Helles Licht, Brauntöne, Grün, blaues Wasser: Adamas Welt ist voller Farbe. Der 12jährige lebt mit seinen Eltern und seinem großen Bruder Samba ein anscheinend weitgehend sorgenfreies Leben in einem Dorf irgendwo in Westafrika. Geschützt liegt der Ort auf einer Tiefebene, rundherum steile Felswände, dahinter die Welt der Winde: Die Außenwelt, vor der die Älteren im Dorf warnen. Von dort kommt Unglück und Versuchung.
Samba will sich damit nicht zufriedengeben. Er sucht die Weite, ist ihrem Ruf längst erlegen, als die Feier zu seiner Initiation unterbrochen wird, weil der Dorfälteste eine Möwe als schlechtes Omen versteht. Noch in der gleichen Nacht bricht er auf, zu einem fremden Volk als Krieger will er dazustoßen – seinen Sold in Goldstücken, den er vorab bekommen hat, lässt er für seine Familie da.
Das Dorf ist am nächsten Morgen in Aufruhr und gibt den aufsässigen jungen Mann verloren. Adama erträgt das nicht: Er greift sich Sambas Gold und läuft ihm hinterher – durch die Wüste zu einer Küstenstadt, in ein riesiges Schiff hinein (dem seinen hinterherfahrend), nach Paris, an die Front…
Wir schreiben das Jahr 1916, die Geschichte von Adama und Samba ist eine fiktionale Variation auf die gern vergessenen Schicksale der „Force noire“ bzw. „Tirailleurs sénégalais“. Frankreich rekrutierte – mehr oder minder freiwillig – in seinen schwarzafrikanischen Kolonien Kämpfer für seine Armeen, die im ersten (und später auch zweiten) Weltkrieg an der Seite französischer Soldaten kämpften.
Adamas Reise führt vom Licht und den offenen, sonnigen Himmeln Afrikas hin zu den wolkenverhangenen Tagen und Nächten in Frankreich, hin zu den zunehmend düsteren, dunklen Schützengräben von Verdun. Regisseur Simon Rouby nimmt sich in seinem ersten Langfilm dabei so einige historische Freiheiten (bis hin zur insgesamt völlig unwahrscheinlichen Erzählung über Adama selbst, die eine Coming-of-Age-Geschichte als Mysteriendrama und Abenteuerfilm erzählt), aber neben seiner eigentlichen Erzählung fungiert der Film erfolgreich als historisches Denkmal.
Die Filmbilder haben stellenweise die Qualität von Ölgemälden – das bewirkt die Produktionsweise der Animationsbilder. Die Figuren wurden zuerst von Hand modelliert und dann als 3D-Modelle per Computer animiert, während die Hintergrundbilder in 2D gemalt wurden. So stechen die Figuren deutlich heraus, wirken aber, als seien sie mit ständig wechselnden Pinselstrichen gemalt, manchmal gar, als seien sie immer neu aus changierendem Lehm geformt. Immer sind sie dicht an der Erde, nie ganz scharf bis ins letzte Detail konturiert: Unvollständig, werdend.
Es gibt viel Ungerechtigkeiten und auch einige Gewalt in diesem Film; am Ende steht eine Auflösung, die wunderbare Rettung sein könnte oder Tod, unendliches Glück oder Wahnvorstellung der Todgeweihten. Man weiß es nicht. Abdu, der Narr, geleitet Adama und Samba, endlich wieder vereint, dorthin; und dieser Narr, von Anfang an unschuldig und wirr, klar und wahnsinnig, erdet alles, was in Adama geschieht. Er warnt vor den falschen Götzen, vor Gier und Irrtum: „Ihr werdet alle ins Feuer geworfen. Rettet diejenigen, die nicht vergessen haben, woher sie kommen.“
Retten, und: gegen das Vergessen anrennen.
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Adama. Frankreich 2015. Regie: Simon Rouby. 82 Minuten, empfohlen ab 12 Jahren.
(Fotos: Ocean Films)