3 - O-Ring Praxis

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Autoren:
Prof. Dr.-Ing. Heinz K. Müller
Dr. Bernard S. Nau

Eine besondere Herausforderung an den Ingenieur ist eine sichere Abdichtung von Maschinen und
Anlagen. Wenn es um den unerwünschten Austritt von Flüssigkeiten oder Gasen aus Maschinen,
Aggregaten und Anlagen geht, wird die häufig unterschätzte Kunst des Abdichtens zum zentralen
Thema.
www.fachwissen-dichtungstechnik.de befasst sich auf allen Ebenen mit dem Vermeiden oder mit der
kontrollierten Eindämmung von Leckage. In 24 Fachkapiteln werden die physikalischen Grundlagen
und die vielfältigen Techniken des Abdichtens in klarer Sprache und mit prägnanten Bildern be-
schrieben. fachwissen-dichtungstechnik liefert damit die notwendigen Informationen zu Gestaltung,
Auswahl, Entwicklung und Betrieb von Dichtungen und Dichtsystemen.

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Prof.Dr.-Ing. Heinz K. Müller · Dr. Bernard S. Nau

3 O-Ring: Theorie und Praxis

Automatische Dichtwirkung vorgepresster Elastomerdichtungen. Elastizität und Inkompressibilität.


Vorpressdruck und Überlagerung des hydrostatischen Fluiddrucks. Anwendungshinweise: Vorpressmaß,
Anpassung an Einbauräume, radialer oder stirnseitiger Einbau, Extrusion, Maßnahmen für die Montage.
Druckbedingte Walkbewegung, Probleme durch Verdrillen und bei atmendem Gehäusespalt. Literatur.

3.1 EINLEITUNG

Der bislang schwerste Unfall in der Geschichte der Raumfahrt, die Challenger-Katastrophe
des Jahres 1986, wurde durch eine fehlerhaft konstruierte „statische“ O-Ring-Dichtstelle ver-
ursacht. Hier wurde dem Konstrukteur besonders eindringlich vor Augen geführt, wie Bautei-
le, die scheinbar relativ zueinander ruhen, sich unter Druck plötzlich so stark verlagern kön-
nen, daß eine als unproblematisch geltende Dichtung spontan versagt.

Elastomerdichtungen werden in sehr großer Stückzahl zur Abdichtung ruhender oder langsam
bewegter Maschinenteile verwendet. Am bekanntesten ist der O-Ring. In dynamischen Dicht-
systemen werden O-Ringe hauptsächlich als Nebenabdichtung verwendet. Gerade bei diesen
scheinbar einfachen und problemlosen Elementen muß der Konstrukteur eine Reihe von we-
sentlichen Konstruktionsregeln beachten. Zunächst ist es notwendig, den physikalischen Dicht-
mechanismus dieser Elemente zu kennen.

3.2 AUTOMATISCHE ABDICHTUNG MIT ELASTOMERDICHTUNGEN

Automatische Dichtwirkung: Dem Querschnitt eines Elastomer-Dichtrings wird bei der


Montage eine definierte Verformung aufgeprägt. Dadurch entsteht eine initiale Pressung (Vor-
pressung) an den Kontaktflächen zwischen dem Dichtring und einem Maschinenteil. Im Be-
trieb wirkt der Druck des abzudichtenden Fluids auf den Dichtring und setzt dabei auch den
Elastomerwerkstoff unter Druck. Dadurch erhöht sich die Pressung an den Kontaktflächen.
Dieser Mechanismus erzeugt eine „automatische“ Dichtwirkung. Sie beruht auf der Elastizität
und der Inkompressibilität der Elastomere.

Kapitel 3 O-Ring: Theorie und Praxis Seite 2


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Elastomer- ∆ d Übermaß
Dichtkörper
Einbauraum (Nut)

T
Vorpressung: σy = p
v
Bild 1
Beim Einbau einer
Elastomer-Dichtung
y entsteht die initiale
Vorpressung

σ =p Fluiddruck p = 0
y b
p
v

y
Bild 2
Unter der Einwirkung des
x
abzudichtenden Drucks p
vergrößert sich die Dicht-
abzudichtender Fluiddruck p = σ x pressung von pv auf pb

Der Dichtmechanismus wird nun am Beispiel eines Dichtrings mit quadratischem Querschnitt
(R-Ring) erläutert, Bild 1. Der Dichtringquerschnitt wird beim Einbau von seiner ursprüngli-
chen Höhe d um das Maß ∆d auf die Höhe T zusammengepreßt. Die Kontaktflächen berühren
sich danach mit der Pressung pv („Vorpressung“).

