folgenden meist einfach als K. geschrie-
ben werden .
248 9. Darstellungstheorie der Poinceregtuppe
von n "erzeugenden" Elementen Q1, . . . ,Qn bestehen , heißt eine Cliffo rd-Algebra, wenn in ihr die
Rechenregel
Qi Qk + Qk Qi = 2 Qik e (9.1.17)
gilt , wobei Qik die (symmetrische) Matrix einer quadratischen Form ist, die die vorliegende Clifford-
Algebra charakterisiert (vgl. van der Waerden (1967), Boerner (1955)). Die Dirac-Matrizen ")'k liefern
eine vierdimensionale irreduzible Darstellung jener Clifford-Algebra, die durch die Minkowski-Metrik
TJik bestimmt ist.
Regel (9.1.17) erlaubt die Rückführung aller Elemente einer Clifford-Algebra auf Linearkom-
binationen von Produkten (9.1.16) mit ei =
0 oder 1. Die Algebra hat somit 2n (hier 16) linear
unabhängige Elemente, von denen neben e, Q1, . .. , Q n das Element
Q := Q1 . . . Qn = I1 € ( J1
' •• • J'n ) Qi • . . . Q i. (9.1.18)
n.
besonders wichtig ist. Es erfüllt
QQi=(-I)"-l Q i Q (9.1.19)
und vertauscht daher für ungerades n mit allen Elementen der Algebra, während es für gerades n mit
allen "ungeraden" Elementen (L: e, ungerade) antikommutiert, mit "geraden" Elementen dagegen
kommutiert.
Die Bedeutung der Clifford-Algebra für die Darstellungstheorie der pseudoorthogonalen Grup-
pen liegt in dem Satz (siehe Boerner (1955)), daß f ür gerades n nur eine einzige Äquivalenzklasse
irreduzibler Darstellungen existiert und ihre Dimension 2n / 2 ist; durchläuft man dabei die Algebra, so
durchlaufen die Darstellungsmatrizen die Menge aller 2n/ 2 x 2n/ 2-Matrizen (die Anzahl unabhängi-
ger Elemente dieser Matrizen ist 2n und entspricht somit der Anzahl linear unabhängiger Elemente
der Algebra) .
Wir illustrieren die Anwendung des Satzes nun für n = 4, Qik = TJik . -/ (i = 0,1,2,3) seien 4
beliebige 4 x 4-Matrizen, die (9.1.14) erfüllen. Für jedes andere Quadrupel ")" i, das ebenfalls (9.1.14)
erfüllt, muß eine Relation
(9.1.20)
gelten , wobei die nichtsinguläre Matrix 8 bis auf einen Zahlenfaktor eindeutig bestimmt ist (nach
dem Schursehen Lemma) . 1st Lik eine Lorentztransformation aus L , so erfüllen die Matrizen v" =
=ü; ")'m ebenfalls (9.1.14), wie man leicht einsieht . Es muß also ein 8(L) geben, so daß
(9.1.21)
Da die 8(L) nur bis auf einen Faktor festgelegt sind , ist die Zuordnung L -+ 8(L) nur eine
mehrwertige Darstellung: aus der letzten Gleichung folgt nur
"'{iT =-c-s C- 1•
(9.1.23)
Transponiert man (9.1.21) und benützt (9.1.23), so folgt
Die Matrix C- 1 S( L) C leistet also das gleiche wie S( L) und ist daher zu S( L) proportional. Ändert
man S(L) um einen geeigneten Faktor, so kann dadurch tatsächlich die Äquivalenz
erreicht werden, wobei der Faktor bis auf ein Vorzeichen bestimmt wird.
Mittels (9.1.21) ist es leicht, die L:-Kovarianz der Dirac-Gleichung in diesem Formalismus zu
zeigen: wenn t/J die Gleichung il{ht/J = Kt/J erfüllt, so genügt t/J' = S(L) t/J der Gleichung
(9.1.26)
Es sei jedoch betont, daß die Behandlung der Zeitumkehroperation im Rahmen der Quantentheorie
noch eine wesentliche Modifikation erfordert (vgl. Abschnitt 9.6 und Anhang C.2).
Man kann statt (9.1.25) auch durch andere Faktorwahl erreichen , daß
wo L ---+ d(L) eine der drei nichttrivialen eindimensionalen Darstellungen (8.5.7) von L: ist . Auch
aus (9.1.27) und (9.1.21) ergeben sich zweiwertige Darstellungen, und es ist eine Frage der Kon-
vention , welche man für das Transformationsgesetz von Spineren unter L: wählt. Die so definierten
S(L) bilden dann drei weitere nicht isomorphe Überlag erungsgruppen von L: . Eine häufig gewählte
Konvention ist d(L) = sign detL, vgl. Bjerken-Drell (1966) oder Pietschmann (1974) , währ end
d(L) = sign detL signL Oo eine int eressante Beschreibung der betr effenden Überlagerungsgruppe
zuläßt: diese S(L) sind alle reellen Linearkombinationen der den Element en (9.1.16) entsprechenden
Matrizen, die 1.) det S = 1 erfüllen und für die 2.) S-I.."i S eine reelle Linearkombination der .."i ist .
Man verifiziert leicht, daß für eine infinitesimale Lorentztransformation Li k ~ 6i k + l i k (9.1.21) von
1 . k
S ~ E + glid.."' ,..,, ] (9.1.28)
befriedigt wird, wobei auch (9.1.27) erfüllt ist . Die S(L) für L E L:~ sind dah er von der Form
exp (~lik[.."i ,.."k]), es treten also nur reelle Koeffizienten auf. Für Raumspiegelungen wird (9.1.21)
durch Vielfache von ..,,0 für S gelöst, wobei (9.1.27) mit d(L) = sign detL signL Oo auf ±.."o ein-
schränkt . Eb enso sieht man , daß die Raumzeitspiegelung durch die Matrix ±..",
beschri eben wird (bei der Konvention d(L) = sign det List stattdessen die Matrix
zu nehmen, währ end ±.."o für die Raumspiegelung bleibt) . Damit ist Eigenschaft 2) nach-
gewiesen. Eigenschaft 1) folgt (für alle Konventionen) einerseits aus det exp (~lid-yi , -yk]) =
= exp (llik Sp[-yi, -yk]) =
1 (die Spur jed es Kommutators verschwindet) und andererseits aus
det y' = 1 (aus (9.1.14) folgt (-yi)2 =
+E oder -E, die Eigenwerte sind also ±1 oder ±i, wo-
bei +1 bzw. +i gleich oft wie -1 bzw. -i vorkommen müssen , da unt er Benützung der zyklischen
Vertauschbarkeit unter der Spur und von (9.1.18)
(9.1.31)
folgt : in beiden Fällen ist das Produkt der Eigenwerte gleich 1). Umgekehrt führt jedes S mit den
Eigenschaften 1) und 2) zu einer Lorentztransformation , wenn (9.1.2~) von rechts nach links gelesen
wird - dies folgt durch Einsetzen in (9.1.14). Die so beschriebene Uberlagerungsgruppe wird mit
Pin(1 ,3) bezeichnet ; L:+ wird per Definition durch die Untergruppe Spin(1 ,3), L:l durch Pin l(1,3)
und L:~ durch Spin l(1,3) = Pin e(1,3) (Komponente der Einheit) C Pin(1 ,3) überlagert.
Die obige Charakterisierung der Gruppe Pin(1,3) betont die Herkunft von der reellen Clifford-
algebra , in der nur reelle Linearkombinationen der Pot enzprodukte (9.1.16) auftreten , wobei die
250 9. Darstellungstheorie der Poinceregruppe
Rolle der Signatur von Qik - hier 7]ik - deutlich wird. Sie hat vor allem geometrische und
topologische Anwendungen. Es ist bemerkenswert , daß die zur umgekehrt en Signatur, d.h . zu
Qik = -7]ik = diag( - + + +) gehörende Pin-Gruppe Pin(3 ,1) nicht isomorph zur oben konstru-
= =
ierten Pin(I,3) ist, sondern zu jener Gruppe für 7]ik diag( + - - -) , die in (9.1.27) d(L) sign LOo
hat: dies, obwohl natürlich die zu ±7]ik gehörenden pseudoorthogonalen Grupp en und auch die Grup-
pen Spin(3 ,1), Spin(I,3) isomorph sind. Wie bereits in Abschnitt 1.5 angemerkt , gibt es Versuche,
daraus physikalische Konsequenzen abzuleiten . (Warnung: manche Autor en schließen in die Defini-
tionsgleichung (9.1.17) rechts ein Minuszeichen ein! Ferner ist es in der Math ematik oft üblich , in
(9.1.21) einen zusätzlichen Vorzeichenfaktor einzuschließen, weil dann diese Zuordnung S -+ L, die
bereits mit der abstrakten reellen Cliffordalgebra funktioniert , auch für ungerad e Dimension n eine
Überlagerung der ganzen orthogonalen Gruppe ergibt; man gerät so aber leider in Konflikt mit der
Kovarianz der Dirac-Gleichung.)
Die Rückkehr zum Zweikomponentenformalismus bei Einschränkung auf .c+ erfolgt in diesem
Rahmen mittels der Bemerkung , daß die zugehörigen S (nämlich exp (kl ikb'i ,1k))) mit der Matrix
1 kommutieren; allgemein folgt aus (9.1.21,29)
S-1 1 S = det L 1. (9.1.32)
Wegen (-y)2 = -E hat 1 nur die zwei Eigenwerte ±i; die Projektionsoperatoren auf die beiden
Eigenräume, die die Ausreduktion bewirken, sind gleich (1 ± i1)/2.
Invariante Bi- und Sesquiiinearformen. Aus (9.1.27) folgt , daß die Bilinearform epT C 1/J unt er
1/J -+ S(L)1/J , ep -+ S(L)ep das Verhalten
(9.1.35)
geben . Aus (9.1.35) folgt
und nach dem Schursehen Lemma pt = bp, wobei b wegen p = (pt)t = b*pt = IW ß eu: Phasen-
faktor ist : b = exp(i argb). Die Substitution p -+ exp(i/2 argb)p macht p hermitisch (wobei nur
mehr ein reeller Faktor unbestimmt bleibt) . Setzt man nun (9.1.35) in die hermitisch-konjugierte
=
Gleichung (9.1.21) ein, so schließt man wie bei der Matrix C auf p-I st -I ß [S , wobei sich für
den Proportionalitätsfaktor durch hermitische Konjugation f = r
und durch Determinantenbil-
dung f = ±1 ergibt. Auf .c~ ist f =+1 aus Stetigkeitsgründen, und aus den oben angegebenen
Möglichkeiten für die Spiegelungen folgt
Aufgaben
1. Man zeige wie in (9.1.31), daß Sp-r = 0 und daß die Spur jedes "ungeraden"
Elements der ,-Algebra verschwindet.
definiere
(9.1.40b)
und zeige
(9.1.41)
3. Mittels (9.1.41) zeige man, daß die r- linear unabhängig sein müssen, und
folgere daraus, daß die ,-Matrizen gerade die minimale Zeilenzahl haben, die
zur Darstellung der Clifford-Algebra für n = 4 nötig ist .
4. Man folgere weiter, daß sich jede 4 x 4-Matrix M in der Form M = MA r-
zerlegen läßt , wobei die Zahlen MA mittels (9.1.41) berechnet werden können.
Aus der Willkürlichkeit von M folgere man die Vollständigkeitsrelation
~4 rAoß r A v_hO
IJ. -
h
V
IJ. ß· (9.1.42)
(a, ß, ... sind hier Bispinor-Indizes, wie sie bisher unterdrückt wurden).
5. Man zeige, daß die in (9.1.23) eingeführte Matrix Cantisymmetrisch sein muß!
Anleitung: Analog zur Schlußweise bei der Matrix ß zeige man erst C T = ±C.
Hieraus leite man (c,if = =fC,i, (C[,i"kjf = =fC[,i"kj ab und entscheide
das Vorzeichen aufgrund der Tatsache, daß es nur 6 linear unabhängige anti-
symmetrische 4 x 4-Matrizen gibt.
Man zeige auch die Antisymmetrie der Matrizen C" C"i!
6. Man berechne in der speziellen Darstellung (9.1.13) die Matrizen r-, ,5,
(1 ± ,5)/2 und suche Matrizen für C, ß!
252 9. Darstellungstheorie der Poinceregtuppe
7. Man zeige, daß der bei der Definition von C bzw. ß noch frei bleibende komplexe
bzw. reelle Faktor so wählbar ist, daß ß C-l ßT = gilt . -ct
Anleitung: Man benütze "'/* = (-riT)t = (-riff und das Schursehe Lemma. Wie
verhält sich der dabei auftretende Zahlfaktor bei Übergang zu äquivalenten
Darstellungen? Vgl. Anhang C.1.
8. Man reduziere das Kroneckerquadrat [D(1/2,O) $ D(O,1/2)]0 [D(1/2,O) $ D(O,1/2)] der
Bispinor-Darstellung bezüglich L aus und interpretiere danach das Transfor-
mationsverhalten der bilinearen Kovarianten epT C r- t/J zweier Bispinoren ep, t/J
und auch das der sesquilinearen Kovarianten <p r- t/J. Warum betrachtet man
nicht auch epT C, bi , ,k] t/J, <p, b i , ,k] t/J? Man zeige dazu, daß
({9.1.14) und diese Relation fassen (8.4.8) und deren gepunktete Version zusam-
men .) Unter Verwendung von (9.1.42) kann nun die vollständige Ausreduktion
von t/J 0ep und die Gestalt der Projektionsoperatoren auf die irreduziblen Anteile
angegeben werden.
(<p M t/J) (<p' M' t/J/) == ~(<p r A t/J/) (<p' M' r A M t/J). (9.1.44)
4
10. Man zeige, daß für ein freies Dirac-Feld t/J der Dirac-adjungierte Spinor (9.1.37)
der Gleichung
(9.1.45)
genügt. Daraus leite man für zwei Lösungen ep, t/J der Dirac-Gleichung
(9.1.46)
her. Ebenso zeige man für zwei (skalare) Lösungen ~, W der Klein-Gordon-
Gleichung das Verschwinden der Viererdivergenz von
...
~* Bk W:= ~* Bkw - (Bk~·) W. (9.1.47)
9.2 Relativistische Kovarianz in der Quantenmechanik 253
Ein fundamentales Theorem von Wigner besagt, daß jede derartige Strahlenzuord-
nung auf eine Zuordnung zwischen Vektoren ausgedehnt werden kann, I'l/Jl)- I'l/J~ ) =
= U I'l/Jl), die durch einen unitären oder antiunitären Operator U: H f-t H' ver-
mittelt wird, wobei U bis auf einen Phasenfaktor eindeutig bestimmt ist. (Ein anti-
unitärer Operator U ist antilinear (Anhang B.l) und erfüllt (Ux,Uy) = (y,x).)
Ein vervollständigter Beweis dieses Satzes wurde z.B. von V. Bargmann (J . Math . Phys. 5,
862 (1964)) angegeben. Wir möchten auch auf die dort zitierte Arbeit von U. Uhlhorn (Arkiv f.
Fysik 23, 307 (1962)) hinweisen, wo der Satz mittels zweier Lemmata auf eine Version eines der
Fundamentalsätze der projektiven Geometrie zurückgeführt wird. Die im allgemeinen unendliche
Dimension von H spielt dabei insoferne eine eher angenehme Rolle, als dieser Satz erst ab dimH ~ 3
gilt .
Im Fall von Quantensystemen mit relativistischer Symmetrie ist hier noch hinzuzufügen, daß
aufgrund von Überlegungen, die in Abschnitt 9.5 angedeutet sind , nur Systeme mit unendlich vielen
Freiheitsgraden relevant sind . Für sie ist - zumindest bei allgemeinen Uberlegungen, zu denen ja
Symmetriebetrachtungen gehören - ein C'-algebraischer Formalismus angebracht. Wir verweisen
hierfür , und insbesondere wegen einer Formulierung und eines Beweises des Wigner-Theorems in
diesem Rahmen z.B. auf Bogolubov et al. (1990).
G~BGEID =0 (9.2.3)
erfüllen. Einer anderen Phasenwahl entspri cht infinitesimal
tA - t t~ = tA + i GA id (9.2.4)
mit reellen Konstanten GA, und für die t~ gilt eine "gestrichene" Version von (9.2.2)
mit
G~B = GAB - GfB GD. (9.2.5)
Die Lösbarkeit des linearen Gleichungssystems
nach GA ist für die Liftbarkeit zu einer (gewöhnlichen) Darstellung notwendig. Durch
Exponenzieren folgt dann für zusammenhängendes 9, daß zu einer Darstellung der
9
universellen Überlagerungsgruppe geliftet werden kann. Ist (9.2.6) für alle Kozykel
GAB lösbar, erhält man alle Strahldar~ellungen von 9 = 9/ Z (Z = diskrete zentrale
Untergruppe) aus Darstellungen von 9, in denen Z durch Vielfache von id dargestellt
ist, was insbesondere bei Irreduzibilität zutrifft.
(9.2.6) ist mit (9.2 .3) bei allen halbeinfachen Gruppen stets lösbar, aber auch bei
P ~ = P~/ Z2, wie mittels der Strukturkonstanten des nächsten Abschnittes verifi-
ziert werden wird. Die universelle Überlagerungsgruppe P~ ist dabei das semidirekte
Produkt (siehe Anhang A) von l~ = SL(2,C) mit der Translationsgruppe T, auf die
sie über die Vierervektordarstellung (8.2.8) wirkt; der zweifache Zusammenhang von
P ~ stammt von der Drehgruppe.
Schreiben wir für die Poincaregruppe g = (a,L) wie in (3.1.9), ergibt sich aus
diesen Überlegungen", daß für P~ durch Phasenwahl in (9.2.1)
erreichbar ist; ferner müssen dabei alle U(a, L) unitär sein. Die irreduziblen unitären
Strahldarstellungen von pr
werden wir in Abschnitt 9.4 analysieren.
Bezüglich semilinearer Strahldarstellungen von nicht zusammenhängenden Grup-
pen 9 wie t», P +, Po und P fügen wir hier noch folgende allgemeine Bemerkungen
hinzu. Die linear dargestellten Elemente von 9 bilden eine Untergruppe 9t, die an-
tilinear dargestellten ihre einzige Nebenklasse 92 (s. Aufgabe). Das Problem, die
irreduziblen semilinearen Darstellungen von 9 bei gegebenem 91 zu finden, kann auf
das Problem zurückgeführt werden, die linearen irreduziblen Darstellungen von 91 zu
finden - 91 muß dazu nur irgendeine Untergruppe vom Index 2, d.h. mit nur einer
Nebenklasse 92 in 9 sein . Dies geschieht mittels zweier Sätze und .Zusätze, die (samt
ihrem Beweis) zu den Sätzen 1, 2 und den Zusätzen in Aufgabe 7a, b von Abschnitt
7.9 ähnlich sind, wobei die Antilinearität aber doch charakteristische Unterschiede
bewirkt. Sie lauten für w == 1 (gewöhnliche semilineare Darstellungen):
1 Wegen einer modernen mathematischen Darstellung sei auf Simms (1968) verwiesen; siehe auch
J. Cariiiena, M. Santander, J . Math . Phys. 16, 1416 (1975). Es sei noch erwähnt, daß für die durch
(1.3.12), (1.3.1) und Translationen erzeugte Galileigruppe (9.2.6) nicht stets lösbar ist , insbesondere
nicht für die in der nichtrelativistischen Quantenmechanik vorliegende Strahldarstellung. (Siehe dazu
J. Math . Phys. 22, 1548 (1981) wegen neuerer Literatur.)
256 9. Darstellungstheorie der Pouiceregtuppe
Zum Verständnis der Formulierung der Zusätze ist im Fall der Semilinearität eine
Vorbetrachtung nötig. Sei 91 -+ Tgl eine irreduzible Darstellung von gl im komplexen
Vektorraum V, ferner sei g2 E {h fix gewählt und 90 := g~ E gl . Es geht nun um
die durch gl -+ T~l := Tg:;lgl92 gegebene konjugierte Darstellung von gl> wobei un-
terschiedliche Wahl von g2 E g2 die Äquivalenzklasse dieser Darstellung nicht ändert
(nähme man 9~ E g2 statt g2, wäre g;1 g~ E gl und Tg:;lg~ eine Äquivalenzabbildung) .
Ist nun wie im Typ I die Darstellung Tgt von einer irreduziblen semilinearen Darstel-
lung von g in V subduziert, so sind die Darstellungen Tgl und T~~ äquivalent, denn
dann gehört ja zu g2 ein (antilinearer) Operator Tg2 im selben Raum V, so daß un-
ter Verwendung der (antilinearen) komplexen Konjugation IC : V -+ V* (s. Anhang
B.3,4) gilt: T~~ := IC T~t 1C- 1 = IC Tg~1 i; Tg21C- 1j der (lineare) Operator S := Tg21C- 1
ist also eine Äquivalenzabbildung.
Es seien nun umgekehrt t; und T~~ äquivalent, T~~ = S-1 r;
Si dann ist aber hier
gegenüber der Situation in Aufgabe 7a von Abschnitt 7.9 noch eine Unterscheidung
zu treffen. Aus der angenommenen Äquivalenz folgt nämlich
nach Schur also SS* = sTgO' 0 =J sEC. Diese Relation kann man einerseits komplex-
konjugieren: S*S = s*T;oi andererseits folgt aus ihr
aI) SS* = +TgO' so kann die Zuordnung gl -+ Tgt, g2 -+ SIC zu einer semili-
nearen Darstellung von g auf V ausgebaut werden.
an) S S* = - TgO' so kann die Zuordnung
0 -SIC)
( SIC 0
Wir haben diese Sätze und Zusätze hier nur für gewöhnliche semilineare Darstel-
lungen formuliert, sie lassen sich aber ebenso wie die Sätze und Zusätze in Abschnitt
7.9 auch für Strahldarstellungen modifizieren - man braucht sie ja nur auf die ent-
sprechenden Erweiterungsgruppen anzuwenden.
Dabei ist in der Definition von T:, noch ein Faktor
und in der von S zu erfüllenden Relation vor Tgo ein Faktor W(g2, g2) einzufügen; desgleichen in der
g2 zuzuordnenden Matrix. Die Modifikation der analogen Zusätze in Abschnitt 7.9 ist bis auf das
Entfallen obiger komplexer Konjugation dieselbe.
Wegen der Details und Beweise sei auf den besonders klaren Artikel von R. Shaw,
J. Lever, Commun. math. Phys. 38, 257 (1974) verwiesen. Hervorzuheben ist dabei,
daß aufgrund der durch die Semilinearität modifizierten Kozykelrelation (siehe Auf-
gabe) für ein involutorisches Element 92 E 92, d.h. eines mit 9~ = e (wie etwa T oder
PT in P) folgt, daß - man setze 91 = 92 = 93 in dieser Relation -
2
für 92 = e (9.2.8)
reell ist und die Modifikation der Äquivalenz von Strahldarstellungen (siehe Aufgabe)
bewirkt, daß bei Umnormierung Tg2 -4 Ag 2Tg2 (9.2.8) nur um den positiven Faktor
IAg 2 12 geändert wird, so daß nur W(92,92) = ±1 erreichbar ist, wobei die Phase von
Ag2 unbestimmt bleibt. (Vgl. im Gegensatz dazu Abschnitt 7.10, wo w(P,P) = 1
erreicht wurde, wobei Ap bis aufs Vorzeichen bestimmt war.)
=
Auch die Bestimmung der inäquivalenten Kozykel w für 9 91 U 92 kann in vielen Fällen auf
jene von 91 zurückgeführt werden. Wegen einer Diskussion der allgemeinen zur Verfügung stehen-
den mathematischen Methoden sei insbesondere auf den Artikel von 1. Michel in Gürzey (1964)
verwiesen. Für P wollen wir dies in Abschnitt 9.6 durchführen .
Aufgaben
3. Man zeige, daß für die Gruppe SO(3) die Bedingung (9.2.3) stets erfüllt und
das System (9.2.6) stets lösbar ist .
4. Für die von den Spiegelungen P, T erzeugte Untergruppe V4 = {E, P,T , PT}
von P bestimme man bis auf Äquivalenz (siehe Aufgabe 1c!) alle Kozykel
w( ., .) mit Werten in U(l)= {Phasenfaktoren}, wenn {E ,P} linear, {T,PT}
antilinear dargestellt werden sollen.
Anleitung: w(E , E) = w(E, P) = w(P, E) = w(P, P) = 1 sei erreicht wie in
Abschnitt 7.10; sei w(T,T) = a (= ±1), w(PT,PT) = ß (= ±1) gesetzt und
w(P,T) = 1 durch Wahl von APT erreicht, wobei der Phasenfaktor AT noch frei-
bleibt. Man verifiziere nun, daß die verbleibenden Kozykelbedingungen w( . , . )
vollständig bestimmen: w(P,T) = w(P, PT) = 1, w(PT, T) = a, w(T, PT) = ß,
w(T, P) = w(PT, P) = aß. Hier können a, ß unabhängig voneinander ihre er-
laubten Werte ±1 annehmen, so daß sich vier verschiedene Erweiterungsgrup-
pen von V4 ergeben .
6. Nach dem Muster der in den Abschnitten 7.9 und 8.5 gegebenen Anleitungen
zum Beweis der dortigen Sätze 1 und 2, jedoch unter genauer Beobachtung der
Antilinearität, führe man Beweise für die Sätze 1 und 2 dieses Abschnitts.
(9.3.1)
vgl. (6.1.3). Wird (a, L) aktiv aufgefaßt, sind a\ Wik Komponenten eines infinitesi-
malen Vierervektors bzw. antisymmetrischen Tensors; letzterer verhält sich zu er, v
in (6.1.5) wie der Feldtensor Fik zu den Feldstärken B, E des elektromagnetischen
Feldes. Ferner sei (a, L) - t U(a, L) eine treue Darstellung im Raum H, wobei infini-
tesimal
U(a, L) ~ idH - ~ Wab M ab
+ iacPC' (9.3.2)
Hier sind Mab = - Mba und Pc die Erzeugenden von Lorentztransformationen und
Translationen in der betreffenden Darstellung; ein Faktor i wurde herausgezogen, um
im Fall unitärer Darstellungen gleich hermitische Erzeugende zu betrachten.
