Brockes-Passion (Händel)

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Oratoriendaten
Titel: Brockes-Passion
Originaltitel: Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus

Titelblatt des Librettos von 1712

Form: Passionsoratorium
Originalsprache: Deutsch
Musik: Georg Friedrich Händel
Libretto: Barthold Heinrich Brockes
Uraufführung: 23. März oder 3. April 1719
Ort der Uraufführung: Refektorium der Domkirche, Hamburg
Spieldauer: ca. 2 ½ Stunden
Personen
  • Maria (Sopran)
  • Drei Mägde (Sopran)
  • Tochter Zion (Sopran)
  • Judas (Alt)
  • Johannes (Alt)
  • Jacobus (Alt)
  • Kriegsknecht (Alt)
  • Evangelist (Tenor)
  • Petrus (Tenor)
  • Jesus (Bass)
  • Caiphas (Bass)
  • Pilatus (Bass)
  • Hauptmann (Bass)
  • Gläubige Seelen (Sopran, Alt, Tenor, Bass)
  • Chor

Die Brockes-Passion (Originaltitel Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus, HWV 48) ist ein Passionsoratorium in einem Teil von Georg Friedrich Händel (Musik) mit einem Libretto des Hamburger Ratsherrn Barthold Heinrich Brockes. Die Uraufführung fand am 23. März oder 3. April 1719 im Refektorium der Domkirche in Hamburg statt.

Der Text basiert auf dem Passionsgeschehen in den vier Evangelien der Bibel, insbesondere auf den Kapiteln 26 bis 27 des Matthäus-Evangeliums. Im Gegensatz zu den späteren Werken von Johann Sebastian Bach und anderen wurde er hier nicht wörtlich übernommen, sondern auch in den Rezitativen in Versform nachgedichtet.

Nach dem als Sündenbekenntnis der Gemeinde zu verstehenden[1] Eingangschor („Mich vom Stricke meiner Sünden zu entbinden, wird mein Gott gebunden“) werden die folgenden Ereignisse behandelt: Das Abendmahl, der Gang zum Ölberg, das Gebet in Gethsemane, die Gefangennahme, das Verhör vor dem Hohen Rat, die Verleugnung durch Petrus, die Auslieferung an Pilatus, die Verhandlung vor Pilatus, die Verspottung, die Kreuzigung und der Tod Jesu. Der Schlusschor ist ein trostreiches Bekenntnis zu Christus, der die Welt durch sein Leiden erlöst hat.

Entstehungsgeschichte

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Hauptartikel zum Libretto von Barthold Heinrich Brockes: Brockes-Passion

Brockes war mit Händel bereits 1702 in Halle, einem der Hauptorte der lutherischen Pietismusbewegung, und später auch in Hamburg zusammengetroffen. Zum Zeitpunkt der Komposition befand sich Händel allerdings schon in London. Er vertonte das Werk vermutlich im Sommer 1716 und schickte es spätestens im Herbst 1716 per Post zu Mattheson nach Hamburg, wie dieser in seiner Ehrenpforte berichtet. Es ist die einzige geistliche Komposition Händels auf einen deutschen Text. Die Originalpartitur ist verschollen. Es sind aber fünf Abschriften erhalten.

Für die Musik verwendete Händel auch ältere Werke wie die dritte Klavierfuge und Teile des Utrechter Te Deum.[2] Andererseits nutzte er später auch einige Sätze der Passion in seiner Oper Giulio Cesare, in den Oratorien Esther, Deborah und Athalia sowie in den Concerti grossi.

Das Werk hat insgesamt 106 Sätze, von denen viele einen opernhaften Charakter haben. Wie in der Oper gibt es hier Ouvertüren, Rezitative, Ariosi, Arien, Ensemble-Sätze und Chöre. Allerdings wird auf tänzerische Elemente verzichtet, und eine kontemplative Stimmung herrscht vor. Trotz vieler Chorsätze hat der Chor insgesamt nur eine periphere Funktion. Die meisten Turba-Chöre sind nur kurz, und auch die vier Choräle sind schlicht gehalten. Das Passionsgeschehen wird auf die wesentlichen Elemente beschränkt. Dem erzählenden Evangelisten sind mit der Tochter Zion und den vier Gläubigen Seelen allegorische Figuren gegenübergestellt, die das Geschehen reflektieren.[2] Jesus wird nicht triumphierend, sondern duldend dargestellt. Auf äußerliche Beschreibungen wird weitgehend verzichtet. Andere in der Bibel nur kurz erwähnte Ereignisse wie der Dialog mit den Jüngern werden dagegen ausgeschmückt. Der Hörer soll sich in die Passion hineinfühlen, für die Buße empfänglich gemacht und so von seinen Sünden erlöst werden können. Durch dieses pietistische Ziel und vor allem wegen des Fehlens der wörtlichen Evangelienrezitation[3] war das Oratorium nicht wie etwa Bachs Passionen liturgisch verwendbar. Aufführungen fanden daher auch nicht im Rahmen eines Gottesdienstes in der Kirche statt, sondern im privaten Kreis oder im Konzertsaal.

