Marcel Reif

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Marcel Reif (2019)

Marcel Reif (* 27. November 1949 als Marc Nathan Reif[1] in Wałbrzych, Polen) ist ein Schweizer Sportjournalist und -kommentator.

Reifs Mutter war eine schlesische, deutschstämmige Katholikin, sein Vater polnischer Jude. Sein Grossvater väterlicherseits war Möbelfabrikant in der Nähe von Lemberg. Vermutlich wurde Reifs Vater von Berthold Beitz vor den Nationalsozialisten gerettet, indem Beitz ihn am Bahnhof von Boryslaw unmittelbar aus dem Zug herausholte, der ins KZ fuhr.[2] Viele Verwandte Reifs – u. a. sein Grossvater – wurden im Holocaust umgebracht. Infolge des nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufkommenden Antisemitismus in Polen[3] emigrierte seine Familie 1956 mit ihm aus Polen nach Israel. In Jaffa besuchte Reif die von den La-Salle-Brüdern geleitete katholische Privatschule Collège des Frères de Jaffa.[4]

Als Reif acht Jahre alt war, zog seine Familie von Tel Aviv nach Kaiserslautern, da sein Vater eine Anstellung bei der Kaiserslautern Military Community der US-Streitkräfte gefunden hatte. Er begann nun, Deutsch zu lernen. Als Jugendlicher spielte er u. a. beim 1. FC Kaiserslautern Fussball, zunächst in der Innenverteidigung, später im offensiven Mittelfeld.

Berufliche Laufbahn

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Nach seinem Abitur in Heidelberg begann Reif an der Universität Mainz ein Studium der Publizistik, Politikwissenschaft und Amerikanistik, das er ohne Abschluss beendete. Neben dem Studium arbeitete er ab 1972 als freier Mitarbeiter in der politischen Redaktion des ZDF und wurde bald Reporter für die Sendungen heute und heute-journal. 1981 bis 1983 war er im Londoner ZDF-Büro tätig und wechselte 1984 ins Sport-Ressort. In seinen Anfangstätigkeiten in der ZDF-Sportredaktion als Reporter und Kommentator berichtete er über Fussball und Eishockey und war zunächst als Assistent von Kommentator Dieter Kürten tätig.[5] 1991 war Reif Redaktionsleiter für den Sport-Spiegel. Seine letzte Tätigkeit für das ZDF war das Kommentieren des Finals der Fussball-Weltmeisterschaft 1994.

Ab der Saison 1994/1995 arbeitete er bei RTL. Er war Chefkommentator für Fussballspiele und kommentierte in der Sendung Anpfiff vor allem Spiele der UEFA Champions League. 1996 bis 1997 war er zudem Bereichsleiter für den Bereich Sport bei RTL, 1997 bis 1998 erneut Chefkommentator im Fussball bei RTL. Nachdem RTL 1999 die Übertragungsrechte an der Champions League überraschend an TM3 verloren hatte, wechselte Reif zum Sender Premiere, dem heutigen Sky Deutschland. Bis Ende 2013 schrieb er wöchentlich eine Kolumne für den Berliner Tagesspiegel am Sonntag.

Am 15. Januar 2016 bestätigte Reif gegenüber der Süddeutschen Zeitung, dass er seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag bei Sky Deutschland nicht verlängern werde.[6] Seine Karriere als Kommentator beendete er mit dem Finale der UEFA Champions League 2016. Wolff-Christoph Fuss wurde sein Nachfolger.

Im Juni 2016 war er auf Sat.1 an der Seite von Moderator Frank Buschmann als Experte für die Europameisterschaft 2016 zu sehen.[7] Reif kommentierte von 2018 bis 2021 beim Schweizer Pay-TV-Sender Blue + von Swisscom (ehemals Teleclub) die Spiele der Champions League und blieb dem Sender anschliessend als Experte erhalten.[8]

Von 2016 bis 2021 war Reif einer der Experten in der Sport1-Fussball-Talkshow Doppelpass.[9][10] Für die Bild-Zeitung betreibt er seit Februar 2020 den zweimal wöchentlich erscheinenden Podcast Reif ist live[11] und kommentiert an der Seite von Sportchefredaktor Matthias Brügelmann einzelne Fussballspielübertragungen auf Bild live.[12]

Günther Jauch (l.) und Marcel Reif (r.) bei Maischberger (2019)

