Gewaltfreie Kommunikation
Unser Leben ist geprägt von Kommunikation. Manchmal fällt es uns leicht, uns mitzuteilen, anderen zuzuhören oder gemeinsam Lösungen zu finden. Kommunikation kann aber auch eine wirkliche Herausforderung sein: wenn ich zum Beispiel Kritik höre; wenn ich Recht haben will; oder wenn das Kind am Boden sitzt und schreit. Manchmal sind wir einfach ratlos: warum sieht das Gegenüber nicht, wie es mir geht und was ich brauche?
Was ist gewaltfreie Kommunikation?
Die Gewaltfreie Kommunikation (kurz: GFK) ist ein Hilfsmittel, um (wieder) in Verbindung zu kommen. Sie will uns helfen, Lösungen zu finden, die für alle passen und ohne Zwang passieren. Im Zentrum steht immer die Grundhaltung: ich will Verbundenheit spüren. Verbundenheit ist die Grundlage, um Geben von Herzen möglich zu machen.
Das bedeutet nicht, dass ich jederzeit bereit sein muss, dem Gegenüber emphatisch zuzuhören. Es kann auch heißen: ich möchte Verbundenheit mit mir selber spüren und verstehen, warum ich gerade wütend/traurig/frustriert bin. Wenn ich gut spüre, welches Bedürfnis gerade nicht erfüllt ist, dann haben Emotionen ihren Job erfüllt und sie verlieren ihre Wucht. Gefühle sind die Wegweiser, die uns unsere Bedürfnisse aufzeigen. Und Bedürfnisse sind, so die GFK, unser Wundermittel für Verbindung. Bedürfnisse sind universell: Jede:r hat sie, jede:r kann sie verstehen – unabhängig von Geschlecht, Kultur, oder sozialem Status. Vier Schlüssel wollen uns helfen, diese Bedürfnisse zu finden, sie zu kommunizieren und dann klare Bitten zu formulieren. So können wir wieder Verbindung spüren und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Auf diese Weise trägt die Gewaltfreie Kommunikation zu einer friedvolleren Welt bei, im Kleinen wie im Großen.
Die vier Schlüssel
Die vier Schlüssel der GFK helfen mir, meine Gedanken und Gefühle zu sortieren und herauszufinden, was mir wirklich wichtig ist.
Bebobachtung
Erst einmal geht es darum, möglichst objektiv wiederzugeben, worum es geht. Welches Ereignis beschäftigt mich? Was sehe ich, was habe ich jemanden sagen hören? Ich versuche, Bewertungen und Interpretationen wegzulassen.
Gefühl
Wenn ich jetzt an das Erlebte denke, wie geht es mir da? Welche Gefühle kommen in mir hoch? Hier kann ich genau hinspüren. Jede Emotion hat seinen Platz und darf gefühlt werden. (Und niemand ist Schuld an meinen Gefühlen.)
Bedürfnis
Dann kann ich forschen: warum kommen die Gefühle in mir hoch? Welche Bedürfnisse sind erfüllt, wenn ich angenehme Gefühle erlebe? Und welche Bedürfnisse sind unerfüllt, wenn ich unangenehme Gefühle spüre?
Bitte
Wenn mir klar ist, welche Bedürfnisse (un)erfüllt sind: Was könnte ich oder jemand anderes tun, um mein Leben noch wunderbarer zu machen? Möchte ich Rückmeldung darüber, was das Gegenüber gehört hat? Oder würde eine konkrete Handlung mir helfen?
Die Ursprünge
Die Gewaltfreie Kommunikation wurde von Marshall B. Rosenberg entwickelt, einem US-amerikanischen Psychologen (1934–2015). Er hat sich Zeit seines Lebens mit der Frage beschäftigt, warum es zu Gewalt zwischen Menschen kommt: Sind gewaltvolle Menschen psychisch krank? Oder steckt doch oft ein Kommunikationsproblem dahinter? Wir sind mit einer Sprache aufgewachsen, sagt er, die uns beurteilen und bewerten lässt. Eine “ich habe recht”-Einstellung bedingt allerdings oft, dass wir uns verschließen und den Dialog erschweren. Rosenberg war fest davon überzeugt, dass Verbindung – und Geben von Herzen – mithilfe der vier Schlüssel immer möglich ist. Er hat immer wieder die Probe aufs Exempel gemacht, hat in Krisengebieten und unter verfeindeten Volksgruppen vermittelt. Er hat in “Problemschulen” gearbeitet und in seinen Seminaren unzähligen Menschen und ihren Beziehungen geholfen. Mit der Gewaltfreien Kommunikation gibt er uns das Rüstzeug für eine friedvollere Welt.
Ist unsere Kommunikation denn gewalttätig?
Rosenberg wurde in jungen Jahren stark geprägt von physischer Gewalt und Rassenkämpfen in Detroit, wo er aufwuchs. Im Laufe seines Lebens und seiner Ausbildung zum Psychologen wurde ihm mehr und mehr bewusst, dass hinter so grausamer Gewalt nicht zwingend kranke Menschen standen, sondern oft Menschen, denen die Werkzeuge fehlten, um achtsam miteinander umzugehen. Gewalt fängt also da an, wo Kommunikation weh tut.
Kann ich sagen, was ich brauche? Sind meine Bedürfnisse geachtet? Wird ein “nein” gehört? Werden meine Grenzen geachtet? Und kann ich gleichzeitig die Bedürfnisse der anderen im Blick behalten? Viel Gewalt wäre vermeidbar, wenn wir in Verbundenheit sind und achtsam miteinander umgehen.
Achtsamer Umgang bedeutet nicht, dass meine Sprache immer dem Schema der vier Schlüssel folgen muss, um nicht “gewaltvoll” zu sein. Wenn die Beziehungsebene passt, kann ich reden, “wie mir der Schnabel gewachsen ist”, und wir verstehen uns. Die Gewaltfreie Kommunikation will eine Hilfestellung in den Situationen sein, wo die Verbindung nicht da ist.
Beispiel
Anstatt zu sagen:
“Du bist so unordentlich! Immer lässt Du das Geschirr stehen und ich kann dann deinen Dreck wegmachen. Wenn ich das noch einmal sehe, dann streiche ich Dir dein Taschengeld!”
… könnte ich vielleicht sagen:
“Wenn ich sehe, dass heute morgen das schmutzige Geschirr vom Abendessen auf dem Tisch steht (Beobachtung), dann bin ich echt frustriert und wütend (Gefühl), weil mir gerade Ordnung so wichtig ist, um mich entspannen zu können (Bedürfnis Teil 1). Weißt Du, ich habe einen langen Arbeitstag vor mir und möchte in der Früh genug Zeit haben, um in Ruhe zu frühstücken. Wenn ich zuerst aufräumen muss, um den Tisch nutzen zu können, fehlt mir die Zeit. Ich wünsche mir auch, dass ich einen Ausgleich im Geben und Nehmen spüren kann. Wenn wir alle zusammen helfen, spüre ich sehr viel Wertschätzung und Verbindung (Bedürfnis Teil 2). Kannst Du mir bitte sagen, was da bei Dir ankommt? (Bitte nach Verbindung)”
Einsatzgebiete
Die Gewaltfreie Kommunikation kann in unterschiedlichen Situationen eingesetzt werden, zum Beispiel:
- In der Familie, zwischen Eltern und Kindern, in der Partnerschaft
- In Firmen
- In Schulen und Kindergärten
- Als Therapie
- Als Mediation zwischen Konfliktparteien
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