Die Orchesterbesetzung ist sparsam. Der Klang basiert hauptsächlich auf dem Streicherensemble, das gelegentlich durch Oboen verstärkt wird. Nur in sieben Arien kommen Oboen-Soli vor. An manchen Stellen werden die Violinen unisono geführt, und es gibt auch einzelne Violin-Soli.[2]

Aufführungsgeschichte

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Die erste Aufführung des Werks fand vermutlich schon 1716 im Hause von Brockes statt.

Bei der öffentlichen Uraufführung am 23. März[4] oder 3. April 1719[1] in der Hamburger Domkirche sang die Städtische Kantorei unter der Leitung des damaligen Domkantors Johann Mattheson. Es wurde ein Eintrittsgeld gefordert. Die Sänger gehörten zu den beliebtesten Darstellern der Oper am Gänsemarkt. Sicher belegt sind Margaretha Susanna Kayser (Sopran), Adam Rose (Alt) und Ernst Carl Ludwig Westenholz (Bass). Möglicherweise wirkte auch Johann Adolph Hasse (Tenor) als Evangelist und Petrus mit.

Weitere Hamburger Aufführungen fanden am 20. März 1720 im Drillhaus, der Exerzierhalle der Hamburgischen Bürgerwehr, am 26. März und 7. April 1721 in der Domkirche und 5. April 1724 wieder im Drillhaus statt. Am 26. März 1723 gab es eine Aufführung in Lüneburg und zwischen 1746 und 1749 eine solche möglicherweise unter der Leitung Johann Sebastian Bachs in der Neuen Kirche in Leipzig. Im 18. Jahrhundert wurde das Werk vermutlich auch in Wien durch Joseph Haydn und in schwedischer Sprache in Stockholm von Johan Helmich Roman aufgeführt.

1722 wurden einzelne Sätze des Werkes mit Teilen der Kompositionen Keisers, Telemanns und Matthesons zu einem Passions-Pasticcio zusammengestellt und unter dem Namen Omnibus Brockes Passion in Hamburg aufgeführt.[5]

Im 19. Jahrhundert wurde Händels Brockes-Passion nur selten aufgeführt, so z. B. im privaten Rahmen in Heidelberg von Anton Friedrich Justus Thibaut. Der Text entsprach nicht dem damaligen Zeitgeschmack. So äußerte sich der Musikwissenschaftler und Händel-Biograph Friedrich Chrysander folgendermaßen zu dem Werk:

„Das Werk von Brockes ist geschmacklos und sinnlos, strotzt von übertriebenen oder unwürdigen Bildern, ist aber von großer sinnlicher Gewalt, die wie ein Theatereffect sich aufdrängt und wie ein solcher die Hörer überwältigt“

Friedrich Chrysander: G. F. Händel. Leipzig 1860.[6]

1965 gab Felix Schröder eine Neuausgabe der Partitur heraus.[7] Seitdem wird das Werk wieder öfter aufgeführt.

Es gibt mehrere CD-Aufnahmen des Oratoriums:[8]

Einzelnachweise

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  1. a b Hans Joachim Marx: Händels Oratorien, Oden und Serenaten: ein Kompendium, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 3-525-27815-2, S. 85.
  2. a b c Heinz Becker: Die Brockes-Passion, Beilage zur Schallplatte der Deutschen Grammophon, 1968.
  3. Aus dieser war das liturgische Passionsoratorium hervorgegangen und sie blieb dessen Kern, vgl. Passion (Musik)#Geschichte und liturgischer Ort.
  4. Anthony Hicks: Handel [Händel, Hendel], George Frideric [Georg Friederich]. In: Grove Music Online (englisch; Abonnement erforderlich).
  5. Liste der Brockes-Passion-Vertonungen auf der Bach Cantatas Website (englisch), abgerufen am 11. September 2014.
  6. Friedrich Chrysander: G. F. Händel. Erster Band. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1858, S. 433 (online bei Zeno.org).
  7. Hallesche Händel-Ausgabe auf der Webseite der Internationalen Händelgesellschaft, abgerufen am 11. September 2014.
  8. Diskografie bei Allmusic, abgerufen am 11. September 2014.
  9. Informationen zur Aufnahme von August Wenzinger, 1967 bei Discogs.
  10. Informationen zur Aufnahme von Nicholas McGegan, 1994 bei Discogs.
  11. NDR Chor singt Händels „Brockes-Passion“ auf ndr.de, abgerufen am 8. Februar 2022
  12. Anette Sidhu-Ingenhoff: Ein farbenprächtiges Gemälde: Händels „Brockes Passion“. CD-Tipp von SWR2, 2. Dezember 2019, abgerufen am 8. Februar 2022.
  13. a b Guido Fischer: Rezension der Aufnahmen von Lars Ulrik Mortensen und Richard Egarr. In. Rondo, 11. April 2020, abgerufen am 8. Februar 2022.
  14. Uwe Schweikert: Drei Stile, eine Stimme. In: Opernwelt Juli 2021, S. 34.