Es war k’einmal im Märchenland – Kritik
Eine Parodie auf Märchenfilme à la Disney? Wer dabei an Shrek denkt, liegt nicht ganz falsch – aber der deutsche Animationsfilm Es war k’einmal im Märchenland bewegt sich mehr auf vertrautem Terrain als das grüne Schwergewicht.
Was wäre, wenn sich in den hübschen Disney-Märchenfilmen einmal das Blatt wenden, das Böse obsiegen würde? Wenn Rumpelstilzchen das Baby behalten dürfte? Ließe man dieses Konzept lange genug reifen, könnte eine angenehme Abwechslung zum rasch ins Kitschige abgleitenden Mainstream der Kinderunterhaltung entstehen – und selbst für eine kinderfreundliche Fassung ließe sich wohl noch einiges an bösartigen Ideen abstauben.
Dass es also in Es war k’einmal im Märchenland (Happily N’Ever After) Cinderellas Stiefmutter Frieda gelingt, das Märchenkönigreich unter ihre Knute zu bringen, eröffnet wunderbar anarchische Möglichkeiten. Prompt bevölkern die bösen Wölfe diverser Märchen und Erzähltraditionen das königliche Schloss, und indem der Film sie als Mafiosi inszeniert, ganz nah an den klassischen Mobster-Filmen, deutet er immerhin an, wohin die Reise gehen könnte. Dann reiten drei Hexen auf knatternden Besen als Motorradgang der Lüfte umher, und man darf Momente lang darauf hoffen, dass sich die Logik des Happy Ends diesmal nicht ungestört durchsetzen möge.
Aber vergebens. So viel Verstörendes auch in der Prämisse stecken mag, man muss sich nicht lange davor fürchten, dass das Gleichgewicht der Kräfte einfach kippen könnte. Denn auch wenn Cinderellas Prinz ein hohler Schönling ist, es findet sich natürlich doch noch ein schöner und sogar keineswegs tumber Held. Auch die Geschlechterverhältnisse hätten, aber das nur am Rande, einen leichten Schubser heraus aus dem üblichen Einerlei vertragen können.
Held dieser Aschenputtel-Variation ist also der Küchenjunge Rick, der zugleich als Erzähler (mit immerhin gelegentlich ironischen Einlassungen) fungiert, und an seinem Aussehen wie auch an „Ella“ Cinderella wird deutlich, dass der Film die Disney-Ästhetik, über die er sich vorgeblich lustig macht, nie wirklich verlässt. Rick zur Seite stehen die obligatorischen Sidekicks undefinierter Gattung, deren Ähnlichkeit mit dem Erdmännchen Timon und dem Warzenschwein Pumbaa aus Der König der Löwen (The Lion King, 1994) in Funktion und Aussehen nicht eben gering ist.
Die Verballhornung verkitschter Märchenfilme übernimmt Es war k’einmal im Märchenland natürlich direkt aus den Shrek-Filmen (2001-2007), die das allerdings mit erheblich mehr Mut zur Anarchie ausspielten; selbst ein unausgegorener Versuch wie Die Rotkäppchen-Verschwörung (Hoodwinked!, 2005) gewann immerhin der Einbindung des Themas in das eigentlich märchenfremde Kriminalsetting noch einige originelle Momente ab.
Es war k’einmal im Märchenland hingegen verlässt die Märchenlogik nie, Hoffnung darauf schöpft man nur für Momente. Dabei ist der Film, vor allem für einen in Deutschland entstandenen Animationsfilm, auch technisch durchweg präsentabel und kann mit hierzulande größer angekündigten Produktionen wie Michael Herbigs Lissi und der wilde Kaiser (2007) mithalten. Der Soundtrack setzt gelegentlich interessante Kontrapunkte, und das Drehbuch hat in der Tat einige sehr nette Ideen – die sieben Zwerge sind alles andere als niedlich, und der Frosch, den Ella in ihrer Verzweiflung küsst, ist dann leider doch kein Prinz.
Über solche Momente hinaus fehlt dem Film aber eine wirklich überspannende Idee, ein satirischer oder wenigstens humoristischer Ansatz, der über den kurzen, oft noch mit schlechtem Timing vorgetragenen Gag hinausginge. Die Möglichkeiten der Zauberkugel etwa, mit der die böse Stiefmutter jederzeit Einblick in die Geschehnisse der Märchen nehmen kann, liefert hier nur die schnöde Bebilderung ihrer Untaten. Für Momente wünscht man sich da, die Drehbuchschreiber hätten diese Kugel dazu genutzt, Grimms Märchen mit den Bedrohungen des modernen Überwachungsstaats zu konfrontieren – oder hätten irgendeinen der zahllosen anderen Wege beschritten, die sie andeuten und dann links liegen lassen. Dem Film fehlt jeder Mut dazu, mit seinen Überzeichnungen die entscheidenden Schritte weiterzugehen. Eigentlich, blickt man mal ins Märchen, wird der Frosch ja auch nicht geküsst, sondern an die Wand geworfen. Schon da wäre noch Potenzial.
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