Wirkt im Betrieb auf den Dichtring zusätzlich der Fluiddruck p, wächst die Dichtpressung auf
den Wert pb an, Bild 2. Wenn nun durch äußere Einflüsse - die später beispielhaft erläutert
werden - sich die Gegendichtfläche auch nur kurzzeitig vom Dichtring weg bewegt, dann
dringt das abzudichtende Fluid in den Dichtspalt ein. Der Fluiddruck p könnte jetzt im Prinzip
den Dichtspalt offen halten, wäre die dagegen wirkende Dichtpressung nicht größer als p.
Eine sichere Dichtwirkung setzt also voraus, daß die Dichtpressung pb bei jedem beliebigen
Fluiddruck p automatisch immer größer ist als dieser Fluiddruck p.

Im Folgenden wird gezeigt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit diese automati-
sche Dichtwirkung zustande kommt. Dazu wird der Zusammenhang zwischen pb und p mit
Hilfe der Gleichungen des dreiachsigen Spannungs-Dehnungszustands berechnet. Da beim
vorliegenden Problem nur Druckspannungen σ und Stauchungen ε vorkommen, werden diese

Kapitel 3 O-Ring: Theorie und Praxis Seite 3


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mit positiven Vorzeichen versehen; ν ist die Querdehnungszahl des Elastomers. Bild 3 zeigt
das Koordinatensystem des Dichtrings. Es wird angenommen, daß der mittlere Umfang des
Dichtrings beim Einbau nicht gedehnt oder gestaucht wird, d.h. εz = 0.

y
Bild 3
z Elastomer-Dichtring
x (Abwicklung)

Die Grundgleichungen eines dreiachsigen Spannungs-Verformungszustands lauten:


E⋅ εx = σx - ν⋅ (σy + σz) (1)
E⋅ εy = σy - ν⋅ (σz + σx) (2)
E⋅ εz = σz - ν⋅ (σx + σy) (3)

Zunächst wird der Einbauzustand ohne Fluiddruck betrachtet: σx = p = 0 (vgl.Bild 1). Das
Vorpreßmaß ∆d = d -T bewirkt die relative Stauchung εy = εo = ∆d/d
Aus (2) und (3) folgt:
E ⋅ ε o = pv - ν⋅ σz
0 = σz - ν⋅ pv
Damit ergibt sich

E ⋅ ε o = pv ⋅ ( 1 - ν 2 ) oder

pv = E⋅ εo
(4)
1 - ν2

Betrachtet man den Zustand bei Einwirkung des abzudichtenden Drucks p (Bild 2), so folgt
mit (2) und (3):
E ⋅ ε o = p b - ν⋅ ( σz + p ) (5)
0 = σz - ν⋅ ( p + p b )
σz = ν⋅ ( p + p b ) (6)
Aus (4, 5, 6) folgt:
p v ⋅ ( 1 - ν 2 ) = p b - ν⋅ [ ν⋅( p + p b ) + p ]
= p b ⋅ ( 1 - ν 2 ) - ν⋅ ( 1 + ν ) ⋅ p
Damit ergibt sich der gesuchte Zusammenhang:
ν⋅ (1+ ν )
pb = pv + ⋅ p = pv + ν ⋅ p (7)
1-ν 2 1-ν

Elastomere sind nahezu inkompressibel, das heißt, ihre Querdehnungszahl ist ν ≈ 0,5.
Mit Gl. (7) ergibt sich somit die einfache Beziehung

Kapitel 3 O-Ring: Theorie und Praxis Seite 4


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pb ≈ p v + p (8).

Die Pressung pb der Dichtung an ihren Kontaktflächen ist somit immer um den Betrag der
Vorpressung pv größer als der Fluiddruck p, das heißt, die Dichtwirkung paßt sich „automa-
tisch“ dem abzudichtenden Druck an.