9.3 Lie-Algebre der Poinceregiuppe 259
Die adjungierte Darstellung erhalten wir nach Abschnitt 7.4, wenn wir in den
Relationen 1
= I.dH - Z I
2"Wab
Lam Lbn M?" + Z' a IC L dPd,
C
ab d
U(L'a + a' - aL')
, 2 ab M + i(w'Cd a + a'C)pc s
'" id H - :"'w'
'"
und wir lesen daher an den Koeffizienten w:k' a'" die adjungi erte Darstellung ab
U-1(L) M ik U(L) = u; u: Mmn (9.3.4a)
U-1(L) r, U(L) = L/ Pd (9.3.4b)
U-1(a) r, U(a) = r, (9.3.4c)
U-1(a) M ik U(a) = M ik + 2a1i pkl (9.3.4d)
(man beachte die Antisymmetrie der w:k' um zu (9.3.4d) zu gelangen!). Die ersten
bei den Gleichungen besagen, daß M ik ein anti symmetrischer Tensoroperator und Pc
ein (Vierer-) Vektoroperator unter .c~ ist; die dritte drückt die Kommutativität der
Translationen aus; der letzten Gleichung werden wir in Kapitel 10 wieder begegnen:
sie beschreibt u.a. die Abhängigkeit des Drehimpulses vom Bezugspunkt.
Die Vertauschungsrelationen der Erzeugenden erhalten wir, indem wir in (9.3.4)
auch L, a infinitesimal machen: L = E +w, U(L) = idH - tWabMab, U(a) = idH+
+ia kPk. Vergleich der Faktoren von Wab, aCrechts und links ergibt unter Beachtung
der Antisymmetrie der Wab :
i [Mab, M ik] = 7Jai M bk _ 7Jbi Mak + 7Jak M ib _ 7Jbk Mia (9.3.5a)
i [Mab, PC] = 7Jca pb _ 7Jcb P" (9.3.5b)
(9.3.5c)
(Gleichung (9.3.4d) führt ebenfalls auf (9.3.5b); die Relationen (9.3.5a) sind natürlich
die Relationen (8.1.3) in vierdimensionaler Schreibweise).
I Hier und in Zukunft schreiben wir bei reinen Translationen U(a, E) =: U(a), bei homogenen
Transformationen U(O , L) = : U(L) ; für infinitesimales (a', L') gilt auch in zweiwertigen Darstellun-
gen rechts ein + -Zeichen.
260 9. Darstellungstheorie der Poiucetegtuppe
Man kann die Vertauschungsrelationen (9.3.5) auch direkt an einer konkret gege-
benen Darstellung verifizieren, etwa an der 5 x 5-Matrixdarstellung
T
L a ) (9.3.6)
(a, L) -+ ( 0 1 '
die übrigens wie (9.3.4) offensichtlich reduzibel, jedoch nicht vollreduzibel ist, wie
dies bei nicht halbeinfachen Gruppen wie pr
vorkommen kann (die Translationen
bilden einen kontinuierlichen abelschen Normalteiler) .
Wir kommen nun zu den invarianten Casimir-Operatoren von Dapr. pr
nicht
halbeinfach ist, können wir die in Abschnitt 7.4 angegebene Vorschrift zur Auffindung
dieser Operatoren nicht anwenden . Jedoch sind, wie bereits festgestellt , M ik und P"
Tensoroperatoren unter .c~, so daß zumindest .c~ -invariante Operatoren leicht zu
bilden sind. Es ist also nur noch für Translationsinvarianz zu sorgen.
Ein erster translat ionsinvarianter Tensoroperator ist P" selbst, sein Viererquadrat
daher ein mit allen U(a, L) vertauschbarer Operator:
Wdpd = 0, (9.3.9)
Sein Viererquadrat
W 2 := W dW d, [W 2 , U(a,L)] = 0 (9.3.10)
ist somit ein weiterer Pr-invarianter Operator, dessen Eigenwerte w 2 zur Klassifizie-
rung der irreduziblen Darstellungen von pr
herangezogen werden können.
Obwohl sich nun aus den u», P, keine weiteren unabhängigen Invarianten mehr
bilden lassen, reichen die Eigenwerte von M2, W 2 nicht völlig aus, um die irreduziblen
Darstellungen von pr zu klassifizieren - dies ist eine Besonderheit bei nicht halbein-
fachen Gruppen. Während nämlich z.B. bei .c~ die (möglichen) Eigenwerte 0, 0 der
Invarianten (M+)2, (M-)2 die triviale Darstellung eindeutig charakterisieren, gehören
zu den (möglichen) Eigenwerten 0, 0 von M2, W 2 eine ganze Serie nichttrivialer
Darstellungen. Für diese sind Pe, We lichtartige, orthogonale Vektoroperatoren, die
9.3 Invarianten der Poinceregtuppe 261
die Summe des Bahnanteils und des Spinanteils, also von L ik und der Erzeugenden
Sik = _Ski in der betreffenden Tensor- oder Spinordarstellung. (Hier wurde bereits
die im Anschluß an (7.8.6) erwähnte Kurznotation verwendet). Für 4-Vektorfelder
etwa sind die Si k 4 X 4-Matrizen mit
(9.3.17)
'k Z [j k]
S3 = 2" 1 , (9.3.18)
= -u
Z _[j k]
2
u für D{0,1/2) (9.3.19b)
(siehe Aufgabe).
Wenn wir nun die Operatoren Wd bilden, sehen wir, daß Lik dazu nicht beiträgt.
Im Raum der Skalarfelder ist Wd == 0, W 2 == O. Die s»,
die relativistische Verall-
gemeinerung der Spinrnatrizen, bestimmen die Gestalt von W d und W 2 • Die zweite
Invariante hängt daher mit dem Spin von Teilchen zusammen, wie noch auszuführen
sein wird.
Wie oben bemerkt, reichen die Eigenwerte von M 2 , W 2 nicht aus, um die ir-
reduziblen Darstellungen zu klassifizieren. Wir illustrieren dies hier noch weiter
durch Betrachtung des Raumes der Dirac-Spinorfelder "p( x). In ihm gilt identisch
W2 = -t G + 1) M 2 (siehe Aufgabe), d.h., bei Zugrundelegung der Klein-Gordon-
Gleichung (9.3.14) wird auch W 2 automatisch Vielfaches des Einheitsoperators. Der
Raum der Lösungen der Dirac-Gleichung (9.1.12) bildet davon einen echten invari-
anten Teilraum, da die Dirac-Gleichung nicht aus der Klein-Gordon-Gleichung folgt
(sondern nur umgekehrt)- In diesem Teilraum - der übrigens unter P bereits irre-
duzibel ist und unter P+ in zwei invariante Teilräume zerfällt, wie wir noch sehen
werden - ist die Darstellung unitär, wie aus der quantenmechanischen Bedeutung der
Dirac-Gleichung folgt. Das invariante Skalarprodukt ist durch das Integral
1 k
du r:p ik "p (9.3.20)
gegeben, das wegen 8k( r:p Ik"p) = 0 für zwei Lösungen <p, "p der Dirac-Gleichung (vgl.
Aufgabe 10 von Abschnitt 9.1) gemäß (5.6.13) von der speziell gewählten raum -
artigen Hyperfläche a nicht abhängt. Um die Definitheit einzusehen , wählt man
da" = (cFx , 0) und für die Ik die spezielle Realisierung (9.1.13), für die in {; = "ptß
die Matrix ß Vielfaches von 10 wird, wie die Lösung von Aufgabe 6, Abschnitt 9.1,
ergibt (vgl. auch Anhang C.l) .
Da wir gemäß Abschnitt 9.2 auch an unitären Strahldarstellungen interessiert
sind, wollen wir hier kurz andeuten, wie die dort allgemein beschriebene Analyse im
9.3 Invarianten der Poiuceregtuppe 263
(9.3.21a, b, c)
(9.3.23c)
Die infinitesimale Phasenänderung (9.2.4) bedeutet hier
(9.3.24a , b)
(4 - 1 - l)Cb,d = 0, (9.3.26c)
so daß (9.3.25c) erfüllt ist. (Hier ist offenbar wesentlich, daß die Dimension der Raum-
zeit> 2 ist!) Kontrahiert man (9.3.23b) etwa mit lJcs, so entsteht wegen (9.3.22b)
(9.3.26b)
so daß (9.3.25b) mit der Wahl C b := ~Csb,s erfüllbar ist. Kontrahiert man schließlich
(9.3.23a) etwa mit lJis, so resultiert wegen (9.3.22a)
(9.3.26a)
Aufgaben
1. Man verifiziere (9.3.19) und zeige, daß (9.3.18) die direkte Summe der Formeln
(9.3.19) ist. Man beachte in (9.3.19) ferner, daß Wik Sik der D(l,OL bzw. D(O,lL
Anteil des antisymmetrischen Tensors Wik ist - die einzige Möglichkeit, mit
D(1/2,l/2) = D(1/2,O) 0 D(O,l/2) verträglich zu bleiben.
(9.3.27a)
Die durch diese Gleichungen definierte Darstellung läßt sich für m 2 > 0 unitär
machen und zerfällt unter pi
in zwei irreduzible Teile, wie sich später zeigen
wird.
Für w 2 = 0, m 2 i= 0 folgt ß j Ai = ß i Aj, d.h., Ai ist reiner Vierergradient:
Ai = ß i A, A = eonst. + <1>, wo <1> der Klein-Gordon-Gleichung genügt.
°
Für w 2 = 0, m 2 = hat jede Lösung die Form Ai = Ai + c z", wobei DAi = 0,
ß i Ai = 0, d.h., A i ist Viererpotential eines Vakuum-Maxwell-Feldes in Lo-
renzeichung. Die Felder Ai bilden einen invarianten Teilraum, hingegen ist der
Raum der Felder c z' nicht translationsinvariant (Reduzibilität ohne Zerfallen!),
entspricht aber nicht dem üblichen Verhalten im Unendlichen.
Im Raum der Lösungen von DA i = 0, ß i Ai = 0 schließlich führt W c = AP;
auf fabcd ßCAb = -i A ß d A a. Für A i= 0 folgt ß d A a + ß a A d = 0, woraus - vgl.
(5.9.29) - Ad = ad + adc XC mit Konstanten ad, adc = -acd folgt. Rückeinsetzen
ergibt Selbst- oder Antiselbstdualität von acd und A = ±2, doch entspricht die
Lösung nicht den Randbedingungen im Unendlichen (sie wäre Viererpotential
°
für konstante elektromagnetische Felder) . A = gibt ßCA b = ßbAc, d.h., Ab =
= ßb A ist Vierergradient einer Lösung der skalaren Wellengleichung. Man be-
achte, daß die Teilräume A = ±2 und A = 0 die Lösungen A d = eonst . gemein-
sam haben, also wieder kein Zerfallen in eine direkte Summe vorliegt .
Dieses Beispiel illustriert die Komplikationen, die bei nichtunitären Darstellungen auftreten
können . Weiter sieht man, daß der für das elektromagnetische Strahlungsfeld zu erwartende
=
Wert A ±1 auf diese Weise nicht resultiert . Geht man aber von W c = APc durch Aus-
zeichnung eines Vierervektors n C zur Gleichung n C Wc = An C P; über, aus der A ebenfalls
berechnet werden kann, so erhält man für A -# 0 durch Überschieben n C8c (naA a) 0 und =
durch Iteration (..\2 - 1) (n c8c )2A a = 0, mithin auch die Eigenwerte A = ±l. Die Eichtrans-
= =
formation Ai -+ Ä i + 8i A, A -(maXa)(nbAb) mit Mana 1 führt auf die "nichtkovariante"
Eichung n a A a = 0 (n ist ja willkürlich ausgezeichnet worden! n 2 > 0 . . . "Strahlungseichung" ,
n 2 < 0 .. . "axiale Eichung", n 2 = 0 . . . "lichtartige Eichung").
( 0 ... ,a3) -e
ua, _ woa O... eW3a3 .,
266 9. Darstellungstheorie der Poinceregtuppe
dabei müssen wegen der Unitarität der Darstellung die Wk rein imaginär sein. Wir
setzen Wk = +iPk und verwenden die reellen Konstanten pk, um den betrachteten
Eigenvektor zu indizieren 1 :
ak
U(a) Ip,a) = e ;Pk Ip,a)
(9.4.1)
Pk Ip,a) = Pk Ip,a);
hier ist die zweite Gleichung die "infinitesimale" Form der ersten.
Wir untersuchen nun die Wirkung von Operatoren U(L) auf die Vektoren Ip, o )
und beachten dazu, daß Pk Vektoroperator ist . Daraus folgt, daß für den Vektor
1)=U(L)lp,a)
Pk I )= PkU(L) Ip,a) = U(L) Lki Pi Ip, a) = U(L) Lki Pi Ip, o ) =
(9.4.2)
= Lki PiU(L) Ip,a) = Lki Pi I)
gilt, d.h., I ) ist Eigenvektor von Pk zum Eigenwert Lki Pi und daher eine Linearkom-
bination aller Basisvektoren zu diesem Eigenwert von Pi :
Hier haben wir explizit angedeutet, daß die Matrix Q, die diese Linearkombination
für jedes a herstellt, nicht nur von L, sondern im allgemeinen auch von p abhängt.
Ferner muß Q unitär sein, wenn wir annehmen, daß die Indizes sich auf ein Ortho-
normalsystem beziehen .
Zur Illustration des Bisherigen diene die Darstellung im Raum der Felder 4> irgendeines be-
stimmten Typs (Spinorfelder, Tensorfelder,.. . ). Pk hat hier die Form +ilh, die zugehörigen Eigen-
funktionen sind von der Form ci> exp( -ipkXk), wo ci> = const . (Spinor, Tensor,. .. ). Die Zerlegung
eines beliebigen Feldes dieses Typs nach den Eigenfunktionen von Pk hat die Gestalt
(9.4.4)
ist also eine Fourierzer1egung. Die in den IP, 0<) zusätzlich auftretenden Indizes 0< können also hier
als die Spinor-, Tensor-,... Indizes von ci> gewählt werden ("Spinorbasis" ,. . . ; dabei wird auf Ortho-
normalität im Sinn eines positiv-definiten Skalarprodukts verzichtet). Ist der Typ des Feldes durch
die Darstellung L -+ D(L) von .c~ gegeben, so ist die Wirkung einer Lorentztransformation auf
diese Basisfunktionen nach (9.1.1)
(9.4.5)
d.h., die Matrix Q von (9.4.3) ist hier durch D(L) gegeben, von p unabhängig, aber außer im
skalaren Fall nicht unitär. Wir werden bald sehen, daß sich für das Klassifizierungsproblem eine
andere Basiswahl (0< kein Spinor- oder Tensorindex) besser eignet, bei der Q von p abhängt, aber
unitär ist . Die Transformation auf diese Basis geschieht dann mit p-abhängigen Koeffizienten.
10< symbolisiert weitere, zur eindeutigen Charakterisierung des Vektors noch nötige Indizes; da-
bei behandeln wir - wie in der physikalischen Literatur üblich - das kontinuierliche Spektrum in
formaler Analogie zum diskreten (siehe Neumark (1959) oder Riesz-Nagy (1956) wegen exakter
Formulierung).
9.4 Irreduzible unitäre Darstellungen der Pouicsregtuppe 267
Wir können nun bereits eine Teilklassifizierung der Darstellungen angeben. Aus
(9.4.3) entnehmen wir nämlich, daß nur dann ein U(L) existieren kann, das die zu den
Eigenwerten Pk, PI.: gehörenden Eigenräume von Pk ineinander transformiert, wenn
p2 = p'2 ist - denn dies ist ja eine Folge von p' = Lp. Daher ist der von den Vektoren
Ip, a) mit festem Wert p2 = m 2, aber sonst variablen p, a aufgespannte Teilraum
invariant. Da die Darstellung irreduzibel sein sollte, muß dies bereits den ganzen
Darstellungsraum liefern, und der Casimir-Operator M 2 = Pkp k wird M2 = m 2 id.
Allgemein zeigt diese Betrachtung, daß es für Irreduzibilität notwendig ist, die p in
Ip, a) auf jene invariante Mannigfaltigkeiten des p-Raumes (Impulsraum bei quan-
tenmechanischer Deutung) zu beschränken, auf denen .c~ transitiv wirkt, d.h ., jeden
Punkt in jeden überführt. Dafür gibt es offenbar folgende Möglichkeiten (Abb. 9.1):
I I
I
~~
I
W : I I
I
I
~
-
I --~-r-
I I I
I I I I
I I I
Abb. 9.1. Invariante Mannigfaltigkeiten des Impulsraumes, auf denen .c~ transitiv wirkt
Eine unitäre irreduzible Darstellung von P ~ muß in eine dieser sechs Klassen fallen.
Aus physikalischen Gründen behandeln wir im folgenden die Fälle c), d) nicht weiter:
Teilchen mit p = 0 oder p2 < 0 haben bisher in der Physik keine Rolle gespielt.
Wir illustrieren diese Teilklassifizierung am Beispiel der Felder ~ . Die Bedingung p2 = m2
verlangt, daß die Fourierkomponenten ~(p) in (9.4.4) nur für p2 = m 2 nicht verschwinden, was
=
offensichtlich gleichbedeutend mit (O+m 2 ) ~(x) 0 ist . Die für p2 ~ 0, p # 0 zusätzlich auftretende
= =
Bedingung sign Po +1 oder -1 verlangt, daß für Irreduzibilität die Fourierkomponenten nur für
positive oder nur für negat ive Frequenzen (Energien) nicht verschwinden. Wir kommen im nächsten
Abschnitt hierauf zurück.
268 9. Darstellungstheorie der Poinceregtuppe
Der nächste Schritt besteht in der Klassifizierung der möglichen Q in (9.4.3). Sie
unterliegen der einschränkenden Bedingung
die durch Anwenden einer weiteren Operation U{L') unter Benützung der Darstel-
lungseigenschaft folgt. (9.4.6) sieht selbst fast wie eine Darstellungseigenschaft aus -
speziell folgt Q(E,p) = id - und geht auch in zwei Fällen in diese über. Der eine ist
der zuvor bei den Feldern erwähnte, wo Q nicht von p abhängt; er ist für das Folgende
weniger wichtig, da hierbei nicht offensichtlich ist , daß und wie die Darstellung unitär
gemacht werden kann.
Der andere Fall, wo (9.4.6) zur Darstellungseigenschaft wird, entsteht durch Ein-
schränkung auf Elemente I< E .c~, die einen herausgegriffenen "Impulsvektor" p = p
festlassen, und auf den von den Vektoren Ip, a} aufgespannten Teilraum. Die I< mit
I<p = P bilden eine Untergruppe JC p C .c~, die zu dem Standardvektor p gehörende
kleine Gruppe (in der mathematischen Literatur als Isotropiegruppe oder stabile Un-
tergruppe zu p bezeichnet; vgl. auch den Schluß von Abschnitt 7.7). Wir erhalten
so die Bedingung, daß die Q{I<, p) eine unitäre Darstellung von JC p bilden müssen
und wollen nun zeigen, daß mit der Bestimmung der Q(I<,p) auch die Bestimmung
aller Q(L,p) gelingt. Das Klassifikationsproblem wird damit auf jenes der unitären
irreduziblen Darstellungen von JC p zurückgeführt, wie Wigner zuerst erkannt hat.
Der Beweis beruht auf einer Zerlegung von L in Abhängigkeit davon, auf welches
Ip, a} der Operator U\L) angewendet werden soll. Dazu ordnen wir jedem p eine
Transformation Ap E .c+ zu, die p in p überführt, stetig von p abhängt und Ap = E
erfüllt:
Ap E.c~ : App = p, Ap = E . (9.4.7)
Wegen der Voraussetzung p2 = m 2 = p2 existiert Ap innerhalb jeder der Klassen
a+) , . . . , d) stets.
Für p2 > 0, pO > 0 leistet z.B. (6.3.6) das Gewünschte und ist durch die B~ingung, daß es
sich um eine zeit~tige Drehung handle, eindeutig festgelegt. Da wir eigentlich an pi und damit an
dieser Stelle an .c~ ~ SL(2, C) interessiert sind, ist hier ein Ap E SL(2, C) gemeint, für das (8.2.8)
Ap liefert; und die Eindeutigkeit kann durch die Bedingung erzielt werden, daß A p bezüglich der
hermitischen Form PAX = PiU~X hermitisch-positiv definit sei.
Für p2 = 0, pO > 0 versagt die Wahl von A p bzw. A p als reine Geschwindigkeitstransforma-
tion für den "Gegenpunkt" von P bezüglich irgendeines Beobachters, man muß dazu auch räumliche
Drehungen zulassen. Tatsächlich ist es auch so nicht möglich, Ap in auf dem ganzen Vorwärtslicht-
kegel stetiger Weise zu wählen - sonst ergäbe sich ein Widerspruch zum "Igelsatz" der Topologie.
(Die korrekte Analysis zeigt aber, daß sogar eine Menge von Unstetigkeitspunkten vom Maß null
(bezüglich d3 p/ po, s. später) zugelassen wäre.)
Das Wesentlichste an der Zerlegung (9.4.8) ist , daß K(L,p) zur kleinen Gruppe
gehört, da nach Konstruktion der Ap
A-p 1 P- =p, ALpLp = P => K(L ,p)p = p.
Es ist für das Folgende günstig, sich die Hilbertraum-Vektoren Ipa) als Vektorfelder va{P) über
der jeweiligen invarianten Teilmannigfaltigkeit des Impulsraumes (Abb. 9.1) vorzustellen. Uber je-
dem Punkt p ist also ein "kleiner Vektorraum" (die Faser über p) angebracht zu denken (Vek-
torbündel), auf den sich der Index o bezieht und aus dem die Zuordnungsvorschrift p ..... va(p) einen
Vektor auswählt (Querschnitt des Bündels; vgl. Abschnitt 7.8). Wesentlich ist nun, daß bisher über
die Indizes o keine Aussagen gemacht wurden außer für p = p. Dort bezogen sie sich auf die Basis
einer Darstellung der kleinen Gruppe K p . Im nächsten Schritt bedienen wir uns der Möglichkeit,
die Basisvektoren in den "kleinen Vektorräumen" über den übrigen Punkten frei wählen zu können ,
was die Klassifizierung der Darstellung sicher nicht beeinflußt, aber erleichtert.
Die Vektoren Ip, 0:) bilden einen Darstellungsraum für x; Die Vektoren Ip, 0:)
für p f= p werden nun bezüglich 0: spezifiziert, indem wir setzen
(Wigner-Basis). (9.4.10)
Jede vorgelegte Darstellung definiert somit nach Wahl von p und der Ap eine spezielle
Basis Ip, 0:) im Darstellungsraum, die sogenannte Wigner-Basis. Ihr Vorteil besteht
darin, daß jetzt aus (9.4.3) mit (9.4.8,10) folgt
schließlich
Qßa(L,p) =L Qßa(I«L,p),p).
ß
Damit ist tatsächlich die Klassifizierung aller Qßa(L,p) (bis auf Äquivalenz) auf die
Klassifizierung der unitären Darstellung K - t Q(K) der kleinen Gruppe zurück-
geführt, und es ist in der Wigner-Basis
(1968)) . Es ist aber zu beachten, daß die durch Induktion gewonnenen Darstellungen bezüglich .c~
reduzibel sind (vgl. Abschnitt 7.8); nur bezüglich 'Pt herrscht Irreduzibilität . Ferner ist noch zu
überlegen, daß die spezielle Wahl von fi und der Ap (abstrakt: Repräsentation der Nebenklassen von
}Cp C .c~) die Klassifikation nicht beeinflußt. Da dies in der in den zitierten Büchern gegebenen
abstrakten Formulierung automatisch zum Ausdruck kommt, führen wir dies hier nicht aus.
Als nächstes sind nun in den physikalisch sinnvollen Fällen a), b) die kleinen
Gruppen und ihre unitären irreduziblen Darstellungen zu bestimmen. Zuvor wollen
wir die kleinen Gruppen zu einem Vierervektor p aber noch infinitesimal charakteri-
sieren. Die infinitesimale Lorentztransformation «', = 8ik + Wik gehört zu x:,p, wenn
wik pk = 0, was durch Wik = fikjm k pm mit beliebigem infinitesimalen k gelöst wird.
j j
Wir sehen, daß U(I<) auf die Vektoren Ip, a} dieselbe Wirkung hat wie der Operator
(9.4.13)
wo We der in (9.3.8) definierte Operator ist. Damit ist eine Deutung der Operatoren
We gefunden: sie erzeugen in dem von den Ip, o ) aufgespannten Teilraum die Dar-
stellung der kleinen Gruppe. Die Anzahl der in (9.4.13) aufscheinenden Parameter ist
übrigens nur scheinbar gleich 4; wegen P" We = 0 kann einer von ihnen stets eliminiert
werden (sogenannter unwesentlicher Parameter), die kleinen Gruppen sind also drei-
parametrig. Ihre Struktur ergibt sich aus den Vertauschungsrelationen (Verifikation:
Aufgabe)
[Wd' Wo] = -~fabed [Mab, Wo] P" = -i fdobe Wb P", (9.4.14)
indem man sie auf die Ip, o ) anwendet. Wir behandeln die Klassen a), b) nun einzeln
und überlassen es als Aufgabe, die kleinen Gruppen für die übrigen Klassen c), d) zu
bestimmen.
a) Der Fall p2 = m 2 > O.
Wir nehmen sign Po > 0 an; die andere Möglichkeit ist völlig analog zu behan-
deln. Als Standardvektor p wählen wir die Normalform (3.2.7), d.h ., pi = (m,O).
Die kleine Gruppe x:,p hat also offensichtlich die Struktur der Drehgruppe SO(3).
