Panspermie
Als Panspermie bezeichnet man die Hypothese, dass sich einfache Lebensformen über große Distanzen durch das Universum bewegen und so die Anfänge des Lebens auf die Erde gelangten. Die Befürworter versuchen mit dieser Hypothese den nach ihrer Auffassung bestehenden Widerspruch zwischen der hohen Komplexität des Lebens auf der einen Seite und der vergleichsweise kurzen Zeit für seine Entstehung auf der anderen Seite zu begegnen. Die Panspermie wird jedoch bisher von den meisten Wissenschaftlern als reine Spekulation betrachtet, da die Erde der einzige bekannte Ort im Universum ist, auf dem Leben nachgewiesen werden konnte.
Geschichte
Die Theorie der Panspermie lehnt sich an Vorstellungen des griechischen Philosophen Anaxagoras an, der von „Samen des Lebens“ sprach. Diese Überlegungen gerieten aber durch Aristoteles' Theorie der spontanen Entstehung des Lebens wieder in Vergessenheit und wurden erst im 19. Jahrhundert durch Jöns Jakob Berzelius (1834), Louis Pasteur (1864), Hermann Richter (1865), Lord Kelvin (1871) und Hermann von Helmholtz (1871) wieder aufgegriffen. Anfang des 20. Jahrhunderts formulierte Svante Arrhenius mit der Radio-Panspermie die erste theoretische Beschreibung der Panspermie (1903/1908). Nach dieser Theorie können Sporen aus den äußeren Schichten der Atmosphäre entweichen und durch den Druck des Sonnenlichts in den interstellaren Raum transportiert werden. (Der Sonnenwind war Anfang des 20. Jahrhunderts noch unbekannt.) Wiederaufgegriffen wurden die Panspermie-Hypothesen 1963 von Donald Barber und in den 1970ern von Francis Crick und Leslie Orgel (gerichtete Panspermie).
Auch der britische Astronom Fred Hoyle war ein großer Befürworter der Panspermie. Er verband sie mit seiner Steady-State-Theorie des Universums, die von einem unendlichen Alter des Kosmos ausgeht und damit elegant die Frage nach dem Ursprung des Lebens umgeht. Spätestens als ein breiter wissenschaftlicher Konsens das konkurrierende Urknall-Modell zur vorherrschenden kosmologischen Theorie von der Dynamik des Universums erhob, verloren seine Vorstellungen jedoch an Attraktivität. Auch die Tatsache, dass Hoyle als Autor verschiedener phantastischer Geschichten in Erscheinung trat, vermehrte nicht eben die wissenschaftliche Reputation seiner Vorstellungen, die mehr und mehr als Science Fiction angesehen wurden. Hoyles Schüler und ehemaliger Mitarbeiter Chandra Wickramasinghe vertritt jedoch noch heute aktiv panspermistische Vorstellungen.
1996 wurde von Brig Klyce schließlich die Cosmic Ancestry-Version vorgeschlagen, eine Kombination von Hoyles Panspermia-Hypothese mit den ganzheitlichen Gaja-Auffassungen eines James Lovelock.
Argumente
Eine Theorie der Panspermie stößt grundsätzlich auf drei Probleme: Das Leben muss in den interstellaren Raum gelangen, dort überleben, und später wieder auf einen neuen Planeten gelangen.
Wie kommt das Leben ins All?
Im ersten Schritt zur Panspermie müssen Lebensformen in den interplanetaren Raum gelangen, um sich später weiter verbreiten zu können. Svante Arrhenius schlug 1908 vor, dass Mikroben, die durch atmosphärische Prozesse in die äußeren Schichten befördert wurden, durch den Lichtdruck der Sonne oder durch enge Begegnungen mit Meteoriden das Gravitationsfeld ihres Planeten verlassen können. Eine Alternative wäre, dass Material mit eingebetteten Mikroben bei Meteoriteneinschlägen ins All geschleudert wird. Beide Möglichkeiten können nach neueren Erkenntnissen nicht mehr ausgeschlossen werden:
- Indische Untersuchungen fanden Bakterien in der Stratosphäre in 40 Kilometern Höhe und damit deutlich höher als bisher angenommen.
