Im vorigen Jahr hätte Detlev Bucks Bibi & Tina-Trilogie ein stimmiges Ende finden können. Nach dem überraschend kurzweiligen (2014) folgte auf die mäßige Fortsetzung (2015) mit (2016) ein abgedrehter Pop-Heimatfilm, der sein Untertitel-Motto erstaunlich reflektiert umsetzte und die Reihe damit auf ihrem Höhepunkt abrundete. Doch es bleibt nicht bei der Trilogie, es muss ein vierter Film folgen – und der ist weder unterhaltsam noch kurzweilig, reflektiert oder gelungen.
Bibi und Tina (Lina Larissa Strahl; Lisa-Marie Koroll) genießen wieder den Sommer – Pferde, Sonnenschein, Schloss Falkenstein, alles wie immer. Da lernen sie das geflüchtete Mädchen Adea (Lea van Acken) kennen, die sich als Syrer Aladin ausgibt. Dabei kommt sie eigentlich aus Albanien und flieht nicht vor dem Krieg, sondern vor ihrem fiesen Onkel (Albert Kitzl), der ihr mit den Cousins Luan und Ardonis (Salah Massoud; Oktay Özdemir) auf den Fersen ist – schließlich hat er sie an einen benachbarten Bauern zur Heirat verkauft! Adea möchte aber viel lieber weiter zur Schule gehen und vielleicht einmal studieren. Ein Glück, dass sie auf Schloss Falkenstein Unterschlupf findet – wäre da nicht der böse Bauunternehmer Dirk Trumpf (Joachim Meyerhoff), der Graf Falko (Michael Maertens) das Geld aus der Tasche ziehen und eine hohe Mauer um das Schloss bauen möchte …
Anna Wollner schrieb im letzten Jahr, der dritte Film der Reihe sei ein „109-minütiges Musikvideo im Wald“ – und traf damit den Kern des überdrehten Kinder-Pferde-Heimatfilms: statt kohärenter Handlung gab es knallige Musikclips, die sich ironisch durch Pop- und Filmgeschichte feiern. Der vierte Film widmet sich nun ernsteren Themen: Es ist Zeit, einen Beitrag gegen Hass und Angst, für Gemeinschaft und Offenheit zu leisten.
So könnte der Film sein Ziel formuliert haben. Nein, Moment: So formuliert der Film sein Ziel, ausdrücklich, mit Blick in die Kamera – zum Glück! Sonst wäre mir das vermutlich entgangen. Sonst hätte ich den Ekel, der mich schon nach wenigen Minuten Laufzeit ergreift, überhaupt nicht mehr abschütteln können. Würde der Film nicht so explizit darauf hinweisen, dass er Vorurteile überwinden möchte – ich müsste viel Wohlwollen aufbringen, ihm dieses Vorhaben zu unterstellen. Denn die Begegnung mit dem Fremden, mit dem albanischen Mädchen, mit den syrischen Jungs, mit einer Musikgruppe aus Mali, wird nur in den jeweils damit verbundenen Klischees und Vorurteilen inszeniert. Adea hat keine Manieren, sie schmatzt, spuckt, rotzt und soll von ihrem dicken albanischen Onkel im klapprigen Mercedes zur Zwangsheirat entführt werden, für die der Onkel immerhin eine beachtliche Zahl Schafe erhalten hat. Als Syrerin hat sie sich auch nur deshalb ausgegeben, weil damit die Flucht leichter ist – sehr zum Missfallen der beiden tatsächlich syrischen Jungs, die wiederum als Mini-Machos darüber rappen, dass deutsche Mädchen einfach zu verklemmt sind, wenn sie Liebeserklärungen nicht spontan erwidern. Gut, dass die Tanzgruppe Tohuwabohu aus Mali mit Hüftschwung und Trommelmusik für Auflockerung sorgt, da fällt fast nicht auf, wie sehr Dirk Trumpfs Figur mit unerträglich dümmlichen Anspielungen auf den US-Wahlkampf nervt.
Schon bei dieser knappen Aufzählung fehlen die Worte, mit denen sich der Film beschreiben ließe. Der bunte popkulturelle Reigen der ersten drei Filme kann sich drehen und bedenkenlos seine Querverweise spannen – der Film als Musikvideo funktioniert. Der politische Reigen der Vorurteile jedoch, den dieser Film präsentiert, kann sich nicht mit der knalligen Inszenierung verbinden – der Film als bunte Klischee-Collage zerbricht. Der Grund dafür liegt in den Lösungen, die Tohuwabohu Total anbietet – oder gerade nicht anbietet: Vorurteile werden überzogen eingeführt und könnten ihrer Absurdität überführt werden. Die Inszenierungsmittel dafür hat die Reihe schließlich. Stattdessen zeigt der Film, dass Konflikte nicht wirklich durch eine ernsthafte Auseinandersetzung gelöst werden müssen – die Welt muss nur in warmen Farben so gezaubert werden, dass es überall wie in Norddeutschland ist.
Und dabei ist das Vorhaben des Films nicht falsch: Ähnlich wie Mädchen gegen Jungs auf einfache Weise zeigen wollte, dass Mädchen und Jungs vielleicht gar nicht so verschieden sein müssen, versucht Tohuwabohu Total auf einfache Weise zu zeigen, dass Vorurteile blöd und gemeinsame Partys super sind. Es ärgert umso mehr, dass dem Film dabei jede Reflexion fehlt. Das Einzige, was auf ganz einfache Weise gezeigt wird, ist die Macht eben jener Vorurteile, die der Film doch nur reproduziert. Bei allen Liedern über Empathie, Frieden und die Macht einer eigenen Stimme gelingt es Tohuwabohu Total zu keinem Augenblick, eine Alternative anzubieten. Das einzige Angebot ist die Flucht in eine Welt voll Zauberei und warmer Farben, in der Unterschiede zwischen Menschen schlicht weggezaubert werden. Das Vorurteil war also berechtigt, lehrt der Film, diese Albaner sind wirklich allesamt Hinterwäldler – gut nur, dass am Ende alle dem gleichen Durchschnitt angehören und niemand wirklich anders ist. Der Film fragt nach Fremdenfeindlichkeit und bleibt eine Antwort schuldig, auch auf seine eigenen Vorurteile – denn die bietet Bibi & Tina: Tohuwabohu Total zur Genüge. Es ist unverzeihlich, dass er neben den einfachsten Antworten sonst überhaupt nichts anbietet.