Thilda & die beste Band der Welt (2018)
Eine Filmkritik von
Cello ist der beste Bass
Einmal quer durchs Land, stets Musik im Ohr, den Fahrtwind im Haar, und weite Landschaften ziehen vorbei – das sind die Grundbausteine jugendlich-bewegter Roadmovies, und Thilda & die beste Band der Welt macht aus diesen Bausteinen nicht nur einen witzigen Film, sondern setzt dabei auch die Landschaften Norwegens so wunderschön ins Bild, dass man sogleich aufbrechen möchte zur Norwegischen Rockmeisterschaft in Tromsø.
Dorthin sind Grim, Aksel, Thilda und Martin unterwegs mit ihrer Band Los Bando Immortale. Eigentlich besteht die Band nur aus Grim (Tage Johansen Hogness) und Aksel (Jakob Dyrud) – aber dann haben sie nach einem Bassisten gesucht und auf den Aufruf, mit dem sie ihre ganze Kleinstadt tapeziert hatten, meldete sich nur Thilda (Tiril Marie Høistad Berger). Mit 9 Jahren noch einmal 3 Jahre jünger als die beiden Jungs. Sie spielt Cello, nicht Bass, allerdings so gut, dass sie gerne mit ins Wohnmobil springen darf, und dann geht es los.
Martin (Jonas Hoff Oftebro) wiederum ist eigentlich nur als Fahrer dabei, aber ein bisschen macht er das wohl auch, weil er selbst so gerne Musik machen würde – für die Reise nach Tromsø „leiht“ er sich das kleine Wohnmobil seines jähzornigen Bruders, der damit (als „Jesus-Van“) eigentlich missionierend durchs Land fahren wollte.
Wie es sich für ein Road Movie gehört, hat jede_r sein Päckchen zu tragen und zu bearbeiten auf der Reise: Grim möchte seine Eltern dazu bringen, gemeinsam zum Wettbewerb zu kommen, damit sie sich nicht dauernd streiten; Aksel will Linda aus seiner Klasse beeindrucken, die sich aber leider überhaupt nicht für ihn interessiert; Thilda hat keine Freunde und kommuniziert mit ihren Eltern anscheinend primär über Zettel („Essen ist im Kühlschrank“), stattdessen machen sich die anderen Kinder darüber lustig, dass sie Cello spielt. Und Martin schließlich verrät der Band noch nicht einmal, dass er noch 17 ist und keinen Führerschein hat …
Christian Lo hat mit Rafiki – Beste Freunde und De tøffeste gutta schon 2 Kinderfilme gemacht und beweist hier, dass er ein Händchen dafür hat, seine jungen Schauspieler_innen gut auszuwählen und zu leiten. Thilda & die beste Band der Welt ist, von wenigen schwachen Momenten (leider vor allem im Finale) abgesehen, frei von Platitüden und schlichter Weltsicht; stattdessen lässt er sich auf seine Figuren ein und nimmt sie ernst mit all ihren Eitelkeiten und Widersprüchen.
Dafür schickt er sie dann durch zunehmend abseitige Abenteuer: Erst retten sie eine Braut in Not, dann gilt es, einen Karaoke-Wettbewerb zu bestreiten, bei dem vor allem Aksel eine schmerzhafte Lektion zu lernen hat; und schließlich, kurz vor Schluss, steigert sich eine Verfolgungsjagd ins Phantastische. Damit auch wirklich deutlich ist: So ganz brutal ernst muss niemand dieses Coming-of-Age-Roadmovie dann vielleicht doch nicht nehmen.
Dabei liefert Thilda den schönsten trotzigen Gesichtsausdruck der nördlichen Hemisphäre; trotz des deutschen Verleihtitels (im Original ist der Film einfach nach der Band benannt) ist sie allerdings nicht die eigentliche Hauptfigur des Films. Thilda & die beste Band der Welt scheint im Jugendlichen nachzuspielen, was viele Selbstfindungsfilme für Erwachsene zelebrieren, in denen sich die Männer in Frauen spiegeln, von ihnen weitergetrieben und -getragen werden und so schließlich am Ende weiterentwickeln – Frauen als Staffage und Bezugspunkt für die Männer, denen die Welt gehört.
Ganz so einfach ist es hier allerdings nicht: Thilda ist immer diejenige, die die Handlung weitertreibt, die von der Band sogar aus einer Polizeistation befreit wird, die den klarsten, unverstelltesten (und, wie gesagt, zugleich trotzigsten, selbstbewusstesten) Blick auf die Verhältnisse hat; und dennoch ist sie diejenige, die am Ende fragt: „Ich hab mich gefragt, ob alles wie früher ist, wenn ich wieder zurückkomme.“
Sie ist natürlich noch jünger als Aksel, Grim und Martin; dennoch haben diese sich am Ende, Pubertät und Aufbruchsjugend sei Dank, weiter entwickelt als sie, die noch ein Kind ist. Aber Thilda braucht die Band, diese Außenseiter, um ihren eigenen Platz zu finden. Und ob Grims Antwort auf ihre Frage („Nichts wird mehr so sein wie früher.“) dann wirklich stimmt, muss sich noch erweisen. Aber jedenfalls bietet sie den aufmunternden Schlussakkord in einem an Musik nicht armen Film.
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- Björn Bratberg
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