- Simulationen am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln ergaben, dass Organismen den Einschlag überleben können, der nötig ist, um Gestein vom Ursprungskörper zu trennen.
Es wird auch spekuliert, dass Leben nicht allein auf Planeten gedeiht: Immerhin wurden im ausgehenden 20. Jahrhundert auf Kometen beziehungsweise in ihrer Koma verschiedene Grundbausteine des Lebens wie etwa Aminosäuren gefunden. Allerdings gibt es bisher keine Hinweise auf Lebensformen.
Überlebensfähigkeit im Weltraum
Ein Argument gegen die Panspermie besagt, dass keine Lebensformen unter den Bedingungen des Weltraums, das heißt vor allem im Vakuum und unter den hohen Belastungen durch UV-Strahlung und kosmische Strahlung, überleben können. Selbst im Inneren von größeren Körpern, wo die kosmische Strahlung weitgehend abgeschirmt ist, sollte DNA durch die Strahlung radioaktiver Elemente, die in geringer Menge in jedem natürlich vorkommenden Gestein vorhanden sind, über längere Zeiträume zerstört werden.
Es gibt jedoch Hinweise, die darauf hindeuten, dass Bakterien unter diesen Bedingungen längere Zeit überleben können:
- Mit der US-amerikanischen Mondmission Surveyor 3 wurden versehentlich Bakterien der Art Streptococcus mitus auf den Mond gebracht. Nach ihrem Rücktransport zur Erde 31 Monate später war ein Großteil der Sporen in der Lage, den normalen Lebenszyklus fortzusetzen.
- Die BIOPAN-Experimente des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln-Porz untersuchen die Widerstandsfähigkeit unter definierten Bedingungen. Auf russischen Foton-Satelliten wurden Behälter mit der Bakterienart Bacillus subtilis in eine Erdumlaufbahn gebracht und dort für zwei Wochen geöffnet. Nach der Rückkehr zur Erde hatten mehrere Promille der Ausgangspopulation die Zeit im Orbit ohne jedwede Abdeckung oder Schutzfolie überlebt. Weitere Experimente ergaben, dass lebende Organismen, die von der UV-Strahlung zum Beispiel durch eine Staubschicht abgedeckt sind, einige Jahre im Weltall überleben können. Sie könnten eventuell aber auch mehrere Millionen Jahre überdauern, sofern sie in einem mehreren Meter großen Gesteinskörper von der Kosmischen Strahlung abgeschirmt sind.
Überlebensfähigkeit beim Einschlag
Nach ihrer kosmischen Passage müssen die Lebensformen auch noch den Weg durch die Atmosphäre auf die Planetenoberfläche überleben, der mit Belastungen durch starke Verzögerungskräfte und große Hitzeentwicklung verbunden sein kann. Meteoroiden, welche die irdische Atmosphäre durchdringen und als Meteoriten auf der Erdoberfläche ankommen, werden aber meist nur an der Oberfläche erhitzt und geschmolzen. Bereits in etwa einem Zentimeter Tiefe wird das Material kaum erhitzt, so dass ein Überleben von Mikroorganismen möglich scheint. Auch werden die Meteoriden, solange sie nicht allzu groß sind, in der Atmosphäre so stark abgebremst, dass die Einschlagenergie recht klein ist und meistens nicht einmal ein Krater erzeugt wird. In einer theoretischen Arbeit aus dem Jahr 2000 schätzten Forscher um Curt Mileikowsky den Anteil von Marsmaterie, der auf dem Weg zur Erde nicht über 100°C erhitzt wurde, in den vergangenen vier Milliarden Jahren auf etwa vier Milliarden Tonnen. Versuche mit Raketenexperimenten verliefen jedoch bisher negativ.
