T.I.M. (2014)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

In der Erinnerung der Maschinen

Die besten Science-Fiction-Filme sind ja meist Meditationen über die Gegenwart, Betrachtungen über eine mögliche Zukunft (ausgehend vom Hier und Jetzt). Oder es sind Fragen an aktuelle Probleme durchs Brennglas imaginierter Möglichkeiten (seien sie technischer oder anderer Natur). Letztlich sind Technologie, der wissenschaftliche Fortschritt — oder was auch immer die Andersartigkeit dieser Welt ausmacht — die Möglichkeiten für ein anderes Erzählen, eine andere Beleuchtung der conditio humana, die heimlich im Zentrum der Kamera steht.
Womöglich ist das ein wenig viel poetologischer Ballast für einen zunächst mal charmanten Streifen wie T.I.M., aber Rolf van Eijks Kinderfilm bringt so viel Melancholie und Traurigkeit mit, so viel Schweigen und Gewicht, dass es nicht unangemessen scheint.

Der elfjährige Tibor lebt nach dem Tod seiner Mutter allein mit seinem Vater in einer Welt, die sehr an den sozialen Wohnungsbau unserer Gegenwart erinnert aber ins Extrem verdichtet ist: Die Häuser sind grau und hoch, kein Grün ist zu sehen. Die Leute lassen sich ihre Einkäufe und vieles mehr von Robotern hinterhertragen – keine eleganten, designten Figuren à la I, Robot, sondern ungelenke Dinger, die große Röhrenbildschirme als Gesicht haben, mehr IBM als Mac.

Tibor hat noch ein ganz altes Modell, einen TIM in der Version 1.0, grüne Schrift auf schwarzem Bildschirm. Aber er funktioniert nicht mehr so wie früher. Die Werkstatt kann ihm nicht mehr helfen, und Tibors Vater will einen neuen kaufen – aber weil TIM der einzige ist, der ihm noch von seiner Mutter erzählt, will Tibor das nicht zulassen. Stattdessen befreit er den Roboter aus der „Recycling“-Anlage und macht sich mit ihm auf den Weg, seinen ursprünglichen Besitzer und Erfinder Hector zu finden, von dem der Roboter auf einmal Bruchstücke wieder zu erzählen beginnt.

Es steckt alles Mögliche noch in den Details dieser Geschichte – dass die Roboterfabrik etwa Rabotnik heißt, was auf Russisch einfach „Arbeiter“ bedeutet, aber natürlich zugleich durch die Wahl der Sprache eine politisch-historische Dimension heraufbeschwört. Verstärkt wird das auch dadurch, dass T.I.M. bis zum Hals in einer retrofuturistischen Ästhetik gebadet ist, die auf die 1980er Jahre verweist – mit gelegentlichen Elementen, die auch an Blade Runner erinnern.

Aber eigentlich geht es in T.I.M. natürlich um etwas ganz anderes – um das Schweigen des Vaters gegenüber dem Sohn und natürlich um das Fehlen der Mutter. Um Trauer also, um Loslassen und den Umgang von Menschen miteinander, auch das gemeinsame Erinnern. Es ist ein wenig angestrengt, wie das mit einem Stadt-Land-Dualismus verknüpft wird: das schweigende, abgesperrte Grau der Häuser, das organische, durchlässige Grün der Natur…

Auf seiner Reise trifft Tibor das rothaarige Mädchen Kiki, die so sehr alles ist, was er nicht ist: offen, lebendig, mutig. Bei einem Streit sagt sie Tibor ins Gesicht, dass er den Roboter brauche, weil er es nicht aushalte, wenn jemand nicht genau das macht, was er von ihm verlange. Das ist nicht das zentrale Thema in van Eijks Film, aber es spielt hier alles mit hinein: Die vermeintliche Sicherheit, die uns Technologie geben soll, für die wir bereit sind, das immer unsichere, volatil Menschliche aufzugeben. Der Roboter erinnert sich für uns, und wir lassen uns, weil das so bequem und verlässlich ist, gerne dazu verlocken, nicht mehr direkt miteinander zu sprechen. Die Schuld der Maschinen ist das freilich nicht.

T.I.M. (2014)

Die besten Science-Fiction-Filme sind ja meist Meditationen über die Gegenwart, Betrachtungen über eine mögliche Zukunft (ausgehend vom Hier und Jetzt). Oder es sind Fragen an aktuelle Probleme durchs Brennglas imaginierter Möglichkeiten (seien sie technischer oder anderer Natur).
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