Viele traditionelle Märchen leuchten ja auch deshalb so hell beim Vor- und Selberlesen, weil vergangene Zeiten aus allen ihren Poren strahlen: Sei es in der Sprache, in ungebräuchlichen, altertümlichen Begriffen, sei es in den Dingen, die die Menschen tun, in den Tätigkeiten, die sie ausüben. Wer weiß heute noch, was ein Köhler macht? Für Das kalte Herz, die Erzählung von Wilhelm Hauff ist der Beruf der Hauptfigur allerdings wichtig: Nicht nur ist er ein armer Mann ohne wirkliche Chance auf Aufstieg, er sitzt auch allein im Wald, mit zu viel Zeit für seine eigenen Gedanken und viel zu nah an den Geistern, die zwischen den Bäumen leben.
In Marc-Andreas Bocherts neuer Inszenierung wird aus dieser fremden Welt ein pittoreskes Quasi-Mittelalter, in dem die meisten Menschen zu sauber wirken für die harte Arbeit, die sie verrichten, und Peter Munk, der gerade so erwachsene Köhlersjunge, selbst auf dem Dorffest noch dekorative schwarze Striemen im Gesicht trägt. Natürlich verliebt er sich in Lisbeth, die zugleich der Sohn des reichsten Mannes im Ort begehrt; und da soll ihm das Glasmännchen helfen, das Sonntagskindern wie ihm drei Wünsche erfüllt.
Das kalte Herz gehört zu den pädagogischeren Märchen, die törichten Wünsche werden Peter zwar erfüllt, aber sogleich entsprechend kommentiert, und gelingt ihm nichts richtig, weil nur Erwünschtes, nicht Erarbeitetes nie sicheren Boden gibt, und entsprechend lässt sich Peter schließlich mit dem „Holländer-Michel“ ein, dem Teufel in handfester Waldgeistgestalt, der sich im Tausch gegen Reichtum Peters Herz geben lässt und ihm dafür einen Stein einsetzt. Fortan hat er erst einmal genug Geld, aber das Glück, mit Lisbeth zu leben, kann er nie erspüren.
Es steckt also alles drin in diesem Märchen, Eifersucht, Gier, Verzweiflung, Gefühle – aber so richtig warm wird man mit der Geschichte dann doch nicht. Denn Das kalte Herz ist ausschließlich Märchenbebilderung, es gibt sich ganz einer Idee von Märchenromantik (Schwarzwald! Mittelalter! Armut! Wünsche!) hin, die vage den DEFA-Märchenfilmen entstammen könnte, aber nie wirklich zum Leben erwacht. Die Dialoge wirken gelegentlich gestelzt, keine der Nebenfiguren erwacht so recht zu Leben, und da kann dann auch der Schwarzwald den Film nicht mehr wirklich retten.
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Das kalte Herz, Deutschland 2014. Regie: Marc-Andreas Bochert, 82 Min. Empfohlen ab 10 Jahren. (Michel Kinderfilmfest)
(Foto: Michel Kinderfilmfest)