Die Vinyl-LP feiert seit einigen Jahren ein grandioses Revival und findet immer mehr Liebhaber. Beispielsweise beim bekannten Musikvertrieb Indigo macht die LP mittlerweile etwa 15 Prozent des Gesamtabsatzes an physikalischen Tonträgern aus. In einer doch eigentlich von den verschiedensten digitalen Formaten dominierten Zeit ist das ganz schön viel. Besonders kleinere Plattenlabels haben in den letzten Jahren im Zusammenspiel von Vinyl und digitalen Formaten interessante Wege zur Vermarktung entwickelt. Ein guter Grund, einmal genauer zu schauen, welche Vorteile diese Art der VÖ für DIY-Musiker bringt.
Ich selbst empfand die erste Vinyl-Auflage eines meiner Alben als eine Art »Ritterschlag«: Umwerfend das Gefühl, die große, schwere Doppelhülle in den Händen zu halten. Ich fühlte mich erinnert an meine Jugend, in der meine Schallplattensammlung das Herzstück, ja der Puls meines Lebens war.
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Philosophie
Warmer Klang, haptisches Erlebnis und eine unmittelbar fühlbare Wertigkeit für die Musik im Zeitalter der kostenlosen Musikstreams sind die Gründe, warum ein Vinylhörer gerne 20 bis 30 Euro für eine LP ausgibt.
Um Schallplatten zu hören, braucht man etwas Zeit. Die LP muss aufmerksam behandelt werden, sonst zerkratzt sie. Der Plattenspieler wiederum möchte bedient werden und die LP Seite für Seite angehört. Mehr noch: Um einen Titel einzeln anzuspielen, muss man schon ganz genau hinschauen, um mit der Nadel die entsprechende Rille zu treffen.
Geduld und Liebe zum Produkt sind hier also auf jeden Fall gefragt: Vinylhörer genießen mit allen Sinnen, und das Ganze hat etwas von einer Zeremonie. Das ist schon etwas anderes als eine gebrannte CD in den Player zu schieben oder im Spotify-Abo beliebige Einzeltitel hintereinander aus dem Netz sprudeln zu lassen. Und so erhält die selbstproduzierte Musik schon alleine durch die Tatsache, dass es eine Vinyl-Edition davon gibt, auch virtuell eine ganz andere Wertigkeit am hart umkämpften Musikmarkt.
Auf das Mastering achten!
Darauf geht bereits der erste Teil des Specials ein − und erfahrene Mastering-Engineers weisen auf die Besonderheit dieses Arbeitsschrittes bei der Herstellung von Vinyl hin. Denn Vinyl braucht ein speziell abgestimmtes Mastering, was eine DIY-Band unbedingt im Auge behalten sollte: Die Qualität vieler Vinyl-Pressungen leidet immens aufgrund der Tatsache, dass auf Loudness komprimierte Master, die ursprünglich für digitale Releases gedacht waren, einfach 1:1 auf Vinyl geknallt werden, worunter der Sound extrem leidet. Kompression und Limiting führen bei Vinyl nicht zu Lautheit, wie Mastering-Experte Robin Schmidt von 24-96 Mastering erklärt (siehe Seite 62).
Download-Voucher
Als besonderes Promo-Tool liegt vielen Tonträgern ein Bonus in Form eines Downloadgutscheines bei, mit dem man die digitale Version des Albums zusätzlich kostenlos herunterladen kann. Diese Download-Voucher sind ein wirklich schönes Give-Away und können auch von DIY-Künstlern und -Bands über Bandportale wie z. B: Bandcamp generiert werden. Der Standard-Account bei Bandcamp beinhaltet bereits 200 Codes, die man selber generieren und frei verwalten kann. Man könnte beispielsweise Flyer mit einem Download-Code für einen bestimmten Song auf Konzerten verteilen oder aber auch ein Album mit individuellen Download-Codes bestücken − für eine Kleinauflage reichen die 200 Codes also schon einmal. Mehr Codes kann man kaufen, und man bekommt von Bandcamp zusätzliche Codes bei digitalen Verkäufen ab einem Volumen von 500 US-Dollar.
Über einen Download-Code freut sich garantiert jeder für einen Tonträger zahlende Fan, wodurch eine gesteigerte Fanbindung stattfindet. Und auch die Mehrkosten für eine Vinyl-Auflage haben sich durch die recht hohen Gewinnmargen, die eine LP durch konstant hohe Verkaufspreise erzielt, in der Regel schnell amortisiert. Ein Grund mehr, das Projekt »Vinyl-Auflage« einmal ins Auge zu fassen!
Kosten
Damit das Projekt »Vinyl-Auflage« nicht zum Abenteuer wird, hier ein Blick auf die Herstellung und die damit verbundenen Kosten, denn um in die vorteilhafte Position zu gelangen, potenziellen Käufern eine LP anbieten zu können, muss zunächst investiert werden.
Durch das Vinyl-Revival haben sich etliche Anbieter auf genau die Belange von Bands und Künstlern spezialisiert, die mit einer Kleinstauflage an den Start gehen wollen. Rundum-sorglos-Pakete, bei denen alles nach Maß in Relation zum verfügbaren Budget gebucht werden kann, sind hier wohl die beste Wahl.
Wähle ich zum Beispiel eine Auflage von 500 Stück, komme ich inklusive Überspielung, speziellem Vinyl-Mastering, 140-Gramm-Vinyl-LP, Labeldruck, LP-Tasche, Konfektionierung und Versand auf einen Gesamtpreis von ca. 1.400 Euro; Singles oder EPs sind günstiger. Hier kann natürlich variiert werden: Farbiges Vinyl ist ebenso möglich (und nur unwesentlich teurer) wie Picture-Discs und schwereres (und somit qualitativ hochwertigeres) Vinyl.
Das Paket beinhaltet sowohl das Generieren von Download-Vouchern inklusive MP3-Hosting als auch das Drucken der dazugehörigen Flyer, die mit einem Code versehen und zu jeder einzelnen LP gelegt werden. Ebenfalls erhältlich ist ein EAN-Barcode, der für den Vertrieb via Amazon unumgänglich ist. Hierbei ist zu beachten, dass für den Vertrieb über Amazon gerade für eine LP besondere Voraussetzungen erfüllt werden müssen, die die Verpackung und Kennzeichnung betreffen.
Zu diesen reinen Herstellungskosten kommen noch Posten wie zusätzliche Grafikarbeiten für das LP-Artwork und die entsprechenden GEMA-Abgaben hinzu. So muss pro LP in einer Auflage von 500 Stück, je nach Ausführung und Qualität, mit Produtionskosten von ca. 3,50 bis 5 Euro pro Exemplar gerechnet werden.
Im Vergleich zur recht preisgünstig herzustellenden CD erscheint das zunächst viel, jedoch darf man erwarten, dass sich dieser Mehraufwand aufgrund des hohen Verkaufspreises sehr schnell amortisieren wird. Dieses weiß ich aus eigener Erfahrung: 500 verkaufte LPs ergeben am Ende des Tages einen viel höheren Reingewinn als die entsprechende Menge verkaufter CDs. Und viele Liebhaber der LP warten sogar darauf, dass die Musik als Vinyl-Edition erscheint. Überhaupt: Das Gefühl, seine eigene LP in den Händen zu halten, ist einfach nicht zu toppen. Es lohnt sich also …