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Endlich mal wieder ein ernsthafter Versuch, Pratchett auf die Leinwand zu bringen! Leider kommen die Regisseure an den Kern der Vorlage nie so ganz heran.

Maurice der Kater (2022)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Gebildete Nagetiere

In Terry Pratchetts Scheibenwelt sind auch sprechende Kater und Ratten denkbar – und als Trickbetrüger unterwegs.

Maurice, der Kater ist ein besonderes Katzentier. Er hört auf seinen Namen und ist genervt davon, stets falsch als „Morris“ angesprochen zu werden – denn Maurice versteht nicht nur die menschliche Sprache, er kann auch sprechen. Und seine zunehmend selbstbewussten Rattenfreund*innen auch.

„The Amazing Maurice and his Educated Rodents“, heißt der Roman von Terry Pratchett, dem dieser einzigartige Kater und seine gebildeten Nagetiere entsprungen sind. Pratchett-Kenner*innen wissen, dass es sich dabei um eine Märchengeschichte handelt, die im „Discworld“-Universum angesiedelt ist, wo Magie und andere Fantasy-Phänomene ebenso zum Alltag gehören wie allzu menschliche Verhaltensweisen wie Habgier, Ignoranz und Rücksichtslosigkeit.

Auch im 28. Scheibenwelt-Roman, der die Vorlage für diesen Film ist, hat der große Satiriker und viel zu oft als seicht abgetane Fabulierer Pratchett mehr Weltwissen versteckt als so manches „seriöses“ Buch – das beginnt mit einem ausführlichen Meta-Exkurs über Wesen, Struktur und Eigenheiten von Erzählungen, insbesondere Märchen, und endet noch nicht bei Überlegungen dazu, was ein denkendes Gehirn für die Wahrnehmung von Welt und Ich so bedeutet. Nur entspringen diese Gedanken hier halt Ratten, insbesondere einem nachdenklichen Exemplar mit dem schönen Namen „Gefährliche Bohnen“.

Regisseure Toby Genkel und Florian Westerman haben Pratchetts Geschichte, auf der Basis eines Drehbuchs von Terry Rossio, im Kern erhalten. Maurice (in der deutschen Fassung von Bastian Pastewka gesprochen) und seine Ratten ziehen zusammen mit dem eher naiv auf die Welt schauenden Jungen Keith durch die Scheibenwelt-Provinz und führen den Einwohner*innen von Dörfern und Städten ein wohl einstudiertes Theaterstück vor: Die Ratten tauchen in Küchen und Schlafzimmern auf, und nachdem die Angst vor einer Rattenplage die Menschen weichgekocht hat, spielt Keith für ein hinreichendes Entgelt auf seiner Flöte, deren Klängen die Nagetiere dann aus der Stadt folgen. Maurice, das Mastermind der Aktion, sorgt dann dafür, dass die Kasse stimmt.

Nur im Städtchen Bad Blintz scheint das Konzept nicht zu funktionieren: Rattenfänger gibt’s, aber heimische (nicht sprechende) Ratten sind nirgends zu sehen, der Ort scheint reich, aber niemand hat genug zu essen. Und die junge Tochter des Bürgermeisters, Malizia Grimm, wirft nur einen Blick auf Keith, Kater und Ratten und durchschaut das Geschäftsmodell sofort. Malizia (der Nachname kommt nicht von ungefähr) will, dass alle Dinge sich brav nach der Logik von Märchen und Geschichten ordnen, aber das Leben, versucht Maurice sie immer wieder zu erinnern, folgt diesen Regeln nicht … oder etwa doch?

Was an Maurice, der Kater letztlich flutscht und Spass macht, verdankt der Film Pratchetts Vorlage: die Hintergrundgeschichte, die stets implizit mitschwingende Tiefe und Breite des Scheibenwelt-Universums.

Das Meta-Narrativ über Erzählungen wird durch den Wechsel zwischen Malizia als Erzählerin und Maurice als ihrem Gegenpol übernommen. Pratchetts Parodie von Beatrix Potters Heile-Welt-Peter-Hase-Geschichten („Mr Bunnsy has an adventure“) wird elegant visualisiert, bleibt aber zu milde und vorsichtig.

Stattdessen gibt es Actionsequenzen und Verfolgungsjagden, mal clever, mal eher durchschnittlich in Szene gesetzt. Die Hintergründe sind schön anzusehen, die Figuren allzu rund überzeichnet, wie es das Animationskino gerne macht. Wirklich lebendig wirkt die computergenerierte Welt allerdings nicht. Wenn Maurice den Mund aufmacht, bekommt man den Eindruck, im Animationsstudio habe noch nie jemand ein echtes Katzengebiss gesehen, sondern nur das der Burton’schen Grinsekatze.

Viel schwerer noch wiegt, dass all die Gedanken über Sinn des Lebens, Moral und Gut und Böse, die in der Vorlage stecken, nur angetippt werden. Eine der zentralen Figuren aus Pratchetts Universum, der TOD, hat am Ende noch einen kurzen Auftritt, aber die Gravitas des Auftritts, die Bedeutung, die er für die Betroffenen hat, ist zu diesem Zeitpunkt kaum vorbereitet.

An den Kern und ans Herz des Buches kommen Genkel und Westerman so nie ganz heran: die Figuren bleiben weitgehend austauschbar und stereotyp. So sehr man den Film mögen will, weil endlich mal wieder ein ernsthafter Versuch unternommen wurde, Pratchett auf die Leinwand zu bringen, so wenig bleibt nach leidlich unterhaltsamen 93 Minuten in Erinnerung.

Maurice der Kater (2022)

Maurice ist ein geschäftstüchtiger Kater, der auf der Scheibenwelt mit einer Truppe schlauer Ratten unterwegs ist. Man veranstaltet Rattenplagen, organisiert die Befreiung mit Hilfe eines Flötenspielers und teilt sich den Lohn. Das funktioniert, bis die Ratten auf ein Buch der Menschen stoßen, das bei ihnen ein soziales Gewissen und nationalen Ehrgeiz weckt. Sie beschließen, ein eigenes Königreich zu gründen… basierend auf dem Roman von Terry Pratchett (Quelle: Ulysses Filmproduktion)

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