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Aus einem Sommerurlaub in Bayern wird ein tiefer, genauer Blick in den Wald und auf seine Bewohner_innen.

Lene und die Geister des Waldes (2019)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Hinschauen, bis der Heuschreck kackt

Für die siebenjährige Lene aus Mecklenburg-Vorpommern ist ein Urlaub im Bayerischen Wald erstens kaum vorstellbar und zweitens sicher nicht unbedingt das höchste der Gefühle. Ihr Vater möchte dort gerne seine Leinwand aufstellen, sie müssen also mit, „weil er malen wollte, und wir sollten die Natur genießen.“

Naja, immerhin lässt ihr Vater sich das Mobiltelefon abnehmen, das verstaut und weggesperrt wird, und auch wenn sie die anderen Kinder vom Bauernhof und aus dem Dorf und auch viele Erwachsene zunächst nicht versteht, fühlt sie sich dann doch bald wohl bei ihnen: Der „Wald-Obelix“, der eigentlich Günter heißt zeigt ihnen viel im Wald, ebenso die junge Waldwächterin Kristin. Und was ist eigentlich dran an der Sage vom siebenjährigen Peter, der ins Teufelsloch gefallen war, aber vom Waldgeist aufgefangen und in Tausende Regentropfen verwandelt wurde?

Was für eine Geschichte Regisseur Dieter Schumann da erzählt, ist streng genommen gar nicht ganz klar; eine Texttafel gleich zu Beginn des Films beansprucht Authentizität, dokumentarischen Charakter, und unterläuft beides dann zugleich durch einen Verweis aufs Phantastische: „Dieser Film zeigt eine echte Geschichte. … Manches ist ein bisschen phantastisch und geheimnisvoll. Aber auch das soll im wirklichen Leben vorkommen.“

Für Lene und die Geister des Waldes bedeutet das: Wir sehen Bilder und Szenen, die vorab wohl nicht geplant und abgestimmt waren – aber zugleich wird alles durch Lenes Stimme aus dem Off beschrieben, eingeordnet und mit eigenen Gefühlswahrnehmungen unterlegt. Sind es ihre eigenen, hat die widerspenstige Realität eines Sommerurlaubs hier nachträglich eine Struktur bekommen?

Man muss sich mit diesen Überlegungen gar nicht so lange aufhalten, denn natürlich konstruiert jeder Dokumentarfilm eine Dramaturgie, wählt Bilder und Worte aus, um ein Ganzes zu erzeugen, das harmonisch, widerspenstig oder ganz und gar dissonant sein kann. Für sein junges Publikum – denn der Film lädt sehr deutlich Kinder im Grundschulalter zu einer Entdeckungsreise in die Wälder ein – hat Schumann hier Magie und Naturbeobachtung vermischt.

Er erzählt von Waldgeistern und schaut genau hin, man schaut sogar einer Heuschrecke beim Kacken zu, begleitet von den begeisterten Kieksern der Kinder. Es geht um Totholz (und wie es Leben bringt), um Borkenkäfer und den Fuchsbandwurm. Es geht um die Menschen, die hier wohnen und um die Erzählungen von anderen Menschen.

Da taucht dann auch die „Waldursel“ auf, die in der Gegenwart von Lenes Urlaub schon nicht mehr lebt, mit der Schumann aber offenbar in einem der vorherigen Jahre noch gemeinsam durch den Wald gegangen ist, schon sehr alt, gebückt und langsam, aber immer noch sehr wach und mit klaren Augen: Genau so, wie Lene von ihr erzählt bekommt, genau so sieht man sie auch noch durch den Wald laufen.

Die Vergangenheit, das einsame Leben in den Dörfern im Wald, wird immer mal wieder ein wenig angetippt: „Früher waren die Leute im Dorf sehr arm. Weil sie das Holz verkaufen konnte, ging es ihnen bald besser.“ Schumann macht daraus kein Proseminar über den Strukturwandel auf dem Land, er behält kindlichen Blick und Perspektive bei, sein Fokus ist eh Lenes Urlaub, kleine Konflikte in ihrem Umfeld, und ansonsten: der Wald.

Der Charme des Films liegt dann wirklich darin, dass er sich Zeit lässt für die Natur und Landschaft – es gibt nicht nur ruhige Naturbilder von Spaziergängen zu unterschiedlichen Tageszeiten, dass sich das Team und die Urlaubenden wirklich Zeit gelassen haben, wird spätestens dann offenbar, als in wenigen Metern Entfernung auf einmal ein Wolf zu sehen ist. Ohne jede Bedrohlichkeit steht er da wie ein Mahnmal für Kräfte und Lebendigkeit, die nicht gezähmt werden sollten.

Lene und die Geister des Waldes (2019)

Endlich Sommerferien! Für die zehnjährige Lene geht es in den Bayerischen Wald — und das alles nur, weil ihr Vater sich in den Kopf gesetzt hat zu malen. Etwas widerwillig beginnt sie ihre Reise, doch unversehens verwandelt sich der Wald in einen Ort voller wunderlicher Gestalten: Eine davon ist der „Waldobelix“ – halb Gespenst, halb Nationalparkwächter. Schnell findet sie Anschluss und staunt, was die neuen Freunde mit dem lustigen Dialekt alles können: Wachteldressur, Schildkrötenrennen und Baumhäuser bauen. Und die Geschichten, die sie hört und die Menschen, denen sie begegnet, wecken in ihr immer mehr die Neugier auf die Geister des Waldes und die Geheimnisse, die es hier zu entdecken gibt.

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