Extreme Lebensräume auf der Erde
Im ausgehenden 20. Jahrhundert hat man Lebensformen unter sehr „lebensfeindlichen“ Bedingungen auf der Erde gefunden, unter denen man Leben vorher nicht für möglich gehalten hätte. Es sind mittlerweile viele Bakterienstämme bekannt, die nicht auf die Sonne als Energielieferant angewiesen sind, sondern andere chemische Prozesse nutzen, zum Beispiel in Vulkanen, den Schloten heißer Quellen in der Tiefsee (Black Smoker) und unterirdischen Seen. So wurde inzwischen Leben bei Temperaturen von mehr als 200°C in stark sauren Umgebungen oder auch in mehr als 1.000 Meter tiefen Bohrkernen im antarktischen Eis gefunden (siehe Wostoksee). Diese Funde bestätigen die Vermutung, dass Leben weitaus widerstandsfähiger ist als noch vor Jahrzehnten gedacht wurde.
Kosmische Indizien
Nach der Entdeckung immer komplexerer Moleküle in interstellaren Wolken konnte 2002 auch die einfachste Aminosäure Glycin nachgewiesen werden. Im 1969 gefallenen sehr primitiven Meteoriten Murchison wurden Aminosäuren, Diaminosäuren und andere organische Verbindungen gefunden.
Merkmale des in der Antarktis gefundenen Mars-Meteoriten ALH84001 werden von manchen Forschern sogar als Spuren fossiler Bakterien gedeutet - eine Interpretation, die allerdings hochgradig umstritten ist.
Varianten der Panspermie
Gerichtete Panspermie
Ein weiterer prominenter Protagonist der Panspermie, der Nobelpreisträger Francis Crick, formulierte 1973 zusammen mit Leslie Orgel die Theorie der gerichteten Panspermie. Nach dieser Theorie sind die Sporen des Lebens nicht zufällig ins Weltall geraten, sondern absichtlich von einer außerirdischen Zivilisation losgeschickt worden. Das Versenden von kleinen Körnern mit Bakterien ist nach Crick der kostengünstigste und effektivste Weg, um Leben auf einen potentiell lebensfähigen Planeten zu transportieren. Als Grund wird zum Beispiel angesehen, dass die Zivilisation einer unausweichlichen Katastrophe entgegensah, oder auf ein Terraforming anderer Planeten für eine spätere Kolonisation hoffte.
Transspermie
In den späten 1990er Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurden einige Überlegungen angestellt, die den Transport nicht zwischen Planetensystemen, sondern nur zwischen benachbarten Planeten untersuchen. Dieser Vorgang wird Transspermie (engl. transpermia) genannt. Auch diese Form der Panspermie gilt als spekulativ, wird jedoch als Möglichkeit wesentlich stärker in Betracht gezogen als die oben angesprochene Panspermie im weiteren Sinne.
Nach der bereits erwähnten Arbeit der Forscher um Mileikowsky gelangten in der Erdgeschichte mehr als vier Milliarden Tonnen Marsmaterial auf die Erde, das bei diesem Prozess nicht über 100°C erhitzt wurde. Auch den umgekehrten Weg von der Erde zum Mars nahm eine zwar kleinere, aber doch erhebliche Materialmenge. Sollte auf dem Mars Leben gefunden werden, könnte es demnach möglich sein, dass eine enge Verwandtschaft mit irdischem Leben besteht. Die Frage wäre dann allerdings, wo das Leben entstanden ist, auf der Erde oder auf dem Mars.
Starke Panspermie und Cosmic Ancestry
Die von Fred Hoyle vorgeschlagene, auch als starke Panspermie bezeichnete Version nimmt im Gegensatz zur "schwachen" Panspermie an, dass nicht nur einfachstes Leben aus dem Weltall auf die Erde gelangte, woraus sich dann gemäß der Evolutionstheorie die biologische Vielfalt und speziell die genetische Struktur der modernen Organismen neu entwickelten, sondern geht davon aus, dass diese Vielfalt schon in "genetischen Programmen" der aus dem Weltall kommenden Lebenskeime angelegt war. Im Besonderen lehnt die starke Panspermie die Makroevolution ab und akzeptiert nur die Mikroevolution als Feinanpassung an die Umwelt. Das Leben wäre demnach schon immer Bestandteil eines unendlich alten Universums gewesen.