Deuten wir die Ip, o ) quantenmechanisch als Impulseigenzustände eines Teilchens
der Masse m, so beschreibt Ip, a} die möglichen Zustände des ruhenden Teilchens
(p = 0) und der Index a daher innere Freiheitsgrade (Spinausrichtung). Die irre-
duziblen unitären Darstellungen von SO(3) wurden in Kapitel 7 angegeben, sie sind
durch ihr Gewicht bis auf Äquivalenz bestimmt, das wir hier mit s bezeichnen wollen:
s = 0, 1/2, 1, 3/2, ... (die halbzahligen Werte müssen hier zugelassen werden, da
wir - gemäß Abschnitt 9.2,3 - auch an zweiwertigen Darstellungen von P ~ interessiert
sind). Zu jedem Wert m 2 > 0 und jedem dieser s-Werte gehören zwei Äquivalenz-
klassen unitärer irreduzibler Darstellungen von P~ (in einer ist signpo = +1, in der
anderen -1). Wir wollen in diesen Darstellungen noch den Wert der Invarianten W 2
bestimmen. Zunächst liefert die Relation P" We = 0 im Teilraum der Ip, Q:} wegen
p = (m,O):
9.4 Irreduzible unitäre Darstellungen der Poinceregtuppe 271
Wo Ip, 0:) = 0,
während (9.4 .14) dort
Aus den Ergebnissen über 80(3) folgt, daß die Ip, 0: ) einen (2s +1)-dimensionalen
Vektorraum aufspannen, in welchem wir die kanonische Basis von Abschnitt 7.5 kon-
struieren: Ip, 0:) = Ip, a), a = -S, -s + 1, . . . ,S, wobei
M 2 m, Sj p, a)
1 = m2 J m, s; p, a) (9.4.18a)
n Im,s jp,a ) = Pk
rk Im "s'p ,vo ) , wo pkpk =m 2 , Po> 0 (9.4.18c)
wobei
272 9. Darstellungstheorie der Poinceregruppe
(9.4.19)
Weiter schreiben wir Lp für die räumlichen Komponenten des Vierervektors Lp, wo
p= (E(p), p) . Die Skalarprodukte der Basisvektoren setzen wir in der Form
( p' , o' Ip, a) = A(p) b3(p - p') bqql, (9.4.20)
an, wobei wir aber den Normierungsfaktor A(p) nicht == 1 wählen dürfen. Vielmehr
müssen wir die Unitaritätsbedingung
erfüllen ; die Translationsinvarianz ist durch (9.4.20) bereits gesichert . Mittels (9.4.18)
und der Unitarität der D~~, erhalten wir daraus zunächs t
(9.4.23)
Um diese Relation weiter auszuwerten, führen wir in der uns schon als invariant be-
kannten (vgl. (4.5.25)) vierdimensionalen b-Funktion b4(p_p') = b(pO-p'O) b3 (p - p')
st att pO, p'o die Invarianten m 2 = (pO)2 _ p2, m'2 = (p'O)2 - p,2 als neue Variable
ein und erhalten nach bekannten Rechenregeln für die Deltafunktion
(9.4.24)
was zeigt, daß der Ausdruck 2 E(p) b3 (p - p') invariant ist. Eine mögliche Wahl der
Normierung ist daher A(p) := 2 E(p). Unter Verwendung dieser Konvention lautet
die Orthonormierungsbedingung
·J
q~. 2E(~)
cF Ip, o )( p, a I = id (9.4.26)
9.4 Irreduzible unitäre Darstellungen der Poincetegruppe 273
lauten, wie sofort durch Anwendung auf einen Basisvektor I p', (j') klar wird (die
Invariante d3p/ E(p) ist uns bereits beim relativistischen Phasenraum begegnet; vgl.
auch Aufgabe 1 von Abschnitt 5.6).
Den Ausdruck für das Skalarprodukt zweier belieb iger Vektoren Icp), It/J ) des
Darstellungsraumes erhält man nun durch Entwickeln nach der Basis: mit den Wel-
lenfunktionen
(p, o Icp) = cp,,(p) usw. (9.4.27)
im Impulsraum wird
(cp I t/J ) = J
~ 2~:) cp;(p) t/J,,(p). (9.4.28)
b) Der Fall p2 = 0, p i= °
°
Wieder nehmen wir signpo > an und wählen als Standardvektor pi = (1,0,0,1).
In diesem Fall sind die räumlichen Drehungen um die 3-Achse offensichtlich eine
Unt ergruppe der kleinen Gruppe Je p • Um alle Transformationen von Je p zu bestim-
men, verwendet man im Fall eines lichtartigen Vektors p am besten Spinormethoden;
wir sind ja außerdem letztlich ohnehin an Darstellungen von SL(2,C) interessiert.
Gemäß (8.4.23) entspricht dem lichtartigen Vektor p der bis auf einen Phasenfak-
tor bestimmte Spinor 7fA = 21 / 4(1 ,0) . Den Lorentztransformationen L mit Lp = P
sind daher SL(2,C)-Matrizen A mit A7f = eia / 27f zugeordnet , wobei die unbestimmte
Phase eia / 2 genannt wurde. Alle A E SL(2,C) , die p invariant lassen, können in der
Form
eia/2 b e - ia / 2 )
( o e- ia / 2 =: A(b, a) (9.4.29)
geschrieben werden , wo 0 :::; a < 471", b E C. Die Gruppe der Matrizen dieser Gestalt
hat die Multiplikationsregel
ebenen Welle . Man bezeichnet diese Lorentztransformationen auch als iichtartige Drehungen oder
Nulldrehungen (vgl. den Anhang zu Abschnitt 8.4). In der Isomorphie .c~ ~ SO(3,C) entsprechen
ihnen komplexe Rotationen um Achsen a mit a 2 = 0 ("isotrope Achsen") , die in der komplexen
euklidischen Geometrie häufig eine Sonderrolle spielen (siehe Strubecker (1969)). Nulldrehungen
finden in der Theorie der Gravitationsstrahlungsfelder Verwendung (vgl. z.B. P. Jordan, J. Ehlers ,
R. Sachs, Akad . Wiss. Mainz, math .-nat. Kl. 1961, Nr. 1).
Da es sich bei Kr; also um eine Gruppe von Translationen und Rotationen handelt,
kann die Klassifizierung ihrer irreduziblen unitären Darstellungen wie bei der Poin-
care-Gruppe auf die Bestimmung der irreduziblen unitären Darstellungen einer Un-
tergruppe von Kr; zurückgeführt werden. Wir überlassen die detaillierte Ausführung
dieses Programms einer Aufgabe und bemerken hier nur folgendes. Wegen der euklidi-
schen Geometrie in dem dabei formal auftretenden zweidimensionalen "Impulsraum"
sind nur zwei Fälle zu unterscheiden: der Standardvektor verschwindet, oder er ver-
schwindet nicht. Für den letzteren Fall verweisen wir auf die Aufgabe; er hat aber
bisher physikalisch keine Rolle gespielt.
Im ersteren Fall ist die "kleine Gruppe" von Kr; offensichtlich die volle zweidimen-
sionale Drehgruppe SO(2), bzw. die zweiblättrige Überlagerung durch die A(O, 0') mit
o::; 0' < 47l", und die "Translationen" (d.h. die Nulldrehungen A(b, 0) von Kr;) werden
trivial dargestellt, wie im Beispiel (9.4.31) der zirkularpolarisierten ebenen Wellen.
Es sind also noch die ein- und zweideutigen Darstellungen von SO(2) zu bestimmen.
Diese Gruppe ist abelsch und als Mannigfaltigkeit der Einheitskreis (jedem Dreh-
winkel (mod 27l") entspricht ein Punkt des Einheitskreises). Letzterer ist unendlich
zusammenhängend, man erhält Überlagerungsräume, indem man ihn aufschneidet,
ein oder mehrere Exemplare davon anstückelt und erst dann wieder schließt.
Die so entstandenen Überlagerungsräume sind alle nicht einfach zusammenhängend. Um den
universellen Überlagerungsraum zu konstruieren, sind unendlich viele Exemplare des Einheitskrei-
ses aneinanderzustückeln und ergeben somit R I . Diese " Konstruktion" tritt im täglichen Leben
beim Passieren der internationalen Datumsgrenze auf der Erdkugel auf, deren Einführung dem Auf-
schneiden des Einheitskreises (Äquator oder Breitenkreis der Erde) entspricht.
Da SO(2) und alle Überlagerungsgruppen abelsch sind, sind die irreduziblen Dar-
stellungen 0' ~ U(o') eindimensional. Die Unitarität bedingt, daß sie die Form von
Phasenfaktoren U(o') = exp[iF(O')] haben. Für die reelle Funktion F(O') folgt aus
U(O't} U(O'2) = U(O'} + 0'2) die Form F(O') = AO'. Die Darstellungen 0' ~ exp(iAO')
sind auf dem doppelt überlagerten Einheitskreis nur stetig (d.h. 0' = 0 und 0' = 47l"
gibt denselben Operator), wenn A ganz- oder halbzahlig ist. Die ein- und zweideuti-
gen Darstellungen von SO(2), und damit auch die hier gesuchten Darstellungen von
Kr; sind also eindimensional und durch
0' ~ ei.\o
A(b,O') ~ ei.\o
A = 0, ±1/2, ±1, ... (9.4.32)
(9.4.33)
(9.4.34)
auch
W1 Ip) = W 2 1p ) = 0 (9.4.35)
gilt - die Nulldrehungen werden ja trivial dargestellt - folgt W 21p) = (Wo)2Ip)-
_(W3 )2Ip ) = 0, also
(9.4.36)
Weiter sieht man durch Vergleich von (9.4.34,35) mit r, Ip) = Pe Ip) sofort WeIp) oc
cx: P; Ip), wie es wegen der Orthogonalität der beiden lichtartigen hermitischen Vek-
toroperatoren sein muß. Der Proportionalitätsfaktor ergibt sich durch Berechnung
des Eigenwertes von W3 : Einerseits ist
(9.4.37)
zunächst im Teilraum der Vielfachen von Ip), aber als Gleichung zwischen Vektor-
operatoren allgemein im ganzen Darstellungsraum. Es gilt also (9.3.11), wobei A die-
selbe Bedeutung hat wie dort .
Die physikalische Bedeutung dieser Invarianten ergibt sich durch Übergang zu
einem speziellen Inertialsystem. Betrachten wir in diesem die Nullkomponente von
(9.4.37) und setzen die Definition (9.3.8) von We ein, so erhalten wir
~ fO/-l Vp M/-l
V
PP = APo
oder mit der Bezeichnung
M
P .-
.- 2"1 f/-l v p M/-lV (9.4.38)
Bei wellenmechanischer Deutung ist nach (9.3.12,15,16) M der Operator des Gesamt-
drehimpulses, >. also die Projektion des Gesamtdrehimpulses auf die Bewegungsrich-
tung. Man nennt diese Größe die Helizität. Ihr (spiegelungsinvarianter) Absolutwert
1>'1 dient beim masselosen Teilchen als Ersatz für den Spinbegriff, der in der Form
"Drehimpuls im Ruhsystem" nur für massive Teilchen sinnvoll ist - masselose Teil-
chen haben kein Ruhsystem.
Wenn man die Helizität dur ch (9.4.39) definiert , hat sie auch in and eren Darstellungen - wo
W 2 =F 0 - einen Sinn , ist aber keine Poincare-invariante Größe. Es ist anschaulich klar , daß bei
einem massiven Teilchen ein Zustand positiv er Helizität durch eine Geschwindigkeitstransformation
in einen Zustand negativer Helizität übergeführt werden kann . Man kann daher für m =F 0 nur von
der Helizität von Zuständen eines Teilchens, aber nicht von der Helizität des Teilchens schlechthin
sprechen. Unter räumlichen Drehungen bleibt sie aber auch für m =F 0 invariant und hat das Spek-
trum A = -5, ... ,+5. Es ist aus praktischen Gründen oft günstig, mit Helizitätseigenzuständen
zu rechnen, vgl. Jacob & Wiek, Ann . Phys . (N.Y.) 7,404 (1959) oder Halpern (1968), Gasiorowicz
(1975) .
Für die Darstellungen mit M 2 = = 0 W 2 aber ist , wie oben ausgeführt, die Helizität eine
Poincare-invariante Größe, durch deren Werte A = 0, ±1/2, ±1 , . . . diese Darstellungen klassifiziert
werden.
Das Vorzeichen der Helizität bestimmt bei gegebenem "Spin" lAI den Polarisationszustand der
Teilchen dieses Spins . Seine Invarianz unt er Lorentztransformationen besagt anschaulich, daß z.B.
eine rechtszirkular polarisierte Lichtwelle (A = 1, vgl. (9.4.31» au ch in jedem ander en Inertialsy-
st em rechtszirkular polarisi ert erscheint , "linkshändige" Neutrinos CA = -1/2) sind dies in j edem
Inerti alsystem .
M2 1>., p) = 0 = W 2 I x, p ) (9.4.40a)
W k I A, p) = >'Pk I A,p) = APk 1>., p ) p2 = 0, Po> 0 (9.4.40b)
Aufgaben
7. Man analysiere die Darstellung von pr, die im Raum der den Proca-Gleichun-
gen (9.3.22) genügenden Vektorfelder Ai(x) realisiert ist, nach unitären irredu-
ziblen Bestandteilen.
Lösung: Für die Fourierkomponenten Ai(p) gilt: Ai(p) = 0 für p2 f m 2,
PiAi = O. Da m 2 > 0 vorausgesetzt ist, ist JC p die Drehgruppe, für die Ai(p)
in die irreduziblen Teile AO(p), Ä.(p) zerfällt, die nach D(O) und D(l) transfor-
mieren. Es ist aber piAi(p) = m AO(p) = 0, so daß D(O) nicht vorkommt. Daher
sind von pr die beiden irreduziblen unitären Darstellungen mit M 2 = m 2 id ,
W = _M ·1· (1 +1), signpo = ±1 enthalten. Die Lorenz-Bedingung OiAi = 0
2 2
finden, und es folgt 1I"A <i>AB...C = 0. Benützt man die Zerlegung (8.3.20), so im-
pliziert diese Gleichung, daß alle Hauptspinoren von <i> zu 11" proportional sind :
<i>AB...C(p) oc 1I" A1I"B . .. 1I"c. Wenn pi = ti = (1,0,0,1), ;rA = 21 / 4(1,0), so sieht
man, daß unter den Transformationen von Kp die Fourierkomponente <i>(p) den
Faktor exp(ra/2) aufnimmt. Daher sind von 'P~ die beid en irreduziblen unitären
Darstellungen mit M 2 = 0= W 2 , A = r/2, signpo = ±1 enthalten.
Analog liefern gepunktete Spinorfelder, die entsprechenden Weyl-Gleichungen
genügen , Darstellungen mit Helizität A = -r/2. Den dadurch beschriebe-
nen Teilchen ordnet man - wie einer zirkular polarisierten Lichtwelle - eine
"Rechts"- (A > 0) bzw. "Linkshändigkeit " (A < 0) zu.
°
mit der Darstellung, wo sign Po = -1 ist) realisiert werden im Raum der skalaren
Felder <1>, die (0 + m 2 ) <I> = erfüllen , aber auch im Raum der Vektorfelder A, die
neben (0 + m 2 )Ai = 0 noch die Nebenbedingung
(9.5.1)
erfüllen. Denn (9.5.1) bedeutet für die Fourierkomponenten Ai(P), daß PiAk = PkA i
oder Ai(p) oc Pi , so daß Ai(p) oc Pi nach der tri vialen Darstellung der kleinen Gruppe
°
transformiert und somit s = ist. Die Nebenbedingung (9.5.1) hat den Anteil s = 1
°
wegprojiziert. (Die Lorenzbedingung 8i Ai = würde hingegen s = wegprojizieren, °
vgl. Aufgabe 7 des vorigen Abschnittes.)
Das Auftreten solcher Nebenbedingungen läßt sich im allgemeinen nicht ver-
meiden , wenn eine irreduzible Darstellung im Raum von Feldern mit dem Trans-
formationscharakter (9.1.1) realisier t werden soll. Dies kommt folgendermaßen zu-
stande: Die Basisfunktionen (9.4.5) transformieren mit p-unabhängigen Matrizen
D(L), die Ausreduktion von D(L) nach der kleinen Gruppe besteht aber in einer
Zerlegung D(L) = Q'(I<) EB Q"(I<) EB . .. , wo Q', Q", ... irreduzible Darstellun-
gen der kleinen Gruppe sind, und ergibt nach (9.4.11) eine p-abhängige Zerlegung
1 Irreduzible Bestandteile freier Felder propagieren unabhängig voneinand er und können un-
abhängig gekoppelt werden. Es ist naheliegend, ihnen Teilchen zuzuordnen , die in irgendeinem Sinn
"elementar" sind. Die Elementarteilchenphysik hat jedoch noch nicht völlig geklärt, welche Teilchen
als elementar, welche als zusammengesetzt zu betrachten sind - es gibt sogar immer noch Versuche,
jedes Teilchen aus allen anderen besteh end anzusehen.
9.5 Darstellungstheorie und Feldtheorie 279
D(L) = Q'(I«L,p) ,p) tBQ"(I«L ,p),p) tB . . . . Daher muß umgekehrt zur gewünschten
Darstellung der kleinen Gruppe - etwa Q'(k) - noch eine Reihe weiterer Darstellun-
gen addiert werden , bis eine p-unabhängige Summe entstehen kann. Die überzähligen
Darstellungen sind dann wegzuprojizieren, was eine Anzahl p-abhängiger Projektions-
operatoren liefert, deren Übersetzung in den Ortsraum mittels Fouriertransformation
die Nebenbedingungen ergibt.
Bei gegebenem m, s geht man praktisch so vor, daß eine Darstellung D(L) so
gewählt wird , daß D('l(I<) sicher vorkommt. Je nach Wahl von D(L) ergeben sich
verschiedene Nebenbedingungen, die nötig sind, um die überfüssigen Darstellungen
wegzuprojizieren, und damit verschiedene "Formalismen" (z.B . Pauli-Fierz, Rarita-
Schwinger, Bargrnann-Wigner}, auf die wir aber hier nicht eingeh en wollen (vgl. den
Artikel von Niederer & O'Raifeartaigh in Barut (1973)).
Wie ist zwischen diesen Möglichkeiten zu entscheiden? Wesentlich ist hier die
Bemerkung, daß in der Natur die verschiedenen Felder mit einander in Wechselwir-
kung stehen - völlig ungekoppelte Felder wären ja auch unb eobachtbar. Es zeigt sich
nun, daß die oben angedeuteten verschiedenen Möglichkeiten , irreduzible Darstellun-
gen von P ~ durch freie Feldgleichungen zu realisieren, ganz verschieden gut geeignet
sind, um Wechselwirkungsterme einzubauen". Eine bequem e Art, Wechselwirkun-
gen zu beschreiben, ist die, gekoppelte Feldgleichungen aus geeigneten Wirkungs-
prinzipien (siehe Kapitel 10) herzuleiten. Wirkungsprinzipien bzw. der dem Lagran-
geformalismus verwandte Hamiltonforrnalismus sind weit ers für den Übergang zur
quantenmechanischen Behandlung von Feldern nötig (kanonische Quantisierung). Es
kommt daher auch schon bei freien Feldern darauf an, Wirkungsprinzipien angeben
zu können - und auch hierfür sind die erwähnten Möglichkeit en verschieden gut ge-
eignet. Es kann sogar der Fall eintreten, daß Wirkungsprinzip und Kopplungen eine
Form von D(L) erfordern, für welche die Rückübersetzung des Wegprojizierens der
überzähligen Darstellungen in den x-Raum auf Schwierigkeiten stößt.
Wir wollen diese Schwierigkeit en der Rückübersetzung an dem einfachste n, aber
grundsätzlich wichtigsten Beispiel erläutern. Es geht dab ei um die Frage , wie die
Bedingungen sign p? = +1 oder = -1 im Ortsraum aussehen. Die Umkehrung von
J
(9.4.4) lautet
~(p) = d4x e i px cf> ( x ), (9.5.2)
so daß wegen ih exp( ipx) = iPk exp( ipx) etc. durch partielle Integration leicht zu se-
hen ist, daß Irreduzibilitätsbedingungen wie (p2 - m 2) ~(p) = 0, pkA k = 0, im
2 k
Ortsraum die Form von Differentialgleichungen (O+m ) cf>(x) = 0, cA A = 0, an-
nehmen. Es ist jedoch nicht möglich, die (wenn cf> keine raumartigen Impulse enthält,
durchaus kovariante) Bedingung
(9.5.3)
(oder auch für pO > 0) als Differentialgleichung für <I>(x) zu formulieren. Es ist nun
eine grundsätzliche Frage, ob Feldgleichungen immer die Form von Differentialglei-
chungen haben müssen. Dies entspricht einer "Nahewirkungstheorie" , die Vorgänge in
einem Raum-Zeitpunkt sind von jenen in einer infinitesimalen Umgebung bestimmt.
Eine Theorie, die dieser Forderung genügt, nennt man lokal, und es ist eigentlich
eine experimentelle Frage, wieweit dies der Natur entspricht. Beispielsweise kann die
Schallausbreitung in Gasen (im Ruhsystem des Gases!) ebenfalls durch die Wellen-
gleichung (8; - C§challD.)<I> = 0 beschrieben werden, aber diese Gleichung ist nicht
mehr zuständig bei Problemen, wo die atomistische Struktur des Gases entscheidend
ist. Da man gemäß der Relativitätstheorie elektromagnetische und andere mikrosko-
pische Felder nicht als Anregungen eines materiellen Äthers ansieht, ist zunächst der
Gültigkeitsbereich relativistischer lokaler Feldtheorien zu kleinen Längen hin nicht
beschränkt und im Fall der Quantenelektrodynamik bis zu 10- 14 cm mit dem Expe-
riment im Einklang.
Wenn man die Forderung nach einer lokalen Feldtheorie stellt - sie hat sich in ei-
nem Fall bewährt, während alternative Theorien praktisch nicht existieren -, läßt sich
das gemeinsame Auftreten von Darstellungen mit sign p? = +1 und -1 nicht vermei-
den. Dies bedeutet quantenphysikalisch zunächst das Auftreten von Zuständen nega-
tiver Energie pO < o. Solange ein Feld, für welches derartige Zustände möglich sind,
an nichts gekoppelt (und daher unbeobachtbar) ist, könnte man diese als in der Natur
nicht realisiert ignorieren. Kopplungen können aber Übergänge zu diesen Zuständen
bewirken, und man könnte so unendliche Energie gewinnen. Zur Vermeidung dieser
Absurdität ist zusätzlich zur Lokalität das Postulat einer nach unten beschränkten
Energie , also aus Lorentzinvarianzgründen das Postulat einer nichtnegativen Energie
aufzustellen. Diese beiden Forderungen sind offensichtlich unverträglich und wurden
von Dirac durch eine Uminterpretation der Zustände negativer Energie wieder in Ein-
klang gebracht: sie stellen Zustände positiver Energie von sogenannten Antiteilchen
dar, die damit automatisch in einer lokalen relativistischen Feldtheorie für Teilchen
enthalten sind und von ihr" vorhergesagt" werden.
Damit wurde nicht nur eine Schwierigkeit behoben, sondern durch die experimentelle Auffindung
von Antiteilchen zugleich eine Bestätigung für die Nützlichkeit einer lokalen Feldtheorie erbracht.
Allerdings hatte man sich damit zugleich eine weitere mathematische Schwierigkeit eingehandelt.
Ein Feld in der bisherigen Betrachtungsweise ist quantenmechanisch die Wellenfunktion eines Teil-
chens. Wenn jede lokale Feldtheorie mit Teilchen zugleich auch Antiteilchen beschreibt, reicht der
bisherige Formalismus nicht mehr aus, da hier nur Einteilchen-Wellenfunktionen vorkamen. Man
wird - insbesondere bei Vorhandensein von Wechselwirkungen - gezwungen, die quantenmechani-
sche Beschreibung von Vielteilchensystemen heranzuziehen und so zu erweitern, daß die Teilchenzahl
nicht konstant zu sein braucht: dies ist der Formalismus der zweiten Quantisierung. In ihm kann
z.B. der Übergang zu Zuständen negativer Energie richtig beschrieben werden als Vernichtung eines
Teilchen-Antiteilchen-Paares unter Emission von Strahlung oder anderer Teilchen (wobei die Ruh-
masse nicht erhalten ist, aber - wie von der Relativitätstheorie gefordert und im relativistischen
Formalismus automatisch realisiert - in die Energiebilanz eingeht) .
Die Durchführung der zweiten Quantisierung führt auf eine Theorie , die so aussieht , als
hätte man die ursprüngliche Wellenfunktion 4.>(x) als kontinuierlich viele dynamische Variable <1>.,
(»Index" x) interpretiert und darauf den Formalismus der kanonischen Quant isierung angewendet,
der vom klassischen Hamiltonformalismus zum quantenmechanischen Operatorformalismus führt
("Quantenfeldtheorie "). Genauer gesagt , man erhält eine spezielle Darstellung - die Fock-Darstellung
9.5 Darstellungstheorie und Feldtheorie 281
Nach diesem Exkurs über das Konzept und allgemeine Resultate der Quanten-
feldtheorie, für die im übrigen auf die zuständige Literatur! verwiesen werden muß,
kehren wir nochmals zur Rückübersetzung von Irreduzibilitätsbedingungen zurück.
Zunächst eine vielfach gebräuchliche Terminologie: das Transformationsverhalten der
Basisvektoren (9.4.5) nennt man "manifest kovariant ", weil die Lorentz-Kovarianz
gemäß der Tensor- oder Spinoralgebra offensichtlich ist. Ein Transformationsverhal-
ten, das hiervon abweicht, aber dennoch zu Darstellungen von L:~ bzw. pl
führt, heißt
"nicht manifest kovariant" . Ein Beispiel hierfür ist das Transformationsverhalten der
Wigner-Basis (9.4.10). Wir können damit sagen, daß zur Err eichung einer manifest-
kovarianten Form von Darstellungen im allgemeinen überflüssige Komponenten hin-
zugefügt und durch Nebenbedingungen wieder wegprojiziert werden müssen. In man-
chen manifest kovarianten Darstellungen lassen sich die nötigen Nebenbedingungen
nicht durch "lokale" Gleichungen (siehe oben) ausdrücken, in manchen wohl durch
lokale, aber nicht kovariante Gleichungen, so daß noch zusätzliche "Eichtransformatio-
nen" hinzukommen müssen, um die Lorentzkovarianz zu sichern (in diesem Fall wird
der Darstellungsraum eigentlich von Eich- Äquivalenzklassen gebildet; siehe später).
Letzteres Phänomen bildet den Grund für gewisse technische Komplikationen bei der Quanti-
sierung z.B. des elektomagnetischen Feldes: entweder man verzichtet auf manifeste Kovarianz, oder
1 Wentzel (1949); Bogoljubov-Shirkov (1959); Roman (1960, 1969); Jost (1965); Bjerken-Drell
(1966, 1967); Streater-Wightman (1969); Gasiorowicz (1975); Henley-Thirring (1975); Kastler
(1961); Schweber (1961).
