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Der kleine Nick – Kritik

Was fehlt, ist der kindliche Blick: Laurent Tirards Verfilmung der Geschichten vom kleinen Nick gelingt vor allem dann, wenn die Kinder fehlen.

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Vielleicht mit der Ausnahme von Astérix, dem unbeugsamen Gallier, der beim Weg über die Grenze sein accent aigu verlor, ist Der kleine Nick (Le Petit Nicolas) vermutlich die auch über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannteste Figur von René Goscinny. Neben dem erzählerischen Charme der Geschichten dürfte das auch daran liegen, dass Der kleine Nick in Zusammenarbeit mit Jean-Jacques Sempé entstand und daher die visuelle Erinnerung an Nick immer mit den Zeichnungen im bekannten Stil Sempés verbunden ist.

Das ist nicht der einzige Grund, warum man einer Umsetzung der Geschichten als Realfilm skeptisch gegenüberstehen kann, aber er ist gewichtig. Auch die entsprechenden Versuche mit Asterix hatten schließlich damit zu kämpfen, dass das, was gezeichnet witzig, ironisch und originell ist, im real anmutenden Spielfilm, aller CGI-Kunst zum Trotz, oftmals nur lächerlich wirkt.

Für Der kleine Nick hat sich das Team um Regisseur Laurent Tirard (der im Übrigen auch als Regisseur für den nächsten Asterix-Film gehandelt wird) dafür entschieden, die Geschichten in einer Welt anzusiedeln, die sich einerseits auf das reale Paris der 1950er, 1960er Jahre bezieht – also in jener Zeit spielt, in der auch die Geschichten von Goscinny und Sempé ab 1959 zunächst entstanden sind –, aber keinesfalls historische Authentizität behauptet: Die Künstlichkeit seiner Welt stellt der Film schon in den stets makellos sauberen und ordentlichen Schuluniformen seiner jungen Protagonisten zur Schau.

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Tirard gelingt es dabei, in seinem unwirklich sauberen Setting, das weit von knallhart realistischer Ästhetik entfernt ist, dennoch ein Epochenporträt unterzubringen, das zumindest ganz bestimmte Aspekte treffend und zum Teil brüllend komisch fasst. Dies betrifft vor allem die Eltern von Nick (Kad Merad und Valérie Lemercier). Sie werden hier sehr eindeutig als Vertreter eines aufstrebenden Kleinbürgertums gezeigt, die mit moderner Wohnungseinrichtung und Schmeicheleien an den Chef Anschluss an die nächsthöhere Gesellschaftsschicht suchen. Zugleich werden im Verhältnis der beiden Eheleute erste Andeutungen und Konflikte auch gesellschaftlicher Modernisierung, etwa der Frauenemanzipation, sichtbar.

Das alles bleibt stets sehr harmlos, aber die Essenseinladung an Herrn Moucheboume (Daniel Prévost), den Chef von Nicks Vater, steigert sich über die Vorbereitungen bis hin zu dem grandios scheiternden Abend in eine doch recht präzise überzogene Beschreibung davon, wie schwierig und formalisiert die Klassenunterschiede in der französischen Nachkriegszeit noch gewesen sein mögen.

Dass diese Szenen, in denen Kinder praktisch keine Rolle spielen, die originellsten des ganzen Films sind, markiert schon deutlich, wie sehr das Drehbuch sich von den Originaltexten entfernt hat. Immer wieder gibt es Szenen, in denen Nick (Maxime Godart) gar nicht anwesend ist – in den kurzen Geschichten von Goscinny und Sempé kam das deshalb schon nicht vor, weil er dort der Erzähler ist. Genau das machte ihn auch zur eigentlichen Hauptfigur der Bücher – nicht der Umstand, dass er besonders viel Anteil an der Handlung gehabt hätte, sondern dass er die Person war, aus deren trocken-distanzierter Sicht und über deren scheinbar naive, kindliche Kommentare wir das Geschehene wahrnehmen. Genau daraus aber entwickelten Goscinny und Sempé Komik und Charme der Geschichten.

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Mit Ausnahme weniger Off-Kommentare, die Nick im Film spricht, kann oder will Tirard das nicht nachbilden. Dummerweise gerät Nick dadurch, obwohl er zugleich stilles Zentrum ist, da sich alle anderen Figuren um ihn gruppieren, auf diese Weise zur fast untätigen Nebenfigur.