Die als Cosmic Ancestry propagierte Version erweitert die starke Panspermie, indem sie Hypothesen aus dem Gaja-Umfeld mit einbezieht, nach denen die Biosphäre die Umweltbedingungen eines Planeten aktiv kontrolliert, um möglichst günstige Bedingungen für das Leben herzustellen.
Einordnung der Theorie der Panspermie
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts arbeiten nur wenige Menschen systematisch an der Theorie der Panspermie, auch wenn sie von vielen Wissenschaftlern und Institutionen wie der US-amerikanischen Raumfahrt-Organisation NASA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nicht grundsätzlich abgelehnt wird. Insbesondere die Transspermie-Hypothese in bezug auf Erde und Mars wird zumindest als Möglichkeit in Betracht gezogen.
Entstehung von Leben
Die Hauptmotivation für Panspermie ist die Tatsache, dass Leben auf der Erde schon sehr früh nachweisbare Spuren hinterlassen hat.
Die ältesten bekannten Minerale der Erdkruste sind etwa 4,4 Milliarden Jahre alte Zirkone, die auf eine erste Abkühlung der jungen Erde schließen lassen. Vermutlich durch den Einschlag vieler Asteroiden und Kometen und anderer geologischer Prozesse wurde jedoch die damals vorhandene Kruste vollständig zerstört. Die ältesten Gesteine der Erde, die auf knapp vier Milliarden Jahre datiert werden, konnten erst vor etwa 3,8 Milliarden Jahren eine zum Teil bis heute erhaltene feste Kruste bilden, nachdem vor etwa 3,9 Milliarden Jahren die Einschlagshäufigkeit von Meteoriten deutlich nachgelassen hatte, wie Untersuchungen an Mondkratern bestätigen. Gewöhnlich wird vor diesem Zeitpunkt die chemische Evolution von den einfachsten Molekülen über komplexere Biomoleküle bis hin zu kompletten Organismen als unwahrscheinlich angesehen.
Die ältesten Fossilien sind möglicherweise 3,54 bis 3,56 Milliarden Jahre alte Stromatolithen, die in Australien und Südafrika gefunden wurden; geochemische Isotopenanalysen zeigen sogar schon Anomalien in den ältesten Gesteinen, die ebenfalls auf Leben hindeuten. Diese Datierungen werden allerdings gegenwärtig wieder neu diskutiert, da es Hinweise darauf gibt, dass Organismen aus späteren geologischen Epochen in das ältere Gestein eingedrungen sein könnten, beziehungsweise dass die geochemischen Anomalien auch rein anorganische Ursachen haben könnten. Sollten sich die ursprünglichen Datierungen bestätigen, scheint das Leben auf der Erde nahezu sofort mit dem Vorhandensein des ersten flüssigen Wassers beziehungsweise der ersten Ozeane existiert zu haben. (Sauerstoffisotopenanalysen in den ältesten Zirkonen werden von einigen Wissenschaftlern allerdings so gedeutet, dass bereits zu deren Kristallisationszeit vor 4,4 Milliarden Jahren sowohl kontinentale Kruste als auch Ozeane auf der Erdoberfläche existiert haben könnten.)
Eine mögliche Erklärung dieses beinahe „frühestmöglichen“ Nachweises von Leben ist, dass seine Entstehung ein beinahe selbstverständlicher Prozess im Universum ist, der fast schlagartig abläuft, sobald es die Umweltbedingungen zulassen - inwieweit dies hinsichtlich der Komplexität der biologischen Moleküle und Prozesse zutrifft, ist jedoch unbekannt.