282 9. Darstellungstheorie der Poinceregtuppe
man führt eigentlich unerwünschte Darstellungen ( "Geister") mit, die auch im Fall von Wechsel-
wirkung an nichts gekoppelt werden, und muß darauf achten, daß diese in die gewünschten physika-
lischen Resultate nicht eingehen. Übrigens hat die Aufrechterhaltung von manifester Lorentz- und
Eichkovarianz bei der "Regularisierung" gewisser in der quantenfeldtheoretischen Störungstheorie
auftretender divergenter Integrale als Leitprinzip gedient und so eine erfolgreiche Durchführung des
sogenannten Renormierungsprogramms gestattet.
Wie man sieht, findet die Darstellungstheorie der Lorentz- und Poincare-Gruppe
hauptsächlich in der Teilchenphysik Anwendung. Man kann aber auch versuchen, auf
diese Weise einen Rahmen für die relativistische Beschreibung des Gravitationsfeldes
zu gewinnen, die prinzipiell erforderlich ist, da sich auch die Gravitationswechselwir-
kung nur mit Geschwindigkeiten :s; c ausbreiten darf. Die Auswirkung der relativi-
stischen Korrekturen zum Newtonsehen Gravitationsgesetz finden sich aber - wegen
der Schwäche dieser Wechselwirkung - nicht im Bereich der Mikrophysik, sondern
der Astronomie und Astrophysik, wo kumulative Effekte wichtig werden. Wie man
aufgrund der Erfahrungstatsachen über die Gravitation (Ablenkung von Licht, At-
traktivität) dem Gravitationsfeld Teilchen mit Masse (= 0) und Spin (= 2) zuordnet
und wie sich beim Versuch einer Poincare-kovarianten Feldtheorie der Gravitation
die allgemeine Relativitätstheorie mit ihrer "gekrümmten" Raum-Zeitstruktur ergibt,
wurde von W. Thirring! analysiert. (Die darstellungstheoretischen Aspekte davon
sind in Nachtmann, Schmidle, Sexl, Acta Physica Austriaca 29, 289, (1969) genauer
ausgeführt; diese Arbeit gibt ein explizites Beispiel für die Technik, wie ein Feld nach
seinen Spin-Anteilen zerlegt wird. Allgemeine Methoden dafür sind auch entwickelt
worden von Pursey, Ann. Phys. (N.Y.) 32, 157 (1965); Moses, J . Math. Phys. 8, 1134
(1967); 9, 16 (1968); Langbein , Comm. Math. Phys . 5, 73 (1967); Fonda-Ghirardi,
Fortsehr. Physik 17, 727 (1969)). Die Art der Kopplung und die Wirkungsformulie-
rung erfordern dabei die Benützung eines symmetrischen Tensorfeldes 1/Jik, das neben
dem Spin 2 noch weitere Spins 1, 0 enthält, die wegprojiziert werden müssen; dies
führt zu Schwierigkeiten der Art, wie sie schon angedeutet wurden.
Reinen Spin 2 kann man mit einem Tensorfeld 4. Stufe Cikmn (8.4.27) erzielen, das noch ge-
wissen Differentialgleichungen genügt, analog wie Spin 1 mit dem elektromagnetischen Feldtensor ;
es entspricht der Wahl r = 4 in (9.4.41) bei Verwendung von Spinorschreibweise. Dieser Tensor
beschreibt die Gezeitenkräfte des freien Gravitationsfeldes und entspricht dem "Krümmungstensor"
der allgemeinen Relativitätstheorie, man kann aber mit seiner Hilfe allein keine lokale Kopplung
und keine lokale Wirkungsformulierung geben, in Analogie zur Situation beim Feldtensor Fik . Vgl.
R.H. Good Jr ., Ann. Phys. (N.Y.) 62,590 (1971).
Wir wenden uns nun der Analyse spezieller Felder 2 zu und beginnen mit skalaren
»«. Thirring, Fortsehr. Physik, 7,79 (1959); Ann. Phys. (N.Y.) 16,96 (1961). Siehe auch Sexl
& Urbantke (1987), Kap. 10. Mit O. Klein kann man argument ieren, daß die noch ausständige kor-
rekte Inkorporation dieser gekrümmten Raum-Zeit in die Quantenfeldtheorie deren Struktur ebenso
mächtig beeinflussen könnte wie die Inkorporation der speziellen Relativitätstheorie. In diesem Sinn
könnte die Gravitation auch in der Mikrophysik von Bedeutung sein, doch ist man derzeit weit
davon entfernt, hier Aussagen machen zu können.
2 Alle im folgenden betrachteten Felder sind komplexwertig. Realitätsbedingungen , wie sie zur
Beschreibung neutraler Teilchen verwendet werden, werden wir - auch beim masselosen Vektor-
feld - nicht auferlegen: auch wegen der C-Operation sei auf die angegebenen Bücher verwiesen.
Realitätsbedingungen erscheinen erst in der zweiten Quantisierung (Anhang D).
9.5 Darstellungstheorie und Feldtheorie 283
(9.5.4)
einen Darstellungsraum für eine unitäre Darstellung von pi bilden. Zur Ausreduktion
haben wir gleich die Fouriertransformation (9.4.4) gebildet und das Parseval-Theorem
angewendet , um das Skalarprodukt durch die <i>(p) auszudrücken. Um die Ausreduk-
tion bezüglich der Massen explizit zu machen, führen wir in (9.4.4), (9.5.4) statt pO
die Größe (vgl. (9.4.24)!)
(9.5.5)
als neue Integrationsvariable neben p ein. Dazu berechnen wir die Funktionaldeter-
minante
8(pO,p) = (8(m 2,p))-1 1 1
(9.5.6)
8(m 2,p) 8(pO,p) = 2po = 2E(p,m 2)'
Hier wurde die Schreibweise (9.4.19) verwendet, jedoch die Abhängigkeit vom nicht
festgelegten Massenparameter m 2 explizit angedeutet. Zur Überdeckung des gesamten
4-Impulsraumes ist zu beachten, daß m 2 im Intervall -00 < m 2 < 00 variieren muß
und noch zusätzlich für beide Vorzeichenmöglichkeiten pO = ±vE(p, m 2) zu sorgen
ist. Schreibt man
und führt im zweiten Integral _po statt pO und auch -p statt p als Variable ein, so
entsteht aus (9.4.4)
wird
(9.5.12)
-
ADB:= ADB - (DA)B (9.5.13)
eingeführt wurde. Setzen wir A = q>* , B = W, so erhalten wir unter Benützung der
Klein-Corden-Gleichung durch Integration
(9.5.14)
Wenn - wie bisher stillschweigend vorausgesetzt - die Felder im räumlich und zeit-
lich Unendlichen hinreichend schnell abfallen, verschwindet das Oberfiächenintegral,
wenn G als der ganze Minkowski-Raum gewählt wird, und wir erhalten nochmals , daß
J d4.x q>* W zu 8(m'2 - m" 2) proportional sein muß (Orthogonalität der Eigenfunk-
tionen des bezüglich (9.5.4) hermitischen Operators 0). Wir können aber (9.5.14)
auch so ausnützen, daß wir m' = m" annehmen und für G ein Gebiet zwischen zwei
raumartigen Hyperflächen wählen. Bei geeignetem Abfallen im räumlich Unendlichen
schließen wir dann wie in Abschnitt 5.7 bei der elektris chen Gesamtladung, daß das
1
Integral
i dak q>*;rw (9.5.15)
nicht von der speziell gewählten Hyperfläche a abhängt, also insbesondere Poincare-
invariant ist. Es sollte daher mit dem Skalarprodukt in den Teilräumen m = m' = m",
9.5 Darstellungstheorie und Feldtheorie 285
sign pO = ±1 in Verbindung stehen. Tatsächlich ergibt die Einsetzung von (9.5.7) mit
(9.5.10):
(9.5.16)
wie man durch spezielle Wahl von a(t = 0) leicht findet . Also ist
±i(21r )-3 J
dak <}>* äkW
für nur positive bzw. nur negative Frequenzen das gewünschte Skalarprodukt. Es
sei nochmals betont, daß dab ei <}>, W die Klein-Gordon-Gleichung mit demselb en
Massenparameter erfüllen müssen, während für (9.5.4) dies nicht vorausgesetzt war.
Wegen der Verbindung von (9.5.16) mit der Gesamtladung eines geladenen skalaren Feldes
verweisen wir auf die Lehrbüch er der Teilchenphysik. Auf die Möglichkeit , positive und negative
Frequenzanteile (besser : Teilchen- vs, Antiteilch enzustände) dur ch Vergleich von (9.5.3,16) zu defi-
nieren, ohne die Fouriertransformation zu benützen, hat O. Nachtmann (Sitz . Ber. Ak. Wiss. Wien,
II , 176, 363 (1968)) hingewiesen. Eine weitere Möglichkeit dazu besteht in der Bemerkung , daß das
Verschwinden des positiv en oder negativen Frequenzanteils aus gewissen Analytizitätseigenschaften
im komplexifizierten Minkowski-Raum folgt, ebenso wie eine scharfe Signalform (2.3.7) in Analyti-
zitätseigenschaften der Fouriertransformierten ausgedrückt werden konnte.
Bei Vektorfeldern A;(x) kommt zu obigen Betrachtungen noch die Analyse der
Darstellungen der kleinen Gruppe hinzu. Für m 2 < 0 und m 2 = 0, p = 0 ergibt
Aufgabe 3 des vorigen Abschnitts als kleine Gruppen die Gruppen SO(2 ,1) und die
Lorentzgruppe. Für diese nicht kompakten halbeinfachen Gruppen sind alle unitären
irreduziblen Darstellungen t rivial oder unendlich-dimensional (sie könnten nur mit
"unendlichkomponentigen Wellenfunktionen « realisiert werden). Daraus folgt: hat
A;(x) Fourierkomponent en Ai(p) mit p2 < 0 oder <X <5 4 (p), so kann die Darstel-
lung nicht unitär gemacht werden, da sie zu einer nichttrivialen vierdimensionalen
Darstellung der kleinen Gruppe führt. (Eine Ausnahme bilden nur die Felder mit
OiAk - okA i = 0, d.h. Gradienten skalarer Felder, wo Ai(p) = A(p)Pi zur trivialen
Darst ellung der kleinen Gruppe führt.) Auch die Anteile mit m 2 = 0, p "# 0 bieten
Besonderheiten, die wir getrennt diskutieren wollen.
Wir setzen daher vorerst p2 > 0 voraus. Dann kann die Ausreduktion bezügli ch
m und sign p" durch eine zu (9.5.7) analoge Zerlegung vorgenommen werden, und
2
die Ausreduktion bezüglich des Spins ist in der Lösung zu Aufgabe 7 des vorigen
Abschnitts bzw. der Diskussion im Anschluß an (9.5.1) enthalten. Dabei wird Ai(p)
in Anteile orthogonal und tangential zur jeweiligen Massenschale zerlegt durch die
komplementären Projektionsoperatoren
::i -
i PPk und (9.5.17)
P. L k = - -
fP
Der Orthogonalteil ist <X Pi und transformiert nach der trivialen Darstellung D(O) von
Je;; , der Tangentialteil transformiert nach D(l). Die manifest kovariante Übertragung
von (9.5.17) auf die übrigen Punkte der Massenschale ist offensichtlich:
286 9. Darstellungstheorie der Poincsregruppe
Impulsraum Ortsraum
WkO - 8i8k ) A k =0
(vgl. (9.3.27c)!) (9.5.18)
i
P Pk Ak(p) = 0 (9.5.19)
p2
Die Ausreduktion bezüglich des Spins entspricht hier der bekannten Möglichkeit,
ein Vektorfeld im R 3 (unter geeigneten Randbedingungen) eindeutig in einen di-
vergenzfreien Transversal- und einen rotationsfreien Longitudinalteil aufspalten zu
können.
Wir kommen noch zur Gestalt des invarianten Skalarprodukts. Ein Ausdruck ana-
log zu (9.5.4),
(9.5.20)
führt im allgemeinen nicht zum Ziel, da der Integrand für Bi = A i indefinit ist.
Bei Beschränkung auf reine Spin-G-Felder jedoch wird (9.5.20) positiv-definit: mit
Ai(p) = A(p)pi ist Ai' Ai = IA(pWp2 ~ 0 wegen der Voraussetzung p2 > O. Im
Teilraum der reinen Spin-I-Felder folgt aus piAi = 0, daß sowohl ReA i wie ImA i
orthogonal zum zeitartigen Vektor pi und damit raumartig sein müssen; daher ist
Ai' k = Re Ai Re Ai + Im Ai Im Ai negativ definit und das Negative von (9.5.20)
ein brauchbares invariantes Skalarprodukt. In beiden Fällen kann das Skalarprodukt
analog zu (9.5.9) zerlegt und sein nichtsingulärer Teil in den Teilräumen mit fester
Masse und sign p'' = +1 oder -1 auch in einer zu (9.5.15) analogen Form
(9.5.21)
geschrieben werden.
Um mit (9.4.28) vergleichen zu können, wo für s = 1 der Index a nur drei Werte
annimmt, müssen wir die übliche kartesische Basis {e;}, auf die sich die Indizes an
Vierervektoren beziehen (vgl. (3.3.1)), mit den Wigner-Basisvektoren für die "kleinen
Vektorräume" über den Punkten der Massenschalen vergleichen, die im Fall eines Vek-
torfeldes bei Vernachlässigung von 2 Raumdimensionen einfach dem krummlinigen
Koordinatensystem (Abb. 9.2) entsprechen, das durch die Einführung von m 2 statt
po als Variable gegeben ist (vgl. (9.5.5)). In den Punkten pi = (m,O) stimmen die
beiden überein bzw. unterscheiden sich nur dadurch, daß {el, e2 , e3} durch die für die
Drehgruppe günstigere kanonische Basis {eu} = {e+t,e-l,eO}, (7.8.14), ersetzt sind .
In den übrigen Punkten p entsteht die Wigner-Basis durch "Mitschleppen" der Basis
bei p mittels der Transformationen A;l , (9.4.7), so daß der zeitartige Basisvektor
(= p/m) stets orthogonal, die übrigen drei stets tangential zur jeweiligen Massen-
schale bleiben (die Mehrdeutigkeit der Wahl der Ap kommt in Abb. 9.2 wegen der
9.5 Darstellungstheorie und Feldtheorie 287
Wie angekündigt, muß der Fall m 2 = 0, d.h., DAi = 0, gesondert behandelt wer-
den, wobei wir weiter annehmen müssen, daß Ai(p) keinen Anteil cx: S4(p) enthält.
Die relevante kleine Gruppe ist dann die euklidische Gruppe (9.4.30) , von der wir nur
Darstellungen betrachten, bei welchen die Nulldrehungen A(b,O) trivial dargestellt
werden. Die Lösung von Aufgabe 5 des vorigen Abschnitts ergibt insbesondere, daß
die irreduziblen unitären Darstellungen, bei denen die Nulldrehungen nichttrivial wir-
ken, alle unendlichdimensional sind, wobei W 2 kontinuierliche Werte annehmen kann
(Darstellungen mit ,,kontinuierlichem Spin 'J. Wenn nun A i ( x) neben DAi = 0 keinen
weiteren Einschränkungen unterliegt, werden die Nulldrehungen im "kleinen Vektor-
raum" der Ai(p) nichttrivial, aber endlichdimensional dargestellt, und die Darstellung
kann nicht unitär gemacht werden.
Eine mögliche Einschränkung, die zur trivialen Darstellung der Nulldrehungen
führt, ist die schon vorher diskutierte Bedingung
Ai = 8i A mit DA = O. (9.5.22)
Sie bewirkt, daß die gesamte kleine Gruppe K p trivial dargestellt wird, dieser Teil-
raum gehört zur Helizität >. = 0, er spaltet wie üblich in zwei irreduzible Teilräume
(sign p'' = ±1) auf. Ein invariantes Skalarprodukt kann mittels des Skalarfeldes A de-
finiert werden, während der Ausdruck (9.5.21) unter der Bedingung (9.5.22) identisch
verschwindet (siehe Aufgabe).
Wir gehen nun zur Bedingung
(9.5.23)
über, die für m 2 > 0 zu 8i A k - 8k A; = 0 komplementär war. Dies ist jetzt nicht der
Fall, der durch (9.5.23) definierte Teilraum enthält vielmehr die Felder mit (9.5.22),
wie man leicht sieht. Dies spiegelt wider, daß man für p2 = 0 die beiden komple-
mentären Projektionsoperatoren (9.5.17) nicht bilden kann, was geometrisch davon
herrührt, daß ji gleichzeitig orthogonal und tangential zum Lichtkegel p2 = 0 ist,
288 9. Darstellungstheorie der Poinceregtuppe
der hier die Massenschale vertritt. Die Darstellung im Raum (9.5.23) ist reduzibel,
aber nicht vollreduzibel, wie dies bei nicht unitären Darstellungen vorkommen kann:
die Auszeichnung eines invarianten Teilraumes allein gestattet dann im allgemeinen
nicht, einen invarianten Komplementärraum zu definieren. Die invariante Sesquiline-
arform (9.5.21) ist in den Teilräumen positiver oder negativer Frequenz jeweils nur
semidefinit und daher entartet - sie verschwindet unter (9.5.22) - und es kann auch
kein anderes invariantes definites Skalarprodukt geben, weil die Nulldrehungen auch
unter der Bedingung (9.5.23) auf Jii(p) nichttrivial wirken. Tatsächlich findet man
wegen PiJii(p) = 0 leicht das Nulldrehungsverhalten
(9.5.24)
(Aufgabe), das nur für Jii(p) <X pi trivial ist. Daher sind unitäre Darstellungen von
P~ mit M 2 = 0 = W 2 , A i= 0 im Raum der Vektorfelder nicht realisierbar.
Hier hilft nun eine der Standardkonstruktionen der linearen Algebra und Analysis,
die Bildung von Quotientenräumen (vgl. Abschnitt 6.5, Aufgabe 7 und Neumark
(1959)). Wie nennen zwei Vektorfelder mit DA i = 0, oiA i = 0 äquivalent, wenn sie
sich um ein (9.5.22) genügendes Vektorfeld unterscheiden. Daß (9.5.22) Teilraum von
(9.5.23) ist, drückt man gewöhnlich durch die Feststellung aus: die Gleichungen
(9.5.25)
(9.5.26)
Gleichung (9.3.11), Wk = APk , die im Raum der masse- und divergenzlosen Vek-
torfelder für A = ±1 keine Lösung hat (vgl. Aufgabe 5 zu Abschnitt 9.3), kann im
Quotientenraum gelöst werden, wie als Aufgabe gezeigt werden möge. Die Lösungen
sind die Äquivalenzklassen, für die das Tensorfeld Fi k := 8iA k - 8kA i selbstdual bzw.
antiselbstdual ist, und jede Klasse läßt sich eindeutig in zwei derartige Teile zerle-
gen. Die physikalische Interpretation hiervon wurde bereits besprochen. Schließlich
sei hervorgehoben, daß für skalare Felder der Grenzübergang m 2 - t 0 offensichtlich
weniger problematisch ist als für Vektorfelder.
Alle hier für Vektorfelder geschilderten Besonderheiten finden sich bei der Quantisierung dieser
Felder in anderer Verkleidung wieder. Die Frage, in welchem Sinn die Verwendung von Eichäqui-
valenzklassen und Potentialen eine lokale Feldtheorie ist, bedarf bei wechselwirkenden Feldern ei-
ner eingehenden Diskussion, die mit dem Bohm-Aharanov-Effekt zusammenhängt (siehe Feynman
(1965».
Wir betrachten abschließend noch (Bi-) Spinorfelder ljJ(x), wobei wir uns aus
schon bekannten Gründen auf Felder mit ;j;(p) = 0 für p2 < 0 einschränken und den
Fall p2 = 0 gesondert behandeln. Nach Ausreduktion bezüglich Masse und Vorzei-
chen von pO erhalten wir im "kleinen Spinorraum" der ;j;(fi) eine vierdimensionale
Darstellung von lC fi , deren Ausreduktion D(1/2,0) El7 D(0,1/2) = D(1/2) El7 D(1/2) liefert.
Für jedes m 2 > 0 und sign p'' = +1 (oder -1) kommt der Spin s = 1/2 zweimal vor
(isotypische Darstellung, vgl. Aufgabe 6 zu Abschnitt 6.6).
In einem solchen Fall ist die Zerlegung in zwei irreduzible Anteile nur bis auf Äqui-
valenz eindeutig - im Gegensatz zu der Situation, wo die komplementären irreduziblen
290 9. Darstellungstheorie der Poinceregruppe
Teile verschieden sind. Eine spezielle Art, einen s = 1/2-Anteil (für jedes sign p"]
auszusondern, gibt die Dirac-Gleichung! i'/8kt/J = mt/J oder Pk'l~(p) = m~(p): man
verifiziert leicht, daß die Matrizen
(9.5.28)
zwei komplementäre Projektionsmatrizen sind (Aufgabe), von denen die eine auf die
Lösungen der Dirac-Gleichung im Impulsraum projiziert". Um explizit zu sehen, daß
z.B. durch A+(p) ein Spin 1/2-Anteil herausprojiziert wird, gehen wir zu p = p
über und erhalten für sign p" = ±1 die Gleichung ,o~(p) = ±~(p) bzw . im »kleinen
Spinorraum" die Projektionsmatrizen (1 ± ,°)/2. Durch Äquivalenztransformation
~ - t S~' mit
S:= exp (~,O,5) = (1 + ,O,5)/V2 (9.5.29)
S-1 1 ± ,0 S = ± ,5
1
(9.5.30)
2 2 '
und wir haben bereits gesehen (vgl. (9.1.32)), daß diese die Aufspaltung des Bispi-
norraums in D(1/2,0) , D(0,1/2) bewirken.
Um das bereits in (9.3.20) angegebene Skalarprodukt für Lösungen der Dirac-
Gleichung mit (9.4.28) vergleichen zu können, sind darin nach Einführung einer zu
(9.5.7,10) analogen Zerlegung eine Transformation der üblichen Bispinorbasis auf die
Wigner-Basis mittels S(Ap ) wie beim Vektorfeld und eine Äquivalenztransformation
obiger Art vorzunehmen. Wir überlassen die detaillierte Ausführung und auch die
Diskussion der indefiniten Sesquilinearform
(9.5.32)
Aufgaben
1. Man verifiziere (9.5.16).
(9.5.33)
7. Man führe den detaillierten Vergleich von (9.3.20) mit (9.4.28) für s = 1/2 aus
(vgl. dazu Fonda-Ghirardi (1970) und l.c.)
8. Man diskutiere (9.5.31) in den irreduziblen Teilräum en des Raumes der Bispi-
norfelder.
9. Man zeige, daß im Raum der Bispinorfelder mit m 2 = 0 die Nulldrehungen
der kleinen Gruppe genau dann trivial dargestellt werden, wenn die Zwei-
komponenten-Spinoranteile Weyl-Gleichungen genügen.
10. Man zeige die Hyperflächenunabh ängigkeit und Definitheit von (9.5.32) und
vergleiche mit der entsprechenden m 2 = 0 -Version von (9.4.28).
11. Aij...k(x) seien totalsymmetrische Tensorfelder s-ter Stufe, die der Klein-
Gordon-Gleichung mit Masse m 2 > 0 und den Nebenbedingungen
20. m = 0, lAI = 3/2 kann auch in einem Raum von Tensorspinoren tPik realisiert
werden: V := {1/Jik : ,[itPjk] = 0, tP[ij,k] = O}. Wie entsteht definitive Helizität?
(9.6.1)
und werten im Sinn der beiden Klammerungen mittels (9.2.1) aus. Zur Berücksich-
tigung der möglichen Antiunitarität von I bedeute 171( •• •) die Identität oder die
komplexe Konjugation, je nachdem , ob U1 linear oder antilinear ist. Dann folgt
d.h . die Zuordnung 9 -+ ,(g) ist eine eindimensionale unitäre Strahldarstellung von
pr mit dem angeschriebenen Bruch als Kozykel. Gehört w(g, h) zu einer eindeuti-
gen Darstellung von pr, so auch der Bruch ; gehört w(g,h) zu einer zweideutigen
Darstellung von pr , dann gehören sowohl Zähler wie Nenner - die je für sich die Ko-
zykeleigenschaft haben - zu einer zweideutigen und der Bruch daher wieder zu einer
eindeutigen Darstellung; d.h., der Bruch hat bei der Phasenwahl der Ug , die 9 -+ ±Ug
zu einer eindeutigen Darstellung von pr macht, den Wert 1. Es ist also 9 -+ ,(g) eine
gewöhnliche eindimensionale Darstellung von pr, wofür nur die triviale Möglichkeit
,(g) = 1 zur Verfügung steht. (9.6.1) geht damit über in
(9.6.2)
Hieraus folgt
w(I,g) = w(IgI, I) .
Die Kozykelrelationen zu UI Ug o, und U u, UI liefern
g
171(w(g,h))w(I,gh)
w(Ig, h) = w(I,g)
_ w(g,h)w(gh,I)
w(g, h)
I - w(h, I) .
294 9. Darstellungstheorie der Poiucetegiuppe
Multiplikation von (9.6.2) mit Ul1 Uh - wo auch I' E V4 ist - liefert schließlich
w(1g,J'h) = w(1,I')w(II',h)w(1gI,II'h) ,
w(1,g)al(w(I', h))
so daß tatsächlich w auf P bis auf Äquivalenz bekannt ist, sobald die Werte auf pt
und V4 vorliegen, da wir w(1,g) durch Wahl von Alg (Umnormieren der Phase von
U1g ) zu 1 machen können (s.u.).