Automatische Dichtwirkung beim O-Ring: Auch Elastomer-Dichtringe mit anderen Quer-


schnittsformen, insbesondere O-Ringe, haben eine automatische Dichtwirkung. Im überdruck-
losen Einbauzustand hat die Dichtfläche eines O-Rings einen näherungsweise parabelförmi-
gen Pressungsverlauf. Diesem überlagert sich der abzudichtende Druck p in der Weise, daß
etwa in der Mitte der Dichtfläche eine maximale Pressung pmax herrscht, die stets größer ist als
der Fluiddruck p, Bild 4.

p > p
max

O-Ring

Bild 4
Verlauf der Dichtpressung
eines O-Rings unter Einwirkung
des abzudichtenden Drucks p

Beidseitiger Flüssigkeitsdruck: Auch Elastomere sind im Prinzip zusammendrückbar, d.h.


ihre Querdehnungszahl ν ist tatsächlich geringfügig kleiner als 0,5. Deshalb erhebt sich die
Frage, ob die geringe Kompressibilität den Dichtmechanismus praktisch beeinträchtigen kann.
In der Praxis wurde beispielsweise die Frage diskutiert, ob ein Elastomer-Dichtring, der bei
hohem Druckniveau zwei Räume mit annähernd gleichem Druck gegeneinander abdichtet,
deshalb versagen kann, weil er infolge Materialkompression insgesamt dünner wird. Derarti-
ge Betriebsbedingungen herrschen beispielsweise in druckausgeglichenen Aggregaten tief-
tauchender Wasserfahrzeuge oder in der Offshore-Technik. Bei beidseitigem Flüssigkeitsdruck
unterscheidet sich die Auswirkung der Materialkompression eines Elastomerrings mit quadra-
tischem Querschnitt von dem eines O-Rings dadurch, daß bei beidseitig zunehmendem Druck
die Breite der Berührfläche des quadratischen Rings sich weniger stark ändert als die des O-
Rings. Man macht sich diesen Sachverhalt klar, indem man sich vorstellt, der Dichtring werde
unter allseitig hohem Druck p in die Nut eingelegt. Seine Dicke ist dann wegen seiner Kom-
pressibilität bereits beim Einbau um so kleiner, je höher der Druck p ist. Dies ist jedoch nur bei

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extrem hohem Druck von Bedeutung. Die praktische Auswirkung der Materialkompressibili-
tät wird deshab im Folgenden genauer erörtert.

Kompressibilität von Elastomeren: O´Neill (1976) bestimmte experimentell die Zusam-


mendrückbarkeit verschiedener Elastomere im Druckbereich bis 3,5 GPa (35 000 bar). Da-
nach kann die relative Veränderung des Elastomervolumens unter dem Druck p folgenderma-
ßen berechnet werden (Vo= Volumen bei Atmosphärendruck; Vp = Volumen beim Druck p):
Vp
= 1 - c ln(a + b p) (9)
V0
Ein Elastomer-Dichtring, auf den allseitig der Flüssigkeitsdruck p wirkt, verringert seine ur-
sprüngliche Dicke d um den Betrag ∆d, und zwar prozentual um
∆ d = 100 ·
(1- 1 - c · ln (a + b · p ) ) (10)
d
Die Konstanten a, b und c sind abhängig vom Elastomer. Beispielsweise gilt für Fluor-Elasto-
mer (FPM) : a = 1,12; b = 4·10-9 Pa-1; c = 0,063. Ein Dichtring aus diesem Werkstoff wird bei
109 Pa (10 000 bar) um etwa 5% dünner, bei 3·109 Pa (30 000 bar) um 8,5 %. Nahezu doppelt
so groß ist die Kompressibilität von Silikon-Kautschuk. Falls nicht aus anderen Gründen ein
beträchtlicher Teil des Übermaßes verloren geht, kann ein 20% vorgepreßter FPM-Dichtring
aufgrund der Kompressibilität sein Übermaß und somit seine statische Dichtwirkung nicht
verlieren. Das Ergebnis zeigt, daß mit dem Versagen einer Elastomerdichtung infolge Mate-
rialkompression erst bei extrem hohem Druck zu rechnen ist. Wenn in der Praxis in einem
Hochdruckaggregat mit beidseitiger Druckbelastung ein O-Ring bereits bei einigen zehn MPa
statisch undicht wird, so ist als Ursache weniger die Kompression des Elastomers als vielmehr
eine druckbedingte Verminderung des Vorpreßmaßes infolge Verformung bzw. Lageänderung
der umgebenden Bauteile in Betracht zu ziehen.