Bekannt und legendär ist seine Moderation mit Günther Jauch vom «Torfall von Madrid» im Champions-League-Halbfinal-Spiel Real Madrid gegen Borussia Dortmund am 1. April 1998 in Madrid. Der Spielbeginn verzögerte sich um 76 Minuten, da ein Aluminium-Tor abgebrochen und umgefallen war und im Ganzen ersetzt werden musste. Die völlig überraschende und in ihrer Dauer unabsehbare Wartezeit überbrückten die beiden mit Anekdoten und bildhaften Beschreibungen. Zitat: «Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan wie heute.» und «Für all diejenigen, die erst später eingeschaltet haben: Das erste Tor ist schon gefallen.» Reif und Jauch wurden 1998 für diese improvisierte Moderation mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet.[13]

Lehrbeauftragter, Auszeichnungen

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Von 1995 bis 2002 war er Lehrbeauftragter an den Instituten für Publizistik der Deutschen Sporthochschule Köln und der Technischen Universität München. Reif bekam 2002 den Deutschen Fernsehpreis, 2003 den Adolf-Grimme-Preis für seine Berichterstattung von der Fussball-Weltmeisterschaft 2002 für den Fernsehsender Premiere, 2014 den Radio Regenbogen Award als Medienmann sowie 2015 den Kaiser-Augustus-Orden der Arbeitsgemeinschaft Trierer Karneval (ATK) für sein soziales Engagement in Afrika.[14]

Im Januar 2021 warfen ihm Kritiker in den sozialen Netzwerken einen Aufruf zu Gewalt vor. Bezüglich möglicher Konsequenzen für den Schweizer Fussballspieler Breel Embolo, der zuvor gegen landesweit geltende Corona-Bestimmungen verstossen hatte, vermutete Reif, dass er in der Kabine von seinen Mitspielern zum Beispiel eine «kleine Abreibung», auch in Form von «nonverbalen Mitteln», erhalten könnte. Reif wies Kritik an seinen Aussagen zurück.[15][16][17]

Reif zog 1997 in die Schweiz, dort wohnte er rund 25 Jahre in Rüschlikon in der Nähe von Zürich. 2013 erhielt er die Schweizer Staatsbürgerschaft,[18][19] seine deutsche Staatsangehörigkeit gab er auf: «Für mich war schnell klar: Wenn ich Schweizer werde, dann richtig. Hier ist mein Lebensmittelpunkt, von hier will ich nie mehr weg.»[20] Heute lebt er in München.[21]

Mit seiner ersten Frau Ria hat er einen Sohn. In zweiter Ehe war Reif von 1999 bis 2006 mit der 21 Jahre jüngeren Schweizer Sportredaktorin Sandra Weder verheiratet und hat mit ihr zwei Söhne.[22] Seit April 2010 ist er in dritter Ehe mit der Münchner Medizinprofessorin Marion Kiechle verheiratet,[23] die 2018 kurzzeitig Bayerische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst war.[24][25][26]

Weitere Engagements und Auftritte

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Reif begegnete Berthold Beitz, dem Retter seines Vaters, einige Jahre vor dessen Tod ein einziges Mal, nachdem er zuvor schriftlich Kontakt zu ihm aufgenommen hatte. Als Beitz im Juli 2013 – kurz vor seinem 100. Geburtstag – auf Sylt starb, urlaubte Reif zufällig in einem Nachbarhaus. Reif schrieb einen Nachruf auf Beitz im Spiegel.[27]

Seit 2012 tritt Reif in der ZDF-Quizsendung Der Quiz-Champion als Experte für die Kategorie Sport an.[28]

Am 28. Februar 2015 wurde Reif vor dem Revierderby in Dortmund auf dem Weg zum Stadion von einzelnen BVB-Fans attackiert, die seinen Wagen umringten, schüttelten und ihn bedrohten. Reifs Verhältnis zum Dortmunder Fanlager galt seinerzeit als schwierig. Nachdem die Polizei eingegriffen hatte, konnte Reif unverletzt und ohne weitere Schäden mit seiner Frau ins Stadion fahren.[29][30] Beim anschließenden Champions-League-Achtelfinalspiel des BVB gegen Juventus Turin am 18. März 2015 wurde auf der Dortmunder Südtribüne eine Choreografie des Champions-League-Endspiels 1997 mit Reifs legendärem Kommentar „Ricken... lupfen jetzt... jaaaaaaaaaa!!“ gezeigt.[31] Dies wurde vielfach als Versöhnung der Dortmunder Ultraszene mit Reif aufgefasst.[32][33]

