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Auf einmal kann Mary zaubern – aber ob sie an dieser Schule wirklich lernen will?

Mary und die Blume der Hexen (2017)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Die dunkle Seite von Hogwarts

Ihre Eltern haben viel zu tun, deshalb wurde Mary schon einmal zu ihrer Großtante Charlotte in das große Haus vorausgeschickt. Da hat sie nicht viel zu tun, und bei der Hilfe in Haus und Garten stellt sie sich leider recht ungeschickt an. Bei einem Spaziergang im benachbarten Wald führen sie 2 Katzen aus dem Dorf zu einer geheimnisvollen blauen Blume; der Gärtner ihrer Großtante erkennt in ihr die „Flieg-bei-Nacht“, die der Legende nach von Hexen wegen ihrer magischen Kräfte geschätzt und gesucht wird.

Bald darauf, dichter Nebel liegt über dem Wald, findet Mary im Wald, von einem Baum fast umwachsen, einen alten Besen; als sie versehentlich mit einer Blüte der „Flieg-bei-Nacht“ dagegen stößt, gibt diese eine blau leuchtende Substanz ab, die den Besenstiel mit magischer Kraft versieht – und eh sie sich’s versieht, fliegt sie auf dem Besen durch die Wolken und zu einer großen Gebäudeanlage im Himmel: der Endor-Universität für Magie.

An diesem Punkt könnte man meinen – Mary bekommt eine ausführliche Führung der Schule durch die Direktorin Madam Mumblechook, und erst einmal sieht alles schön und aufregend aus –, man habe es bei Mary und die Blume der Hexen mit einem Abklatsch von Harry Potter zu tun. Was natürlich schon allein deshalb nicht stimmt, weil Mary Stewart ihr Kinderbuch The Little Broomstick, auf dem der Film beruht, bereits 1971 veröffentlicht hat. Es stimmt aber auch deshalb nicht, weil die magische Universität und ihre Leiterin hier sehr schnell eine dunkle Seite zeigen: Mary braucht ihren Besen nicht für Quidditch, sondern um sich selbst und andere zu retten.

Hiromasa Yonebayashi hat seine Karriere als Regisseur im Studio Ghibli begonnen, zunächst mit dem eher kleinen Arrietty – Die wundersame Welt der Borger und schließlich den großartigen Erinnerungen an Marnie. Auch diese beiden Filme waren schon Verfilmungen von Romanen britischer Autorinnen, und Yonebayashi setzt seine Arbeit nun im neu gegründeten Studio Ponoc fort, dessen erster Langfilm Mary und die Blume der Hexen geworden ist. Man sieht das Erbe von Ghibli in allen Bildern, in den klaren Zeichnungen und wunderschönen Welten, die hier entstanden sind.

Die Kraft, die Magie in diesem Film entwickelt, trägt allerdings weit weniger Ambivalenzen in sich, als das in manchen Filmen (etwa Chihiros Reise ins Zauberland) von Hayao Miyazaki zu finden ist, mit dem Yonebayashi seit Prinzessin Mononoke zusammengearbeitet hatte. Auch wenn Mary in den ersten Minuten an der Schule zunächst Wunderbares erlebt und lernt (etwa die Fähigkeit, sich unsichtbar machen zu können), wird zweierlei sehr schnell deutlich: Dass erstens die Macht der Blüten kaum zu kontrollieren ist und zweitens die Schulleiterin und ihr Kollege Doctor Dee ihre Magie vor allem für Experimente einsetzen, mit denen sie viel Leid verursachen.

In Dees Versuchen scheinen Naturwissenschaften und Magie zusammenzufallen, so dass der Film leichte Anleihen am Steampunk nimmt; was hier eigentlich wie zusammenhängt und wie funktioniert, spielt dabei keine besonders wichtige Rolle. Und auch wenn Mary und ihr Freund Peter Magie benötigen, um den sich unausweichlich aufbauenden Konflikt zu beenden, so ist es doch nicht das, was sie ausmacht: Am Ende leben sie in einer Welt ohne Magie wesentlich glücklicher als vorher.

In dieser einfachen Lösung steckt allerdings – neben geringfügigen Längen in der zweiten Hälfte des Films – auch die eine Schwierigkeit, die ich mit Mary und die Blume der Hexen habe: Seine Titelfigur ist etwas zu einfach gestrickt. Sie ist liebevoll, freut sich über die Zuwendung von Madam Mumblechook (allein schon über ihr rotes Haar, wegen dessen sie sonst immer gehänselt wird) und ist begeistert, Magie anwenden zu können – aber sie zögert keinen Moment, das alles wieder von sich zu stoßen, sobald sie bemerkt, mit welchen Abgründen sie es zu tun hat. Mit anderen Worten: Mary spürt keine Versuchung, den falschen Weg einzuschlagen. Das macht den Film zwar nicht langweilig, seine Hauptfigur ist allerdings ein wenig eindimensional – wenn auch auf eine wirklich gute Weise. Man kann ja eigentlich nie genug rothaarige Heldinnen haben.

Mary und die Blume der Hexen (2017)

Basierend auf dem Buch „The Little Broomstick“ erzählt „Mary and the Witch’s Flower“ von einem Mädchen, das eine Blume findet, die sie in eine Hexe mit magischen Kräften verwandelt. Allerdings hält der Zauber nur eine Nacht an …

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