Bei hohem Druck kann ein anderes Problem entstehen, wenn das Elastomer Gaseinschlüsse
aufweist. Diese sind leichter zusammendrückbar als „massiver“ Gummi. Schaumgummi ent-
faltet keine automatische Dichtwirkung. Bei hohem Druck ist es besonders wichtig, fehlerfrei
vulkanisierte Elastomere ohne Lufteinschlüsse zu verwenden. Auch eine betriebsbedingte Bla-
senbildung im Elastomer infolge „explosiver Dekompression“ kann zum Verlust der automa-
tischen Dichtwirkung führen. Sie entsteht, wenn bei Gasabdichtung unter hohem Druck Gas
in das Elastomer eindiffundiert. Bei plötzlicher Absenkung des Drucks expandiert das einge-
drungene Gas, überall bilden sich kleine Blasen, die Elastomerdichtung wird von innen her
aufgebläht und die Oberfläche platzt an vielen Stellen.

3.3 REGELN FÜR DIE ANWENDUNG VON O-RINGEN

Das richtige Elastomer verwenden: In Kapitel 2 sind die wichtigsten Eigenschaften han-
delsüblicher Elastomere ausführlich behandelt. O-Ringe gibt es ab Lager in den Standard-
Elastomeren (NBR, EPDM, FKM, VMQ) für praktisch alle Abdichtdurchmesser D in ver-
schiedenen Schnurdicken d. Damit können bei sehr kleinem Dichtraumbedarf Fluide aller Art

Kapitel 3 O-Ring: Theorie und Praxis Seite 6


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Säuren, Laugen, Wasser, Mineralöle, Hydraulikflüssigkeiten sowie Gase im Temperaturbe-
reich von etwa -55° bis +200°C abgedichtet werden. Für noch heißere Fluide stehen Sonder-
Elastomere zur Verfügung. Die mittlere Dichtflächenpressung eines O-Rings mit 70 Sh A ist
bei höherem Druck ( p > 5 MPa) etwa gleich dem Fluiddruck p. Die Differenz (pmax - p) und
damit die automatische Dichtwirkung bleibt unabhängig vom Druck erhalten. Wichtig ist je-
doch, daß der O-Ring seine Elastizität behält. Sie kann durch Überhitzung (Verhärten durch
Verkoken) verlorengehen. Weiterhin darf das Elastomer durch chemische Einwirkung nicht so
weit schrumpfen, daß das Einbau-Übermaß ∆d dadurch verlorengeht. Angaben über den unter
bestimmten Betriebsbedingungen auftretenden Vorpressungsverlust (Compression-Set) findet
man in den Herstellerkatalogen.

Ausreichend vorpressen: Der O-Ring wird in eine Nut eingelegt und beim Zusammenbau
der abzudichtenden Maschinenteile axial oder radial in der Regel um 10% bis 20% der Schnur-
dicke d zusammengepreßt.

Anpassen durch Dehnen oder Stauchen: Die ab Lager verfügbaren O-Ringe sind im Durch-
messer D eng gestuft. Findet man für einen besonderen Anwendungsfall keinen passenden
Ring, weil beispielsweise auf einer Zylinderfläche Ø 37,7 mm abgedichtet werden soll, so
können O- Ringe ohne weiteres bis 6% gedehnt oder bis 3% gestaucht werden. Dabei verän-
dert sich allerdings der Schnurdurchmesser. Die entsprechende Änderung der Schnurdicke d
kann jedoch unter Berücksichtigung des gleichbleibenden Ringvolumens eingerechnet und
die Nuttiefe gegebenenfalls korrigiert werden.

