Max Valier
Max Valier (* 9. Februar 1895 in Bozen; † 17. Mai 1930 in Berlin) war ein österreichischer Astronom und Schriftsteller. Er gilt als bedeutender Wegbereiter der Raketentechnik und gleichzeitig als ihr erstes Todesopfer.
Biografie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Familie und Ausbildung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Max Valier wurde am 9. Februar 1895 in Bozen geboren. Sein leiblicher Vater Edmund Valier stirbt im Jahre 1896. Seine Mutter heiratete im Jahr 1900 einen deutschen Kaufmann und brachte seine Halbschwester Martha zur Welt. Max ließ sie von seiner Großmutter großziehen. Während seiner Schulzeit am Franziskanergymnasium Bozen bekam Valier im Jahre 1908 ein Amateur-Teleskop geschenkt, was ihn maßgeblich dazu motivierte, sich für Astronomie und Raumfahrt zu interessieren.[1]
Im Jahr 1913 begann er an der Universität Innsbruck das Studium der Astronomie, Meteorologie, Mathematik und Physik.
Aufgrund des Ersten Weltkrieges wurde er nach dem Ende des Wintersemesters im Februar 1915 zur Musterung bestellt. Als Student wird er als Offiziersanwärter eingestuft und zur Grundausbildung nach Brixen verlegt. Im Jahr 1916 wird Valier zu einem technischen Kurs an der meteorologischen Anstalt „Hohe Warte“ nahe Wien entsendet. Dort lernt er Paul Hörbiger kennen, wodurch er mit der Welteislehre des Vaters Hanns Hörbiger in Berührung kommt. Diese besagt, dass die meisten Himmelskörper aus Eis bestehen sollen.[1]
Nach seiner Ernennung zum Leutnant im Herbst 1917 wurde Valier zu einer Flugzeugerprobungseinheit nach Wien versetzt. Dort besuchte er häufig das Haus der Hörbigers. Im Rahmen einer Diskussion über die Welteislehre äußerte er den Wunsch, ein Buch zu verfassen, das die Theorie verständlicher darstellt, als ein bereits erschienenes Werk von Hörbiger selbst. Nachdem der Krieg 1918 beendet war, nahm Valier sein Studium in Wien erneut auf und schloss seine Staatsprüfung ab.[2] Seinen Lebensunterhalt finanzierte er durch Vorträge und Publikationen. Zudem arbeitete er als Wissenschafts- und Science-Fiction-Autor. U. a. veröffentlichte er die Erzählung „Spiridion Illuxt“, in der er die Atombombe vorhersah.[1]
Im Herbst 1919 wird Valiers Doktorarbeit abgelehnt, da die Welteislehre Hörbingers zu umstritten war. Valier heiratete die zwanzig Jahre ältere Hedwig Bucek. Im Jahr 1922 zieht die kleine Familie (mit der 17-jährigen Tochter Hanni) nach München.[1]
Begeisterung für Raketen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Januar 1924 entdeckt Valier in München zufällig das Buch Die Rakete zu den Planetenräumen von Hermann Oberth. Wenige Tage Später teilt Valier Hermann Oberth mit, er würde etliche Vorträge über das Thema halten und Publikationen zu der Theorie veröffentlichen, sodass er zusammen mit Oberth Experimente finanzieren könne. Außerdem schrieb er eine allgemein verständliche Abhandlung zur Raumfahrt. Mit Oberths Unterstützung entstand 1924 Der Vorstoß in den Weltenraum, in dem ein Programm zur Entwicklung der Raketentechnik beschrieben war. Dieses Werk wurde ein großer Erfolg, sechs Auflagen erschienen bis 1930.[3]
Ab dem Frühjahr 1925 kam Valier die Idee, einen Zusammenschluss aller Raketen-Begeisterten zu gründen und gemeinsame Forschung zu betreiben. Nach einer zweijährigen, intensiven Auseinandersetzung mit der Idee des Flüssigkeits-Raketenmotors und einem umfangreichen Austausch von Informationen mit Oberth und anderen Raketen-Forschern ist es Valier noch immer nicht gelungen, einen Finanzier für Oberth aufzutreiben.[1]
Eigene Experimente mit Feststoffraketen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ab April 1925 beginnt Valier mit der Vorbereitung von eigenen Versuchen mit Feststoffraketen. Valier schrieb in einem Brief an Oberth:
„Ich werde also in nächster Zeit mit einer im Bau von Feuerwerksraketen erfahrenen Firma Fühlung zu nehmen versuchen“
