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Eine nerdige Zwölfjährige will Hip-Hop tanzen und holt sich dafür Hilfe bei ihrer Großmutter.

Dancing Queen (2023)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Tanzen für sich selbst

Warum genau Mina unbedingt beim Hip-Hop-Casting dabei sein will, weiß sie womöglich selbst nicht. Hauptsächlich ist es wohl wegen des Neuen: Edwin, der sich E.D. Win nennt – auch nur zwölf Jahre alt, aber schon als Hip-Hop-Tänzer bekannt. Die Mädchen an Minas Schule sind jedenfalls alle hin und weg.

Mina (gespielt von einer grandiosen Liv Elvira Kippersund Larsson) ist eher eine Außenseiterin in ihrer kleinen norwegischen Stadt. Sie ist gut in Mathe, mit ihrem besten Schulfreund Marcus (Sturla Puran Harbitz) kommuniziert sie zuhause über CB-Funk, aber sonst ist sie eher nerdig – glatte Haare, große Brille, ein wenig mehr Gewicht als all die anderen, die beim Casting auftauchen.

Dabei wird sich durchaus bewegt in der Familie. Der Vater steigt schon morgens zum Frühstück auf seinen Hometrainer, die Großmutter war früher Tänzerin und wohl generell kein Kind von Traurigkeit. Also wendet sich Mina natürlich an die Oma (Anne Marit Jacobsen) mit der Bitte um Hilfe. Die stellt sie erst einmal an die Ballettstange und sorgt dafür, dass Mina auch Marcus dazubittet, denn ohne Partner trainiert eine Tänzerin nicht so gut.

Den Tanzfilm erfindet die Regisseurin Aurora Gossé mit Dancing Queen nicht neu, eher im Gegenteil: Die Choreographien und Bewegungen bleiben alle realistisch bodenständig, hier geht es nicht um Höhenflüge von Ballett und Hip-Hop, hier geht es vor allem um die Kinder, Teenager, die sich suchen, vielleicht schon verlieben, vielleicht nur anhimmeln. Es geht um den Wunsch, dazuzugehören, und um die Herausforderung, dabei zugleich man selbst zu bleiben – es ist eine alte Frage und immer wieder neu, und in Mina hat sich Gossé (mit einem Drehbuch von Silje Holtet) eine entzückend unbeholfen-selbstbewusste Heldin ausgesucht.

Eine Heldin, die nach ersten Fortschritten und Erfolgen im Training (natürlich ist sie, wider ihre eigenen Erwartungen, beim Casting angenommen worden) sich selbst ein Makeover verordnet und organisiert, mit bunten Haaren, gebatikten T-Shirts (wann sind die eigentlich wieder aufgetaucht?) und Hoodies, wie die coolen Mädchen ihrer Klasse sie auch tragen. Die Brille braucht sie nicht mehr, sie hat jetzt Kontaktlinsen. Dass sie über ihr Ziel hinausschießt, gehört zum dramaturgischen Standardrepertoire des Coming-of-Age-Kinos: Mina achtet zu wenig auf Marcus und zu viel auf „E.D. Win“, der ihr natürlich auch noch dazu rät, abzunehmen, sie sei ja zu schwer für die Sprünge und Hebefiguren…

Dabei hakt der Film aber nie pflichtbewusst seine Themen ab, im Gegenteil – die Geschichte ist und bleibt ganz und gar Minas, die Perspektive nahe an ihr dran. Hier wird ein junger Mensch langsam erwachsen(er) und setzt sich mit all dem auseinander, was Gesellschaft, Eltern, Großmutter und sonstwer von ihr erwarten; und derweil müssen zum Beispiel auch Minas Mutter (Andrea Bræin Hovig) und Großmutter so einige bisher unausgesprochene Themen bearbeiten.

Der im Titel anklingende ABBA-Song wird übrigens erst im Abspann zu hören sein, diese allzu leichte (und sonst gar nicht in den Film passende) popkulturelle Referenz hat sich die Regisseurin verkniffen. Es wäre allerdings auch so nicht die schmalzigste Szene im Film, bei weitem nicht. Die findet (Details sollen hier nicht verraten werden) in einer Kirche statt und drückt so dermaßen auf die Tränendrüse der Zuschauer*innen — das muss man sich auch erst einmal trauen. Sie leitet allerdings zugleich das so versöhnliche wie clevere und milde realistische Ende ein: Tanz ist eben mehr als nur möglichst akrobatische Bewegung möglichst schlanker Körper. Tanz kann alles sein, Erinnerung und Hoffnung, Vergangenheit und Zukunft, alles in der Gegenwart, irgendwo in Norwegen.

Dancing Queen (2023)

Für die nerdige Teenagerin Mina beginnt ein neues Schuljahr, und sie möchte unbedingt dazugehören – vor allem möchte sie E. D. Win beeindrucken, den gleichaltrigen Hip-Hop-Tänzer, dessen Instagram-Fanclub weitaus größer ist als sein Einfühlungsvermögen. Trotz ihrer Befangenheit ringt Mina sich zur Teilnahme an einem Tanzwettbewerb durch. Unterstützt wird sie von ihrer temperamentvollen Großmutter, unerschöpflicher Quell nüchterner Weisheiten, deren ehrlicher Rat Mina stets zum Lachen bringt. Vom unangenehmen ersten Vortanzen bis zum großen Auftritt verabschiedet Mina sich von Selbstzweifeln und problematischen Körperbildern. 

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