Schärfer wirkt sich aus, dass der Film anstelle der Beschreibungen eines kleinen Kindes reale Bilder finden will. So wird der reiche Junge in der Klasse hier gleich superreich (samt Schloss, Rolls-Royce und Fahrer), aus Andeutungen mit reichlich Interpretationsspielraum werden allzu eindeutige Zuweisungen, statt subtilen Humors und liebevoll aufgebauter Gags findet sich oft genug Slapstick. Genauso treten die kleinen Episoden, die das Quellmaterial ausmachen, gegenüber einer die ganzen anderthalb Stunden übergreifenden Filmhandlung zurück.

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Das alles wäre nicht weiter dramatisch – schließlich müsste sich Tirards Arbeit nicht zwingend an den Nick-Büchern messen lassen –, wenn der Film einen eigenen Zugang, eigene Stärken fände. Genau das will ihm jedoch nicht gelingen; der große Handlungsbogen um ein sich vermeintlich ankündigendes Geschwisterkind für Nick ist sehr konstruiert und zudem für den Zuschauer direkt als Irrtum ersichtlich, und dass man sich für die Nick daraus erwachsenden Sorgen so gar nicht interessieren mag, liegt eben auch daran, dass dieser als Figur so blass und uninteressant bleibt.

Letztlich schadet dem Film Der kleine Nick, dass er von Goscinny und Sempé nicht lassen kann; er bleibt gewissermaßen zu sehr dem kulturellen Erbe treu, um dieses wirklich elegant in ein anderes Medium transferieren zu können. Er ist freilich lange nicht so furchtbar wie der jüngste Asterix-Film – dem jungen Publikum möchte man dennoch lieber die Bücher denn den Film ans Herz legen.

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Kommentare


Toni Pfeffer

Sehr geehrter Hr. Wolff,

Gottseidank habe ich mich durch ihre Kritik nicht vom Besuch des Kinos abhalten lassen.
Wir haben 90 min lang Tränen gelacht. Ihre Kritik mag zwar politisch korrekt sein, aber dafür trieft sie vor Miesepetertum;
vielleicht haben Sie einfach nicht den Sinn für diese Art Humor;
wenn ich nicht lachen kann, dann würde ich doch lieber gar keine Filmkritik schreiben, als mich als altkluger Trauertropf zu outen.
Sorry,
aber es muss ein sehr freudloses Leben sein.


orlanda bloom

lieber herr pfeiffer,
nicht nur über den film sondern auch über ihren kommentar habe ich mich köstlich amüsiert. wie wahr!! ;)


Christoph Paul

Ein Hammerfilm - ich lese die Kritik hier jetzt nicht zu Ende, weil meine Meinung schon steht.... hatte wieder mal einen köstlichen Filmabend - und die sind ja selten genug..


PeterH

Ich kann mich den drei Vorkritikern nur anschließen! Selten hab ich in den letzten Jahren so einen wundervollen und zauberhaften, dabei urkomischen Film gesehen! Lasst Euch nur nicht von der sauertöpfischen Kritik des großen bösen Wolfes abhalten! Angucken!


Amigina

Auch ich schließe mich an...ein zauberhafter Film, sehr zart, sehr süß und keinesfalls ist er konstruiert..ich musste lediglich über den Versuch lächeln, den Herr Wolf hier macht, einen so wunderbaren Film tot zu kritisieren...es gelingt ihnen nicht, wir haben ihn 3xmal gesehen und gerade Merad übertrifft sich hier wieder maßlos, genau wie diese wunderbaren Kinder, die nicht versuchen, großes Haudrauf Kino zu machen, wie es hierzulande leider üblich ist...BRAVO TIRARD!!!


Fan

Ich liebe die Bücher und war entgegen der Kritik, die ich ebenfalls in keiner Weise nachvollziehen kann, auch von dem Film begeistert. Es ist auch totaler Quatsch, "dass diese Szenen, in denen Kinder praktisch keine Rolle spielen, die originellsten des ganzen Films" seien. Vielmehr sind die Schüler entsprechend der Vorlage liebevoll und passend ausgesucht worden.


Alliandro

Das ist kein Film für "intelektuelle Cineasten", sondern für Kinder und humorvolle Eltern! Und für die (und mich auch) ist der witzig, charmant und toll!!! Den werde ich meinen Kindern weiterempfehlen!


Martin

Ein bezaubernder Film, zu dem mich ein 7-jähriger gebracht hatte, der einfach alle anderen aktuell laufenden Filme schon gesehen hatte. Ich wusste also nicht im geringsten was mich erwartet, und erlebte einen der schönsten Kinobesuche seit langem. Für Kinder wie Erwachsene ein Spaß!


sweet60

Ich habe mich köstlich über diesen Film amüsiert, ganz in der Art von les enfants de Mr. Mattheu. Es sollte noch viel mehr Filme dieser Art geben.