Dieses Vorhaben setzte er im März 1925 mit einer Augsburger Firma um. Im September 1925 trifft sich Valier mit Vertretern der Junkers Flugzeug-Werke in Berlin, welche grundlegend Interesse an Valiers Flüssigkeits-Raketentriebwerken bekunden. Sie entschieden sich jedoch gegen eine Finanzierung von Valier. Ein Jahr lang unternimmt Valier danach Versuche, andere Geldquellen zu akquirieren, jedoch erfolglos. Nach einem Schreiben an den Weltkriegs-Flieger und Besitzer einer kleinen Flugzeugfabrik Ernst Udet treffen sich beide im September 1926. Im Anschluss soll ein kleines bemanntes Rak-Flugzeug gebaut werden, welches auf einem Rak-Modell-Flugzeug mit einer Spannweite von drei Metern basiert. Im Sommer 1927 plant Udet, den Höhenflugweltrekord zu brechen und schließlich eine Stunde im Weltraum zu verbringen. Auf der Suche nach Geldgebern für dieses Projekt, schrieb Valier mehr als 1000 Briefe – erfolglos.[1]
Entwicklung von Raketenautos
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der von Johannes Winkler herausgegebenen Zeitschrift „Die Rakete“ wird im Mai 1927 die Gründung des „Verein für Raumschiffahrt“ angekündigt, in der auch Valier seine Mitarbeit ankündigte. Hermann Oberth beendete die Zusammenarbeit mit Valier, da dieser ihm mitgeteilt hatte, dass er alle Spenden für seinen eigenen Lebensunterhalt verwenden müsse. Am 5. Juli 1927 gründete er zusammen mit Johannes Winkler den Verein für Raumschiffahrt in Breslau.[4] Valier befand sich im Vorstand des Vereins. In diesem Verein sammelten sich in der Folgezeit viele Raumfahrtpioniere der Weimarer Republik.[1]
Die nächste Ausgabe der „Rakete“ berichtete außerdem, dass Valier noch im Sommer 1927 vorhabe, den Höhenweltrekord mit einem Raketen-Flugzeug zu brechen.
Erst im Oktober 1927 konnte er nach vielen Enttäuschungen mit dem Autoindustriellen, Sportsmann und Rennfahrer Fritz von Opel einen finanzkräftigen Förderer gewinnen. Sie einigten sich auf ein Forschungsprogramm bei dem Feststoffraketen Autos antreiben sollen, Ziel ist es den Geschwindigkeitsrekord zu brechen.
Ab 1928 entstand eine Reihe von Versuchsfahrzeugen. Angetrieben wurden diese von Pulverraketen, die Friedrich Wilhelm Sander lieferte, Inhaber einer Fabrik für Signal- und Rettungsraketen aus Wesermünde.[5] Valier sah die aus der Zusammenarbeit mit dem „schnellen Fritz“ entstandenen Raketenautos als eine erste Vorstufe für die Weltraumrakete. Opel sah darin jedoch nur einen immensen Werbeeffekt für seine Firma.
Aufgrund dieser Meinungsverschiedenheit wurde die Zusammenarbeit im Mai 1928 wieder eingestellt. Valier entwickelte nun Raketenschienenwagen, Raketenschlitten und nahm mit der Firma Espenlaub Kontakt auf, um auf dem Düsseldorfer Flughafen ein erstes Raketenflugzeug zu konstruieren, das mit den Ideen Valiers gebaut wurde, ohne ihn jedoch am Flug zu beteiligen. Auf dem zugefrorenen Starnberger See gelang Valier 1929 mit dem Raketenschlitten RAK BOB ein Geschwindigkeitsrekord von über 400 km/h. Im Januar 1930 erhielt er ein Labor in den Berliner Heylandt-Werken, die auf die Produktion von flüssigem Sauerstoff spezialisiert waren. Dort führte er erfolgreiche Versuche mit Flüssigtreibstoffen durch, die – so sein Assistent Walter Riedel – grundlegend für die weitere Raketenentwicklung in Deutschland wurden.[6] Am 25. Januar 1930 wurde der erste Test mit Raketenantrieben durchgeführt.
Die erste Vorführung der Heylandt-Raketenautos fand am 17. April 1930 auf dem Werksgelände in Britz statt. Dies war zugleich die erste Vorführung von Flüssigkeits-Raketentriebwerkes und des ersten, durch ein Flüssigkeitstriebwerk angetriebenen, bemannten Fahrzeuges der Welt.[1] Am darauffolgenden Tag wiederholt Valier diese Präsentation auf dem Flugplatz Tempelhof. Dabei fährt er etwa 6 bis 8 Minuten mit dem Raketenauto.
Am 17. Mai 1930 starb Max Valier durch eine Explosion während des Probelaufs eines neuartigen Triebwerks, da er sich darauf eingelassen hatte, für die Firma Shell Versuche auch mit Paraffin durchzuführen. Valier erlitt eine tödliche Verletzung der Lungenschlagader bei der Explosion einer Brennkammer. Er verblutete innerhalb von 10 Minuten. Er gilt damit als erstes Todesopfer der Raumfahrt.[7]
Max Valier wurde auf dem Münchner Westfriedhof beigesetzt.