Einen anderen Ansatz verfolgt die Panspermie: Sie erklärt bewusst nicht den Ursprung des Lebens selbst, der entweder nicht angesprochen wird oder der sogar nach Ansicht einiger ihrer Vertreter niemals stattgefunden hat. In letzterem Fall wird davon ausgegangen, dass das Universum kein endliches Alter besitzt und das Leben neben Raum, Zeit und Materie zu den fundamentalen Bestandteilen des Kosmos gehört. Diese Vorstellung steht allerdings im Gegensatz zum heute allgemein anerkannten Urknall-Modell, nach dem das Universum etwa 13,7 Milliarden Jahren alt ist. Die Anhänger dieser Panspermie-Variante sind somit gezwungen, auf alternative Modelle des Kosmos wie das Steady-State-Modell auszuweichen.
Weniger extrem ist die Vorstellung, dass das Leben an einem anderen Ort im Universum entstanden sei, von wo aus es sich im Universum ausgebreitet habe und so schließlich auch auf die Erde gelangt sei. Sie hat gegenüber der oben erwähnten Variante den Vorteil, nicht im Widerspruch zu etablierten kosmologischen Theorien zu stehen, bietet aber nach Ansicht ihrer Anhänger immer noch deutliche Vorteile gegenüber der vorherrschenden Auffassung, die ersten Lebensformen hätten sich auf der Erde gebildet, da zumindest potentiell wesentlich mehr Zeit für die Entstehung des Lebens zur Verfügung steht.
Kritik der Panspermia-Hypothese und weltanschauliche Aspekte
Die Verfechter der Panspermie haben einen vielfältigen Hintergrund, der von seriösen Wissenschaftlern, die die Panspermie zwar als sehr spekulativ aber durchaus wissenschaftlich behandelbar betrachten, über interessierte Laien bis zu mehr pseudowissenschaftlich arbeitenden oder auch religiös beeinflussten Vertretern reicht. Aus der Wissenschaft, speziell von Evolutionbiologen, kommt oft der Einwand, dass die Panspermie unwissenschaftlich sei.
Tatsächlich sind viele Versionen nur schwer oder überhaupt nicht wissenschaftlich überprüfbar. Auch wird bei gegenwärtigem Wissensstand kein Grund gesehen, auf Panspermie-Theorien zurückzugreifen. Die radikale Vorstellung, Leben habe immer schon existiert, gilt mehrheitlich durch das heute vorherrschende Urknall-Modell der Kosmologie mit dem darausfolgenden endlichen Alter des Universums als widerlegt. Solange die Erde der einzige bekannte Ort ist, auf dem Leben existiert, wird zudem kein Vorteil darin gesehen, den Entstehungort an einen anderen Ort des Universums zu verlegen - im Gegenteil müsste noch der Transfer zur Erde erklärt werden, wodurch Panspermie-Hypothesen komplizierter als Evolutionstheorien sind, ohne dafür mehr erklären zu können. Auch die Entdeckung organischen Materials in Meteoriten, Kometen oder sonstwo im Weltall ändert daran nichts, da auch dies zeigt, dass die Entstehung von organischem Material auf der Erde mit ihrer vielfältigeren Chemie erst recht möglich gewesen sein sollte, wie durch verschiedene Versuche, darunter das berühmt gewordene Urey-Miller Experiment, nachgewiesen wurde. Damit gilt auch die sogenannte Pseudo-Panspermie, das heißt die Auffassung, dass nicht einfaches Leben, sondern nur die grundlegenden Lebensbausteine (organischen Vebindungen) aus dem Weltall stammen, für die Erklärung des Ursprungs irdischen Lebens nicht als wesentlich notwendig.