Zur Entscheidung, welche der Spiegelungen nun linear, welche antilinear darzu-
stellen sind, wenden wir (9.6.2) mit 9 = (1a, E) auf die Vektoren Ip, . . . ) in (9.4 .1)
an. Da IgI = (0,1)(1 a, E)(O, 1) = (a, E), wird
(9.6.3)
d.h. w(PT,g) =1
wählen und haben damit tatsächlich den gesamten Kozykel auf P aus seinen Werten
auf pt
und V4 bis auf Äquivalenz eindeutig konstruiert. Es ist natürlich möglich
9.6 Irreduzible semiunitäre Strahldarstellungen von P 295
und z.T. in konkreten feldtheoretischen Modellen auch üblich, von obigen Wahlen
abweichende Phasenkonventionen zu benützen - hier war das Ziel, die möglichen
Äquivalenzklassen von Strahldarstellungen zu finden, die also zusätzlich zu m 2 und
s bzw. A durch a (= ±1) , ß (= ±1) klassifiziert werden.
Gleichzeitig wurde erreicht, den Wertebereich für w von U(I) auf {I , -I} ~ Z2 einzuengen
und dadurch die zugehörigen Erweiterungsgruppen möglichst klein zu halten . Es sei hier nochmals
betont, was schon für 0(3) und L hervorgehoben wurde: auch das Ziel, auf Z2 einzuengen, kann
auf mehrere Art erreicht werden, obige ist nur eine von ihnen; sie gehen alle ineinander über, wenn
Umnormierungen Ag E U(I) gestattet sind, nicht jedoch , wenn nur Ag E {I , -l} zugelassen wird.
Für letztere Beschränkung besteht aber (derzeit) von der Physik her kein Anlaß.
Nunmehr sind die den Sätzen 1, 2 und ihren Zusätzen von Abschnitt 9.2 zugrunde-
liegende Aufspaltung 9 = 91U92 - hier P = pTUP! - und die Erweiterungskozykel w
gefunden: wir können sie anwenden, um aus den relevanten irreduziblen Darstellungen
von pJ jene von P zu finden, die sie subduzieren. Die detaillierte Durchführung erfor-
dert aber noch einigen Aufwand, den wir uns hier versagen müssen. Eine ausführliche
Diskussion in moderner Sprache samt Literaturhinweisen, vor allem auf den Artikel
von E. Wigner in Gürzey (1964), findet man in der gut lesbaren Arbeit von R. Shaw
und J. Lever, Commun. math. Phys . 38, 279 (1974).
Das Ergebnis für -pt allein ist, da bis auf Äquivalenz nur ein nichttrivialer Erwei-
terungskozykel sowie keine Antilinearität auftritt, einfacher zu erhalten - es genügt
die Anwendung der Sätze und Zusätze von Abschnitt 7.9 - und wurde schon am Ende
von Abschnitt 9.4 angeführt.
Für pJ tritt, wenn von einer Darstellung von pi
mit m 2 > 0 und Spin s ausge-
gangen wird, außer im Fall a = ß = (-1 )2. (Typ I) eine Verdopplung der Dimension
der "kleinen" Vektorräume auf (Typen 11, 111); geht man von m 2 = 0 und Helizität A
aus, tritt für A = 0 außer im Fall a = ß = 1 (Typ I) eine Verdopplung und für A =J 0
im Fall a = (-1 )2'x eine Verdopplung, im Fall a = -( -1 )2'x eine Vervierfachung ein.
In den üblichen feldtheoretischen Modellen ist o = ß = (_1)2. bzw. (_1)2'x. Wir
müssen hier darauf verzichten, solche Modelle wie in Abschnitt 9.5 im Hinblick auf
Spiegelungen systematischer zu untersuchen. Für skalare Felder ist a = ß = 1 klar
(vgl. Anhang D.1). Für elektromagnetische Felder liegt es nahe , sich das Zeitspiege-
lungeverhalten des klassischen Feldes (siehe Abschnitt 8.5) zum Vorbild zu nehmen
und für die quantenmechanischen Wellenfunktionen, die ja zur Komplexifizierung des
Raumes der klassischen gehören, noch eine komplexe Konjugation hinzuzunehmen;
dann ist wieder o = ß = 1 klar. Für Dirac-Spinorfelder ist die Situation etwas kom-
plizierter, wir erklären sie in Anhang C.2, wobei sich tatsächlich a = ß = -1 ergibt .
(Dies legt nahe, daß in feldtheoretischen Modellen a = ß = (-1 )2. gilt, wie vorher
erwähnt.)
Man kann dabei konkret sehen, daß die in Abschnitt 8.5 erwähnte Frage nach den nichtiso-
morphen zweiblättrigen Überlagerungsgruppen von ganz L sowie jenen davon, die durch die Bispi-
nordarsteIlung beschrieben werden können (siehe Abschnitt 9.1), für das Problem der semiunitären
Strahldarstellungen von P, die dadurch realisiert werden, irrelevant ist. In diesem Zusammenhang
handelt es sich nur um unterschiedliche Phasenkonventionen, wobei allerdings bei der konkreten
Formulierung der Theorie an einer derselben festgehalten werden muß.
Es wird in diesem Zusammenhang immer wieder die Frage erhoben, ob es nicht doch "richtige"
Phasenwahlen gibt , die z.B. als relative Phasen in Interferenzexperimenten bestätigt werden können .
296 9. Darstellungstheorie der Poinceregruppe
Bekanntlich (Theorie: Y. Aharonov, L. Susskind, Phys. Rev. 158, 1237 (1967); Experiment: H. Rauch
et al., Phys. Lett . A 54, 425 (1975)) ist ja etwa die Phasenänderung um (-1) bei 360°-Drehungen
von Spineren experimentell durch Neutroneninterferenz gezeigt worden. Dazu ist es allerdings nötig,
einen Neutronenstrahl aufzuspalten, die Drehung an nur einem Teilstrahl vorzunehmen und die Teil-
strahlen wieder zu vereinen. Dies geschieht konkret so, daß die Spindrehung durch Spinpräzession
in einem Magnetfeld erzielt wird, also durch einen dynamischen Effekt. Demgegenüber haben wir es
bei unseren Betrachtungen von Symmetrieoperatoren in der Quantenmechanik - wie schon in Ab-
schnitt 9.2 bemerkt - stets mit Operationen am Gesamtsystem zu tun, wobei nur die allgemeinen
Konsequenzen der Struktur der Symmetriegruppe untersucht werden, aber keine dynamischen Ef-
fekte an Teilsystemen. Der genannte Effekt steht aber durchaus im Einklang mit der Spinornatur der
Neutronwellenfunktion; es erscheint jedoch schwer vorstellbar, eine der Spiegelungsoperationen an
einem Teilsystem dynamisch imitieren zu können, da sie in 'P nicht kontinuierlich mit der Identität
verbunden sind.
Anders verhielte es sich mit Experimenten , die Effekte wie jenen testen würden, der in der
arn Ende von Abschnitt 1.5 erwähnten Arbeit von DeWitt & DeWitt besprochen ist . Dabei wird
allerdings das Raumzeitkonzept der speziellen Relativitätstheorie - genauer, die globale Translati-
onsinvarianz - verlassen.
Aufgabe
Man zeige, daß die in Anhang C.2 hergeleitete Zeitumkehroperation für Dirac-
Spinoren im Sinn des Skalarproduktes (9.5.20) antiunitär ist.
10 Erhaltungssätze in der relativistischen Feld-
theorie
In Abschnitt 5.9 wurden die Erhaltungssätze für Energ ie und Impuls des elektro-
magn etischen Feldes hergeleitet . In diesem Kapitel wollen wir allgemein zeigen, daß
die Erhaltung von Energie , Impuls, Drehimpuls und das Gesetz der Schwerpunktsbe-
wegung mit der Poincare-Kovarianz verknüpft ist.
Es besteht ganz allgemein ein enger Zusammenhang zwischen Symmetriegruppen
einer Theorie und Erhaltungsgrößen. Dieser Zusammenhang ist in der Quantentheo-
rie am natürlichsten und direktesten: zu jeder Symmetrie (des Hamiltonoperators)
gehört eine Erhaltungsgröße. Falls die Bewegungsgleichungen (Feldgleichungen) in der
klassischen Mechanik und Feldtheorie als Euler-Gleichungen eines Wirkungsprinzips
geschrieben werden können , so ist auch dort jeder einparametrig en Invarianzgruppe
des Wirkungsintegrals eine Erhaltungsgröße zugeordn et. Der Beweis dieses von E.
Noether stammenden Theorems liefert eine explizite Konstruktionsvorschrift der Er-
haltungsgrößen. Dies ist in der Quantenmechanik nicht der Fall, jedoch lassen sich die
klassisch gewonnenen Erhaltungsgrößen meist übertragen. Beim Übergang zu zusam-
mengesetzten Systemen, die aus nicht wechselwirkenden Teilsystemen bestehen, sind
diese Erhaltungsgrößen add itiv, während die zu diskreten Symmetrien (z.B. Parität)
gehörenden, spezifisch quantenmechanischem Erhaltungsgrößen multiplikativ sind.
Wirt wollen in diesem Kapitel vorwiegend deduk tiv vorgehen und die Anwendu ng
auf konkrete Beispiele in Aufgaben behandeln.
(10.1.1)
(,,Euler-Gleichungen '~, wo L:.(x\rP/J' rP/J,i) eine Funktion der Variablen x k , rP/J' rP/J,i
ist ( ,,Lagrange-Dichte '~ und nach Ausführung der Differentiation nach rP/J,i die auch
bisher verwendete Identifizierung rPJ.I,i == 8rP/J18x i vorzunehmen ist.
Mit Gleichungen der Gestalt (10.1.1) ist , wie wir gleich sehen werden , folgende
Fragestellung verknüpft. Gegeben sei das " Wirkungsintegral"
(10.1.2)
Abb. 10.1. Die Flä che 4>,. = 4>,.(x) und ihre Variat ion im (x , 4»-Raum
~W =
1 [aA.al:-
B
d~
'1',.
ec .öl/J,.,;]
öi/J,. + aA.
'1',.,1
+ 1
8B
;
da; I:-~x =
(10.1.3)
Hier haben wir benützt, daß sich bei der obigen Variation die Ableitung I/J,.,;(x) im
Punkt x um 8i öl/Jp(x) ändert, d.h.,
(10.1.4)
lWegen einer einwandfreien Ausführung dieser Variation siehe z.B. Funk (1962).
10.1 Wirkungsprinzip 299
ist, und den Gaußsehen Satz (5.6.11) angewendet . Wenn (10.1.1) gilt, ist ßW ein
Randintegral. Wir schreiben ßW um, indem wir die Differenz zwischen f/J,.(x) und
dem Wert der variierten Funktion f/J,. + 8f/J,., genommen an der verschobenen Stelle
x + ßx, einführen (siehe Abb. 10.1, aus der auch hervorgeht, warum man 8f/J die
"gerade" oder lokale, ßf/J die "schräge" oder totale Variation nennt):
ßf/J,. := 8f/J,. + f/J,.,kßxk. (10.1.5)
Mit der weiteren Definition
. ar. .
e'k '=
•
__ A.. k
aA.. .,+,,.,
- 8'kL (10.1.6)
o/p.,.
wird
=
i;r r.(x',f/J'(X'),f/J~it(X')) atx' = JBrt:.'(x,f/J(x),f/J';{x)) Ö,
W' (10.1.9)
300 10. Erhaltungssätze
wobei die letzte Form durch Wiedereinführung der x als Integrationsvariable erhalten
wird und die Funktion C dadurch definiert ist. Die Forminvarianz des Wirkungsinte-
grals besagt nun gerade, daß .c und C als Funktionen ihrer drei Argumente identisch
sind, E == E', Setzt man dies voraus, so wird auch W = W' .
Hat man nun statt (10.1.8) eine einparametrige Gruppe solcher Transformationen
zu setzen ist. (Man beachte, daß die Transformation (10.1.10) des (x, <p)-Raumes einer
schrägen Variation entspricht, wie sie der Pfeil in Abb. 10.1 andeutet.) Setzen wir
nun weiter voraus, daß <pp(x) (10.1.1) erfüllt, so ergibt dieser Vergleich
[ dO'i/ = 0, wo (10.1.12)
l&B
Mittels des Gaußsehen Satzes folgt daraus auch JB d4..r i', = 0, und da B beliebig ist,
schließlich
(10.1.13)
Die"Viererstromdichte" ji genügt also einer Kontinuitätsgleichung, und wir schließen
bei geeignetem Abfallen von <pp im räumlich Unendlichen wie in Abschnitt 5.7, daß
1
die "Gesamtladung"
Q:= dO'i/ (10.1.14)
von der speziellen Wahl der raumartigen Hyperfläche 0' unabhängig ist. Wählen wir
J
0' als XO = t = const., dO'k = (lPx, 0), so wird Q = lPx jO. Für die in einem endlichen
Teilvolumen V C 0' enthaltene Ladung Qv folgt aus (10.1.13)
Bj:=_
~Qv= [tfx [d3xVj=- [ dOj. (10.1.15)
Bt lv Bx lv l&v
Dies ergibt die Interpretation von jO als "Ladungsdichte" und j als "Stromdichtevek-
tor".
Wir erhalten also zu jeder einparametrigen Transformationsgruppe des (x, <p)-
Raumes , die das Wirkungsintegral (10.1.2) forminvariant läßt, einen lokalen Er-
haltungssatz (10.1.13) bzw. eine Erhaltungsgröße (10.1.14) für die Lösungen von
(10.1.1). Dies ist das (erste) Noether-Theorem über invariante Wirkungsprinzipe.
Die Transformationen (10.1.10) werden meist nicht in dieser Allgemeinheit
benötigt, sondern entweder in der Form
(10.1.16)
10.1 Noether-Theorem 301
welche sogenannte "innere Symmetrien " charakterisiert (die bekannte Isospin- oder
die SU(3)-Symmetrie der starken Wechselwirkungen sei nur als Beispiel erwähnt; vgl.
z.B. Rollnik (1971)), oder in der Form
(10.1.17)
r =!(x,4» , (10.1.18)
so ergeben 1:., t:.' äquivalente Euler-Gleichungen, wie als Aufgabe gezeigt werden möge. Für die
Existenz einer zu (10.1.14) analogen Erhaltungsgröße genügt es vorauszusetzen, daß die in (10.1.9)
=
auftretende Funktion t:.' bei infinite simalen Transformationen (10.1.10) die Form t:.' I:. +:Fli.T+
+O(li.T2) hat, wo :F.eine vollständige Divergenz (10.1.18) ist. Der erhaltene Strom unterscheidet
sich dann von (10.1.12) um f(x , 4» .
Eine andere Verallgemeinerung besteht darin, die Transformationen (10.1.10) auch von den 4>,.,i
abh ängen zu lassen. Eine "anschauliche" Beschreibung der Situation ist dann nur in der Terminologie
der Faserbündel und ihrer ,j et extensions" möglich (vgl. Hermann (1970); Trautman, Comm. Math.
Phys. 6,248 (1967)). Diese Verallgemeinerung hat aber - wie schon die allgemeine Form (10.1.10) - in
der Physik bisher keine Anwendung gefunden, abgesehen von dem Fall einer einzigen unabhängigen
Variablen, für den aber der kanonische Formalismus (siehe Goldstein (1963)) übersichtlicher ist.
Schließlich sei erwähnt, daß es noch ein zweites Noether-Theorem über invariante Wirkungs-
prinzipe gibt , das sich auf Transformationsgruppen mit willkürlichen Funktionen statt willkürlichen
Parametern bezieht, wie etwa die Eichtransformationen
des Viererpotentials der Elektrodynamik. Dies wollen wir aber hier nicht betrachten. Vgl. Funk
(1962).
Aufgaben
J
w = atx· ~(~,i ~,i - m2~2) (10.1.20)
2. Befriedigt man die 2. Maxwellgleichungen durch den Ansatz Fik = Ak,i - Ai,k
identisch, so kann man für die 1. Maxwellgleichungen Fik,k = -47l' ji das Wir-
kungsprinzip
(10.1.22)
W =
J{
~x
I k " k 1 2
4"(Ai,k - Ak,i)(A " - A" ) + 2m Ai A'
.}
(10.1.23)
J{~1Jik~:id~k +eAi(x)~:i}dS
tegral
w= (10.1.24)
(10.1.25)
die geraden Linien des Minkowskiraums sind. Weiter betrachte man die Gerade
durch einen gegebenen Punkt pet}, x.), die zu einer Hyperfläche F, F(t,x) = 0,
führen und zeige, daß das von P bis F erstreckte Integral W gegen Variation des
Endpunktes auf F dann stationär wird, wenn die Gerade auf F im Minkowski-
Sinn orthogonal steht.
Hinweis: Man benutze eine zu (10.1.7) analoge Formel für die Änderung von W
beim Variieren des Endpunktes und berücksichtige, daß der variierte Endpunkt
ebenfalls auf F liegen muß.
6. Man zeige, daß I:, und 1:,' = consi.L +:F zu denselben Eulergleichungen führen,
wenn :F die Form (10.1.18) hat.
Hinweis: Man kann dies direkt verifizieren oder die Variation mit festen Rand-
werten ausführen, wobei :F nur zu Randtermen führt.
10.2 Anwendung auf Poincere-koverienie Feldtheorien 303
7. Das Wirkungsintegral
für ein komplexes skalares Feld ist invariant unter CI> - t ei'T CI> , ebenso wie
(10.1.21) unter t/J - t ei'Tt/J invariant ist. Man berechne die beiden erhaltenen
"Ströme" und vergleiche mit (9.1.47), (9.5.15) bzw. (9.1.46), (9.3.20)!
Man beachte, daß hier die schräge Variation <p'(x') - <p(x) berechnet wurde, während etwa
bei der Bestimmung der Erzeugenden der Translationen im Raum der Felder die gerade Variation
=
<p'(x) - <p(x) <p(x - aßT) - <p(x) benützt wurde - vgl. (9.3.12). Im Zusammenhang mit Raum-
Zeittransformationen wird das Negative der geraden Variation, bei der also die Werte von <p und <p'
im se/ben Punkt verglichen werden, auch als Lie-Differentia/ von <p in Richtung ßx k bezeichnet.
304 10. Erhaltungssä.tze
Weiter ist zu beachten, daß (10.2.1) nicht gilt, wenn Felder mit anderem Translationsverhalten
beteiligt sind. Man könnte etwa in (9.1.1) die Darstellung (a, L) - D(L) durch eine endlichdimensio-
nale Darstellung D(a , L) von P ersetzen , bei der die Translationen nicht trivial dargestellt werden.
Beispielsweise kann die Bispinor-Darstellung durch Hinzunahme von (a, E) - E + al:,l: (1 - ,5)/2
zu einer derartigen Darstellung ergänzt werden: Objekte mit diesem Translationsverhalten wollen
wir aber nicht als Bispinoren bezeichnen.
Gehen wir nun mit D.x k = a k D.r, D.<p = 0 in (10.1.12) ein, so finden wir den
divergenzfreien Vierervektor i' = -eik ak • Da die ak beliebig sind, folgt
8ie
ik
=0
Pk := 1da, eik = Erhaltungsgröße.
(10.2.2)
(10.2.3)
würde man eoo als Energie-, eO a als Impuls-, e aO als Energiestrom- und e aß als
Spannungstensordichte deuten. Dagegen kann man jedoch einwenden, daß die da-
durch vorgenommene Lokalisierung von Energie, Impuls, ' " willkürlich ist, wie wir
nun zeigen wollen. Wenn nämlich pik ein beliebiges, in i und j antisymmetrisches
Tensorfeld ist (das im räumlich Unendlichen geeignet verschwindet), so gilt erstens
(10.2.4)
und zweitens
1 ji
da, 8 jf k = J d3x 8 jf
jOk
= J
dx
3
e.r; = 0, (10.2.5)
da das Integral über U von U unabhängig ist und die d3x-Integration in eine
Oberflächenintegration im räumlich Unendlichen umgewandelt werden kann. Daher
ist der Tensor
r', := e ik + 8jfjik (10.2.6)
ebenfalls divergenzfrei und liefert den gleichen Gesamtwert Pk für Energie und Im-
puls. Die in einem Teilvolumen enthaltenen Energie-Impulswerte sind jedoch von pik
abhängig. Es sind also weitere Argumente nötig, um pik zu bestimmen. Wir merken
vorläufig nur an, daß für das freie Maxwell-Feld der aus (10.1.22) gebildete kanonische
Tensor e ik nicht mit dem spurfreien, symmetrischen und unter Eichtransformationen
(10.1.19) invarianten Energie-Impulstensor (5.9.13) übereinstimmt - die Gesamtwerte
für Energie und Impuls sind jedoch dieselben.
Wir betrachten jetzt infinitesimale Lorentztransformationen x'i = xi + wikXk D.r .
Wenn <p ein Tensor- oder Spinorfeld ist, wird
(10.2.7)
lGenauer gesagt ist eil: ein Tensor/eid, aber Pl: ein Vierervektor, kein Vektorfeld.
10.2 Anwendung auf Poincsre-kovsrisuie Feldtheorien 305
wobei ~ab = - ~ba die sechs erzeugenden Operatoren der endlichdimensionalen Dar-
stellung D(L) sind (sie unterscheiden sich nur um den Faktor i von den in (9.3.16)
eingeführten und in (9.3.17 - 19) für konkrete Fälle angegebenen Operatoren sab).
(10.1.12) liefert jetzt die Divergenzfreiheit von
. 8,C 1 b . b
)'\ = - -. -2 W ab ~a "., - 0\ w a X (10.2.8)
8cp,\ Tab,
«s: = 0, ·i
) ab := 8,C acp,i ~ LJab cp - (0i
- a Xb -
0- ib X a ) • (10.2.9)
. l
)ab:= o d(Ti)'iab (10.2.10)
zu deuten, betrachten wir zuerst den Fall eines Skalarfeldes, für welches ~ab == O.
Die Gleichung 8i /ab = 0 ergibt in diesem Fall wegen 8i0 ia = 0, daß 0 ab = 0 ba : für
ein skalares Feld ist der kanonische Energie-Impulstensor symmetrisch. Wir werden
später ein Verfahren angeben, zu jedem Feld einen symmetrischen divergenzfreien
Energie-Impulstensor zu konstruieren, indem wir Jiik in (10.2.6) geeignet wählen,
und nehmen vorläufig an, T ik sei ein Tensor mit diesen Eigenschaften :
(10.2.11)
der auch Energie und Impuls richtig lokalisiert. Daraus bilden wir das Analogon zu
dem Ausdruck, den (10.2.9) für ein skalares Feld liefert, d.h . die Momente
(10.2.12)
r b= J da, a ib
(x T - x
b
T
ia)
= J d3x
a
(x TOb - x
b
T
oa)
(10.2.13)
T OO = : E, (10.2.14)
kann durch Division mit der Gesamtenergie E := po = JcFx E auf die Form
Jhx& P
J cJ3x & = Et + const. (10.2.18)
gebracht werden und drückt somit das Gesetz der Bewegung des ,,Energieschwer-
punkts" (Zentroids) aus: er bewegt sich geradlinig-gleichförmig mit der Geschwindig-
keit PIE.
Es ist zu betonen, daß alle so durch Raum-Zeit -Aufspaltung erhaltenen Größen
vom speziellen Inertialsystem abhängen, in welchem diese vorgenommen wird. Ins-
besondere hängt die Lage der durch (10.2.17,18) gegebenen Weltlinie von der Wahl
des Inertialsystems ab, und lediglich ihre Richtung ist durch den Vierervektor pk
eindeutig gegeben. Ein Inertialsystem ist hier jedoch ausgezeichnet : das Ruhsystem
von t», d.h, jenes, für das P = 0 ist . Die für dieses Inertialsystem aus (10.2.17,18)
hervorgehende Weltlinie beschreibt den relativistischen Schwerpunkt (also ein spe-
zielles und ausgezeichnetes Zentroid) . Der Drehimpuls (10.2.16) im Ruhsystem des
Impulses ist der Gesamtspin.
Zur Existenz dieses Ruhsystems ist notwendig, daß pk ein zeitartiger Vektor ist, Pkpk > O.
Dies ist sicher der Fall, wenn für jeden Beobachter mit Vierergeschwindigkeit u k der Energie-
strornvierervektor E i := l\u k zeitartig und zukunftsgerichtet ist (EiU' > 0, EiE' > 0), denn
die Summe bzw. das Integral von Vektoren dieser Eigenschaft liegt ebenfalls im vorderen Lichtkegel
(vgl. Aufgabe 1 zu Abschnitt 3.2). Die genannte Bedingung wird manchmal als (starke) Energiedo-
minanzbedingung bezeichnet.
Jik ~ jik J
= cfx (xi T Ok _ x k T Oi) = J ik _ aipk + akpi, (10.2.19)
d.h., (pi ,Jik) transformiert nach der adjungierten Darstellung der Poincare-Gruppe
(vgl. (9.3.4d)). Um die Weltlinie des Zentroids (10.2.17,18) vierdimensional zu be-
schreiben, führen wir die Vierergeschwindigkeit u i des Beobachters ein, in dessen In-
ertialsystem die Raum-Zeit-Aufspaltungen (10.2.14 - 18) durchgeführt wurden . Diese
Weltlinie ist dann der Ort aller Punkte a i , für die
jik u k =0 (10.2.20)
gilt; denn im Ruhsystem von u i folgt aus (10.2.20) jOlo = 0 oder
(10.2.21)
10.2 Anwendung auf Pouicsre-kovsrienie Feldtheorien 307
(10.2.23)
S ik r, = O. (10.2.24)
Aufgrund dieser Relation ist in Sik nicht mehr Information enthalten als in dem
translationsinvarianten relativistischen Spinvektor S;/.JiYi,
I
S i := 2 1
= 2 fiabe
sab pe Jab pe
fiab e (10.2.25)
(10.2.26)
rekonstruiert werden kann. Wie es sein muß, ergibt sich (10.2.26) auch durch Einset-
zen von (10.2.23) in (10.2.19). Si ist orthogonal auf pi,
(10.2.27)
da pi für alle diese Überlegungen als zeitartig vorausgesetzt werden mußte, ist Si ein
raumartiger Vektor:
(10.2.28)
Es sei betont, daß alle hier betrachteten Größen gebildet werden können, sobald ein symmetri-
scher divergenzfreier Energie-Impulstensor zur Verfügung steht, für den P zeitartig ist, also insbe-
sondere, wenn die Energiedominanzbedingung erfüllt ist . Dies bietet die Möglichkeit, physikalische
Systeme phänomenologisch durch ihren Energie-Impulstensor zu beschreiben, ohne zu sagen, wie
dieser aus Feldern aufgebaut ist. - Eine interessante allgemeine Aussage erhält man aus obigen
Formeln, wenn ein konvexer Körper mit Energie-Impulstensor rk
betrachtet wird. Jedes Zentroid
liegt stets in seinem Inneren, wie aus dem Ausdruck f d3x x t:/ f d3;r; t: hervorgeht . Definiert jik das
Zentroid für den Beobachter ui und ist a i die Verbindung zum relativistischen Schwerpunkt , so folgt
= =
aus jik uk 0 und jik EJik _ a i pk + ak pi :
'k
ua pi S' Uk
a
i
=-
Pu
+--.