2016 wurde Reif Mitglied des «Teufelsrats», eines Beratergremiums[34] des 1. FC Kaiserslautern.[35] Seit 2017 ist er Mitglied des Kuratoriums der DFL Stiftung.[36] 2019 wurde er zum Vorsitzenden des Kuratoriums ernannt.[37][38]

Schild mit dem Ausspruch „Sei-a-Mensch (Leo Reif)“ bei einer Demonstration gegen Rechts in Weikersheim (2024)

2019 hatte er einen Gastauftritt in der Comedy-Fernsehserie jerks., wo er sich selbst spielte.[39]

Am 31. Januar 2024 hielt Reif, anlässlich der Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, eine Rede im Deutschen Bundestag. Dabei zitierte er einen Ausspruch seines Vaters: «Sej a Mensch!»[40] Für diese Rede wurde ihm im August 2024 der Deutsche Rednerpreis verliehen.[41]

Commons: Marcel Reif – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Auschwitz – zu monströs für eine Talkshow. In: welt.de, 6. Februar 2012
  2. Aussage von Reif in der ZDF-Sendung Markus Lanz (Fernsehsendung) am 24. Juli 2013
  3. Vgl. Reif in der biographischen Dokumentation Lebenslinien: Marcel Reif Väter und Söhne, Bayerisches Fernsehen, 7. Juli 2014, URL: programm.ard.de [2. Juli 2014]
  4. Collège des Frères de Jaffa. (Memento vom 11. August 2016 im Internet Archive) Französische Botschaft in Israel
  5. Martin Schneider ist Assistent von ZDF-Reporter Bela Rethy. Er hilft ihm während des Spiels "Es ist ein Traumjob". In: berliner-zeitung.de, 12. Juni 2004, abgerufen am 18. Juli 2016
  6. Alexander Gorkow: Marcel Reif hört auf bei Sky. In: Süddeutsche Zeitung, 15. Januar 2016. Abgerufen am 29. Januar 2016.
  7. Mit Marcel Reif als Experte. In: ran.de. Abgerufen am 1. Juni 2016.
  8. TV-Comeback: Marcel Reif kommentiert wieder Spiele in der Königsklasse, in Express, 29. Juni 2017, express.de.
  9. Darum geht Marcel Reif zum Doppelpass. reviersport.de, 15. August 2016, abgerufen am 10. September 2018.
  10. Marcel Reif - Experte CHECK24 Doppelpass: Marcel Reif. sport1.de, 30. April 2018, abgerufen am 10. September 2018.
  11. Das ist der Reif ist live. In: Bild. Abgerufen am 17. September 2020.
  12. Alexander Krei: Auch „Bild“ zeigt Klub-WM – und setzt auf Reif und Scholl. In: DWDL.de. 26. Januar 2021, abgerufen am 8. Februar 2021.
  13. Interview mit Marcel Reif: Jauch rettete mich vorm medialen Selbstmord. In: Welt Online, abgerufen am 30. August 2008 – inkl. Video mit Ausschnitten aus der Madrid-Reportage
  14. Trierer Karnevalisten ehren Fußball-Kommentator Marcel Reif. In: Trierischer Volksfreund. 18. November 2014, abgerufen am 19. Juni 2016.
  15. Reif irritiert mit Aussagen über „Abreibung“ für Embolo In: rp-online.de. 26. Januar 2021, abgerufen am 26. Januar 2021.
  16. Marcel Reif empfiehlt Kabinen-Keile für Gladbachs Embolo und erntet Kritik In: stern.de. 26. Januar 2021, abgerufen am 26. Januar 2021.
  17. Wirbel um Marcel Reif: Fußball-Experte leistet sich verbalen Fauxpas In: Focus Online. 27. Januar 2021, abgerufen am 15. Juli 2023.
  18. Gemeinde Rüschlikon, Gemeindeversammlung: Einbürgerungsgesuch Reif Marcel (deutscher Staatsangehöriger), S. 11 (PDF-Datei; 4,0 MB (Memento vom 21. September 2013 im Internet Archive))
  19. Sendung Günther Jauch vom 10. März 2013 in der ARD
  20. Yannick Nock: TV-Legende Marcel Reif gibt seinen deutschen Pass zurück. In: Der Sonntag. 16. März 2013, abgerufen am 15. Juli 2023 (Schweizer Hochdeutsch): „Jetzt ist er Schweizer. Marcel Reif, Kommentator und Fussballexperte, hat zuletzt nicht nur den roten Pass erhalten – er hat auch den deutschen abgegeben.“