Rezeption, Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Walter Riedel führte die Versuche von Max Valier zunächst in der Heeresversuchsanstalt Kummersdorf und anschließend in Peenemünde fort. In Bozen sind eine Fachoberschule im technologischen Bereich und ein Verein von Amateurastronomen nach ihm benannt. Diese beiden Einrichtungen entwickelten zusammen mit der Gewerbeoberschule Oskar von Miller in Meran den Kleinsatelliten Max Valier Sat, der am 23. Juni 2017 gestartet wurde.[8] Außerdem tragen Straßen in Bozen und München sowie die einzige Volkssternwarte Südtirols (Sternwarte Max Valier in Gummer, Gde. Karneid) seinen Namen. Eine Max-Valier-Straße gibt es ebenso in Seis am Schlern (Gemeinde Kastelruth), wo sich das Sommerfrischehaus der Familie befindet. Seit 1970 ist ein Mondkrater nach ihm benannt.[9] Im Jahr 1971 wurde in Wien-Simmering (11. Bezirk) die Valiergasse nach ihm benannt.
Veröffentlichungen (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Der Sterne Bahn und Wesen: Gemeinverständliche Einführung in die Himmelskunde. 2., vollständig umgearbeitete Auflage, R. Voigtländer’s Verlag, Leipzig 1926 (erste Auflage 1924).
- Raketenfahrt: eine technische Möglichkeit. 2. Auflage, zugleich 6. Auflage von Vorstoss in den Weltenraum, R. Oldenbourg, München 1930.
- Einführung in die Welteislehre: die Rätsel des Sonnenreiches, nach Ing. Hörbiger dargestellt. Hachmeister & Thal, Leipzig 1927.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Daniel Brandau: Valier, Max. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-4, S. 706 f. (Digitalisat).
- Ilse Essers: Max Valier – Ein Vorkämpfer der Weltraumfahrt. VDI-Verlag, Düsseldorf 1968 (Technikgeschichte in Einzeldarstellungen Nr. 5, ISSN 0082-2361).
- Fred Gütschow: Max Valier – Vor 50 Jahren verunglückte der Tiroler Raketenpionier. In: Flug Revue. Juli 1980, ISSN 0015-4547, S. 55–58.
- Ernst Attlmayr: Tiroler Pioniere der Technik. 35 Lebensbilder. Universitätsverlag Wagner, Innsbruck/ München 1968, S. 80–87.
- Michael Graf Wolff von Metternich: Deutsche Raketenfahrzeuge auf Strasse, Schiene und Eis 1928 bis 1931. Verlag Sieger, Lorch 1997
- Walter Gerhard Brandecker: Ein Leben für eine Idee. Der Raketen-Pionier Max Valier. Union 1961
- Linus Hauser: Kritik der neomythischen Vernunft, Bd. 3: Die Fiktionen der science auf dem Weg in das 21. Jahrhundert. Paderborn 2016, S. 314–322.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Max Valier im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Max Valier in der Internet Speculative Fiction Database (englisch)
- Zeitungsartikel über Max Valier in den Historischen Pressearchiven der ZBW
- Valier RAK BOB 1 – Der Raketenpionier Max Valier in Oberschleißheim
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d e f g h Max Valier. Abgerufen am 18. Juni 2024.
- ↑ Ilse Esser: Max Valier. Ein Pionier der Raumfahrt. Bozen (Athesia) 1980, S. 27.
- ↑ Valiers Beitrag. Abgerufen am 18. Juni 2024.
- ↑ „Die Rakete“, Ergänzungsheft Januar-Juni 1927, S. 28.
- ↑ Bayerische – Flugzeug – Historiker e. V. – Startseite
- ↑ Walter Riedel: Rocket Developments with Liquid Propellants. From the early days with Max Valier to the A4 (V2) long-range rocket (1930 to 1942). A brief technical overview. Written at Westcott near Aylesbury July 1950, Derby (UK) 2005.
- ↑ Nazi-Vorwurf. Abgerufen am 18. Juni 2024.
- ↑ Gunter Krebs: Max Valier. In: Gunter’s Space Page. 23. Juni 2017, abgerufen am 23. Juni 2017 (englisch).
- ↑ Max Valier im Gazetteer of Planetary Nomenclature der IAU (WGPSN) / USGS
Personendaten | |
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NAME | Valier, Max |
KURZBESCHREIBUNG | Südtiroler Schriftsteller, Astronom und Raketenbau-Wegbereiter |
GEBURTSDATUM | 9. Februar 1895 |
GEBURTSORT | Bozen |
STERBEDATUM | 17. Mai 1930 |
STERBEORT | Berlin |
- Raumfahrtpionier (Deutschland)
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- Sachbuchautor
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- Person als Namensgeber für einen Mondkrater
- Historische Person (Südliches Tirol)
- Person (Bozen)
- Geboren 1895
- Gestorben 1930
- Mann
- Österreicher
- Österreichischer Emigrant in Deutschland