Pu
(10.2.29)
308 10. Erhaltungssätze
Die Projektion von ai normal zu pi ist der raumartige Vektor Bikuk/Pu , dessen Länge r = r(u)
durch
(10.2.30)
gegeben ist . Der erste Term ist nach (10.2.28) positiv, die anderen negati v. Variiert man u, so variiert
das Zentroid, und rückt u gegen einen lichtartigen Vektor orthogonal zu S , so strebt r 2(u) gegen
2 -~ 1 Sobs ob
r := (P2)2 = 2p2' (10.2.31)
Da alle Zentroide innerhalb des konvexen Körpers liegen müssen, ergibt sich aus (10.2.31) ein Min-
destradius r für konvexe Körper mit gegebener Masse und gegebenem Spin , den man größenord-
nungsmäßig auch durch das Argument erhält, die Umfangsgeschwindigkeit des als starr angenom-
menen Körpers dürfe die Lichtgeschwindigkeit nicht überschreiten.
Zuletzt wenden wir uns der Frage zu, wie man im allgemeinen Fall aus dem ka-
nonischen Tensor 8'k einen Tensor T'k mit den Eigenschaften (10.2.11) konstruiert.
Durch Ausführung der Divergenz in (19.2.9) erhalten wir unter Berücksichtigung von
(10.2.2)
8 bo - 8 ab = 8, (:.c.~ab
c.p"
c.p) . (10.2.32)
Machen wir für t-, den Ansatz (10.2.6), so ergibt sich für r, neben der Antisym-
metriebedingung
t", + r, = 0 (10.2.33)
noch die aus Tik = Tki und (10.2.32) folgende Gleichung
(10.2.34)
d.h.,
. . 8.c
+ 8/9 Jik = : gJik,
1" '
P ik - I'« = a~'k c.p (10.2.35)
c.p,i
wobei g'i'k in 1, j sowie in i, k jeweils antisymmetrisch, aber sonst beliebig ist. (Es ist
z.B. hinreichend, g/i'k == 0 zu wählen.) Die eindeutige Lösung von (10.2.33,35) ist
1
hik = "2(9i'k + g,ki - 9kii). (10.2.36)
Aufgaben
1. Man bestimme den kanonischen und den symmetrischen Energie- Impulstensor
1 F. Belinfante, Physica 6, 887 (1939).
2Siehe z.B. Sexl & Urbantke (1987) .
3L. Rosenfeld, Mem. Acad. Roy. Belgique 6, 30 (1940) .
4Siehe z.B. F. Hehl, Rev. Mod. Phys. 48, 393 (1976).
sSiehe auch K. Treml , Physik in unserer Zeit, Juli 1974, S. 100.
310 10. Erhaltungssätze
für das skalare Feld, (10.1.20), das elektromagnetische Feld, (10.1.22) mit ji = 0,
das Procafeld, (10.1.23), das Dirac- und das Weyl-Feld!
(10.2.38)
(10.2.39)
in jedem Inertialsystem.
7. Der Vektor Si kann auch im Fall PiPi = 0 gebildet werden, da in (10.2.25) auf
eine Division durch (PiPi )1/ 2 verzichtet wurde. Versucht man, in Analogie zu
(10.2.20) auch für Pipi = 0 durch SikPk = 0 einen Spintensor zu definieren,
ergibt sich als notwendige Bedingung JikPk <X pi .
(10.2.40)
10.3 Relativistische Hydrodynamik 311
(S(L) ist wie in (9.1.21) definiert ~ eine vierdimensionale, reduzible (jedoch nicht
vollreduzible) Darstellung von P+ ist, bei der von den unter .ci invarianten For-
men (9.1.33,34,38,39) nur (9.1.39) invariant bleibt . Man zeige die Äquivalenz
dieser Darstellung von P~ mit derjenigen, die aus Punkt c) der vorigen Aufgabe
resultiert, und gebe die Relation der Invarianten von Punkt d) mit (9.1.39) an.
Bemerkung: Es sei betont, daß im Gegensatz zu dieser "Twistordarstellung"
die Bispinordarstellung von pl in der Zuordnung (a,L) - S(L) besteht.
Zusammen mit der (10-dimensionalen) adjungierten Darstellung und der 5-
dimensionalen Darstellung (9.3.6) ist (10.2.40) ein weiteres Beispiel einer end-
lichdimensionalen Darstellung von pl, bei der die Translationen nicht trivial
dargestellt werden. - Zu Aufgabe 7 und 8 vergleiche man Penrose-Rindler (1986)
und die dort zitierte Literatur.
10 .3 Relativistische Hydrodynamik
(gemeinsam mit R. Mansouri)
Die relativistische Hydrodynamik war lange Zeit eine Disziplin innerhalb der Relati-
vitätstheorie, die besonders fern jeder Anwendung schien. Wo sollte man Flüssigkeiten
finden, deren Strömungsgeschwindigkeit mit der Lichtgeschwindigkeit vergleichbar
sind? So dienten die zahlreichen theoretischen Untersuchungen zur Hydrodynamik
vor allem begrifflichen Klarstellungen, wobei einige unerwartete Probleme auftraten,
die wir noch kennenlernen werden.
Heute hat sich die Situation geändert. Relativistische Hydrodynamik bildet so-
wohl einen wichtigen Teil der Kosmologie als auch der Theorie der Vorgänge in der
Umgebung von Neutronensternen und schwarzen Löchern (siehe z.B. Sexl & Urbantke
(1987)). Die dort auftretenden starken Gravitationsfelder lassen Gase mit relativisti-
schen Geschwindigkeiten auf diese Himmelskörper strömen, wobei es zu starker Auf-
heizung und zur Emission von Röntgenstrahlen kommt. Diese konkreten Anwendun-
gen der Theorie liegen allerdings außerhalb des Rahmens der speziell-relativistischen
Hydrodynamik, so daß wir hier auf die Besprechung dieser Anwendungen verzichten
müssen .
Die nichtrelativistische Hydrodynamik idealer Flüssigkeiten und Gase wird durch
die Gleichungen
~ + div (pv) = 0 (10.3.1)
dv
Pdi + grad p = k (10.3.2)
definiert, wobei p und p Dichte bzw. Druck der Flüssigkeit sind und k eine äußere
Volumskraft ist . Die obigen Gleichungen sind noch durch die Zustandsgleichung
p = p(p) (10.3.3)
zu ergänzen.
Man könnte zunächst vermuten, daß (10.3.1) durch Definition eines Massenstrom-
Vierervektors ji = p(x) u i in eine kovariante Gleichung der Form /,i = 0 übergeht.
312 10. Erhaltungssätze
Es ist jedoch charakteristisch für die Relativitätstheorie, daß die Massendichte p(x)
keinem derartigen Erhaltungssatz genügt - tatsächlich wird sich eine modifizierte
Form der Kontinuitätsgleichung ergeben.
Um zu den korrekten Gleichungen zu gelangen, gehen wir in Analogie zu Abschnitt
5.9 vor. Dort wurden die einzelen Komponenten des Energie-Impulstensors Tik im Fall
der Elektrodynamik physikalisch gedeutet. Wir gehen hier von dieser Deutung aus
und setzen für den Energie-Impulstensor einer idealen Flüssigkeit
(10.3.4)
(10.3.6)
(10.3.7)
Der Massenstromvektor pu k ist also nicht erhalten. Bevor wir auf die Bedeutung
dieses Resultates eingehen, betrachten wir den Raumteil von (10.3.6):
Definieren wir die konvektive Ableitung ("mitbewegte Ableitung ") eines beliebigen
Tensors T durch
T = 'I;kU ,
• k
(10.3.9)
so läßt sich (10.3.8) unter Berücksichtigung von (10.3.7) auf die Form
pu + (p + p) u + grad p = 0 (10.3.10)
bringen.
10.3 Relat ivistische Hydrodynamik 313
Wir kehren nun zu (10.3.7) zurück. Der Zeitteil von (10.3.6) hat sich nicht als die
gesuchte Kontinuitätsgleichung (10.3.1) erwiesen, diese ist vielmehr zu postulieren.
Im Gegensatz zur Massendichte p( x) genügt nämlich z.B. die Baryonendichtel n( x)
einer Kontinuitätsgleichung
(nuk),k = 0, (10.3.11)
die die Erhaltung der Baryonenzahl (Konstanz und Unabhängigkeit vom Inertial-
system) ausdrückt. Dabei soll n(x) so festgelegt sein, daß n = p für einen Normalzu-
stand, z.B. ein verdünntes Wasserstoffgas, gilt .
Für ein Elektronengas ist an Stelle der Baryonendichtel die Leptonendichtel in der Konti-
nuitätsgleichung zu verwenden. Für Photonen (Mesonen) existiert keine Kontinuitätsgleichung, da
sie beliebig erzeugt und vernichtet werden können .
oder
J dp
p(p) + p =
J dn
-;;.
(10.3.13)
p=n(l+c:) . (10.3.14)
Die innere Energie ist negativ, wenn Energie bei der Bildung des Zustandes p abge-
geben wird (z.B. Bindungsenergie bei Atomkernen); e ist positiv, wenn dabei Energie
aufgewendet werden muß (z.B. Kompressionsarbeit).
Spezifische Entropie s (= Entropie pro Baryon) und die Temperatur T werden
durch die Forderung definiert, daß l/T der integrierende Faktor der Gleichung
(10.3.15)
1 Zu den Begriffen Baryonen , Leptonen siehe die zitierten Lehrbücher der Teilchenphysik .
314 10. Erhaltungssätze
ist, da v = 1/n das spezifische Volumen ist. Die Konstanz der Entropie entlang der
Stromlinien einer idealen Flüssigkeit folgt direkt aus (10.3.7):
(10.3.16)
(10.3.17)
Die Zeitkomponente der Erhaltungssätze (10.3.6) liefert also im Fall einer idealen
Flüssigkeit die Aussage, daß keine Enegie in Wärme übergeht und die Entropie daher
konstant bleibt .
Für nichtideale Flüssigkeiten ist der Ansatz (10.3.5) auf
erhält man eines der beiden oben angegebenen Resultate. Charakteristisch für die Diskussion ist,
daß sich in den Arbeiten kein einziger Hinweis darauf findet, wie man experimentell das verschiedene
Transformationsverhalten für die Temperatur unterscheiden könnte . Wie mißt man die Temperatur
eines bewegten Systems? Denken wir uns etwa einen Hohlraum, der mit Strahlung erfüllt ist . Wenn
sich dieser Raum relativ zu uns bewegt, werden wir die Strahlung in verschiedenen Richtungen durch
den Dopplereffekt einmal zu kurzen und einmal zu langen Wellenlängen hin verschoben sehen . Es
ergibt sich also, vom bewegten Beobachter aus gesehen, keinesfalls das Bild einer isotropen Strah-
lung, deren Temperatur nach irgendeinem Gesetz transformiert, sondern vielmehr eine anisotrope
Strahlungsverteilung. Eine derartige Anisotropie sieht man z.B. aufgrund der Bewegung der Erde
in der kosmischen Hintergrundstrahlung (3K-Strahlung) ; siehe G. Smoot et al. , Phys . Rev. Lett. 39,
898 (1977), Ap. J. 371, LI, (1991).
Da die Messung thermodynamischer Größen Gleichgewicht voraussetzt, ist es sinnvoller, die
Hauptsätze der Thermodynamik im Ruhsystem zu formulieren und als form-invariant zu betrachten.
Es gibt allerdings einen Spezialfall, der einer gesonderten Behandlung bedarf. Landau und Lifschitz
zeigen, daß die Gleichgewichtsbedingungen der statistischen Mechanik nur erfüllbar sind, wenn ein
System insgesamt eine konstante Translationsgeschwindigkeit aufweist oder starr um eine Achse
rotiert (Landau-Lifschitz (1969)) . Während die Behandlung der gleichförmig bewegten Systeme mit
den als skalar aufgefaßten Hauptsätzen der Wärmelehre trivial ist, erfordert die Thermodynamik
rotierender Systeme eine eingehende Betrachtung. Dabei ist die Frage des Zusammenhanges zwischen
den globalen Größen (Gesamtentropie, Gesamtenergie etc .) und den lokalen Größen (Druck, Dichte,
Temperatur etc .) zu klären . Dieses Problem wurde von Horwitz und Katz, loc. cit., behandelt. Diese
Autoren zeigen, daß die Gleichgewichtsbedingung durch TG = TL v'f"=""V2 gegeben ist, wobei TG
die globale, TL die lokale Temperatur und v die Geschwindigkeit des jeweiligen Volumselements
des Körpers relativ zur Drehachse ist . Ein rotierender Körper weist daher im Gleichgewicht keine
konstante, sondern eine räumlich variable lokale Temperatur auf.
Die relativistische Formulierung der statistischen Mechanik nichtwechselwirkender Teilchen
wurde erstmals von Jüttner (Ann . Physik 34, 856 (1911)) angegeben und bietet im Gegensatz zur
relativistischen Statistik wechselwirkender Teilchen keinerlei Schwierigkeit. Theorie und Anwendung
sind in Huang (1973) oder Landau-Lifschitz (1969) zu finden. In den letzten Jahren ist vor allem die
Theorie des frühen Universums (siehe z.B. E.R. Harrison, Ann . Rev. Astron . Astrophys. (1973)) als
Anwendung der relativistischen Thermodynamik bei höchsten Temperaturen von Interesse gewesen,
ferner die Aufstellung von Zustandsgleichungen für Neutronensterne (V. Canuto, Ann. Rev. Astron .
Astrophys. (1974)) .
Das Problem der statistischen Mechanik wechselwirkender Teilchen wurde in den letzten J ah-
ren von zwei Gesichtspunkten her behandelt. Es wurde einerseits die Boltzmanngleichung im Rah-
men einer relativistischen kinetischen Theorie wechselwirkender Teilchen aufgestellt (siehe dazu die
Überblicksartikel von Ehlers in Sachs (1971) und Stewart (1971)) . Andererseits hat vor allem Ba-
lescu (J . Phys. Soc. Japan 26, Suppl. 313-315; Artikel in Stuart & Brainard (1970)) versucht, die
Problematik einer echten statistischen Mechanik wechselwirkender relativistischer Teilchen direkt
zu behandeln. Diese Problematik ist darin begründet, daß die in Abschnitt 5.1 erwähnten "No-
inter action-Theoreme" die Beschreibung der Wechselwirkung durch retardierte Fernwirkung weit-
gehend ausschließen. Betrachtet man andererseits Wechselwirkungen zwischen Teilchen als durch
Felder vermittelt (wie z.B. in der relativistischen Elektrodynamik), so ergeben sich mathematisch
sehr schwer zu lösende Probleme, da Felder stets eine unendliche Zahl von Freiheitsgraden aufweisen,
die auch für die Umgehung der "No-interaction-Theoreme" essentiell ist. Die korrekte Formulierung
von Begriffen wie Phasenraum etc . für Systeme mit unendlich vielen Freiheitsgraden ist aber eine
sehr heikle Aufgabe der mathematischen Physik, insbesondere, wenn es sich letztlich um die Vor-
hersage von Phänomenen wie Phasenübergängen handelt .
Anhang A
Gruppentheoretisches Glossar
Eine nichtleere Menge 9 heißt eine Gruppe, wenn in ihr eine Zusammensetzungsvor-
schrift (, ,Multiplikationsregel") gegeben ist, die jedem Elementpaar (g, h) E 9 x 9 ein
Element gh E 9 zuordn et, und dabei folgendes gilt:
1) Assoziativität : (glg2)g3 = gl (g2g3 ) =: g1g2g3 für jedes Tripel (gll g2, g3) E
E9 x9 x9
2) Einh eitselement: Es existiert ein Element e E 9 , so daß eg = 9 für alle 9 E 9
3) Inv erses Element: Zu jedem 9 E 9 existiert ein Inverses s:', so daß g-l g = e.
Die Gruppe heißt kommutativ oder abelsch, wenn zusätzlich gilt gh = hg für alle
(g, h) E 9 x 9. Aus 1), 2), 3) folgt, daß auch ge = g, ss:' = e für alle gE 9, und daß
e, g-1 durch obige Eigenschaften eindeutig bestimmt sind. Weiter gilt (glg2g3 .. .)-1 =
= .. ·g3-1 g2-1 gl-1 .
Eine nichtleere Teilmenge 91 C 9 heißt Untergruppe von 9, wenn sie bezüglich der
Multiplikation von 9 eine Gruppe bildet. Dazu genügt, daß für alle (g, h) E 91 X 91
gilt gh- 1 E 91 . Der Durchschnitt zweier Untergruppen ist wieder eine Unt ergruppe.
Im folgenden schreiben wir, wenn He 9 eine Teilmenge von 9 ist , gH bzw. Hg
für die Menge aller Produkte gh bzw. hg, wo h E Hund 9 ein festes Element aus
9 ist. Ebenso sei für zwei Teilmengen H , H' die Menge HH' bzw. H'H definiert als
Vereinigung der Mengen 'Hh' bzw. h'H, wo h' ganz H' durchläuft (Multiplikation von
Teilmengen).
Ist 91 C 9 Untergruppe, so nennt man Mengen der Form g91 bzw. 91g linksseitige
bzw. rechtsseitige Nebenklassen von 91 . Ist gE 91l so ist g91 = 91. Zwei verschiedene
Nebenklassen sind elementfremd , und 9 kann als disjunkte Vereinigung
Eine Abbildung einer Gruppe 9 in eine Gruppe 9' heißt ein Homomorphismus
von 9 in 9', wenn dem Produkt zweier Elemente das Produkt der Bildelemente in 9'
zugeordnet ist. Wenn die Abbildung dabei surjektiv ist, d.h ., alle Elemente von 9' als
Bildelemente auftreten, spricht man von einem Homomorphismus von 9 auf 9'. Ein
Isomorphismus ist noch zusätzlich injektiv, d.h . umkehrbar eindeutig, also bijektiv.
9, 9' heißen dann zueinander isomorph. Isomorphismen von 9 auf sich selbst nennt
man Automorphismen. Diese bilden eine Gruppe bezüglich Zusammensetzung. Spe-
zielle Automorphismen sind die inneren Automorphismen, die durch die Elemente
von 9 vermittelt werden: ist h E g, so ist die Zuordnung 9 --t hgh- I ein Auto-
morphismus. Die dabei einander zugeordneten Gruppenelemente heißen konjugiert,
ebenso die Untergruppen 91 C 9 und 9 91g- 1 zueinander konjugiert. Normalteiler
sind selbstkonjugiert, d.h. unter inneren Automorphismen invariante Untergruppen.
Die inneren Automorphismen bilden einen Normalteiler der Automorphismengruppe.
Bei Homomorphismen 9 --t 9' werden i.a. mehrere Elemente von 9 das gleiche
Bild in 9' haben. Die Menge der Elemente in 9, die auf das Einselement von 9' ab-
gebildet werden (der Kerii des Homomorphismus), bildet einen Normalteiler 91 in 9,
zu dem die anderen Elemente von 9, die jeweils gleiche Bilder in 9' besitzen, Neben-
klassen sind. Das Bild von 9 unter diesem Homomorphismus ist zur Faktorgruppe
9/91 isomorph. (Die Zuordnung 9 --t 9 91 heißt der kanonische Homomorphismus
von 9 auf 9/91')
Ist 91 Normalteiler und 92 Untergruppe in 9, so ist 9192 = 9291 eine Untergruppe
von 9j schränkt man den kanonischen Homomorphismus 9 --t 9/91 auf 92 ein, so ist
sein Kern 91 n92 und sein Bild 9192/9I, so daß 92/91 n92 ~ 9192/91 isomorph sind.
Gilt dabei 91 n 92 = {e} sowie 9192 = 9, so folgt 9/91 ~ 92 und umgekehrt, und
jedes 9 E 9 hat eine eindeutige Zerlegung 9 = glg2, gi E 9i .
Eine Gruppe 9 heißt Erweiterung einer Gruppe 90 durch eine Gruppe 91, wenn
sie einen zu 91 isomorphen Normalteiler mit zu '90 isomorpher Faktorgruppe enthält .
Eine Erweiterung bei gegebenen 90, 91 muß weder existieren noch eindeutig sein; die
Terminologie soll auch nicht zu der Annahme verleiten, daß 9 eine zu 90 isomorphe
Untergruppe 92 enthält. Ist dies doch der Fall, heißt die Erweiterung unwesentlich,
man ist in der im vorigen Absatz beschriebenen Situation, und 9 ist auch zu ei-
nem semidirekten Produkt (s.u.) 91 X 92 isomorph. Ist der 91 in 9 entsprechende
Normalteiler zentral, heißt die Erweiterung zentral.
Eine Gruppe 9 heißt einfach, wenn sie keinen echten (d.h. vom Einheitselement
und 9 verschiedenen) Normalteiler hat. Darstellungen einfacher Gruppen sind treu
oder trivial. Nichttreue Darstellungen sind treue Darstellungen entsprechender Fak-
torgruppen. Homomorphismen einfacher Gruppen sind Isomorphismen oder trivial.
Das direkte Produkt zweier Gruppen ist in Aufgabe 6 zu Abschnitt 3.1 definiert;
eine Charakterisierung einer Gruppe 9 als isomorph zum direkten Produkt zweier
Untergruppen ist in Aufgabe 4 von Abschnitt 7.9 angegeben. Eine in diesem Buch
häufig anzutreffende Verallgemeinerung ist das semidirekte Produkt 91 XE 92 zweier
Gruppen 9I, 92 bezüglich eines Homomorphismus E von 91 in die Automorphismen-
gruppe Aut(92)' Hier wird das kartesischen Produkt 91 X 92 gemäß einer der beiden
Regeln (die nicht wesentlich verschieden sind) (gI,g2)~(hI,h2) := (glhI,g2Egth2)
oder ;= (glhI, CEhtlg2)h2) zur Gruppe gemacht. In ihr sind 9I, 92 durch gl --t (gI, e2),
318 A. Gruppentheoretisches Glossar
B.2 Dualraum!
Der von den K-linearen Funktionalen auf V gebildete Vektorraum V über K heißt
der Dualraum zu V, seine Elemente auch Kovekioren oder kovariante Vektoren (dann
nennt man die Elemente von V kontravariante Vektoren). Ist {bi} eine Basis in V, hat
jeder Vektor v E V eine Zerlegung v = vib i, und die linearen Funktionale ii: v -+ vi
bilden die zu {bd duale Kobasis {li} in V. Jedes a E V kann nämlich damit als
a = aJi mit ai = a(b i) geschrieben werden, wie man durch Anwendung auf v = o'b,
sieht.
Jedes v E V definiert auf V ein lineares Funktional ~ gemäß ~(a) := a(v) Va E V.
Dies bettet V auf basisunabhängige ("kanon~che" oder "natürliche" , d.h . keine weite-
ren S,!.rukturelemente erfordernde) Weise in V ein. Bei endlicher Dimension können V
und V dadurch identifiziert werden , während dies bei V, V nicht ohne weitere Struk-
tur (z.B. inneres Produkt auf V) möglich ist . Die bilineare Abbildung V x V -+ K ,
die dem Paar (v, a) den Wert a( v) = : (a Iv) =: (v Ia) zuo,!dnet, heißt auch das (ka-
nonische) innere (oder skalare) Produkt zwischen V und V.
Wird A bezüglich Basen {b;} in V, {eI'} in W durch die Zerlegung Ab; = Ai e"
die Matrix (Ai) zugeordnet, so gehören zu den Abbildungen AT, A", At bezüglich
der dualen, der komplex-konjugierten und der dualen komplex-konjugierten Basen
in den entsprechenden Räumen die im üblichen Sinn transponierten, komplex- und
hermitisch-konjugierten Matrizen.
Eine lineare Abbildung 9 : V - t V bestimmt durch g(v, v') := (gv Iv') eine ebenso
bezeichnete Bilinearform auf V (vgl. (7.5.11), (7.5.13a)), und umgekehrt bestimmt
eine Bilinearform 9 durch v - t g(v, . ) eine solche Abbildung. Zu gT : V - t V gehört
die transponierte Bilinearform. Analog bestimmt eine lineare Abbildung g# : V - t V
eine Bilinearform auf V. Kommutiert eine invertierbare lineare Abbildung S: V - t V
mit der Wirkung von g, d.h., gS = Sg, so ist die zugehörige Bilinearform unter S inva-
riant: g(Sv, Sv') = g(v, v'), und umgekehrt. Sind die Abbildungen g, g# invertierbar,
so sind die zugehörigen Bilinearformen nichtentartet (vgl. (7.5.12)) und umgekehrt.
Insbesondere kann man dann g# = g-l wählen oder auch g# = (gTt 1 = gj allerdings
ist nur die letztere Wahl "natürlich" in dem Sinn, daß die durch die entsprechenden
Bilinearformen definierten Tensoren (s.u.) auseinander durch die von g, g# zwischen
den Tensorräumen induzierten Abbildungen (s.u.) hervorgehen. (Diese Beobachtung
liegt der Vorzeichenwahl (8.5.3) zugrunde.)
Eine lineare Abbildung ß: V - t V" bestimmt durch v - t (ßv)" eine antilineare
Abbildung V - t V und eine Sesquilinearform ß auf V (vgl. (7.5.11), (7.5.13b)),
und umgekehrt. Zur hermitisch-konjugierten Abbildung ßt : V - t V" gehört die
hermitisch-konjugierte Sesquilinearform. Bezüglich Invarianz, Nichtentartung usw.
gelten analoge Bemerkungen wie vorher. Schreiben wir Komponenten bezüglich der
Basis {bko } in V* mit gepunkteten Indizes , haben wir ß(b;) = ßkY"'
Wegen der Beziehung nichtausgearteter Bi- und Sesquilinearformen mit speziel-
len Symmetrieeigenschaften (gT <X g, ßt <X ß) zu euklidischen, symplektischen und
unitären Geometrien in V vgl. Abschnitt 7.5.
