Ralph reichts (2012)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Im Stahlbad der Süßwaren

Dass den Figuren, die sich Autorinnen und Regisseure so ausdenken, mehr als nur ein Funken Leben innewohnt, dass sie den Schritt aus der Fiktion ins Leben machen, gehört vermutlich zu den Wunschträumen und Allmachtsphantasien genau dieser Kreativen. Die Konfrontation von Fiktion mit Realität sorgt dafür, dass solche Geschichten fast immer im Genre der Komödie spielen, von Woody Allens Purple Rose of Cairo über Last Action Hero (einen der besten, selbstironischsten Filme, die Arnold Schwarzenegger je gemacht hat) bis hin zum ganz frischen Ruby Sparks – Meine fabelhafte Freundin, in dem, noch so ein klassischer Bestandteil dieser Stories, der Pygmalion-Mythos wieder mal aktualisiert wird.
Ralph reichts, der neue Animationsfilm aus dem Hause Disney, fragt zunächst nur danach, wie es bei fiktionalen Wesen eigentlich nach Feierabend weitergeht. (Pixars Toy Story lässt schön grüßen.) Seine Protagonisten wohnen in den Videospielen einer Spielhalle, und schon allein diese Ortswahl gibt Rich Moores Film, entstanden in unserer Gegenwart der privaten Hochleistungsspielekonsolen, den Beigeschmack des Nostalgischen, den er dann nie verlieren wird.

Ralph, der namensgebende Titelheld, ist der Bösewicht in „Fix it, Felix!“ einem Konsolenspiel aus guten alten 8-Bit-Tagen (Disney hat es sogar spielbar nachgebaut, online), das es irgendwie geschafft hat, auch in der Gegenwart der hochauflösenden 3D-Spiele eine Nische unter den Spielern zu finden. Nach getanem Tagwerk zieht er sich abends auf seinen Müllberg aus Ziegelsteinen zurück, die er in Ausübung seines Jobs aus dem „Niceland“-Appartmenthaus gebrochen hat – sein Antagonist Fix-it Felix repariert das mit Hilfe der Spieler schön brav –, und bedauert, dass ihm niemand so eine Medaille verleiht, wie sie Felix täglich von den Hausbewohnern erhält.

Eine „brave new world“ ist das, ein Alptraum an klar definierten, scheinbar ausweglosen Schicksalen, und da kann Wandel natürlich wirklich nur vom Gesellschaftsrand kommen – das wäre eine politische Parabel wert, aber so weit lässt Ralph reichts es dann doch nicht kommen, dafür sind hier alle zu freundlich zueinander. Sogar die Obdachlosen wie Q*Bert und seine Spielgenossen sind nicht wirklich ausgestoßen. Umstürze und Gefahren sind streng begrenzt, nur fällt das während des Films gar nicht so recht auf, weil es im Raum dahinter so wunderbar bunt und knallig kracht.

Ralph verschlägt es auf seiner Suche nach Anerkennung (oder genauer: nach einer Medaille) in das Computerspiel „Hero’s Duty“, einen typischen First-Person-Shooter der Gegenwart, in dem die Spieler hochauflösend dargestellte Aliens niederknallen sollen. Weil aber der kindlich-naive Held da erfolgreich, aber ahnungslos herumstolpert, katapultiert er sich mitsamt einem der gefährlichen Aliens in das zuckersüße „Sugar Rush“, dessen Herrscher King Candy ein strenges Regiment über die Teilnehmerinnen seines Autorennspiels ausübt.

„Wann sind Computerspiele nur so gewalttätig geworden?“ fragt Ralph während seines Ausflugs in „Hero’s Duty“ einmal verzweifelt und verweist damit erneut auf den nostalgischen Grundgestus des Filmes, der ihm dann sogleich auch als Quelle steter Zuschauerbeglückung dient. Denn was Ralph reichts an Einfallsreichtum und Konsistenz fehlt (und da mangelt es gelegentlich doch spürbar), holt er durch sprachlichen und vor allem visuellen Witz locker wieder rein: Allein aus den grafischen Eigenheiten der 8-Bit-Videospiele schlägt der Film so einige Funken, und dann sind da das Treffen der Bösewichter-Selbsthilfegruppe mit einem Zombie, einem Endgegner aus „Street Fighter“ und natürlich einem der „Pac Man“-Geister, die Probleme der zum Gutsein verdammten Helden („Why do I fix everything I touch?“ fragt Felix sich einmal, als er dringend etwas kaputtmachen muss und es ihm einfach nicht gelingen will) und natürlich die Idiosynkrasien der Vanellope von Schweetz.

Vanellope ist die eigentliche Heldin des Films – sie ist in ihrem Spiel „Sugar Rush“ eine Ausgestoßene, weil ihr Subprogramm einen Fehler hat, will aber dennoch an den Rennen teilnehmen. Die wunderbare Sarah Silverman leiht ihr im Original ihre Stimme: nörgelnd, niedlich, egozentrisch und sehr, sehr beharrlich. Auch ihretwegen bleibt Ralph schließlich, und natürlich wird das kleine Mädchen den rauen Kerl mit den riesigen Händen im Stahlbad der Süßwaren (aus denen „Sugar Rush“ ausschließlich besteht – Schokoladenseen, Kaubonbons, Lutscher…) zu Selbstbewusstsein und -erkenntnis verhelfen.

Ralph reichts ist vor allem anderen natürlich ein Nerdfest – nicht nur sind sie es, die alle popkulturellen Verweise verstehen (etwa, was passiert, wenn man Mentos-Pastillen in eine Flasche Cola wirft), die Computerspieler von vorgestern können sich auch gegenseitig darin überbieten, wer mehr Verweise und obskure Computerfiguren erkannt hat. Dass diese Figuren alle – wie auch viele der Süßwaren in „Sugar Rush“ im Rahmen von wohl vorbereitetem Product Placement zu sehen sind – geschenkt. Disney ist schließlich schon länger nicht mehr mit besonderer Rücksicht bei der Zweit- und Drittvermarktung seiner Filme aufgefallen.

Und irgendwie passt das hier ja auch, weil die Popkultur, in der sich der Film wälzt, nun einmal eine kapitalistisch verfasste ist. Allenfalls kann man ihm übel nehmen, dass alles ein wenig zu glattgeschliffen ist, mit zu wenigen Überraschungen – wie ein Bad in warmer Schokolade, in der man zu jedem Zeitpunkt so sicher ist wie der gute Ausgang des Abenteuers gewiss. Und natürlich ist Ralph reichts in seiner Nostalgie auch ein wenig verlogen: Weil die alten eben nie so friedlich neben den neuen Spielen standen. Weil der Strom der Zeit sie längst fortgerissen hat und nur noch auferstehen lässt in Emulatoren – auf tausendfach schnelleren Rechnern – und in Filmen, die nostalgisch eine bessere Welt beschwören. Aber wie schön sie ist!

Ralph reichts (2012)

Dass den Figuren, die sich Autorinnen und Regisseure so ausdenken, mehr als nur ein Funken Leben innewohnt, dass sie den Schritt aus der Fiktion ins Leben machen, gehört vermutlich zu den Wunschträumen und Allmachtsphantasien genau dieser Kreativen.
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Meinungen

Silas · 08.01.2013

Der Film IST COOL

lia · 05.12.2012

ich muss darein unbedingt und danach gebe ich meine meinnug an.

Lena · 02.12.2012

der film ist so geil ich muss da rien hammer