Möglichst dicke O-Ringe verwenden: Wegen der Maßtoleranzen der Schnurdicke d und der
Nuttiefe T und wegen der Vorspannungsänderung durch Relaxation des Elastomers sind die
größeren Schnurdicken zu bevorzugen.

Deckeldichtungen vorzugsweise mit stirnseitigem O-Ring: Der O-Ring wird als Stirnflä-
chendichtung und als Umfangsdichtung eingesetzt, Bild 5. Bei radial vorgepreßten Deckelab-
dichtungen (Bild 5, oben) muß zur Demontage die (eventuell hohe) Haftreibung des O-Rings
überwunden werden (Gewinde für Abdrückschrauben vorsehen!). Zur Abschätzung der maxi-
malen Haftreibkraft FH von O-Ringen mit der Härte 70 Sh A gilt als Faustformel FH ≈ 1,5·D·d
Die Kraft F ergibt sich in Newton, wenn der Haftdurchmesser D in mm und der Schnurdurch-
messer des O-Rings in mm eingesetzt werden. Bei härteren O-Ringen ist die Haftkraft noch
wesentlich größer! Diese Demontageschwierigkeit kann durch stirnseitige Anordnung eines
axial vorgepreßten O-Rings vermieden werden (Bild 5, unten).

Extrusion vermeiden: Bei hohem schwellendem Druck ist darauf zu achten, daß der O-Ring
nicht in den niederdruckseitigen Gehäusespalt extrudiert und dabei abgeschält oder „ange-
knabbert“ wird, Bild 6. Entweder gelingt es, den Gehäusespalt durch konstruktive Maßnah-
men klein zu halten oder es müssen härtere O-Ringe oder vorzugsweise Stützringe (Back-
Ringe) verwendet werden. Standard O-Ringe mit einer Härte von 70 Sh A lassen bis 8 MPa

Kapitel 3 O-Ring: Theorie und Praxis Seite 7


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O-Ring
radial vorgepreßt

Haftreibkraft Fh
bei
Stützring verschließt
Demontage Einschnitt durch Querdehnung
infolge den Gehäusespalt
wiederholter
O-Ring Extrusion
axial
vorgepreßt:
keine Zwei Stützringe für
Haftreibung wechselnde Druck-
richtung oder um
Montagefehler
auszuschließen

Bild 6
Bild 5 Extrusion und Abhilfe durch
Anordungen des O-Rings als Stützringe
Deckeldichtung

einen Spalt von etwa 0,2 mm zu, bis 15 MPa etwa noch 0,1 mm. Stützringe aus PTFE oder
anderen Kunststoffen stehen ab Lager zur Verfügung.

Beschädigung bei der Montage vermeiden: Keinesfalls dürfen Elastomer-Dichtungen unter


Vorpressung oder während des Vorpressens über scharfe Kanten gezogen werden. Einfahr-
schrägen von 15° bis 20° sind vorzusehen, Bild 7, Müssen Querbohrungen in der Gleitfläche
überfahren werden, so ist die Fläche, in die die Bohrung einmündet, mit kegeligen Übergän-
gen zurückzusetzen. Das Entgraten der Bohrung ist, weil nicht definiert kontrollierbar, ein
zweifelhafter Notbehelf. Nicht selten versagen in der Praxis O-Ringe, weil sie über scharfe
Kanten oder Bohrungen gezogen wurden.

Einfahrschräge

15°... 20°

Bohrung
zurückgesetzt
Bild 7
Radial gepreßte O-Ringe erfordern bei der Montage
eine "Einfahrschräge"

Kapitel 3 O-Ring: Theorie und Praxis Seite 8


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Verdrillen vermeiden: Ein besonderes Problem entsteht, wenn radial vorgepreßte O-Ringe
bei der Montage über eine längere Strecke zu schieben sind. Der O-Ring kann unkontrollier-
bar verdrillt werden, wenn er am Umfang nicht überall gleichmäßig gleitet sondern an man-
chen Stellen haftet, Bild 8. O-Ringe in ungleichmäßig rauhen Nuten können so stark verdril-
len, daß ihre Oberfläche spiralförmig aufreißt. Auch unbeschädigt verdrillte O-Ringe können
durch lokale Verringerung des Schnurdurchmessers undicht werden. Schmieren beim Einbau
bringt keine zuverlässige Abhilfe. Das Problem läßt sich besser mit Elastomer-Profilringen
beseitigen, die nicht umrollen können. Mit geringerer Auswahl an Größen, Schnurdicken und
Werkstoffen stehen X-Ringe , R-Ringe (Rechteckringe) und andere Querschnittsformen zur
Verfügung.
Verdrillen des O-Rings X-Ring ("Quadring") R-Ring ("Rechteckring")

