Fragen und Antworten
Bundeskanzler Scholz hat am 16. Dezember die Vertrauensfrage gestellt, um Neuwahlen herbeizuführen. Wie funktioniert die Vertrauensfrage? Wie oft wurde sie bisher gestellt? Alles Wissenswerte im Überblick.
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Bundeskanzler Olaf Scholz hat am 11. Dezember 2024 den Antrag für die Vertrauensfrage dem Deutschen Bundestag übermittelt. Am 16. Dezember 2024 stimmten die Abgeordneten darüber ab, ob sie ihm weiterhin ihr Vertrauen aussprechen. Die Mehrheit der Abgeordneten sprach ihm mit 394 Nein-Stimmen das Vertrauen nicht aus. Damit ist der Weg für Neuwahlen frei. Alle wichtigen Informationen zur Vertrauensfrage auf einen Blick:
Der Ablauf der Vertrauensfrage folgt einem klaren Schema:
1. Antragsstellung: Der Bundeskanzler muss die Vertrauensfrage beantragen. Adressat des Antrags ist der Deutsche Bundestag. Bundeskanzler Scholz hat die Vertrauensfrage am 11. Dezember schriftlich beantragt. Der Antrag wurde an das Büro der Bundestagspräsidentin übergeben und elektronisch übermittelt.
2. Aussprache und Abstimmung: Zwischen dem Antrag und der Abstimmung müssen mindestens 48 Stunden liegen. Am 16. Dezember fand nach der Rede des Kanzlers eine Aussprache im Bundestag statt, gefolgt von einer Abstimmung.
3. Ergebnis: Für die Vertrauensfrage ist die sogenannte Kanzlermehrheit erforderlich: Die absolute Mehrheit der Stimmen der gesetzlichen Mitgliederzahl des Bundestages. Aktuell wären 367 Stimmen erforderlich. Bekommt er sie nicht, kann der Bundespräsident, wenn der Bundeskanzler ihm das vorschlägt, binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen. 394 Mitglieder des Bundestages haben sich gegen ein Vertrauen ausgesprochen.
4. Neuwahlen: Nach einer Auflösung des Bundestages müssen laut Artikel 39 des Grundgesetzes binnen 60 Tagen Neuwahlen stattfinden.
Die Vertrauensfrage ist ein verfassungsrechtlich geregeltes Instrument, das in Artikel 68 des Grundgesetzes verankert ist. Sie kann ausschließlich vom Bundeskanzler gestellt werden. Ihr Ziel ist es sicherzustellen, dass das Land jederzeit eine handlungsfähige Regierung hat. Es kann auf zweierlei Arten eingesetzt werden: zur Stabilisierung der Regierungsarbeit oder zur Initiierung von Neuwahlen.
Die Vertrauensfrage kann auch darauf gerichtet werden, ob der Bundeskanzler für seine Politik noch den Rückhalt der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages hat. Die Vertrauensfrage kann zudem mit einer Sachfrage, insbesondere der Entscheidung über einen Gesetzentwurf, verbunden werden.
Die Vertrauensfrage war ein zentraler Schritt, um am 23. Februar 2025 die vorgezogene Neuwahl des Bundestages zu ermöglichen. Bundeskanzler Scholz möchte den Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit geben, über die künftige politische Richtung zu entscheiden. Gleichzeitig sichert der Kanzler durch diesen geordneten Prozess, dass die Neuwahlen rechtssicher und fristgerecht vorbereitet werden können.
Der Bundeskanzler hat vor der Abstimmung eine Erklärung abgegeben. Es folgte eine Aussprache im Plenum, bevor die Abstimmung über die Vertrauensfrage durchgeführt wurde.
Die Abstimmung erfolgt namentlich.
Ja, der Bundeskanzler hat den Bundespräsidenten am 16. Dezember an dessen Amtssitz aufgesucht und ihm vorschlagen, den Bundestag aufzulösen.
Die Vertrauensfrage wurde in der Geschichte der Bundesrepublik sechs Mal gestellt:
- am 20. September 1972 von Willy Brandt,
- am 3. Februar 1982 von Helmut Schmidt,
- am 17. Dezember 1982 von Helmut Kohl,
- am 16. November 2001 von Gerhard Schröder,
- am 1. Juli 2005 von Gerhard Schröder,
- am 16. Dezember 2024 von Olaf Scholz.
Der Bundestag sprach Schmidt und Schröder (2001) das Vertrauen aus. In diesen Fällen gab es daher keine Neuwahlen. Nach der verlorenen Vertrauensfrage von Olaf Scholz sind hingegen Neuwahlen absehbar.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat am 16. Dezember den Bundespräsidenten nach der Abstimmung über die Vertrauensfrage an dessen Amtssitz aufgesucht und ihm vorgeschlagen, den Bundestag aufzulösen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist diesem Vorschlag nachgekommen und hat den 23. Februar 2025 als Wahltermin bestimmt.
Ja, die Bundesregierung bleibt im Amt und voll handlungsfähig. Sie ist weder kommissarisch noch geschäftsführend tätig. Sie führt ihre Regierungsgeschäfte regulär und im Vollbesitz aller Kompetenzen und Befugnisse aus – sowohl nach innen als auch nach außen. Die aktuelle Bundesregierung ist allerdings nun eine sogenannte Minderheitsregierung, die für Angelegenheiten, die der Zustimmung des Parlaments bedürfen, Mehrheiten im Bundestag finden muss.
Nach Artikel 39 des Grundgesetzes muss der neue Bundestag spätestens 30 Tage nach der Wahl zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Die amtierende Bundesregierung bleibt bis zu diesem Zeitpunkt regulär im Amt. Anschließend führt sie ihre Geschäfte auf Ersuchen des Bundespräsidenten geschäftsführend weiter, bis eine neue Regierung gebildet wird. Im Übrigen besitzt eine geschäftsführende Bundesregierung dieselben Befugnisse wie eine „regulär“ im Amt befindliche Regierung. Bislang war es jedoch gängige Staatspraxis, keine Entscheidungen zu treffen, die eine nachfolgende Bundesregierung binden würden, wie zum Beispiel den Beschluss von Gesetzesvorlagen.
Das Misstrauensvotum ist in Artikel 67 und die Vertrauensfrage in Artikel 68 des Grundgesetzes geregelt. Beide Verfahren zielen darauf ab, das Vertrauen in die Regierung auf die Probe zu stellen. Bei einer Vertrauensfrage geht die Initiative vom Bundeskanzler aus. Findet er nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann dies zu Neuwahlen führen. Ein Misstrauensvotum geht von der Initiative des Bundestages aus. Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen neuen Bundeskanzler wählt. Das Misstrauensvotum führt also nicht zu Neuwahlen.
Weitere Informationen zur vorgezogenen Bundestagwahl finden Sie hier.