D ' D den Eigenwert 1 besitzt. Die maximale Dimension dieses reellen Vektorraum s,
nämlich die komplex e Dimension von V , wird für D' D = idv erreicht, wobei dann V
involutiv ist , V 2 = idv , Man nennt V in diesem Fall eine A ntiinvolution 1. A rt oder
eine kompl exe Konjugation in V oder eine R ealität sst ruktur. Vektoren v mit Du = v
und lineare Abbil dungen S : V ~ V mit DS = S' D' oder V S = S V (Invari anz der
Realität sstruktur) heißen bezüglich ihr reell. S führt dann aus V' nicht heraus und hat
bezüglich einer reellen Basis eine reelle Matrix; D ist die Einh eitsmatrix zugeordnet ;
V ist isomorph zur Komplexifizierung [s.u. wegen einer abstrakten Definition) von
V' . Für einen Teilraum W E V heißt dirn (W n VW) sein reeller Index bezüglich V .
Sowohl die orthogonalen, symplektischen und unitären Strukturen in Vektorräu-
men wie auch Realitätsstrukturen können also durch Basiswahl auf bekannte einfache
Normalformen gebracht werden; allerdings ist dies für mehr ere von ihnen im allge-
meinen nicht simultan möglich. Auch das rechtfertigt die abstrakte Charakterisierung
dieser Strukturen . Als Anwendung verweisen wir auf den Anhang über Majorana-
Spineren .
In einem reellen Vektorraum V , in dem es ja keine antilinearen Transformationen
gibt, unterscheidet man zwischen In volution en 1. Art und 2. Art , d.h. linearen Tra ns-
formationen J mit J2 = +idv bzw. J2 = -idv. Ers tere definieren kompl ementäre
Projektion en P± = H idv ± J ) und somit eine Zerlegung von V . Eine Involution 2.
Art heißt auch kompl exe Struktur auf V , sie erlaubt es, V als kompl exen Vektorraum
zu betrachten , indem man die Multiplikation von Vektor en v mit komplexen Zah len
o durch av := (Rea)v + (Ima) Jv erklärt . (Alle Axiome eines Vektorraums über C
sind erfüllt. Die reelle Dimension von V muß dabei gerade sein, dimaV = 2m. Die
Dimension von V üb er C ist dann m.)
Dies ist streng zu unterscheiden von der Kompl exifizierung von V (s.u.), die eine
Verdopplung der reellen Dimension mit sich bringt , ab er keine Involuti on 2. Art
benöti gt.
In kompl exen Vektorr äum en hat die Unterscheidung zwischen (linearen) Involut ionen 1. und
2. Art keinen Sinn , da J -+ i J zwischen beiden vermitt elt . A ntiinvo lutionen 2. Art, für die de-
finitionsgemäß V 2 = - idv gilt, erlauben es, einen komplexen Vektorr aum als Vekt orraum über
dem Schiefkörp er der Hamilt onschen Quat ernionen zu betrachten und dadurch die Dimension zu
halbi eren. (Sie heißen deshalb au ch quat ernionische Strukturen.) Dies wird j edoch in diesem Buch
nicht weit er verwend et. (Beispiele wären 1) V( Ul , U2) = (-ui , ui) in C 2 , kommutiert mit SU(2) ; 2)
=
V' Vr in Anhang C.2.)
B.8 Tensorprodukte
Das Tensorprodukt TI @V i von Vektorräumen V!, V 2 , ••• (endli ch viele Faktoren)
wurd e im Text basisabhängig eingeführt . Man kann es abst rakt als den von den
mul tilin earen Funktionalen 1 : VI X V 2 X . . . --. K auf dem kartesischen Pro-
dukt der Dualräume gebildet en Vektorraum einführen. Für jedes solche 1 ist also
l(a1 ' a2, . . .) E K, wo a, E Vi, und 1 ist in jedem Argument separat linear . Sind
Vi E Vi , definiert man das Tensorp rodukt dieser Vekt oren 1 = VI @V2 @ ... = TI @Vi
als jenes mul tilin eare Funktional , für das
... ,
Hat man wie oben Basen in den Vi, so bilden alle möglichen Produkte TIi @b(i)l-'i
zusammen eine Basis für TI@V i , dessen Dimension dami t TI dirn v, beträgt. J edes
1 E TI @ V, hat bezüglich dieser Produktbasis die Komp onentenzerlegung
aus der sofort das Transformation sverhal ten der Komponenten bei Basiswechsel folgt.
Zu semilinearen Abbildungen Ai : V, --. W i definiert man ihr Tensorprodukt
TI @Ai als semilineare Abbildung A: TI @v, --. TI @W i gem äß!
Dur ch Anwendung auf die Produktbasis ergibt sich im linearen Fall die im Text
verwendete Komponentenform (Kron eckerprodukt von Matrizen) .
Hinsi chtlich des Verhältn isses der Konstruktion von @ und der früheren Konstruk-
tionen ist wieder auf einige mehr oder weniger offensichtlich zu definierende natürliche
Isomorphien hinzuweisen , wie V 1 @V2 ~ V 2 @V1 , •• • (V 1 @V 2) @V 3 ~ V 1 @V2 @V3 ,
1 Es ist wichtig , daß hier alle semilin earen Ai zum selben Automorphismus a von K gehören! Das
Tensorp rodukt einer linearen mi t einer anti linearen Abbildung hat keinen bas isuna bhä ngigen Sinn .
324 B. Abstrakte multilineare Algebra
v;®V2 ~ Vd9 V2, ... (VI 0 V 2)* ~ Vi 0 V;, (VI EB V 2) 0 V 3 ~ (VI 0 V 3)EB
EB(V 2 0 V 3 ) , ... , V 0 K ~ V. Im Sinn dieser Isomorphien bestehen dann auch
analoge Relationen für Abbildungen wie (Al 0 A 2 f = Ar 0 Ar, (Al EB A 2 ) 0 A 3 =
= (Al 0 A 3 ) EB (A 2 0 A3 ) usw. Ferner ist L(V, W), der Raum der linearen Abbildun-
gen V -+ W, in natürlicher Weise zu V 0 W isomorph, indem f E L(V, W) jenes
bilineare Funktional auf V X W zugeordnet ist, dessen Wert für das Argumentepaar
v E V, s e W gleich (blfv) ist. [In der Komponentenschreibweise verwandeln sich
alle diese Isomorphismen in Identitäten. Man hat deshalb versucht, eine "abstrakte In-
dexschreibweise" einzuführen (vgl. Penrose-Rindler (1984)), bei der die Indizes keine
Zahlenwerte annehmen, sondern nur die Größen symbolisieren, die nach vollzoge-
ner Identifizierung entsprechend den natürlichen Isomorphismen resultieren, und die
Operationen mit ihnen.]
Gemäß diesen Konstruktionen induzieren innere Produkte, komplexe und Rea-
litätsstrukturen auf Räumen v, Entsprechendes im Produkt TI 0 V,. Man beachte
aber, daß sich dabei die Vertauschungseigenschaften ändern können. Beispielsweise
induziert ein symplektisches Skalarprodukt auf V ein symmetrisches auf V 0 V oder
V 0 V*, und die komplexe Konjugation V -+ V* induziert eine Realitätsstruktur auf
V 0 V*. (Dies liegt für dirnV = 2 der Beziehung zwischen Spinoren und Tensoren
zugrunde.)
B.9 Komplexifizierung
Eine elegante Anwendung des Tensorprodukts ist die abstrakte Definition der Korn-
plexifizierung v- eines reellen Vektorraums V. Der Erweiterungskörper C J R
wird als (zweidimensionaler) Vektorraum über R aufgefaßt, und man bildet V" =
= C ® V (Tensorprodukt über R!). Hier kann man nun das Produkt mit komplexen
Zahlen a dadurch eindeutig definieren, daß es für Elemente der Gestalt ß0v E C0V
gleich aß 0 v und im übrigen distributiv ist. Dieses Verfahren ist wegen C = R EB R
äquivalent damit, VC = V EB V und a( v EB v') = (Re av - Im av') EB (Re av' + Im av)
zu setzen. [Wichtiger wird das 0-Verfahren erst bei Körpererweiterungen höheren
Grades, die hier aber nicht weiter interessieren.] VC hat dann eine kanonische Rea-
litätsstruktur 7) : a 0 v -+ a* 0 v mit dem reellen Teilraum R 0 V ~ V .
Nach obigen Bemerkungen ist V" auch die Menge der R-Iinearen Abbildungen V -+ C mit
der offensichtlichen C-Multiplikation, definiert durch Multiplikation im Wertebereich . Es gelten
kanonische Isomorphismen wie (YC)C =:: V", (Y E& W)C =:: V" E& WC, (Y ®R W)C =:: V " ®C WC,
(V)C =:: V", . . .
schließlich ist (2:: EB VP) ® (2:: EB yq) die gemischte Tensoralgebra (oder Tensoralge-
bra schlechthin) über V. Elemente daraus, die nur eine nichtverschwindende Kom-
ponente im Summenterm V~ := VP ® yq besitzen, heißen (homogene) Tensoren vom
Typ (p, q) . Hier neu hinzukommende Operationen sind die Verjüngungen oder Kon-
traktionen, lineare Abbildungen Cj : V~ - t V~=~, die Elementen der Produktform
VI ® ... ® Vi ® ® Vp ® al ® ® aj ® ... ® a q mit VI, • . . E V, aI, • •• E Y das Bild
aj(Vi) ® . " ,5; ® V p ® al ® rJj •• . ® a q zuordnen (Durchstreichung bedeutet die
Weglassung des betreffenden Faktors). Durch Überschiebung, d.h. tensorielle Multi-
plikation und nachfolgende Kontraktionen zwischen den Faktoren, können Elemente
von V~ auf mannigfache Art Vb linear in V:::~: abbilden (n = Anzahl der Kon-
traktionen); umg~kehrt gehört zu jeder solchen Abbildung ein Element aus V~ (vgl.
L(V, V) ~ V ® V sowie das "Quotiententheorem").
_ Ganz entsprechende Konstruktionen können (über C) durch Hinzunahme von V·,
V· ausgeführt werden.
Zu einer semilinearen Abbildung A : V - t W gehören die tensoriellen Potenzen
AI8iP, semilineare Abbildungen VP - t WP und
A T l8iq •. wq = W q - t V-q -= V s:
-
die für jedes A: V -+ V mit A0p kommutiert. Es gilt A pA 1r = A p1r für das Pro-
dukt der Permutationen p, 7rj 7r -+ A 1r ist also eine Darstellung der symmetrischen
Permutationsgruppe Gp von p Elementen im Raum V" . Diese Darstellung ist re-
duzibel, die Ausreduktion liefert die verschiedenen Symmetrieklassen von Tensoren.
(Vgl. Boerner (1955)). Besonders wichtig sind hier die beiden eindimensionalen Dar-
stellungen von G p, 7r -+ id und 7r -+sign(7r)id. Tensoren T E VP mit A 1rT = T
bzw. A 1rT = sign(7r)T heißen (total) symmetrisch bzw. (total) antisymmetrisch. Die
symmetrischen bzw. antisymmetrischen Tensoren von VP bilden je einen unter allen
Abbildungen A0p invarianten Teilraum VP(V) bzw. I\P(V), auf den der Operator
Sym= 'I
1
L
p. 1rEGp
A1r bzw. Alt = ~ L
p. 1rEGp
sign(7r) A 1r
projiziert. Die direkte Summe 2:;0 EB VP(V) = : V(V) bzw. 2:;0 EB I\P(V) =:
= : I\(V) wird zu einer assoziativen Algebra (symmetrische bzw. alternierende oder
äußere Algebra über V) bezüglich der symmetrischen bzw. alternierenden (oder äuße-
ren) Multiplikation, die durch
(In der Literatur sind bei der Definition von 1\, V rechts unterschiedliche kombinatori-
sche Faktoren gebräuchlich, je nach Verwendungszweck: für die Volumsmessung etwa
ist bei 1\ obiger Faktor günstig, für die Isomorphie mit einer Polynomalgebra (vgl.
Abschnitt 7.6) bei V der Faktor 1. Wesentlich ist, daß die Assoziativität gesichert ist,
die etwas mühsam zu verifizieren ist .)
Zu jeder semilinearen Abbildung A : V -+ W gehören die VP(V) in VP(W)
bzw.I\P(V) in I\P(W) abbildenden symmetrischen bzw. äußeren Potenzen AVP bzw.
AAp, die A0p zwischen diesen Teilräumen induziert, wodurch auch eine semilineare
Wirkung A V bzw. AA von A auf ganz V(V) bzw I\(V) definiert ist (direkte Summe
der Potenzen). Dadurch übertragen sich z.B. Skalarprodukte etc . auf diese Räume.
Wie im Fall der gesamten Tensoralgebra lassen sich lineare Operatoren V -+ V
noch auf eine zweite Art, nämlich als Derivationen auf V(V) bzw. I\(V) fortsetzen,
wobei nunmehr die Produktregel bezüglich V bzw. 1\ gilt .
B.12 Inneres Produkt, Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren 327
Es sei erwähnt, daß im Formalismus der "zweiten Quantisierung" die Einteilchenobservablen auf
diese Weise vom Eint eilchenraum auf den Fockraum übertragen werden .
Die Dualräume \f0f) bzw. ff(V) sind in natürlicher Weise isomorph zu VP("V)
bzw . I\P("V). Das ist analog zur erwähnten Isomorphie V0W ~ V ® W , wir
wollen aber hier wegen des Auftretens kombinatorischer Faktoren etwas expliziter
sein . Im letztgenannten Fall wird die Zuordnung dadurch hergestellt, daß ein linea-
res Funktional f auf V ® Wein bilineares Funktional l' auf V x W definiert durch
1'(v, w) = f(v®w) . Hier legt umgekehrt l' auch f bereits fest, wie man unter Verwen-
dung einer Basis sieht, und ein möglicher konstanter Zahlenfaktor in der Definition
von l' wurde gleich 1 gesetzt, um zu erreichen, daß das Urbild von a ® b E V ® W auf
v ® wausgewertet (a ® b)(v, w) = a(v )b(w) liefert. Entsprechend geht man bei mehre-
ren Faktoren vor. Ist aber W, ... = V so liefert die einfache Einschränkung der obi-
gen Zuordnung VP ~ (V)P auf die symmetrischen bzw. antisymmetrischen Teilräume
unerwünschte kombinatorische Faktoren, die man durch eine Neuverfügung über den
oben erwähnten möglichen Zahlenfaktor (= l/p! bei unserer Konvention über V, /\)
beseitigt. D.h . man hat , wenn a l V .. . V ap bzw. al/\' . . /\ ap als Elemente von \f0f)
bzw. f!(V) aufgefaßt werden, als Definition der inneren Produkte
(Die Permanente entsteht aus der Determinante, indem alle Vorzeichen als + gewählt
werden.)
Im Sinn dieser Konvention sind dann auch die in diesen Räumen induzierten Ska-
larprodukte zu verstehen, die durch lineare oder antilineare Abbildungen V ~ V
entstehen. So ist dann auch die aus den Produkten li1 V .. . V bip der dualen Ba-
sisvektoren gebildete Basis von VP(V) im Sinn von \.jP(V) dual zur Produktbasis
bi 1 V. .. Vbip (analog für A]. Ist ferner in V ein symmetrisches oder hermitisches Skalar-
produkt eingeführt und ist die Basis {b;} orthonormiert, dann auch die Produktbasis
bezüglich des erwähnten induzierten Skalarprodukts.
I\(V) heißt manchmal auch Graßmann-Algebra über V ; V(V) ist isomorph zur
Algebra der Polynome in dim V Variablen.
t(a)(T' 1\ T") = (t(a) T') 1\ T" + (-1)" T' 1\ t(a) T" für T' E I\"(V).
Daraus folgt, indem man T' = v E V setzt, die weitere Vertauschungsregel
t(a) Ji(v) - Ji(v) t(a) = a(v) id bzw. t(a) Ji(v) + Ji(v) t(a) = a(v) id.
Die gefundenen Vertauschungsregeln sind bereits im wesentlichen jene zwischen
den Erzeugungs- (Ji( v)) und Vernichtungsoperatoren (t( a)) des Formalismus der soge-
nannten zweiten Quantisierung, der sich damit in algebraischer Hinsicht als Teil der
Tensorrechnung entpuppt. (Wir merken an, daß bei anderer Wahl der kombinatori-
schen Faktoren in der Definition von V, 1\ die Definition von Ji, t au ch mit geeigneten
Faktoren zu versehen wäre, um die obige Form der Vertauschungsrelationen zu ga-
rantieren. Umgekehrt ist bei Verwendung der hiesigen Konvention auf die erwähnte
Umnormierung von Skalarprodukten zu achten.)
Für die Untersuchung der relativistischen Kovarianz in der 2. Quantisierung
stellen wir hier die Relation zwischen Ji(Av), t(Av) und Ji(v), t(a) auf, wenn A
eine semilineare Abbildung V - t W bezeichnet, die wie erläutert die Abbildun-
gen A V : V(V) - t V(W) bzw. A" : I\(V) - t I\(W) induziert. Aus den Definitionen
ergibt sich
A Ji(v) = Ji(Av) A
V V
(entsprechend für 1\), und durch Transponieren der entsprechenden Relation für die
Dualräume mit AT statt A, a statt v:
(analog für f\). (Dabei wurden offensichtlich Relationen wie (AT)V = (AV)T usw.
benutzt.)
V
n
bzw.
n
heranzieht. In den zweiten Versionen ist 0 ~ Pi ~ P bzw. 0 oder 1, wobei b'(o = bfo = 1
bedeutet. Entsprechendes gilt für VP(V) bzw. f\P(V).
In der Sprache der 2. Quantisierung sind die Pi die Besetzungszahlen des " Einteilchenniveaus"
bi o Nach einer Bemerkung von Ehrenfest und Kammerlingh-Onnes ergibt sich
P
dimV (V) = (p + n - l)!/p!(n - p)!
als Anzahl aller Permutationen von p + n - 1 Symbolen, von denen p untereinander gleich (= b)
und n - 1 untereinander gleich (= V) sind, indem man bemerkt, daß die angegebenen Basisvektoren
bijektiv zu Verteilungssymbolen
b .. . ~V~ .. . ~VV .. .
sind, wobei zwei aufeinanderfolgende Symbole V das Nichtauftreten eines der bi in bt bedeuten.
Insbesondere nimmt die Dimension von f\P(V) und f\P(V) erst zu und dann wie-
der ab, es ist ja ( ; ) = ( n : p ). Daraus ergibt sich aber ohne zusätzliche Struktur
noch keine natürliche Isomorphie zwischen f\P (V) (oder f\P ('V)) und f\ n-p (V) (oder
f\ n-p('V)) . Die "sparsamste" Zusatzstruktur, die dies ermöglicht, ergibt sich, wenn
wir einen speziellen Isomorphismus von f\o(V) = K und dem ebenfalls eindimensio-
nalen Raum f\ n(V) spezifizieren durch Angabe des Bildes e E f\ n(V), das dabei dem
°
Basis" vektor" 1 E K = f\ (V) zugeordnet ist. Im reellen Fall heißt e ein orientiertes
Volumselement auf V, weil es jedem von n Vektoren VI, •• • , V n aus V aufgespann-
ten Parallelepiped eine reelle Zahl e( VI, • • . ,vn ) zuordnet, die linear von jeder Kante
abhängt und genau dann verschwindet, wenn die Vektoren linear abhängig sind, das
Parallelepiped also degeneriert. Im komplexen Fall wollen wir lieber von einer Uni-
modularitätsstruktur oder Determinantenfunktion sprechen. Die Auszeichnung von e
330 B. Abstrakte multilineare Algebra
und unter Verwendung der zur Basis {e} von /\ncV) dualen Basis {e} im (eindimen-
sionalen) Raum /\n(V) auch lineare Abbildungen
Diese Abbildungen sind, wie wir nicht im Detail beweisen wollen, im wesentlichen
invers zueinander: für T E /\P(V), l' E /,{(V) ist
daraus folgt, daß sie für alle p Isomorphismen sind . Weiters bleibt das innere Produkt
zwischen /,{(V) und /\P(V) erhalten, d.h.,
goo og.
9 e,e
(Hier haben wir die induzierten Abbildungen und Bilinearformen zur Vereinfachung
der Schreibweise alle mit 9 bezeichnet.) Unter dieser Abbildung ist g(.,,) =: (./.)
"fast" invariant, aus der oben angeführten Erhaltung des inneren Produkts zwischen
/\P(V) und /\P(V) folgt
inneren Produkten auf V gT = ,g gilt, ergeben obige Formeln für die Iteration des
Hodge-Operators
** _ (_1)p(n- p).
- , ( eie) id,
Eine einfache geometrische Deutung der Operationen dieses Abschnitts ergibt sich, wenn die
betrachteten Tensoren einfach sind , d.h . die Produktgestalt Vt A. . .Avp etc . besitzen. p-dimensionale
Teilräume V' von V kann man entweder als von p unabhängigen Vektoren Vi aufgespannt denken,
und Vt A .. . A vp ist bis auf einen Zahlenfaktor unabhängig von ihrer speziellen Wahl in V'. Man
kann sie aber auch durch n - p unabhängige lineare Gleichungen (apHI v) = =
0, . . . ,(an Iv) 0
~eschr~iben; dabei kommt es aber nur auf den von den ai E V aufgespannten Annullatorraum
V, C V an, und das Produkt apH A . . . A an dieser Kovektoren ist wieder bis auf einen Zahlenfaktor
von der speziellen Wahl der ai in V, unabhängig. Für ein und denselben Teilraum sind die beiden
Beschreibungsarten durch VtA . . . A vp <X *(apHA .. .Aa n ) verbund en - wegen des freien Zahlenfaktors
ist dabei die Wahl des speziellen Volumselements egal. Ist ferner ( ·1· ) gegeben, gehören VI A. .. A vp
und * ( VI A .. . A vp ) zu orthogonalen Teilräumen von V .
!+ = !~U!~ ist "S ~ 1 bzw. ~ -1, wenn S E !~ bzw. E !~" eine nichttriviale ein-
dimensionale Darstellung, doch kann der zugehörige Darstellungsraum wieder nicht
aus V durch die bisherigen abstrakten Tensorkonstruktionen erhalten werden. Gleich-
° °
zeitig sieht man, daß in diesem Beispiel spezielle Eigenschaften der Grundkörper C,
R (1 ... 1 auf C und R definiert und multiplikativ; > und o:P > für 0: > in R
wohldefiniert) sowie topologische Betrachtungen eingehen.
Da man sich in der Physik einen puristisch-algebraischen Standpunkt nicht lei-
sten kann, geben wir nun eine modernisierte Version der "Komponentendefinition"
von Tensoren und allgemeinen Größen über V, die nach Produkten von Darstellungen
obiger Art transformieren, an, wie sie heute vielfach verwendet wird. Im folgenden
bedeute K" entweder C" oder Rn, den K-Vektorraum der n-zeiligen Spaltenvekto-
ren aus Zahlen E K, der in {(1,0,0, . .. )T, (0,1,0, . . .)T, ...} eine kanonische Basis
besitzt, von der wir wieder loskommen wollen.
Es sei B(V) die Menge aller Basen in V: ein Element b = {b;} fungiert dann
als Isomorphismus b: K" ~ V , indem jedem Spaltenvektor v = (vi) E K" der
Vektor bv = bivi E V zugeordnet wird. (Wir haben hier die Multiplikation von
Vektoren mit Zahlen als Rechtsmultiplikation geschrieben, um bv sowohl symbolisch
als auch als Matrixmultiplikation lesen zu können, wenn man b als Zeilenmatrix
aus Basisvektoren liest.) Eb~nso liefern di~ Ele~~nte b = {bi} von B(V) := BfY)
Abbildungen b: V ~ K", bv := v = (v') = (b'(v)), und in diesem Sinn ist b =
b- 1 : bob = idv , bob = 1. (Diesen Gleichungen kann man wieder eine Matrixlesart
geben, wenn man b als Spalte von Kovektoren und 0 als 0 in der vorletzten, als ( I )
in der letzten Gleichung liest.)
Die Auszeichnung einer beliebigen Basis b stellt eine umkehrbar eindeutige Zuord-
nung B(V)HGL(n,K) (nichtsinguläre n x n-Matrizen mit Elementen aus K) her, bei
der jedem b' E B(V) die Matrix S = bb', (d.h., S\ = (ill bD) und jedem S die Basis
b' = bS (d.h., bi = bkS\) entspricht. Da diese Zuordnung wegen der willkürlichen
Auszeichnung von b nicht kanonisch ist, geht nur wenig von der Gruppenstruktur
von GL(n, K) auf B(V) über: es gibt keine neutrale Basis, keine zueinender inver-
sen Basen und keine Multiplikation in B(V) , die natürlich definiert wären. Lediglich
der Rechtsmultiplikation S ~ SS' in GL(n, K) entspricht eine R echtswirkung von
GL(n , K) auf B(V): b ~ bS'. (Der Linksmultiplikation S ~ S'S in GL(n , K) hinge-
gen entspricht nichts unmittelbar Natürliches; formal ist aber durch b ~ bS,-l eine
Linkswirkung von GL(n, K) auf B(V) gegeben.) Diese Rechtswirkung b ~ bS von
GL( n , K) auf B(V) ist einfach-transitiv, d.h. frei (für S ::/= 1 ist bS ::/= b) und transitiv
(zu jedem Paar b, b' existiert ein S (= bb') mit b' = bS).
Die Gruppe GL(n, K) wirkt auf K" in der üblichen Weise: v ~ Sv. Dies ist
eine Linkswirkung. Dadurch wirkt GL( n, K) auch auf dem kartesischen Produkt
B(V) x K" von links, indem S das Paar (b,v) in das Paar (bS-t, Sv) überführt.
Bezeichnet man zwei Paare als äquivalent, wenn sie durch ein S EGL( n, K) ineinan-
derübergeführt werden können, kann man den Quotienten (B(V) x Kn)/GL(n , K)
bezüglich dieser Äquivalenzrelation bilden. Es ist klar, daß diese Äquivalenzklassen
umkehrbar eindeutig den Vektoren aus V entsprechen: v = bv = bS-1Sv HKlasse
von (b , v) . Dies entspricht genau der Komponentendefinition von Vektoren : v und
B .14 9-Geometrien und Größen vom Typ (9 ,0') 333
-liT = C li C- , -li* = D l i D- .
