Das Filmfest München (28. Juni-6. Juli 2013) wartet auch in diesem Jahr mit einer eigenen Sektion zum Kinderfilm auf – einige der Filme, die dort laufen, möchte ich hier in loser Folge gerne vorstellen.
Sascha (Marcel Hoffmann), 10 Jahre alt, muss jetzt auf die Förderschule; auch vergisst er schnell mal was, nimmt einfach Sachen mit, die ihm nicht gehören… Er macht, so nimmt man das erstmal war, wohl mutwillig Quatsch, aber auch nicht böswillig, ihm fehlt die Geduld auf etwas zu warten, und die Pause, die man bräuchte, um über das eigene Tun und seine Folgen nachzudenken. Bernd Sahlings Film macht es leicht, das erstmal auf die Lebensbedingungen zu schieben: Das Kind wohnt in einem gesichtslosen Neubau, die großen Geschwister sind keine Hilfe daheim – die Schwester raucht (bei ihr tauscht Sascha schon mal ein geklautes Feuerzeug gegen ein paar Zigaretten ein), der Bruder schwänzt seine Lehre; die Mutter (Inka Friedrich), alleinerziehend und berufstätig, steht dem hilflos gegenüber.
Aber so einfach ist es nicht, denn mit seiner Freundin Elli (Frieda-Anna Lehmann) ist er unendlich geduldig, wenn er mit ihr durch die Natur und die Stadt streift, wo sie mit Mikrofon und Aufnahmegerät Geräusche für ihre Klangkunstwerke sammelt. Als dann schließlich Frank (Claudius von Stolzmann) als Erziehungsbeistand bestellt wird, erkennt dieser, das Sascha unter ADHS leidet. Mit den Medikamenten wird er nicht nur besser in der Schule, auch sein Verhalten wird sozial verträglicher – nur mit Elli versteht er sich plötzlich nicht mehr.
Seine stärksten Momente hat Kopfüber, der auf der diesjährigen Berlinale seine Weltpremiere hatte, wenn er die Freundschaft zwischen Sascha und Elli zeigt, die von einer großen, beiläufigen und unaufgeregten Vertrautheit und Zärtlichkeit geprägt ist. Umso schmerzhafter wird dann der Prozeß, in dem Sascha durch die Medikamente immer müde ist, wenig an seiner Umwelt interessiert. Vor allem: er lacht nicht mehr.
Zugleich schwächelt der Film aber daran – und das ist kein Problem der Schauspieler, eher des Drehbuchs -, dass er sich nicht recht für einen Konflikt entscheiden kann. Geht es jetzt um ADHS und seine Akzeptanz in der Gesellschaft? Geht es um die Folgen der Medikamente für die Psyche der Betroffenen? Da wirkt der Film an vielen Ecken zu sehr gut gemeint in seinem Wollen; dabei überzeugt er durchaus darin, wie sehr Sascha, der zunächst allen Konflikten aus dem Weg geht, sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen beginnt und schließlich zu eigenen Entscheidungen kommt, also Verantwortung übernimmt – auch wenn völlig offen bleiben muss, ob es die richtigen Entscheidungen sind.
Ein also gemischtes Erlebnis, das aber einen recht klaren Blick in den Kopf seines Protagonisten ermöglicht; und dass so ein Film in Deutschland sogar einen Kinostart bekommt, ist allemal erfreulich.
Kopfüber, Deutschland 2012. Regie: Bernd Sahling. 90 Minuten, FSK 6, Kinostart: 24. Oktober 2013.
(Fotos: Filmfest München, Filmwebsite)
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