Axel Fretz

Was für eine dämliche Filmkritik eines Miesepeters, der sich garantiert über spielenden Kinder aufregt und ihnen grinsend jeden Ball wegnimmt. Ich habe den Film zweimal gesehen (frz. + dt.) und jedenfalls Tränen gelacht. Alle Darsteller spielen liebevoll und überzeugend ihre Rollen. Die Synchronstimmen sind perfekt. Und was für ein schöner Vorspann. Einfach wunderschönes KINO!


Nilzenburger

Hahaha! Die Kommentare sind doch alle von der gleichen Person geschrieben..:)

Ich denke, was der Film gut hinkriegt, ist den Zuschauern, die nicht so ganz genau hinsehen, eine gewisse Leichtigkeit vorzugaukeln. Das ist halt dieses Französische, nach dem sich die Leute sehnen, die ins Kino gehen. Das haben die bespielsweise auch bei Amélie bekommen. Was aber Amélie und Nick eint: Da steckt nicht viel Substanz dahinter. Die Bücher sind flach und die Charaktere blass. Das fällt aber unter den ständig dudelnden Akkordeon-Klängen kaum auf.

Nick war okay für einen Sonntagnachmittag. Die Kinder haben sich übers Popcorn gefreut, ich hab 2-3mal geschmunzelt und so ging es den Kleinen auch. Das war es aber dann auch. Wenn ich wirklich lachen möchte, über einen französischen Film, dann bleiben immernoch die "Scht´is" die Referenz...und das sieht meine Tochter übrigens genauso (Drum Merke: Nur weil viele Kinder drin sind, muss er noch lange keine Kinder begeistern...).


Axel Fretz

@Nilzenburger
Na wenigstens konnten wir Kommentatoren Ihnen ein wenig Freude bereiten. Obwohl es nicht fair ist, uns alle in einen Topf zu werden, nur weil Sie sich nicht vorstellen können, dass es eine Menge großer Nick-Begeisteter gibt.


Flat Eric

Kann diese Kritik überhaupt nicht nachvollziehen. Habe den Film jetzt im Origianl und auf deutsche gesehen, und was da gelacht wurde, erlebe ich sonst selten.

Der Film ist unglaublich liebevoll ausgearbeitet. Die Details, das überzeichnete Frankreich der 60er, die fantastischen Kinderdarsteller, die warmen Farben und die vielen Anspielungen und versteckten Gags, die erst beim zweiten Ansehen hervorstechen - all das macht den Film zu einem unvergesslichen Filmabend/nachmittag.

Von einer "untätigen Nebenfigur" habe ich nichts bemerkt und warum gut gemachter Slapstick immer mehr zum Schimpfwort verkommt, ist mir auch nicht ganz klar.

Wer sich selbst an seine Kindheit zurückerinnert, der wird die Ängste dieser Zeit erinnern: "Vergessen" zu werden im Urlaub, eigene Interpretationen der realen Umstände und immer wieder naive Fehlinterpreationen, warum die Erwachsenen so oder so handeln. All das ist im Kopfe eines Kindes viel größer und komplizierter aufgebaut, als dass man es für einen "Irrtum" abstempeln könnte.

FAZIT: An wen sich die Kritik also richten soll, ist mir nicht bekannt. Querulenten, die jeder "Buchumsetzung" 1:1 als Film haben wollen? Die meckern als erstes, das ein Buch nicht als Film funktioniert und umgekehrt...
Spaßverweigerer? Schon eher. Wer super kritisch an eine manchmal überzeichnete "Kinder"-Geschichte rangeht, kann das alles so sehen.

Finde ich dann allerdings recht arm, weil der Film so viel Herz und Wärme mitbringt, dass man sich vom Film einfach nur mal leiten lassen sollte. Dann ist der Spaß garantiert.


Stefanie

Wir haben den Kleinen Nick als DVD zu Hause und mein 7-jähriger Sohn und auch seine kleineren Geschwister sehen den Film mit großer Begeisterung immer wieder!
Es ist ein Kinderfilm und als solcher erfüllt er mit Poesie, liebevollen Details, erzählerischer Stärke und tollen Darstellern genau das, was er soll. Er unterhält Kinder auf eine Weise, die abseits von technisch ausgereiften Finessen ist und wo es auf die Geschichte ankommt und nicht auf die Action. Zauberhaft und liebenswert. Wie schön, dass noch solche Filme gedreht werden! Sehe ich tausendmal lieber als alle Disney Filme zusammen, denn dieser Film spielt einfach in einer anderen Liga.






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