Bild 8

Verdrillen

Rutschverschleiß vermeiden: Der O-Ring füllt von Anfang an die Nut nicht ganz aus. Wenn
er nun bei besonderen Anwendungen wechselseitig einmal von der einen und dann von der
anderen Seite druckbelastet wird, so rutscht er bei jedem Druckwechsel in der Nut hin und
her, Bild 9. Dadurch kann die Elastomerdichtung mit der Zeit an der rutschenden Fläche
verschleißen.

Bild 9
Verschleiß des O-Rings
durch Rutschen in der Nut
bei Druckwechsel

Bei stirnseitig eingebauten O-Ringen zieht die Tangentialspannung des nach außen aufgewei-
teten O-Rings diesen wieder nach innen, Bild 10.

Die O-Ringe sollen im Einbauzustand (drucklos) schon an derjenigen Umfangsfläche


der Nut anliegen, an die sie später der Druck anpreßt.

Einbaulage

wenn der wenn der


Bild 10
Druck Druck
von innen von außen
Vermeiden vonVerschleiß bei
wirkt wirkt stirnseitigem O-Ring

Rotations-
symmetrieachse

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Für Massenanwendung in Stirnflächen-Nuten von hydraulischen Ventilen wurden für eine
begrenzte Zahl von Durchmessern auch Dichtringe mit besonderer Querschnittsform entwik-
kelt, die den Rutschverschleiß vermeiden.

Walken des O-Rings: Ein radial angepresster O-Ring, der immer von derselben Seite druck-
belastet wird, gleitet nur anfänglich in der Nut, bis er an der druckabgewandten Nutwand
anliegt. Spätere Druckerhöhungen bewirken lediglich ein internes Walken des O-Rings,
Bild 11. Experimentell wurde nachgewiesen, daß sich dabei die Kontaktflächen nicht bewe-
gen. Vielmehr fließt das Elastomer von innen zu den Ecken und legt sich bei zunehmendem
Druck sukzessive an die Wände an. Wegen der hohen Zugspannungen in den Ecken wird der
O-Ring am druckabgewandten Spalt von scharfen Kanten „angeknabbert“ (vgl. Bild 6).

Bild 11
Gestaltänderung des O-Rings
interne Bewegung des Elastomerwerkstoffs in der Nut bei Druckänderung
ohne Rutschen der haftenden Dichtfläche

Gefüllte Nut: Bei einer alternativen Methode der statischen Abdichtung von Flanschen mit
Elastomerwerkstoff wird der Nutquerschnitt etwas kleiner als der Dichtringquerschnitt ausge-
führt, Bild 12. Beim Anziehen der Flanschschrauben gerät das Elastomer unter sehr hohen
inneren Druck und wirkt sodann wie eine im Krafthauptschluß angeordnete Flachdichtung. Im
Vergleich zu harten Flachdichtungen (z.B. aus Metall) dringt jedoch der Elastomerwerkstoff
wirksamer in das Rauheitsprofil der Flanschoberfläche ein. Zudem ist wegen der sehr kleinen
Kontaktfläche zwischen Dichtung und abgedichtetem Fluid die Diffusion in das Elastomer
stark reduziert. Andererseits müssen im Vergleich zu herkömmlichen O-Ringnuten hier für die
Nut und den Dichtring engere Toleranzen eingehalten werden.

fertig montierter
vor Montage O-Ring füllt Nut
vollständig
Bild 12
Sonderanwendung:
Nutvolumen kleiner als
O-Ringvolumen