1 1
Dabei sind C, ß, D bis auf komplexe Faktoren eindeutig bestimmt. Anwendung von
T , t, * auf die letzten Relationen und nochmalige Verwendung derselben sowie des
Schursehen Lemmas ergibt
Anwendung von T, t, * liefert c = ±1, Ibl 2 = 1, d = d*. Durch Verfügen über die
noch freien Faktoren kann b = 1, Idl = 1 erreicht werden, während das in Aufgabe 5
zu Abschnitt 9.1 angegebene Argument c = -1 zeigt . Damit bleibt der freie Faktor
von C noch beliebig komplex (# 0), der von ß beliebig reell (# 0) und der von Dein
belieb iger Phasenfaktor. Aus den definierenden Relationen für ß, C folgt dann, daß
neben ßt = ß, C T = -C auch (-y wie in (9.1.29))
Transponiert man 'Yl, benützt den Ausdruck für -'Yr und vergleicht mit -'Yi ,
liefert das Schursehe Lemma weiter (ßTtlC <X D, und bei geeigneter Wahl des
Faktors bei C können nun die noch freien Faktoren von ß, D eindeutig so gewählt
werden, daß
(ßTf1C=D
gilt, was weiterhin vereinbart sei. Mit dieser Proportionalität kann gezeigt werden,
daß tatsächlich d > 0, also d = 1 nach obiger Faktorwahl. Es gilt nämlich unter
Benützung der bisherigen Relationen
Abb. C.!
= ,../. ·../ ·..P-l diagonalisiert, sind dann die Matrizen für C und D bis auf ein gemein-
sames Vorzeichen und jene für ß überhaupt eindeutig gegeben durch
so daß die Realitätsstruktur jedenfalls unter .c~ (für d(L) = signL Oo sogar unter .c)
invariant ist . Die diesbezüglich reellen Spineren nennt man Majorana-Spinoren, sie
haben in einer Majoranabasis reelle Komponenten, die S(L) dann reelle Matrizen.
Aus -,i = D,iD-1 folgert man auch, daß in einer Majoranabasis die Matrizen für
,i
die rein imaginär werden (Majoranadarstellung).
Bei der Signaturkonvention 7]ik =(- + + +) ergäben sich reelle Matrizen, weil dann D durch
D' := D, mit D',iD,-l = +,1' zu ersetzen wäre, um D'· D' = +id zu erreichen.
Die durch D definierte antilineare Abbildung V : I: --+ I: heißt Ladungskonju-
gation: Genügt ein Spinorfeld 'ljJ der Dirac-Gleichung mit elektromagnetischem Feld
(A k •• • Viererpotential, 1i = c = 1):
setzt, wie die Anwendung von 'D (unter Berücksichtigung der Antilinearität und von
1),i1)-1 = -,i) auf die vorige Gleichung zeigt. Im Hinblick auf das in Abschnitt 9.6
Gesagte ist es von Interesse, das Quadrat der Operatoren zu T und PT zu bestimmen.
Es war (vgl. (9.1.29)) bis auf hier unwesentliche Phasenfaktoren S(PT) = " S(P) =
,0, also S(T) = ,1,2,3,
oder allgemeiner S(n) = "ini für die Spiegelung an einer
Hyperebene mit dem zeitartigen Normaleneinheitsvektor n. Damit verifiziert man
mittels der in C.l angegebenen Relationen
('DS(n))2 = (1)S(T))2 = ('DS(PT))2 = -id1:.
Wir führen hier noch konkret die Transformation durch, die von der Basis (b1, b2, ba, b4), auf die
sich die Matrixdarstellung (9.1.13) der 'Yi bezieht, zu einer Majoranabasis (mi> m2, ma, m4) führt .
(Andere Majoranabasen erhält man dann durch beliebige (reguläre) reelle Substitutionen.) Zur Ma-
trixdarstellung (9.1.13) haben wir oben die Matrix D angegeben; schreiben wir für die Spalte eines
Majoranaspinors in dieser Basis ( : ), wo u, v zweizeilige Spalten sind, ergibt die Realitätsbedin-
gung Dt/J = t/J" einfach u =beliebig, v = -w". Um eine Basis zu erhalten, nehmen wir für u der Reihe
nach (~), (~), (~), (~) . (Man beachte, daß diese über C linear abhängigen Spalten wegen
der Nichtlinearität der Bedingung Dt/J = t/J" über C zu unabhängigen Majorana-Basisvektoren über
R führt!) Die so entstehenden Spalten (:) bilden auch die Spalten der Transformationsmatrix 8
zwischen den Basen:
1 0 0) i
(mi> m2,ma,m4) = (b1,b2,ba,b4) ~
( -i ~ ~ = (b1+b4 ,b2-ba,i(b1-b4) ,i(b2+ba))
1 0 -i 0
::} (b1, b2, ba, b4) = ~(m1 - ima, m2 - im4, -m2 - im4, m1 + ima).
Aus der zweiten Zeile liest man 8- 1 ab und findet damit für ('Yk)MaJorana.
. = 8- 1 . (9.1.13) ·8 die rein
imaginären Matrizen
o
'YM.j =
(00 01)
0 0 -i 0
0 i o 0
_
-
(0 -0"2)
-0"2 0 '
1
'YM.j -
_
("
0
~
0
0 0 -i
0 0
0) 0 iO"a)
~ = CO"a o '
-i 0 o 0 -i 0
0 0
il 0 -~o ) ~ (-10"1
0 0
Unter der Bispinordarstellung L ~ ±S(L) von.c~ bleiben die drei durch C, ß und D
definierten Strukturen auf ~ invariant. Man könnte nun fragen, welche Gruppen man
erhält, wenn man nur an je einer dieser Invarianzen festhält. Wir erinnern zunächst,
daß 0 : ~ ~ :E auch als Element von 1\ ~ aufgefaßt werden kann, wobei wir
~ 2~
die Invarianz (9.1.27) auch als 5(L)1\20 = d(L) 0 schreiben können . Aus ihr folgt
5(L)1\4 (C /\ C) = C /\ C, also detS(L) = 1.
An der Bedingung det S = I wollen wir bei allen folgenden Verallgemeinerungen
festhalten. Die Abbildungen S lassen dann die oben eingeführte Determinantenfunk-
tion e invariant und vertauschen mit den dadurch definierten Dualitätsoperationen.
Sie lassen daher auch das durch (F I G) := H*F I G) definierte symmetrische Ska-
larprodukt auf 1\2 ~ invariant. Wir erhalten also nach Parameterzahlvergleich den
lokalen Isomorphismus
SL(4,C) ~ SO(6,C),
der natürlich wieder ein 2: I-Homomorphismus ist (S = ±idI; ~ 51\2 = idI\2I;) '
Für das Folgende zeigen wir, daß C, CI' C l l k eine Orthogonalbasis bilden. Dazu
benützen wir die (z.B. durch eine Rechnung mit Indizes zu verifizierende) Identität
in der links die Tensoren als Abbildungen zu interpretieren sind (Sp = Spur =
= Kontraktion) und unsere Konvention bei ( I ) zu berücksichtigen ist. Aus ihr
folgt C = _C- 1 sowie -t SpFG = (F IG) = (*C- 1 I C- 1 ) (F IG). Für F = G = C
liefert das (*C- IC- ) = -2 oder
1 1
Aus den Spureigenschaften der li, insbesondere ~ Sp Ink = ~ Sp I(nk) = ru», kann
nun leicht die Orthogonalität der Basis und .
(Clli I C l l k ) = 7lik
verifiziert werden.
Betrachten wir die Untergruppe, die nicht nur C /\ C, sondern C selbst invariant
läßt, d.h. die symplektische Gruppe Sp(4 ,C) , so bleibt damit ein eindimensionaler
Teilraum von 1\ 2 ~ invariant. Da ('C I C) =I- 0, folgt wie vorher
Sp(4,C) ~ SO(5,C).
lokal
Analoges gilt bei Invarianz von CI' ... ; durch Durchschnittsbildung kann zu den
niedrigeren komplexen Drehgruppen abgestiegen werden, insbesondere zu SO( 4,C).
340 C. Majoranaspinoren und einige Isomorphismen
Damit ist die zu Beginn dieses Abschnitts gestellte Frage beantwortet. Der
Vollständigkeit halber sei noch gezeigt, wie man zu den reellen Gruppen SO(5 ,1)
und SO(6,R) gelangt. Die S(L) kommutieren für L E .c~ mit i, lassen daher auch
die durch Ci, ßi, D"Y = D' gegebenen Strukturen invariant. Die Invarianz von C"Y
wurde schon besprochen; ß"Y liefert ebenfalls eine pseudounitäre Geometrie (Signatur
+ + - -) in :E und damit nichts wesentlich Neues (jetzt werden iC, Ci, C"Yik reell,
( · 1, ) wird diag (+ - + - - -)) . D' = D"Y erfüllt D'* D' = -idE und definiert daher
eine quaternionische Struktur auf :E; beim Quadrieren verliert sich aber das störende
Vorzeichen, d.h., D' liefert eine Realitätsstruktur auf 1\2 :E. Die Realitätsbedingung
~1\2 ~
lautet jetzt D'P = P* D' und wird von C , C"Y, Ciik erfüllt, was ( ./.) die Signatur
(- - +- - -) verleiht. Bezeichnet man den Schiefkörper der Hamiltonschen Quater-
nionen mit H, so schreibt man den erhaltenen lokalen Isomorphismus aus Gründen,
die in Abschnitt B.6 angedeutet sind,
SL(2, H) ~ SO(5,1).
lokal
Um SO(6,R) zu erhalten, also eine kompakte Gruppe, ist von einer kompakten
Gruppe im Spinorraum auszugehen, vermutlich von SU(4), die durch die Invarianz
C.3 Einige Gruppenisomorphismen 341
einer positiv-definiten hermitischen Form gekennzeichnet wird. Als Kandidat für die
Verifikation in unserem Formalismus bietet sich an, in obiger Prozedur ß durch ß'Yo
zu ersetzen. Man verifiziert dann tatsächlich, daß iC, iC'Y, C'Yi in diesem Sinn reell
sind; die Form ( . I·) bekommt die Signatur (+ + + + + +), und es gilt
SU(4) ~ SO(6,R).
lokal
Von diesen Gruppen spielt in der Physik vor allem SU(2,2) als vierblättrige Über-
lagerungsgruppe der konformen Gruppe des Minkowskiraums (Invarianzgruppe der
Gleichung ds 2 = 0) eine Rolle; vgl. Penrose-Rindler (1986).
Anhang D
Poincare-Kovarianz in der zweiten Quantisierung
Wir erwähnten in Abschnitt 9.5 die durch das notwendige Auft reten "negativer Fre-
quenzen (Energien)" bewirkten Schwierigkeiten des Einteilchenbildes. Die Antiteil-
cheninterpret ation der Zustände negativer Energie zwingt bei Wechselwirkung im
allgemeinen zum Arbeiten in einem Mehr teilchenformalismus, dessen Aufbau deshalb
bereits im wechselwirkungsfreien Fall zweckmäßig ist (Fock-Raum) . Bei Wechselwir-
kung , etwa in einem teilchenerzeugenden äußeren Feld , ist dan n mit (wenigstens)
zwei derartigen Fock-Räumen zu arb eit en ("ein"- und "auslaufender" Fock-Raum ),
die der zur Wechselwirkung gehörende sogenannte S-Operator ineinan der ab bildet
und so Streu-, Erzeugungs - und Vernichtungsprozesse beschreibt. (Siehe z.B. Henley
& Thirring (1975); H. Rumpf & H. Urbantke, Ann . Phys. (N.Y.) 114, 332 (1978)).
Wir wollen in diesem Anhang lediglich für den einfachste n Fall, das freie, neutrale
(Teilchen == Anti teilchen) skalare Feld , die Poin care-Kovarianzeigenschaft dieses For-
malismus aufzeigen. Eine ausführli chere Behandlung mit Berücksichtigung der wegen
der auftret end en (unendlichdimensionalen) Hilberträum e nötigen A nalysis gibt z.B.
Kastler (1961) (der mehr als die Hälfte seines Buches den freien Feldern widmet und
vor allem das Maxwell- und Diracfeld diskutiert). Die physikalische Diskussion von
Observablen und Zuständen sowie der nicht tri vialen Züge relati vist ischer freier Fel-
der findet man in Henley & Thirring (1975); es mag ab er auch von Vorteil sein, sich
einmal vor Augen zu führen, welche Aspekte der Th eorie "triviale lineare Algebra"
sind.
wie ein Blick auf die Fouriertransformierte zeigt. (Während eine komplexe Konjuga-
tion in einem abstrakten Vektorraum über C die Auszeichnung einer Zusatzstruktur,
einer Realitätsstruktur, erforderte, genügt beim vorliegenden Funktionenraum H die
Konjugation im Wertebereich C C zur Definition einer Konjugation in H!) Der so
definierte Operator ist dann antiunitär, d.h ., er führt (<p I'ljJ) in (<p I'ljJ)* über (vgl.
Abschnitt 9.2).
Zu den nunmehr unter P invarianten Teilräumen H± gehören mit den U( a, L)
kommutierende Projektionsoperatoren P±, die bezüglich ( I ) durch Integralkerne
6±(x;x') dargestellt werden können. Ist {+<Pk E H+ , -<PI E H-} irgendein an H±
angepaßtes vollständiges Orthonormalsystem in H, so daß also
(die -<PI können z.B. als (+<PI)* gewählt werden, müssen aber nicht), dann haben wir
die Entwicklung
also ausgeschrieben
mit
Definieren wir zu jedem dieser Kerne K(x; x') eine vom Parameter x abhängige
(verallgemeinerte) Wellenfunktion Kr gemäß
[a(<p),at(?jJ)] = (<pI?jJ)idV(H+).
Als Feldoperator bezeichnet man den Operator
D.3 Poincere-Kovsrienz des Formalismus und Erhaltungsgrößen 345
auf V(H+) . <I>(x) genügt in x der Klein-Gordon-Gleichung und hat als hermiti-
scher Operator reelle Erwartungswerte. (Man spricht deshalb auch von einem re-
ellen Skalarfeld, doch bezieht sich das nicht auf die zu den Einteilchenzuständen
gehörenden komplexwertigen Wellenfunktionen r.p E H+!) Einsetzen der Entwick-
lung von .6.;- gibt die übliche Zerlegung von <I> ( x) nach einem vollständigen System,
<I>(x) = +<I>(x) + -<I>(x)
und eine analoge Relation für den Vernichtungsoperator, wenn die Unitarität von U
berücksichtigt wird. (Wir beschränken uns hier zur Platzersparnis auf pT; ähnliche
Umformungen mit Zwischenschaltung einiger komplexer Konjugationen sind für -pi
auszuführen.) Der Beweis wird also erbracht sein, wenn
U- 1 UA±x A±
- u L - 1{x_a)
liefert. Dies folgt aber aus der pLlnvarianz der Räume H±, die sich in P±U = Up±
ausdrückt: für beliebiges ep E H ist
(man erinnere sich an die Definition von ±<1>(x) und von a(•• •), a t (. ..», die aber auch
Derivationen auf V(H+) sind, weil allgemein für v E Y, a E V Produkte p(v) t(a) auf
V(Y) ebenso wie auf f\(Y) als Derivation wirken (Verifikation mittels der Formeln
in Abschnitt B.12). Aus der Derivationseigenschaft folgt für cp E VP(H+)
NIVP(H+) = pidVP(H+)
(NeIVP(H+) cp) (XI, . . . ,xp ) = (iek(x1) a:~ + ...+ iek(x p) a:;) cp(XI, . .. ,xp ) .
weil die Differenz der Integranden unter Verwendung von Feldgleichungen und Killing-
Gleichung in (<1> <1>[ie1),k und Jda, hiervon in ein Oberflächenintegral im Unendli-
chen umgeformt werden kann, das unter den üblichen Randbedingungen verschwindet
(man sieht das am einfachsten durch Verwendung von 17: XO = const. wie in Abschnitt
10.2). Dieselbe Umformung ist auch (ohne Gebrauch des kommutativen Gesetzes) für
das Operatorfeid <1>(x) möglich, wenn unter 0 ik der hermitisch gemachte Ausdruck
verstanden wird (d.h ., <1>,i<1>,k --t t(<1>,i<1>,k + <1>,k<1>,i».
Die gefundene Erzeugende Ne ist dann die sogenannte normalgeordnete Form
dieses Ausdrucks, die entsteht, wenn <1> = +<1> +-<1> substituiert und überall die Fakto-
ren +<1> rechts der -<1> geschrieben werden (man beachte die Orthogonalität zwischen
Funktionen mit nur positiven und nur negativen Frequenzen im rechtsstehenden In-
tegral). Sie unterscheidet sich von der ungeordneten Form um ein (etwas schlecht
definiertes) Vielfaches von idV(H+)' Man sieht dies am deutlichsten, wenn man +~
348 D. Poincere-Koverienz in der zweiten Quantisierung
nach orthonormalen Eigenfunktionen epk von XIH+ entwickelt (und -<I> nach deren
konjugiert-komplexen) . Es ergibt sich (Xk •• • Eigenwerte von X, nur zur Vereinfa-
chung der Schreibweise als rein diskret angesetzt)
-~
2
1
o
da, <I> äi(eOk<I» = ~ L x, (atak + akat)
2 k
= Nt, + ~Sp XIH+ id
2
aufgrund der Vertauschungsrelationen. Für Impuls und Drehimpuls berechtigt die
aus deren Vektoroperatornatur folgende Form des Spektrums, den "Nullpunktsterm"
! Sp XI + gleich Null zu wählen. Das positive Energiespektrum aber bewirkt eine
unendli~e Nullpunktsenergie, deren restloses Verständnis, insbesondere im Zusam-
menhang mit der Gravitation, noch nicht geglückt ist .
Notation und Konventionen
1. Allgemeine mathematische Symbole
~ daraus folgt
-+ strebt gegen, oder: geht über in
~ ungefähr gleich (in der betrachteten Genauigkeit)
cx ist proportional zu
A :=B
B =: A A ist definiert durch B
= identisch gleich
R Menge der reellen Zahlen (als Vektorraum auch: R l )
C Menge der komplexen Zahlen (als Vektorraum auch: Cl)
* komplexe Konjugation
* vorangestellt: Dualenbildung bei Tensoren gemäß (5.5.10)
mE M, M 3 m m ist Element der Menge M
Ne M, M => N N ist Teilmenge von M
M = {m I...} M ist die Menge aller m, die durch .. . spezifiziert sind
Mn N Durchschnitt der Mengen M, N
M u N Vereinigung der Mengen M, N
o leere Menge
M x N cartesisches Produkt der Mengen M , N (Menge aller geordneten Paare
(m,n), wo m E M, nE N)
8f _. _.
8x -. 8xf - . f ,x
8f
-8. = : 8;j =: f ,i =: "V;j
x'
d3x Volumselement im R 3 , = dx l dx 2 dx 3 = dx dy dz
d4 x Volumselement im R 4 oder Minkowskiraum
dO vektorielles Flächenelement einer Fläche im R 3
da, vektorielles Flächenelement einer Hyperfläche des Minkowskiraumes
gemäß (5.6.8)
8G . . . Rand des Integrationsgebietes G
3. Dirac-Funktion
5. Gruppen
g, H, . . . abstrakte Gruppen
e Einheitselement von g
9- 1... Inverses Element von 9 E g
g ~ 1i . . . Isomorphie
p Poincaregruppe
! Lorentzgruppe
T Translationsgruppe
Die Untergruppen !~, !+, !T , !o von! sind in Abschnitt 6.3 definiert;
ihnen entsprechen Untergruppen p~, P+, i», Po von P
O(n) bzw. O(n, C) . .. orthogonale Gruppe des Raumes Rn bzw. C"
O(p, q) ... pseudoorthogonale Gruppe von Rp+q (läßt die quadratische Form
xi +...+ x~ - x~+l - . .. - x~+q invariant)
U(p, q) ... pseudounit äre Gruppe des Cp+q (läßt die hermi tische Form
IX112 + ... + Ixpl -lxp +l 1 - • • • -lx p+qI invariant)
2 2 2
U(n):=U(n,O)
Notation und Konventionen 351
XO = t . . . (inertiale) Zeitkoordinate
(Xl, x 2, x3 ) = X ... orthogonale cartesische Koordinaten
Summenkonvention: xiai := I:i xiai, etc., d.h ., bei doppelt vorkommenden Indizes
ist - wenn nichts Gegenteiliges vermerkt - über deren Wertebereich
zu summieren.
o
wenn gleiche Indizes vorkommen
+1
wenn Indizes durch gerade Permutation
Permutationssymbol: f(ikmn .. .) := aus natürlicher Reihenfolge hervorgehen
-1 wenn dazu ungerade Permutation nötig
ist
(3.4.1,5). An Größen, die 3-tensoriell sind, aber nicht als Teile eines
4-Tensors desselben Typs auffaßbar sind, sowie im ganzen Kapitel 7:
mittels DlJv , D lJv • Solche Größen sind z.B. die 3-Geschwindigkeit v =
= (vI') = (VI') oder die Feldstärken E = (EI') = (EIJ), B = (BI') =
= (BIJ) , sowie flJv>' = flJ v>' = f/>' = ... .
7. Physikalische Konventionen
c . . . Lichtgeschwindigkeit, durch geeignete Einheitenwahl = 1 gesetzt
h = Plancksches Wirkungsquantum
1i = h/21r, meist durch geeignete Einheitenwahl = 1 gesetzt
v ... Relativgeschwindigkeit zwischen Inertialsystemen
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F Gleichzeitigkeit, absolute 21
Faktordarstellung 161 -, Relativität der 14, 21
Faradaysche Röhren 112 globale thermodynamische Größen 315
Felder , skalare 59, 61, 196, 283 GPS 47
- , Spinor- 203, 244ff, 289 Gramsehe Determinante 99, 103
- , Tensor- 244 Gruppe 49
-, Vektor- 61, 202, Gruppengeschwindigkeit 24
Feldgleichungen, kovariante 207, 245, Gruppenmannigfaltigkeit 135, 188
278 Gruppoid 139
Feldlinien 108, 109, 202 gyromagnetisches Verhältnis 41
Feldstärken, elektromagnetische 86, 88,
151 H
-, Transformationsverhalten der 108, Halbeinfachheit 175
151 Hauptrichtung 236
Feldstärkentensor 88 Hauptspinor 231
Feldtheorie, lokale 280 Helizität 276, 292, 310
Fernwirkungstheorie 85, 315 hermitisch konjugierter Operator 178,
Fierz-Transformation 252 321
Flüssigkeiten, geladene 314 hermitische Erzeugende 178, 180
-, ideale 311f hermitischer Operator 178
-, nichtideale 314 Hilbertraum 153, 177, 253
Frequenzanteile, positive und negat ive Hintergrundstrahlung, kosmische 73,
283,285 315
Frobeniussches Reziprozitätstheorem Hodge-*-Operation 97
207 Hodograph, relativistischer 66
Frontgeschwindigkeit 24f homogener Raum 65, 200, 207
Fundamentaldarstellung 195, 217ff homogenes Vektorbündel 206
Homogenität des Raumes 4
G - der Zeit 4
Galilei-Relativität 9, 21 Hydrodynamik idealer Flüssigkeiten
Galilei transformation 7, 20 311
Gaußscher Integralsatz 102
Gegenwart 22 I
Gesamtdrehimpuls, klassischer 306 Idempotente Operatoren 157
- , Operator 203, 261 Impuls 303
Gesamtladung 105 - des elektromagnetischen Feldes 114
- , Invarianz der 105 - -dichte 115, 303
Gesamtorientierung 56 - -erhaltung 67, 76, 113f, 204, 303
Gesamtspin 306 - -operator 201, 261
Geschwindigkeitsadditionstheorem 38 - -raum 63f
Geschwindigkeitsreziprozität 7, 38 induzierte Darstellung 207, 269
Geschwindigkeitstransformation 6, 9, Inertialsystem 1-11
11 infinitesimale Drehung 168
Gewicht einer Darstellung 181 innere Symmetrie 301
Gleichortigkeit, Relativität der 21 inneres Produkt 179
Sachverzeichnis 369
Viererkraft 64 Z
Viererpotential 87, 153 Zeit, absolute 9, 47
Viererquadrat 52 -, lokale 12
Viererskalare 53 Zeit-Pseudotensor 240, 333
Viererskalarprodukt 53 zeitartigen Drehungen 144
Viererstrom 87, 153, 300 Zeitdilatation 32, 35, 38
Vierervektoren 52 Zeitkoordinate, imaginäre 19
- , lichtartige 53 Zeitorientierung 53, 236, 334
-, raumartige 53 Zeitumkehr 58, 141, 153
-, vergangenheitsgerichtete 54, 55 zentrale Erweiterung 187, 214, 317
-, zeitartige 53 zentraler Normalteiler 214
-, zukunftsgerichtete 54, 55 Zentroid 306
Vierervektorfelder 59 Zentrum 214,317
- , Ausreduktion der 285 Zirkularpolarisation lUO, 273, 276
visuelle Beobachtung 28 Zukunft 22
Volumen, orientiertes 95 Zusammenhangskomponenten 136,
Volumselement 101 142f
- einer Hyperfläche, skalares 103 Zustandsgleichung 311
- - - , vektorielles 103 zweideutige (= wertige) Darstellung
- im Impulsraum 82 187
- , invariantes, von SO(3) 190, 197 zweite Quantisierung 281, 342
Volumskraft 311 Zwillingsparadoxon (-problem) 33
Vorwärtslichtkegel 22, 54 zyklischer Vektor 154
W
Wellengleichung 245
Wellenlänge, reduzierte 59
Wellenzahl-Vierervektor 59, 69
Welt 9
Weltlinie 2f
Weltröhre 26
Weyl-Gleichung 246, 277f
Wigner-Basis 269, 286, 290
Wigner-Rotation 144, 272
Wigner-Theorem 253
Wirkungsintegral 297
- für Dirac-Gleichung 301
- für Klein-Gordon-Gleichung 301
- für komplexes Skalarfeld 303
- für Maxwell-Gleichungen 302
- für Proca-Gleichungen 302
-, Forminvarianz des 300
Wirkungsprinzip 279, 299f