  21. Marco Maurer: Marcel Reif, sind Sie für Deutschland oder die Schweiz? In: Tages-Anzeiger/SonntagsZeitung, 22. Juni 2024.
  22. Marcel Reif echt privat: Schon gewusst? Deshalb ist der Sport-Kommentator kein Deutscher mehr. In: news.de. 5. April 2018, abgerufen am 17. November 2018.
  23. Marcel Reif: „Heirat war natürliche Konsequenz“. In: Bunte. 28. April 2010, abgerufen am 19. Juni 2016.
  24. CSU-Politikerin Marion Kiechle: Auf dem Prüfstand, sueddeutsche.de, 31. Juli 2018: „Seit 21. März 2018 ist Marion Kiechle Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst in Bayern - zuvor hatte sie an der TU München den Lehrstuhl für Gynäkologie inne.“
  25. Guter Platz für Spaenle auf CSU-Landtagsliste. In: OVB online. Oberbayerisches Volksblatt, 20. April 2018, abgerufen am 15. Juli 2018 (aktualisiert am 2. Mai 2018): „Auf den Plätzen vier bis acht folgen wieder Kabinettsmitglieder: Kerstin Schreyer (Soziales), Marion Kiechle (Forschung)“
  26. Prof. Dr. Marion Kiechle wieder Direktorin der Frauenklinik rechts der Isar. In: MRI TUM. 3. November 2018, abgerufen am 3. August 2022: „Die ehemalige bayerische Wissenschaftsministerin kehrt ans Universitätsklinikum rechts der Isar zurück: Prof. Marion Kiechle übernimmt mit sofortiger Wirkung wieder die Leitung der Frauenklinik am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM).“
  27. Nachruf von Marcel Reif auf Berthold Beitz: In tiefster Dunkelheit. In: Der Spiegel Nr. 32/2013, S. 77.
  28. Folge 2. In: fernsehserien.de. 21. April 2012, abgerufen am 15. Juli 2023.
  29. Stuttgarter Zeitung: Marcel Reif entsetzt über BVB-Anhänger. Abgerufen am 29. August 2024.
  30. Marcel Reif attackiert Jürgen Klopp nach Fan-Wut. Abgerufen am 29. August 2024.
  31. 50 Jahre Westfalenstadion: Die beeindruckendsten Choreos. Abgerufen am 29. August 2024 (deutsch).
  32. Marcel Reif erklärt seinen Friedensschluss mit den BVB-Fans. 15. Februar 2024, abgerufen am 29. August 2024.
  33. Perform Media Deutschland GmbH: Mit seinen Pranken fast zerquetscht: Früherer Trainer des FC Bayern München wollte Kommentator einschüchtern. 6. Februar 2024, abgerufen am 29. August 2024.
  34. Marcel Reif und Amazon-Chef im Teufelsrat. Abgerufen am 29. Oktober 2021.
  35. Saarbrücker Zeitung: FCK will mit dem „Teufelsrat“ in eine bessere Zukunft. 27. Juni 2016, abgerufen am 29. Oktober 2021.
  36. DFL Stiftung: Neuner, Wulff, Reif und Hayali im Kuratorium. In: ran.de. 6. August 2017, abgerufen am 15. Juli 2023.
  37. Pop-Musiker Bendzko neu im Kuratorium der DFL Stiftung. In: Sport-Informations-Dienst (SID). 5. Juli 2019, abgerufen am 15. Juli 2023: „Neuer Vorsitzender ist der ehemalige TV-Kommentator Marcel Reif, der nach neun Jahren auf Fritz Pleitgen folgte.“
  38. Marcel Reif. DFL Stiftung, abgerufen am 15. Juli 2023.
  39. Florian Schimak: Ziemlich schlüpfriger Auftritt! Fußball-Experte Marcel Reif ganz verändert in TV-Serie „Jerks“. In: tz.de. 10. Juli 2019, abgerufen am 15. Juli 2023.
  40. Marcel Reif: Link zum Text der Rede auf bundestag.de. In: bundestag.de. Deutscher Bundestag, 31. Januar 2024, abgerufen am 31. Januar 2024.
  41. Imanuel Marcus: Marcel Reif bekommt Deutschen Rednerpreis: „Ich habe nur weitergegeben, was mein Vater mir gesagt hat“. In: juedische-allgemeine.de. 23. August 2024, abgerufen am 23. August 2024.