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Lasst uns schnell mal ein Hotel betreiben – aber darum geht es in Ineke Houtmans Pubertätskomödie überhaupt nicht.

Allein unter Schwestern (2017)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Ein Hotel mit großem Herz

Als 12-Jähriger hat man’s ja allgemein eh nicht leicht – frühpubertierend, das erste Mal verliebt, aber du weißt noch nix darüber, wie man das eigentlich anstellt mit der Liebe. Als wäre das alles noch nicht genug, will Kos (Julian Ras) auch noch Fußballkarriere machen, sein Vater liegt im Krankenhaus, die Mutter ist tot und das Hotel der Familie muss geschmissen werden…

Das Chaos, das am Beginn von Allein unter Schwestern zu besichtigen ist, hat zunächst den Charme vieler Familienkomödien: Der Vater (Frank Lammers), kettenrauchend und herzensgut, hält nur mühsam das zerfallende Haus in Betrieb und seine Töchter Libbie (Abbey Hoes), Briek (Bente Fokkens) und Pel (Linde van der Storm) im Zaum. Mit Kos versteht er sich noch am besten, aber als der, unter den aufmerksamen Augen eines Talentscouts, während eines Fußballfinales zum entscheidenden Elfmeter antritt, bricht er am Spielfeldrand zusammen: das Herz.

Eh schon angebrochen wohl durch den Tod der Mutter, den weder er noch die Kinder irgendwie verschmerzt haben, muss es operiert werden. Und während er im Hospital liegt, eigentlich sogar zu schwach zum Rauchen, muss trotzdem der Hotelbetrieb weitergehen. „Kos“, sagt er, „du bist jetzt der Mann im Haus.“

Damit ist Kos natürlich in der Tat überfordert – zumal Libbie, die Älteste, schnell dahinterkommt, dass ihr Vater nicht nur dem Koch noch Lohn schuldet, sondern auch der Versicherung und einem Großgläubiger einige Tausend Euro. Die Gäste sind derweil so unzufrieden, dass sie alle abreisen, ohne zu zahlen.

Ineke Houtman erzählt diesen stetig anschwellenden Katastrophenzustand (irgendwann gehen in der Leuchtschrift „Hotel“ zwei Lichter aus, und es ist nur noch „Hel“ zu lesen: „Hölle“) mit einer gewissen Lakonie – und immer so unernst, dass klar wird: Am Ende wird alles gut werden. Auch wenn Goth-Schwester Briek sich dafür beim lokalen „Miss Beach“-Wettbewerb anmelden muss, während Kos im Gorillakostüm Werbung für einen Saftladen macht. Zugleich erspart Houtman uns aber die üblichen Scherze, die wir sonst fänden, wenn Kinder für sie ungewohnte Aufgaben übernehmen müssen; sie beschränkt sich auf Andeutungen oder kleine Momente, wenn etwa Hotelgäste fluchtartig ihr Zimmer verlassen, weil die von Nesthäkchen Pel gesammelten Kriechtiere im ganzen Haus unterwegs sind.

Dieser etwas unkonventionelle Weg führt zugleich dazu, dass die Handlung von Allein unter Schwestern zunächst scheinbar unfokussiert mäandert – Fußball, Krankenhaus, Hotel – und dann aber doch auf sehr vorhersehbare Weise Spannung aufzubauen versucht (jetzt will auch die Getränkelieferantin Geld sehen!), ohne die Konflikte wirklich auszuleuchten.

Das ist schade, weil der Film ansonsten mit vielen Fragen so entspannt und offen umgeht: Der Tod der Mutter ist immer wieder Thema, ohne dabei groß auf die Tränendrüse zu drücken; Liebe, Sex und Unsicherheiten werden offen und ziemlich gelassen besprochen – was nicht bedeutet, dass Kos‘ erste Flirtversuche sich ohne große Fremdscham ansehen ließen. 

Der Titel Allein unter Schwestern deutet aber dennoch auch darauf hin, dass Kos vielleicht etwas weniger Berührungsängste hat als andere Jungs – nicht zuletzt, weil er seine Tipps, wie er der verehrten Isabel (Aiko Beemsterboer) näherkommen könnte, von seinem eher sanften Vater, den zurückhaltenden Jungs seiner Umgebung und eben seinen Schwestern abholt. Und diese Schwestern schmeißen den jungen Mann dann kräftig in Schale und Lippenstift, als er sich für die verletzte Briek in den „Miss Beach“-Wettbewerb einschleust. Kos nutzt das, um Isabel als Briek davon zu erzählen, wie verliebt er (Kos) in sie sei – und müht sich redlich, den Anweisungen der Organisatorin zu folgen, die Mädchen – allesamt nur zwölf bis achtzehn Jahre alt – möchten doch bitte mit Hintern und Brüsten wackeln.

Das Wettbewerbs-Finale ist Höhe- und Kulminationspunkt von Allein unter Schwestern – und wirkt zugleich wie eine weitere Schleife dieses etwas ziellos, aber ruhig und angenehm dahingleitenden Films. Ein wenig Kritik an bizarren Geschlechterposen, ein wenig Familiendrama, ein wenig Familienchaos – und am Ende sitzen alle, Gottseidank, glücklich am Strand. Das Leben als 12-Jähriger könnte wesentlich schlimmer sein.

Allein unter Schwestern (2017)

Der 12-jährige Kos führt mit seinem Vater und seinen drei Schwestern Libbie, Briek und Pel ein eigentlich recht unbeschwertes Leben am Meer — wenn man einmal davon absieht, dass ihnen die Mutter fehlt, die vor einigen Jahren gestorben ist. Doch dann ist es eines Tages vorbei mit dem süßen Nichtstun, denn die Geschwister müssen Hals über Kopf die Leitung des Familienhotels übernehmen, weil ihr Vater dringend ins Krankenhaus musste. und dann stellt sich heraus, dass das Zusammenspiel zwischen den drei Mädchen und Kos nicht so gut klappt wie erhofft. Bald schon stehen die Gläubiger vor der Tür und Kos sieht nur einen Ausweg, das dringend benötigte Geld zu bekommen — er muss eine Miss-Beach-Wahl gewinnen!

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Meinungen

Dietmar Erler · 06.01.2022

Schade, dass man nicht so viel von dem Filmdrehort in der Stadt Gera sieht, anscheinend ist es wirklich nur das Klinikum, das man in dem Film sieht.