Kapitel 3 O-Ring: Theorie und Praxis Seite 10


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Vorsicht bei atmendem Gehäusespalt: Größte Vorsicht ist geboten, wenn bei Druckerhö-
hung das Gehäuse sich dehnt, und dadurch der Abstand zwischen Nutgrund und Auflagefläche
des O-Rings größer wird, Bild 13. Zunächst ist zu bedenken, daß die Dichtung in den vergrö-
ßerten Spalt extrudiert und bei abnehmendem Druck eingeklemmt und abgekniffen werden
kann. Außerdem muß gewährleistet sein, daß auch beim höchsten Druck noch ein ausreichen-
des Vorpreßmaß erhalten bleibt. Die Konstruktion kann jedoch bei plötzlicher Spaltaufwei-
tung noch auf andere Weise versagen. Steigt der Druck sehr schnell, so kann der O-Ring -
wegen seiner viskoelastischen Eigenschaften - sich nicht schnell genug zurückverformen. Er
verliert den Kontakt mit der zurückweichenden Gehäusewand und die Dichtung „bläst durch“.

langsam zunehmender
drucklos Druck

Bild 13
Mögliche Folgen einer
p
Vergrößerung des
Gehäusespalts bei
Druckerhöhung
schnell zunehmender Druck

O-Ring expandiert langsamer


p als die Gegendichtfläche
zurückweicht:
Fluid kann "durchblasen"
(Blow-by)

Ein derartiger Blow-By-Effekt löste die am Anfang des Kapitels erwähnte Challenger-Kata-
strophe aus. Bild 13 (a) auf der nächsten Seite zeigt die ursprüngliche Dichtstelle an der Ver-
bindungsstelle der Segmente der Feststofftriebwerke des NASA-Space-Shuttle. Nach dem
Zünden der Rakete weitet sich der zylindrische Triebwerksmantel auf. Am Unglückstag herrsch-
te zum Zeitpunkt des Starts eine verhältnismäßig niedere Außentemperatur; die Fluorelasto-
mer-O-Ringe (Schnur-Ø 7 mm) waren dadurch hart und konnten offenbar dem in Sekunden-
bruchteilen sich aufweitenden Mantel nicht folgen, Bild 13 (b). Ein gasdurchlässiger Kanal in
der vorgeschalteten Dichtpaste ließ das heiße Brenngas ausströmen, die O-Ringe brannten
durch, und die austretende Flamme zerstörte den Hauptbrennstofftank.

Nach einer langwierigen Analyse der Unfallursache wurde die Dichtstelle umkonstruiert. Bild
13(c) zeigt die geänderte Konstruktion, bei der das obere Endstück des Triebwerksmantels
neu gestaltet wurde. Auf der Innenseite ist nun ein weiterer O-Ring hinzugefügt. Die unter-
schiedliche radiale Aufweitung der Segmente des Triebwerksmantels wird durch eine Doppel-
laschenverbindung vermieden. Alle O-Ringe sind in außenliegende Nuten eingebaut. Dadurch
spannen sie nach dem Einlegen in die Nut in Umfangsrichtung und können vor der Montage
nicht herausfallen.

Kapitel 3 O-Ring: Theorie und Praxis Seite 11


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a) b) c)
Innendruck
Hitze- des Doppel-
Edelstahl- bestän- Feststoff- laschen
zylinder dige Triebwerks verbindung
Ø 3,7 m Paste
brennendes
Gas strömt Spalt
aus vergrößert
sich

Verbin-
dungs-
bolzen heißes
Gas
zusätzlicher
Hitze- O-Ring
Isolation

Fest-
Brennstoff

außen innen

Bild 14

O-Ring-Abdichtung zwischen den Segmenten der Feststoffrakete


des NASA Space Shuttle

(a/b) Dichtungskonstruktion der 1986 verunglückten Challenger


(c) Neukonstruktion der Abdichtstelle

O-Ring-Dichtstellen an fest miteinander verbundenen -scheinbar ruhenden- Bauteilen werden


oft als unproblematisch angesehen. Die Challenger-Katastrophe zeigte eindringlich die Fol-
gen dieses Irrtums. Auch geringfügige Relativbewegungen können zum Versagen führen.

Kapitel 3 O-Ring: Theorie und Praxis Seite 12


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Kapitel 3 O-Ring: Theorie und Praxis Seite 13


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