In organisierter Form wird die Panspermie gegenwärtig beispielsweise von der Interstellar Panspermia Society vertreten. Diese Organisation hat es sich offiziell zur Aufgabe gemacht, wissenschaftliche Forschung speziell zur gerichteten Panspermie zu fördern und deren Durchführung zu ermöglichen. Gleichzeitig verbreitet diese Organisation eine als "Astrobioethic" bezeichneten Ethikkatalog. Letzteres wird oft so gedeutet, dass es sich doch um mehr als nur eine Vereinigung handelt, die außergewöhnliche Projekte fördern will, sondern auch um eine weltanschauliche Vereinigung - Panspermia-Gegner üben wegen der reliösen Züge daher heftige Kritik an dieser Organisation. Daneben weist auch der Einfluss der Gaja-Hypothese innerhalb der Cosmic-Ancestry-Panspermie darauf hin, dass Panspermie-Weltbilder wegen ihrer Faszination zumindest potentiell sektenhafte Züge, etwa vergleichbar mit Scientology oder dem Raelismus, annehmen können.
Obwohl mit Lord Kelvin einer der ersten Vertreter der Panspermie einen antidarwinistischen Standpunkt vertrat, der auch religiöse Beweggründe hatte, wird die Panspermie von Kreationisten gegenwärtig im Allgemeinen als weiteres naturalistisches Weltbild neben der Evolutionstheorie abgelehnt. Panspermie-Vertreter betrachten die Panspermie gewöhnlich als dritten Weg zwischen Evolutiontheorie und Kreationismus. Trotzdem gibt es auch Berührungspunkte, etwa die Ablehnung der modernen Evolutionstheorie, insbesondere der Makroevolution, unter Verwendung scheinwissenschaftlicher Argumente. So verwendet etwa Brig Klyce, ein Vertreter der "Cosmic Ancestry" genannten Form der Panspermie, den ursprünglich aus dem Kreationismus stammenden pseudowissenschaftlichen Begriff der "Irreduziblen Komplexität", um gegen die Evolutionstheorie zu argumentieren. Auch ist durchaus denkbar, dass manche Versionen der Panspermie, wie gerade die "Cosmic Ancestry"-Version, in abgewandelter Form von Kreationisten adaptiert werden könnten.
Mit Ausnahme einiger prominenter Wissenschaftler wie Francis Crick und Fred Hoyle spielt die Panspermie in ihrer allgemeinen Form gegenwärtig nur eine sehr marginale Rolle in der Wissenschaft. Nur in Form der Transspermie wird sie durchaus in der Planetologie und der Astrobiologie seriös in Betracht gezogen. Sollten außerhalb der Erde auf einem der Planeten oder Monde innerhalb des Sonnensystems Lebensformen gefunden werden, die Ähnlichkeiten zu irdischem Leben aufweisen, die nicht allein durch Zufall oder konvergente Evolution zu erklären sind, würde die Transspermie allerdings neue Aktualität gewinnen.
Science Fiction
Die Idee der Panspermie wurde in einer Reihe von Science-Fiction-Romanen aufgegriffen, besonders zu erwähnen sind hiebei Jack Finneys mehrfach verfilmte Invasion der Körperfresser und die Dragonrider-Bücher von Anne McCaffrey.
Häufig wird die Panspermie auch als fiktive Erklärung für die meist humanoiden Außerirdischen und ihre meist erdähnlichen Heimatplaneten genutzt.
Literatur
- Svante Arrhenius, Worlds in the Making, Harper, London (1908)
- Francis Crick, Leslie Orgel, Directed Panspermia, Icarus, 19, 341 (1973)
- Francis Crick, Life Itself: Its Origin and Nature, Simon and Schuster, 1981, ISBN 0708822355 (engl.)
- Fred Hoyle, The Intelligent Universe, Michael Joseph Limited, London 1983, ISBN 0718122984 (engl.)
- Gerda Horneck, Leben, ein kosmisches Phänomen?, Simulationen des DLR zum Überleben von Mikrorganismen im Weltall (pdf)
- Mileikowsky, C. et. al., Natural transfer of viable microbes in space, Icarus 145, 391-427 (2000)
- Paul Davies, How bio-friendly is the universe, Conference Report 2004, pdf (engl.)